Stellungnahme(n) der Bundesrepublik im Verfahren Duarte Agostinho and Others v. Portugal and 32 Others vor dem EGMR (39371/20) (Klimaklage)
Antrag nach dem IFG/UIG/VIG
Guten Tag,
bitte senden Sie mir Folgendes zu:
1. Die Stellungnahme(n) der Bundesrepublik im Verfahren Duarte Agostinho and Others v. Portugal and 32 Others sowie
2. die Ablehnungsentscheidung des EGMR, das Verfahren nicht an die Große Kammer zu überweisen.
I. Stellungnahme(n) als Umweltinformationen
Die begehrten Stellungnahme(n) sind als Umweltinformationen gem. § 2 Abs. 3 Nr. 3 lit. a) UIG zu betrachten.
Der Begriff der Umweltinformation ist im Hinblick auf den Zweck des Gesetzes, das allgemeine Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und auf diese Weise den Umweltschutz zu verbessern, weit auszulegen (vgl. EuGH, Urt. v. 17.6.1998 – Rs. C-321/96, Slg. 1998, I-3809, 3833, BVerwG, Beschl. v. 21.02.2008 - 20 F 2/07 -, BVerwGE 130, 236 = NVwZ 2008, 554; Urteil vom 21.02.2008 - 4 C 13/07 -, BVerwGE 130, 223 = NVwZ 2008, 791).
Konkret zu Stellungnahmen von Behörden hat der EuGH folgendes ausgeführt:
„21. Von einer “Information über die Umwelt i.S. der Richtlinie” kann daher bereits dann gesprochen werden, wenn eine Stellungnahme der Verwaltung der im Ausgangsverfahren streitigen Art eine Handlung darstellt, die den Zustand eines der von der Richtlinie erfaßten Umweltbereiche beeinträchtigen oder schützen kann. Dies ist dann der Fall, wenn, wie das vorlegende Gericht ausführt, diese Stellungnahme die Entscheidung über die Planfeststellung hinsichtlich der Belange des Umweltschutzes beeinflussen kann.
22. Daher ist auf die erste Frage zu antworten, daß Art. EWG_RL_90_313 Artikel 2 lit. a Richtlinie so auszulegen ist, daß er auf eine Stellungnahme einer Landschaftspflegebehörde im Rahmen ihrer Beteiligung an einem Planfeststellungsverfahren Anwendung findet, wenn diese Stellungnahme geeignet ist, die Entscheidung über die Planfeststellung hinsichtlich der Belange des Umweltschutzes zu beeinflussen.“ (EuGH, Urteil vom 17.06.1998 - Rs. C-321/96Wilhelm Mecklenburg/Kreis Pinneberg = EuGH: Zugang zu Umweltinformationen, NVwZ 1998, 945, 946)
Wenngleich diese Ausführungen sich auf behördliche Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren beziehen, kann für Stellungnahmen in Gerichtsverfahren nichts anderes gelten. Die Stellungnahme der Bundesrepublik ist nämlich in gleicher Weise wie die Stellungnahme einer Landschaftspflegebehörde geeignet, den Ausgang eines (hier Gerichts-)Verfahrens zu beeinflussen. Andernfalls dürfte sich schon die Frage stellen, warum die Bundesrepublik hier überhaupt Stellung genommen hat. Im Übrigen ist auch ein „wahrscheinliches Auswirkungen“ auf Umweltbestandteile oder Faktoren ausreichend (Landmann/Rohmer UmweltR/Reidt/Schiller UIG § 2 Rn. 44).
Dass der Ausgang des Verfahrens vor dem EGMR Auswirkungen auf die nicht nur deutsche Klimaschutzpolitik und damit die Treibhausgasemissionen haben wird, dürfte unstreitig sein. Erfasst werden explizit auch nur mittelbare Auswirkungen (BVerwG, Urt. v. 25.3.1999 – 7 C 21.98, BVerwGE 108, 369, 376 ff.), sodass die Anzahl der „Kettenglieder“ (Stellungnahme – EGMR-Urteil – Klimaschutzpolitik – Treibhausgasemissionen) hier jedenfalls unschädlich ist.
Im Wesentlichen Gleiches gilt auch für die Entscheidung des EGMR zu (2.).
II. Keine nachteiligen Auswirkungen ersichtlich
Bei Zugänglichmachung der Stellungnahmen sind insbesondere keine nachteiligen Auswirkungen auf die Durchführung des laufenden Gerichtsverfahrens iSd § 8 Abs. 1 Nr. 3 UIG zu besorgen. Die Rechtsprechung stellt strenge Maßstäbe an die entsprechende Darlegungslast der Behörde:
„Dass mit Blick auf Sinn und Zweck des Ablehnungsgrundes vorliegend schon allgemein in Betracht kommende nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen ausreichen müssten, die sich aus der Dokumentengattung und -struktur als solches ergäben, vermag nicht zu überzeugen. Bei Vorgängen, die eine typisierende Betrachtungsweise ermöglichen, kann die gebotene prognostische Einschätzung nachteiliger Auswirkungen zwar auch auf allgemeinen Erfahrungswerten beruhen. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass im Ergebnis im Wege einer generalisierenden Betrachtungsweise entgegen der Konzeption des Gesetzes eine Bereichsausnahme für die Tätigkeit der informationspflichtigen Stelle geschaffen wird (BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - NVwZ 2013, 431, juris Rn. 41; Urteil des Senats vom 28. Juni 2013 - OVG 12 B 9.12 - juris Rn. 30).“ (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2015 – OVG 12 B 6.14 –, juris, Rn. 48)
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist schon nicht ersichtlich, welche Auswirkungen eine Zugänglichmachung der Informationen überhaupt auf die Durchführung des Gerichtsverfahrens haben sollte, geschweige denn nachteilige Auswirkungen. Insbesondere würde eine Verschlechterung der prozessualen Position der Bundesrepublik den Ablehnungstatbestand nicht erfüllen, da nur die Durchführung des Verfahrens als solches geschützt ist (BeckOK InfoMedienR/Karg UIG § 8 Rn. 37a m.w.N., so auch Landmann/Rohmer UmweltR/Reidt/Schiller UIG § 8 Rn. 28.). So wird auch die mündliche Verhandlung vor dem EGMR zum Zeitpunkt Ihrer Entscheidung über den Antrag bereits stattgefunden haben.
§ 8 Abs. 1 Nr. 3 UIG ist somit nicht einschlägig.
Im Wesentlichen Gleiches gilt auch für die Entscheidung des EGMR zu (2.).
III. Hilfsweise: Überwiegendes öffentliches Interesse
Selbst unter Annahme von nachteiligen Auswirkungen auf die Durchführung des Verfahrens überwiegt vorliegend das überwältigende öffentliche Interesse an der deutschen Klimaschutzpolitik im Allgemeinen und dem Verfahren vor dem EGMR im Besonderen. Dies zeigt auch die bereits bis zum Vormittag der mündlichen Verhandlung erschienene Medienberichterstattung – beispielhaft:
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/klimaklage-europa-gericht-strassburg-menschenrechte-100.html
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/egmr-klimaklagen-100.html
https://www.tagesspiegel.de/wissen/damit-wir-eine-lebenswerte-zukunft-haben-junge-klimaaktivisten-klagen-gegen-32-europaische-staaten-10534756.html
https://www.zeit.de/news/2023-09/27/jugendliche-verklagen-staaten-auf-klimaschutz
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/klimaklage-egmr-3937120-duarte-agostinho-gegen-32-staaten-emrk-verpflichtungen-klimaschutz/
Besondere Relevanz hat meine Anfrage zu (2.) vor dem Hintergrund, dass die Bundesrepublik möglicherweise die Überweisung des Verfahrens an die Große Kammer des EGMR unterbinden wollte, siehe insoweit:
„Auf Seiten des Gerichts sind ganze 22 Richterinnen und Richtern an dem Verfahren beteiligt. Der Fall wird mit besonderer Priorität behandelt, aufgrund der "Bedeutung und Dringlichkeit der aufgeworfenen Fragen", urteilte das Gericht im Oktober 2020, kurz nach dem die Klage eingereicht wurde.
Nach Unterlagen, die ZDF frontal vorliegen, hatten die angeklagten Staaten und auch Deutschland versucht, das zu verhindern. Das Gericht lehnte ab.“ (https://www.zdf.de/nachrichten/politik/klimaklage-europa-gericht-strassburg-menschenrechte-100.html)
Die Tatsache, dass sich die Bundesregierung vordergründig und öffentlichkeitswirksam für mehr Klimaschutz engagiert, in einem solchen Verfahren dann aber versucht, das gerichtliche Verfahren gewissermaßen kleinzuhalten, bedarf weiterer Informationen, damit sich die Öffentlichkeit ein Bild vom Vorgehen der Bundesregierung machen kann.
Das öffentliche Interesse an der diesbezüglichen Stellungnahme der Bundesregierung sowie der Antwort des EGMR hierauf ist nochmal erhöht.
Einer Schwärzung personenbezogener Daten stimme ich zu. Vorsorglich weise ich darauf hin, dass aus Gründen des oben dargelegten überragenden öffentlichen Interesses gem. § 2 UIGGebV keine Gebühren erhoben werden dürfen, hilfsweise für die Frage zu (2.) keine Gebühren zu erheben sind, äußerst hilfsweise diese jeweils deutlich zu ermäßigen sind. Sollten Sie anderer Auffassung sein bitte ich um eine kurze Mitteilung unter Angabe der zu erwartenden Gebühren und ihrer Zusammensetzung vorab.
Sollten Sie die Stellungnahmen nicht vorliegen haben bzw. nicht verfügungsberechtigt sein, eine andere Behörde dagegen schon, bitte ich um Weiterleitung meiner Anfrage und stimme zu diesem Zweck einer Weitergabe meiner personenbezogenen Daten zu.
Ich verweise auf § 7 Abs. 5 IFG/§ 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UIG/§ 4 Abs. 2 VIG und bitte Sie, mir die erbetenen Informationen so schnell wie möglich, spätestens nach Ablauf eines Monats zugänglich zu machen. Kann diese Frist nicht eingehalten werden, müssen Sie mich darüber innerhalb der Frist informieren.
Sollten Sie meinen Antrag ablehnen wollen, bitte ich um Mitteilung der Dokumententitel und eine differenzierende Ablehnung hinsichtlich der Fragen zu (1.) und (2.).
Ich möchte Sie um eine Empfangsbestätigung bitten und danke Ihnen für Ihre Mühe!
Mit freundlichen Grüßen
Antwort verspätet
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Datum27. September 2023
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31. Oktober 2023
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