Guten Tag
<< Adresse entfernt >>,
vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Arbeit und Ihre E-Mail-Anfrage via
fragdenstaat.de vom 11.09.2022 an SenBJF Post <<
<E-Mail-Adresse>><mailto:<<E-Mail-Adresse>>>> mit dem Betreff: Regelungen zum Coming out von Schüler*innen [#258842].
Auf Ihre Anfrage hin erteile ich Ihnen die folgende Auskunft. Die im Nachgang genannten Auszüge aus Dokumenten mit Bezug zum Thema „Regelungen zum Coming out von Schüler*innen“ können im Rahmen der Zuständigkeit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie zur Verfügung gestellt werden. Einsicht zu weiteren Akten im Zusammenhang mit der Erarbeitung der Dokumente kann vor Ort gewährt werden. Dazu ist die Vereinbarung eines Termins notwendig. Ein Bescheid über Gebühren und Auslagen in Vorbereitung der Akteneinsicht wird bei Inanspruchnahme entsprechend § 10 Berliner Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gesondert erlassen.
Sie haben um Zusendung folgender Informationen gebeten:
„1. Regeln, Richtlinien, Handlungsanweisungen, Empfehlungen, o. ä. seitens Ihrer Behörde zum Umgang und der Zeit nach einem Coming out von Schüler*innen. Hierbei beziehe ich mich unter anderem auf folgende Fragen:
- Wann/Wo darf ein neuer Name von transidenten Schüler*innen genutzt bzw. nicht genutzt werden?
- Wann/Weshalb muss eine Rücksprache mit Erziehungsberechtigten stattfinden?
- Umgang mit transidenten Schüler*innen bei nach Geschlecht getrennten Punkten (z.B. Sportunterricht, Umkleiden, Toiletten)“
Zu 1.)
Bzgl. der genannten Fragen werden auf Anfrage folgende Empfehlungen gegeben:
Die Schüler*innen sind mit dem von ihnen bevorzugten Namen und den Pronomen anzusprechen, die mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmen.
In Situationen, in denen die Bedürfnisse der Schüler*innen nicht den Wünschen der Erziehungsberechtigten entsprechen, und wenn letztere den Schüler*innen oder deren Bedürfnissen ablehnend gegenüberstehen, können die Fachkräfte in der Schule in enger Abstimmung mit dem*der Schüler*in versuchen, zwischen Kind und Familie zu vermitteln. Sollte dies scheitern und wird deutlich, dass die Bedürfnisse und/oder Rechte der Schüler*innen nicht beachtet werden, müssen ggf. Stellen zum Schutz des Kindeswohls eingeschaltet werden (Jugendamt).
Allen Schüler*innen muss es erlaubt sein, am Sportunterricht und an sportlichen Aktivitäten auf eine Weise teilzunehmen, die ihrer Geschlechtsidentität entspricht. Dies beinhaltet auch, sich gemäß der eigenen Geschlechtsidentität zu kleiden, insofern geschlechtsspezifische Bekleidung existiert.
Im Falle eines geschlechtergetrennten Unterrichts gilt: Transgeschlechtliche Schüler*innen sollten daher nach ihrem Coming-out in die Sportgruppe wechseln können, die ihrer Geschlechtsidentität entspricht - sobald sie dies wünschen. Für nicht-binäre und inter* Schüler*innen mit Geschlechtseintrag divers oder ohne Geschlechtseintrag wird empfohlen, dass diese analog zu der inklusiven Regelung in der Meldeordnung des Berliner Fußballverbands entscheiden können, an welchem Unterricht sie teilnehmen.
Im Hinblick auf alle Toiletten und Umkleideräume müssen Schüler*innen Zugang zu den Einrichtungen haben, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen. Schulen müssen (gesetzlich vorgeschrieben) Toiletten und Umkleideräume für männliche und weibliche Schüler*innen bereithalten, die getrennt benutzt werden können. Den Schüler*innen sollte es aber grundsätzlich freistehen, die Einrichtungen auf der Grundlage ihrer Geschlechtsidentität zu wählen.
Bei jeder geschlechtsspezifischen Räumlichkeit sollte allen Schüler*innen, die sich in gemeinsam genutzten Räumen unwohl fühlen, unabhängig von den Ursachen hierfür auf Bitte der Betroffenen eine sichere und nicht stigmatisierende Alternative angeboten werden. Wenn aber von trans- und intergeschlechtlichen bzw. intersexuellen Schüler*innen verlangt wird, einen separaten, nicht integrierten Raum zu benutzen, besteht die Gefahr, diese Schüler*innen öffentlich als trans- oder intergeschlechtlich bzw. intersexuell zu outen oder zu marginalisieren. Diese Lösung sollte nur auf ausdrücklichen Wunsch der betroffenen Schüler*innen gewählt werden. Von Schüler*innen darf nicht verlangt werden, dass sie geschlechtsspezifische Einrichtungen nutzen, die nicht ihrer Geschlechtsidentität entsprechen. Lösungen müssen daher sensibel und von Fall zu Fall entlang der gegebenen Rahmenbedingungen gesucht und gefunden werden.
Sofern verfügbar sollten Schulen bestimmte für die Nutzung durch eine Einzelperson vorgesehene Räumlichkeiten allen Schüler*innen unabhängig von ihrem sozialen Geschlecht zugänglich machen und solche für die Nutzung durch Einzelpersonen gedachte Einrichtungen bei Neubauten oder Renovierungsvorhaben einbeziehen. Allerdings dürfen Schüler*innen unter keinen Umständen allein aus dem Grund dazu aufgefordert werden, solche Räumlichkeiten zu nutzen, weil sie trans- oder intergeschlechtlich bzw. intersexuell sind.
In den Musterraumprogrammen und Musterfunktionsprogrammen sind ausreichend Sanitäranlagen vorgesehen, um die Nutzendenzahl je Schule oder Sporthalle zu versorgen. Vorgegeben wird eine Fläche für WC-Anlagen. Eine zwingende Unterteilung in zwei Einheiten ergibt sich hieraus aber nicht. Unisex-WCs können ausgewiesen werden.
Eine organisatorische Zuordnung über eine entsprechende Unisex-Beschilderung ist auch bei zweiteilig geplanten Anlagen, z. B. im Bestand, jederzeit variabel möglich.
Weiterhin können Einzelkabinen nach individuellem Bedarf genutzt und gekennzeichnet werden. Bei Sporthallen ab drei Hallenteilen ist auch eine Unterteilung der allgemeinen Duschräume eine entsprechende Zuordnung möglich.
Darüber hinaus werden aktuell, im Rahmen einzelner Vorhaben, neue Varianten für die Umsetzung verschiedener Modelle untersucht. Hier gibt es eine Bandbreite von der Variante, alle Anlagen Unisex ohne Vorräume umzusetzen, bis hin zu einer Drei- oder Vierteilung der Anlagen.
„2. Wenn es keine Regeln, Richtlinien, Handlungsanweisungen, Empfehlungen, o.ä. seitens Ihrer Behörde zum Umgang und der Zeit nach einem Coming out von Schüler*innen gibt, wie und anhand welcher Informationen werden Anfragen von Schulen zu den in Punkt 1 genannten Themen beantwortet?“
Zu 2.)
Es existieren o. g. Empfehlungen (s. 1.).
„3. Welchen Handlungsspielraum haben Schulen bei der Beantwortung der in Punkt 1 genannten Fragen? Hierbei beziehe ich mich unter anderem auf folgende (fiktive) Beispiele:
- Erziehungsberechtigte müssen über ein Coming Out informiert werden
- Bevor ein neuer Name genutzt werden darf, benötigt es die Erlaubnis von Erziehungsberechtigten“
Zu 3.)
Erziehungsberechtigte müssen grundsätzlich nicht über ein Coming-out informiert werden. Ein neuer (selbst gewählter) Vorname darf grundsätzlich in der Schule genutzt werden. Eine Erlaubnis von Erziehungsberechtigten ist nicht erforderlich. Es kann jedoch im Sinne einer guten Zusammenarbeit zwischen Schule und Erziehungsberechtigten und zur Erfüllung des pädagogischen Auftrags je nach Altersstufe sinnvoll sein, a) das Kind/die jugendliche Person bei dem Coming-out den Eltern gegenüber zu unterstützen oder b) in enger Absprache mit dem Kind/der jugendlichen Person die Eltern zu informieren.
Mit freundlichen Grüßen