Sehr geehrter Herr Kempen,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum sehr wichtigen Thema der Suizidprävention im Justizvollzug.
Diese möchte ich wie folgt beantworten:
Wir setzen alles im Hamburger Justizvollzug daran, um Suizide zu verhindern und die Gefangenen bestmöglich zu schützen. Aus diesem Grund haben wir erneut eine umfangreiche Studie in Auftrag gegeben, von der wir uns Anregungen erhoffen, wie wir noch besser werden und welche Veränderungen wir vornehmen können, um Suizide zu verhindern. Im Rahmen der Studie wollen wir ebenfalls beleuchten, ob und wenn ja, welchen Einfluss die Pandemie auf das Thema Suizid im Vollzug hat. Auch davon erhoffen wir uns neuer Erkenntnisse und wollen die Ergebnisse entsprechend in die Arbeit einfließen lassen. Konkret erfolgt auf der Grundlage einer erneuten Kooperation mit dem Institut für Sexualforschung und forensische Psychiatrie sowie dem Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf eine retrospektive Untersuchung der Todesfälle und Suizidversuche im hamburgischen Justizvollzug seit 2013 und somit eine Fortsetzung der Untersuchung aus 2012. Die aktuell von uns in Auftrag gegebene Studie zur Analyse der Suizide 2013 - heute schließt erneut eine fachliche Bewertung der aktuellen Praxis der Suizidprävention ein.
Die Vorgängerstudie (vgl. Petersen et al. (2017). Todesfälle von Inhaftierten in Hamburg 1996 - 2012 Vorschläge zur Suizidprävention im Gefängnis. In: Archiv für Kriminologie 239, S. 73 - 86) kam zu dem Schluss, dass die Suizidrate in Hamburger Gefängnissen sich im nationalen und internationalen Vergleich als unauffällig darstellte. Es zeigten sich auch keine Besonderheiten im Hinblick auf spezielle Risikofaktoren wie (psychiatrische) Vorerkrankungen, Abhängigkeit von Drogen und Alkohol, Art der Straftat, epidemiologische Faktoren (Alter, Geschlecht, sozialer Status, Nationalität). Es wurde festgehalten, dass die in Hamburg diskutierten Präventivmaßnahmen dem in der internationalen Literatur diskutierten Maßnahmenspektrum entsprechen. Gleichwohl wurden eine Reihe von Maßnahmen zur Weiterentwicklung und Verbesserung der Suizidprävention vorgeschlagen.
Einen förmlich verschrifteten Suizidplan hat Hamburg nicht. Jede Anstalt arbeitet nach einer stets angepassten Anstaltsverfügung, die Handlungsanweisungen zur Suizidprävention beinhaltet.
In Hamburg wird in der Suizidprävention nach einheitlichen Grundsätzen verfahren, die in der Praxis angewandt und laufend angepasst werden.
Beginnend mit der Ausbildung im allgemeinen Vollzugsdienst hat das Thema Suizidprävention (Abgrenzung zu selbstverletzendem Verhalten, Risikofaktoren in Haft, Präsuizidales Syndrom, Stadien der Suizidalität, Suizidprävention) im Hamburger Justizvollzug eine bedeutende Rolle.
Im Rahmen des Aufnahmegesprächs in der Zuführungsabteilung der Untersuchungshaftanstalt wird mit jeder aufgenommenen Person ein spezielles Suizid-Screening, gegebenenfalls mit Beteiligung des Psychologischen oder Medizinischen Dienstes, durchgeführt. Dieses Suizidscreening ist ein speziell für die Abläufe und Erfordernisse der Untersuchungshaftanstalt entwickeltes Verfahren und wird im hamburgischen Justizvollzug dementsprechend nur in der Untersuchungshaft durchgeführt.
Darüber hinaus wird in allen Hamburger Justizvollzugsanstalten unverzüglich nach der Aufnahme einer Person ein Aufnahmegespräch geführt. In diesem Gespräch sowie im Rahmen der medizinischen Aufnahmeuntersuchung und folgend im Zugangsgespräch mit der Vollzugsabteilungsleitung wird geprüft, ob es Anhaltspunkte für eine Suizidgefährdung gibt. Liegt eine solche Gefährdung vor, werden besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet. Zu weitergehenden suizidpräventiven Maßnahmen, die in allen Hamburger Justizvollzugsanstalten angeordnet werden, gehören insbesondere Betreuungs- und Behandlungsmaßnahmen des Medizinischen und/oder Psychologischen Dienstes, Gespräche mit Suizidpräventionsbeamt:innen, gezielte Freizeitangebote, die Zuweisung von Arbeit, die Beschaffung eines Fernsehgerätes, eines Radios oder von Büchern sowie die Förderung sozialer Kontakte zu anderen Gefangenen und von Außenkontakten.
Mit freundlichen Grüßen