Sehr geehrtAntragsteller/in
ich stimme durchaus mit Ihnen überein, dass die Signalregelung aus der
Sicht des Autofahrers nicht immer optimal und manches Anhalten vor einer
roten Ampel auf den ersten Blick überflüssig erscheint. Ich kann Ihnen
jedoch versichern, dass die Stadt Stuttgart bemüht ist, den Verkehr so
zügig wie möglich abzuwickeln. Die allgemeine Vorstellung, dass es noch
erhebliche Potentiale zur Verbesserung des Verkehrsablaufs im motorisierten
Individualverkehr gibt, ist leider nicht zutreffend. Schließlich müssen
auch Stadtbahnen und Linienbusse, Radfahrer und Fußgänger angemessen
berücksichtigt werden. Die Signalprogramme einzelner Knotenpunkte sowie die
Grünen Wellen obliegen dabei folgenden Randbedingungen:
Die Grünzeiten starker Fahrzeugströme werden begrenzt durch die
zumutbaren Rotzeiten der anderen Verkehrsbeziehungen, insbesondere aber
der Fußgänger und Radfahrer. Die Programmumlaufzeit, welche sich aus der
Summe aller Grünzeiten und der dazwischen liegenden Schutzzeiten ergibt,
ist daher begrenzt. Während in den Richtlinien eine Obergrenze von 90
Sekunden empfohlen wird, geht die Stadt Stuttgart an vielen größeren
Knoten bis zum maximal zulässigen Wert von 120 Sekunden. Dennoch lässt
es sich nicht vermeiden, dass manche Knotenpunkte überlastet sind.
Für untergeordnete Ströme werden teilweise Grünzeiten geschaltet, die
über den Mindestgrünzeiten liegen. Gerade im Interesse der älteren,
gehbehinderten und blinden Mitbürger werden für die Fußgängergrünzeiten
Werte, die deutlich über den Mindestmaßen liegen, angewendet, auch wenn
dies einige wenige zusätzliche Sekunden Wartezeit für den Autofahrer
bedeutet. Ebenso müssen sehr sorgfältig die Wartezeiten am Fahrbahnrand
berücksichtigt werden, da Fußgänger bekanntlich bei längeren Rotzeiten
zum nicht verkehrsgerechten Überqueren der Fahrbahn neigen. Dies gilt in
besonderem Maße im Bereich von Haltestellen sowie an Schulen und
Kindergärten.
Grüne Wellen erfordern einen festen, regelmäßig wiederkehrenden Takt mit
genau abgestimmten Zeitversätzen von einer Signalanlage zur anderen.
Alle Signalanlagen eines Streckenzugs mit Grüner Welle müssen daher mit
derselben Programmumlaufzeit betrieben werden.
Aufgrund unterschiedlicher Randbedingungen ist eine einheitliche
Umlaufzeit für das ganze Stadtgebiet nicht sinnvoll, da sonst an
zahlreichen Knotenpunkten und Überwegen unnötig lange Wartezeiten
entstehen würden. Die insgesamt 811 Signalanlagen in Stuttgart werden
daher 72 unterschiedlichen Streckenzügen zugeordnet, ein Teil wird
unsynchronisiert betrieben. Die Umlaufzeit beträgt je nach Örtlichkeit
und Tageszeit zwischen 36 und 120 Sekunden.
Wirklich gute Grüne Wellen lassen sich nur in Einbahnstraßen einrichten,
da jeweils nachfolgende Lichtsignalanlagen in einem der Fahrzeit
entsprechenden Zeitversatz auf Grün geschaltet werden können.
Sobald die Gegenrichtung hinzu kommt, lässt sich eine Grüne Welle
teilweise nur noch eingeschränkt realisieren. Einfach ist es nur dann,
wenn die Signalanlagen in einem passenden Abstand liegen. Ideal wäre bei
50 km/h und einer Umlaufzeit von 90 Sekunden ein Knotenpunktsabstand von
625 Metern, bei 120 Sekunden Umlauf sogar von 833 Metern. Dann ließen
sich Grünanfang und Grünende für Richtung und Gegenrichtung an jeder
Kreuzung zeitgleich, von Kreuzung zu Kreuzung genau um eine halbe
Umlaufzeit versetzt schalten. In der Realität liegen in fast allen
Fällen die Abstände deutlich unter diesem Wert. Grund sind hierfür die
dichte Bebauung und die sich in kurzen Abständen wiederholenden
Kreuzungen von Hauptverkehrsstraßen. Aber auch die Notwendigkeit, aus
Sicherheitsgründen Fußgängerüberwege oder getrennt zu schaltende
Linksabbiegespuren anzulegen, tragen hierzu bei. Daher kann oft nur ein
Teil des Verkehrs in Grüner Welle geführt werden. Je nach Notwendigkeit
laufen dann entweder die ersten oder die letzten Fahrzeuge eines Pulks
bei Rot auf, oder aber eine Richtung wird durchgehend geführt, die
andere läuft komplett auf.
Die Bevorrechtigung von Stadtbahn und Bus trägt ebenfalls dazu bei, dass
die Qualität der Grünen Wellen schlechter wird, da sie eine bedarfsweise
Verschiebung der Grünzeiten bedeutet, z.B. dann, wenn die wegen einer
Bahn zunächst unterdrückte Grünzeit einer Querrichtung zu einem
Zeitpunkt nachgeholt werden muss, zu dem eigentlich die Hauptrichtung
schon wieder Grün hätte. Hierzu ist zunächst anzuführen, dass die
Bevorrechtigung mit einem Beschluss des Gemeinderats vom November 1987
eingeführt wurde und auch weiterhin ein Ziel der Planungen der Stadt
Stuttgart ist. Der Nutzen für den ÖPNV ist hier ein zweifacher: die
geringen Gewinne von jeweils nur wenigen Sekunden pro Kreuzung summieren
sich über eine Stadtbahnstrecke oft auf 5 Minuten, so dass, die
Gegenrichtung hinzugenommen, bei 10-Minuten-Takt ein ganzes Fahrzeug
eingespart werden kann. Für den Fahrgast, der oft nur eine Teilstrecke
mit der Bahn fährt, ist zwar ein Zeitgewinn von 1 - 2 Minuten weniger
maßgebend, hier ist vielmehr entscheidend, dass auch die Pünktlichkeit
deutlich verbessert werden konnte. Beim Umsteigen gehen deutlich weniger
Anschlüsse verloren als noch vor Jahren. Neben einem Ausbau des
Stadtbahnnetzes trägt gerade der letztgenannte Punkt dazu bei, dass die
Fahrgäste, die auch ein Auto zur Verfügung haben, für ihre täglichen
Fahrten beim ÖPNV bleiben und somit die Straßen weniger belasten.
Neben all diesen Punkten erwarten auch Fußgänger und Radfahrer möglichst
kurze Wartezeiten, Fahrgäste der Stadtbahn wollen den Überweg zur
Haltestelle auch noch kurz vor der einfahrenden Bahn queren können, um
diese nicht zu verpassen, und Schüler sowie Altenheimbewohner hätten
gerne möglichst lange Fußgängergrünzeiten.
Manchmal sind Grüne Wellen temporär nicht verfügbar, wenn die
Datenübertragung zwischen Verkehrsrechner und Kreuzungssteuergerät
gestört ist und damit die Synchronisierung ausfällt.
Für die größten Staus sorgen übrigens unvorhergesehene Baustellen
(Gasgeruch, Wasserrohrbruch), Unfälle auf den Ausfallstraßen und in
immer stärkerem Maße Behinderungen auf den Autobahnen A8 und A81. Zwar
weicht nur ein kleiner Teil des Verkehrs von der Autobahn auf das
städtische Straßennetz aus. Da dies aber in der Regel in den
Hauptverkehrszeiten erfolgt, ist eine Überlastung des Netzes die
zwangsläufige Folge.
Wie Sie sehen, gibt es für die Signalsteuerung äußerst viele
Randbedingungen, die nur schwer alle gleichzeitig berücksichtigt werden
können. Eine Signalsteuerung, die einseitig nur auf ein behinderungsfreies
Durchfahren der Fahrzeuge in der Hauptrichtung orientiert ist, würde die
Interessen aller anderen Verkehrsteilnehmer zu sehr vernachlässigen und
kommt daher in Stuttgart nicht zum Zuge. Selbstverständlich werden die
vorhandenen Grünen Wellen von Zeit zu Zeit angepasst. So wurden in letzter
Zeit neue Signalprogramme für die B10 im Bereich Bad Cannstatt und die B27
zwischen Charlottenplatz und Bopser sowie in Degerloch erarbeitet.
In den inneren Stadtbezirken gibt es insgesamt 267 Lichtsignalanlagen
(Knotenpunkte und Fußgängerschutzanlagen). Aufgrund der meist
verkehrsabhängigen Steuerung umfasst eine einzelne Akte oft 50 - 100
Seiten. Für die inneren Stadtbezirke kommen so rasch insgesamt 20.000
Seiten oder mehr zusammen. Dies stellt einen unverhältnismäßigen Aufwand
dar. Ich schlage daher vor, dass Sie nach Terminabsprache bei uns ein mal
Einsicht in die eine oder andere Akte nehmen.
Freundliche Grüße