Sehr geehrter Herr Antragsteller/in,
Bezug nehmend auf Ihren Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes vom 28.11.2013 erhalten Sie nachstehend die gewünschten Informationen.
Zu Ihren Fragen 1 und 2:
„1. Bis zum wie vielten Monat ist die Sanktionierung von schwangeren Hartz IV-Bezieherinnen vom Grundgesetz geschützt?
2. Für Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren sieht das SGB II sogar Sanktionen bis 100% der Leistungen vor. Außerdem können die Leistungen der Kosten der Unterkunft bis auf 0 gekürzt werden. Schwangerschaften sind als Ausnahmeregelungen nicht vorgesehen. Welche Ermessensspielräume und welchen Schutz für Jobcentermitarbeiter sieht das SGB II vor, wenn diese die Umsetzung der Lebensbedrohlichen Sanktionen gegen Schwangere aus Gewissensgründen verweigern möchten?“
Die Fragen 1 und 2 und die Antworten hierauf überschneiden sich inhaltlich.
In den Jobcentern wird der besonderen Situation werdender Müttern bei der Beratung und Integration Rechnung getragen. Es ist ein selbstverständliches Anliegen, dass werdende Mütter gerade in dieser Phase kompetent unterstützt und nur geeignete, passgenaue Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht werden (§ 14 SGB II i. V. m. § 3 Absatz 1 SGB II).
Aspekte der Zumutbarkeit, der geltenden Schutzfristen und auch der besonderen Rahmenbedingungen einer Arbeitsaufnahme sind wichtig und müssen eingehend mit den Schwangeren besprochen werden. Schwangere dürfen vom Arbeitsmarktgeschehen und auch vom Integrationsprozess nicht ausgegrenzt werden. Diesem Aspekt kommt – auch und gerade im Hinblick auf das Kindeswohl – erhebliche Bedeutung bei der Umsetzung des gesetzlichen Auftrags zu.
Gleichzeitiger Auftrag der Grundsicherung ist, die persönlichen und sozialen Rahmenbedingungen der Schwangeren im Blick zu halten und hier im Bedarfsfall gezielt stabilisierende und unterstützende Hilfen zu leisten und zu vermitteln.
Viele Jobcenter stellen gemeinsam mit ihren Netzwerkpartnern (wie z.B. Pro Familia, der Stiftung Pro Kind oder im Rahmen der Lokalen Bündnisse für Familie) ein umfassendes Beratungsangebot zur Verfügung, das auch die vielfältige Dienstleistungslandschaft aus dem kommunalen Raum einbezieht. Fallmanager/innen und Integrationsfachkräften stehen darüber hinaus zentrale Hilfestellungen und Arbeitsmittel zur Verfügung, wie z. B. Empfehlungen für lokal auszugestaltende Handlungsstrategien, mit denen eine Stabilisierung familiärer Verhältnisse erzielt werden kann.
Werdende Mütter vollständig von Sanktionen auszunehmen, ist nicht mit den Zielen des SGB II vereinbar. Dazu gehört die Unterstützung bei der Überwindung der Hilfebedürftigkeit – als Recht und auch als Pflicht (soweit zumutbar). Nach den Vorschriften des SGB II ist auch einer werdenden Mutter Arbeit zumutbar, wenn sie hierzu u. a. „körperlich, geistig und seelisch“ in der Lage ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB II) oder kein anderer sonstiger wichtiger Grund vorliegt, über dem in jeden Einzelfall zu entscheiden ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB II). Entsprechendes gilt für die Teilnahme an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit (§ 10 Abs. 3 SGB II). In diesen Fällen sind jedoch auch die Regelungen des Mutterschutzgesetzes (z. B. zum Beschäftigungsverbot), analog zu regulär Beschäftigten, zu beachten. Eine Pflichtverletzung, etwa ein Verstoß gegen Inhalte der Eingliederungsvereinbarung oder die Ablehnung einer Arbeit oder Maßnahme, kann dementsprechend auch nur dann sanktioniert werden, wenn es sich um eine unbegründete Ablehnung eines erforderlichen und insbesondere zumutbaren Angebots handelt. Auch § 31 SGB II sieht korrespondierend zu § 10 SGB II bei einer Pflichtverletzung eine Sanktion nur vor, wenn kein wichtiger Grund vorliegt. Zum Vorliegen eines wichtigen Grundes werden die Leistungsberechtigten angehört.
Eine Schwangerschaft an sich führt jedoch nicht zur Unzumutbarkeit jeder Arbeit oder der Teilnahme an einer Maßnahme zu einer Eingliederung. Zu berücksichtigen sind - auch bei diesem Personenkreis - alle Umstände des Einzelfalles (sorgfältige Abwägung der persönlichen Rahmenbedingungen, Fortbesehen von bereits Angeboten, etc.).
Auch im Rahmen der Meldepflicht nach § 59 SGB II i. V. m. § 309 SGB III und der möglichen Rechtsfolgen bei einem Meldeversäumnis nach § 32 SGB II gibt es keine gesonderte Regelung für werdende Mütter.
Der Gesetzgeber sieht in der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Bestellung von Beauftragten für Chancengleichheit vor (§ 18e SGB II). Aufgabe der Beauftragten wird es auch sein, die gemeinsamen Einrichtungen in Fragen der Frauenförderung und auch der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu beraten und zu unterstützen.
Seitens der BA gibt es keine zentralen Vorgaben, die den Fokus auf die Integration von Schwangeren legen. Die Weisungslage zu den §§ 10, 31 ff., 32, 59 SGB II können den jeweiligen Fachlichen Hinweisen<http://www.arbeitsagentur.de/nn_166486/zentraler-Content/A01-Allgemein-Info/A015-Oeffentlichkeitsarbeit/Allgemein/IW-SGB-II-Fachliche-Hinweise.html>, die im Internet der BA veröffentlicht sind, entnommen werden. Um den gesetzlichen Auftrag zu entsprechen, können auch Schwangere in sinnvolle Aktivitäten und zumutbare Integrationsschritte bezogen auf den Einzelfall eingebunden werden. Eine generelle unzumutbare Härte sieht der Gesetzgeber für Schwangere nicht vor.
Zu Ihrer Frage 3:
„3. Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention sichert allen Bürgern zu, dass innerhalb der EU das Recht jedes Menschen auf Leben grundsätzlich gesetzlich geschützt wird, macht aber die Einschränkung landeseigener Gesetzgebung. Die Versagung der Existenzsichernden Grundversorgung stellt durchaus eine solche Lebensbedrohliche Situation für Schwangere, bzw. das Ungeborene dar. Zählt die Sanktionsgesetzgebung des SGB II zu den benannten Ausnahmeregelungen der Europäischen Menschenrechtskonvention?“
Das Informationsfreiheitsgesetz regelt den Anspruch auf Zugang zu konkreten amtlichen Informationen. Gegenstand des Informationsfreiheitsgesetz ist nicht die Erörterung des gesetzgeberischen Willens, auf den die Bundesagentur für Arbeit im Übrigen keinen unmittelbaren Einfluss hat.
Zu Ihrer Frage 4:
„4. Welche fundierten Studien liegen der Regierung und Ihrem Ministerium vor, die den Nutzen solcher Sanktionen für die Integration Erwerbsloser in den ersten Arbeitsmarkt mit Fakten begründen können?“
Zu der Frage, ob und welche Studien der Regierung und dem Ministerium vorliegen, kann die Bundesagentur für Arbeit keine konkrete Aussage treffen.
Mit freundlichen Grüßen