Sehr geehrter Herr Antragsteller/in,
der Bundesfinanzhof (BFH) hat erstmals mit Urteil vom 11.01.2012 - I R 27/11 - entschieden, dass § 50d Abs. 8 Einkommensteuergesetz (EStG) die speziellere Vorschrift im Verhältnis zu § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG sei und im Ergebnis dazu führe, dass die aus Irland stammenden Arbeitslöhne des in Deutschland ansässigen, unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Flugpersonals in Deutschland nicht besteuert werden könnten. Als Reaktion auf dieses Urteil und um zu verhindern, dass die Einkünfte weder im Wohnsitz- noch im Quellenstaat unversteuert blieben, hat der Gesetzgeber § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG durch Art. 2 Nr. 26 Buchst. b) des Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetzes (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.06.2013 (Bundesgesetzblatt I S. 1809) geändert. Danach hat § 50d Abs. 8 EStG nur noch dann Vorrang vor § 50d Abs. 9 EStG, wenn § 50d Abs. 8 die Steuerfreiheit noch weiter einschränkt als § 50d Abs. 9 EStG.
Gemäß § 52 Abs. 59a Satz 9 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG ist § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist, d. h. in allen noch offenen Fällen, auch wenn die Einkünfte vor dem Jahr 2013 erzielt wurden. Den Ausführungen des Finanzgerichts Köln im Verfahren 1 V 1635/13 ist insofern zuzustimmen, als dort festgestellt wurde, dass § 52 Abs. 59a Satz 9 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG bei summarischer Prüfung eine echte Rückwirkung zur Folge habe.
Das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht (BVerfGE) Band 88 S. 384; Band 122 S. 374; Band 126 S. 369). Das Rückwirkungsverbot gilt demnach nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. BVerfGE Band 95 S. 64; Band 122 S. 374) oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war (vgl. BVerfGE Band 13 S. 261; Band 50 S. 177).
Das trifft auf die Besteuerung der aus Irland stammenden Arbeitslöhne des in Deutschland ansässigen, unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Flugpersonals zu. Das Rückwirkungsverbot greift in diesen Fällen nicht, da kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts für vergangene Zeiträume entstanden war. Davon ist u. a. dann auszugehen, wenn der Betroffene schon im Zeitpunkt, auf den sich die Rückwirkung bezieht, nicht mit der Steuerfreiheit der Einkünfte rechnen durfte. Die der Steuerfreiheit entgegenstehende Verwaltungsauffassung kam im BMF-Schreiben vom 12. November 2008 (Bundessteuerblatt I 2008 S. 988) klar zum Ausdruck. Darin heißt es u. a.:
"Ab dem Veranlagungszeitraum 2007 werden nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG Einkünfte, die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, ungeachtet des DBA nicht von der Besteuerung ausgenommen, wenn die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht auf Grund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Sitzes oder eines ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist."
Auch in Bezug auf das o.g. Urteil des BFH vom 11.01.2012 konnte kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen. Es handelt sich insoweit nicht um eine gefestigte, langjährige höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. Begründung zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013, das bereits eine Änderung des § 50d Abs. 9 EStG vorsah, welches aber nicht verabschiedet wurde, in BT-Drs. 17/13033; die Begründung gilt gleichermaßen für das AmtshilfeRLUmsG).
Das o. g. Urteil des Finanzgerichts Köln bindet die Finanzverwaltung über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht, zumal das Gericht in einem Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung die Voraussetzungen einer echten (unzulässigen) Rückwirkung lediglich summarisch, d. h. überschlägig, geprüft hat. Die Detailprüfung bliebe einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der Beschluss des BFH im Verfahren I B 109/13 hat aus Sicht der Finanzverwaltung für die noch offenen Fälle keinerlei Bedeutung, weil der Beschluss zur alten Rechtslage, d. h. zur Rechtslage vor Ergehen des AmtshilfeRLUmsG ergangen ist.
Das bedeutet im Ergebnis: Die aus Irland stammenden Arbeitslöhne des in Deutschland ansässigen, unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Flugpersonals der Jahre 2007 bis 2012 sind entgegen Art. 14 Abs. 3 DBA-Irland steuerpflichtig. Eine diesbezügliche Erstattung von Steuern, wie von Ihnen gefordert, erfolgt nicht.
Dem Informationsrecht nach § 1 Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) ist m. E. durch Auskunftserteilung Genüge getan (§ 5 Abs. 2 Satz 1 LIFG). Die o. g. Gesetzesbegründung ist allgemein zugänglich (§ 5 Abs. 2 Satz 2 LIFG).
Mit freundlichen Grüßen