Sehr geehrter Herr Kempen,
vielen Dank für Ihre Anfrage an die Pressestelle des Niedersächsischen Justizministeriums. Sie nutzen für Ihre Anfrage einen Vordruck der Plattform „Frag den Staat“. Dieser Vordruck benennt als Rechtsgrundlage für die erbetene Auskunft das Niedersächsische Umweltinformationsgesetzes und das Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation. Diese Rechtsgrundlagen sind hier offenkundig nicht einschlägig, denn Sie interessieren sich für die Suizidprävention im niedersächsischen Justizvollzug.
Da ich mich erinnern kann, dass Sie journalistisch tätig sind, kann ich Ihnen aber gleichwohl gerne Informationen zu den zentralen Maßnahmen der Suizidprävention zukommen lassen.
Die Suizidprävention im niedersächsischen Justizvollzug setzt bereits bei der Ausbildung der Bediensteten an. Ausbildungsinhalte sind etwa die psychischen und sozialen Folgen einer Inhaftierung, Ursachen und Informationen über Suizide, Interventionen bei Suizidalität und Suizidprophylaxe. In der Fortbildung wird dieses Thema für alle im Justizvollzug tätigen Bediensteten regelmäßig jährlich angeboten, für die in den Justizvollzugseinrichtungen tätigen Psychologinnen und Psychologen wird zusätzlich jährlich eine berufsgruppenspezifische Fortbildung angeboten.
Mit allen Gefangenen wir im Aufnahmeverfahren zu zwei Zeitpunkten in unabhängigen Gesprächen eine mögliche Suizidalität abgeklärt: zum ersten Mal im Rahmen des verbindlichen Zugangsgesprächs und zum zweiten Mal im sogenannten Aufnahmegespräch. Angesichts empirischer Erkenntnisse, wonach die Suizidgefahr zu Beginn der Haft und besonders in den ersten zwei Wochen der Untersuchungshaft am höchsten ist, wird im Zusammenwirken mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern eine sog. „Seelsorge am Telefon“ durchgeführt. Mit der flächendeckenden Einführung der Haftraumtelefonie im geschlossenen Regelvollzug des niedersächsischen Justizvollzuges wurden mit Abschluss im Juli 2020 sukzessive die allein der Seelsorge am Telefon gewidmeten Endgeräte abgebaut. Nunmehr besteht durch eine Kurzwahloption bei den Haftraumtelefonen, für die das Angebot freigeschaltet ist, die Möglichkeit, die Seelsorge am Telefon zu erreichen. Die Gefangenen haben so die Möglichkeit, täglich in der Zeit zwischen 21.00 und 06.00 Uhr mit einer Gefängnisseelsorgerin oder einem Gefängnisseelsorger zu sprechen. Für die Gespräche gilt die seelsorgerische Schweigepflicht.
Alle Justizvollzugseinrichtungen verfügen über Regelungen, in denen Anzeichen für Suizidgefahr geschildert und Hinweise zum Umgang mit suizidgefährdeten Gefangenen gegeben werden. Da insbesondere bei der Einschätzung der Suizidgefahr Dolmetscherdienste auch außerhalb der regulären Geschäftszeiten erforderlich sind, hat Niedersachsen das Videodolmetschen eingeführt.
Hilfreich für Ihr Thema könnte ggf. auch diese Seite sein: Bundesarbeitsgruppe Suizidprävention im Justizvollzug (
bag-suizidpraevention.de)<
https://www.bag-suizidpraevention.de/>
Viele Grüße