Sehr
<< Anrede >>
vielen Dank, dass Sie schließlich doch auf meinen Antrag geantwortet haben.
1) Antrastellende Person:
Den Antrag stelle ich als natürliche Person, die Anschrift habe ich Ihnen mitgeteilt. Weshalb sie von der Stellung der Anfrage per Email über eine Domaine bei FragDenStaat darauf schließen, dass der Antrag im Namen des Vereins Open Knowledge Foundation gestellt worden sein könnte, ist für mich nicht nachvollziehbar.
2) Begrenzung und Präzisierung des Antrags:
Ursprünglich hatte ich in zwei separaten Anfragen den Vergleichsvertrag selbst (#284322) am 20. Juli 2023 und Unterlagen zu dem Vergleichsvertrag (#285131) am 31. Juli 2023 angefragt.
Diese Anfragen scheinen Sie in einem einheitlichen Vorgang zu bearbeiten - dagegen spricht von meiner Seite nichts.
Nachdem Sie auf diese Anfragen entgegen der gesetzlichen Vorgaben über 5 Monate nicht reagiert haben, schränke ich den Antrag nun wie folgend ein:
Begehrt wird lediglich der Vergleichsvertrag gemäß. des Antrags vom 20. Juli 2023, unter Schwärzung von personenbezogenen Daten.
Ich stelle den Antrag ausdrücklich nur nach dem UIG Bbg, auf eine Prüfung von Ansprüchen nach dem AIG und VIG verzichte ich.
3) Anwendbarkeit des UIG
Entgegen Ihrer Ausführungen handelt es sich bei dem Vergleichsvertrag um Umweltinformationen nach dem UIG.
Gem. § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG sind Umweltinformationen unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nummer 1 bezwecken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme.
Der Begriff der Umweltinformationen ist nach st. Rspr. mit Blick auf die Zielsetzung des Gesetzes, einen erweiterten Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen sicherzustellen und in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2003/4/EG vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen weit auszulegen (EuGH, Urteil v. 17.06.1998, C-321/96; BVerwG, Urteil v. 21.02. 2008, 4 C 13/07; Umweltinformationsrichtlinie, ABl. EU L 41 vom 14. Februar 2003, S. 26).
Dabei genügt nach der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, die vom Bun- desverwaltungsgericht bestätigt wurde, bereits die Möglichkeit, dass eine hoheitliche Maßnahme oder Tätigkeit mittelbar auf umweltwirksame Vorhaben oder Projekte von Dritten einwirkt, um dahingehende Informationen dem Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG zu unterwerfen (VGH Mannheim, Urteil v. 29.06.2017, 10 S 436/15; BVerwG, Urteil v. 22.03.2022, 10 C 2.21).
Bei dem gerichtlichen Vergleich zwischen der Stadt Frankfurt, der FWA Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft mbH und der LEAG vom 27.02.2023 handelt es sich demnach um Umweltinformationen.
Mit dem Vertrag wurde das verwaltungsgerichtliche Verfahren am VG Cottbus (Az. 5 K 624/19) beendet. In dem Verfahren ging es um die Klage der Stadt Frankfurt und der FWA gegen eine Genehmigung des Landesamtes für Bergbau (LBGR) zur Flutung des Cottbuser Ostsees. Die Klage wurde eingereicht, weil durch die damit verbundene Einleitung von Wasser in die Spree eine erhöhte Sulfatbelastung des Flusses und eine Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung befürchtet wurde. Das Verfahren war dem EuGH vorgelegt worden, um den Schutzgehalt der Spree für die Trinkwassergewinnung der FWA nach der EU Wasserrahmenrichtlinie zu klären (vgl.
https://www.fwa-ffo.de/wp2/wp-content/uploads/2022-11-25_Presseinformation_EUGH.pdf). Das Verfahren selbst hatte also selbst offenkundig Maßnahmen zum Gegenstand, die unter § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG fallen.
Der Vergleich wurde außerhalb des gerichtlichen Verfahrens geschlossen, ist also selbst nicht Gegenstand der Gerichtsverhandlung, steht aber in einem unmittelbaren Zusammenhang damit. Nach den öffentlich verfügbaren Informationen haben sich die Stadt Frankfurt und die FWA in dem Vergleichsvertrag zur Zurücknahme der Klage und Beendigung des Verfahrens verpflichtet. Im Gegenzug soll die LEAG fünf Millionen Euro für das Wasserwerk Müllrose bezahlen.
Damit handelt es sich bei den im Vertrag wechselseitig versprochenen Leistungen um Tätigkeiten, die sich mittelbar auf die Umweltbestandteile Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG, sowie auf die Sulfatbelastung des Wassers als Stoff und seine Freisetzung in die Umwelt i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG auswirkt. Denn durch den Vertrag wurde das gerichtliche Verfahren, dass die Flutung des Cotbusser Ostsees möglicherweise verhindert hätte, beendet. Die Beendigung des Verfahrens führte zur Bestandskraft der Genehmigung und hatte damit unmittelbare Auswirkung auf die Durchführbarkeit des offenkundig umweltwirksamen Vorhabens der LEAG.
Auch die Eingehung der Verpflichtung zur Rücknahme der Klage in dem Vertrag stellt folglich eine Umweltinformation dar, weil dadurch in rechtlich bindender Weise die Beendigung des Verfahrens und die Schaffung der Voraussetzungen des Eintritts der Bestandskraft des angefochtenen Verwaltungsaktes zugesagt wurde. Ein hinreichender Umweltbezug bestand damit. Insofern weise ich auf die o.g. Rechtsprechung des OVG Münster, die von BVerwG und EuGH bestätigt wurde, nach der selbst Präsentationen zu Kommunikationsstrategien von Behörden im Umgang mit Protesten gegen den Bahnhof Stuttgart 21 oder Unterlagen aus Untersuchungsausschüssen zu dem Vorgehen der Polizei noch einen hinreichenden Umweltbezug aufwiesen, weil sie zumindest potentiell die Durchführung des Vorhabens, das selbst ohne Zweifel Auswirkungen auf Umweltbestandteile hatte, hätten beinflussen können.
Ebenso stellt die versprochene Gegenleistung der LEAG, sich finanziell an dem Wasserwerk Müllrose zu beteiligten, eine umweltrelevante Tätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 3 lit. b UIG dar. Denn das Wasserwerk dient gerade dem Schutz des Umweltbestandteils Wasser und der Trinkwasserversorgung durch die FWA. Dabei reichen finanzielle Untersützungsleistungen für einen hinreichenden Umweltbezug (OVG Münster, Urt. v. 3.11.2011 – 8 A 3358/08). Zudem sind vom Umweltinformationsbegriff nach der Vorschrift auch ausdrücklich „Umweltvereinbarungen“ erfasst. Dies verdeutlicht, dass nicht nur die umweltrelevante Tätigkeit selbst, sondern auch eine rechtliche Arrangements, die ihre Durchführung sicherstellen sollen, Umweltinformationen darstellen. Der Begriff „Umweltvereinbarung“ ist europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass sowohl unverbindliche Absprachen, als auch verbindliche Verträge zwischen Behörden und Umweltnutzern erfasst sind (vgl. Reidt/Schiller, Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 2 UIG, Rn. 46).
Wenn aber zentrale Bestandteile einer Unterlage als Umweltinformationen zu qualifizieren sind, dann erstreckt sich der gesetzliche Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen auf die Unterlage in ihrer Gesamtheit. Das hat das Bundesverwaltungsgericht am Beispiel eines Zuteilungsbescheids für THG-Emissionen entschieden hat:
„Ist danach der einzelne Zuteilungsbescheid eine Maßnahme im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3 buchst. b UIG, sind sämtliche Angaben in diesem Bescheid ihrerseits Umweltinformationen. Dies ist nicht gesonder für jede einzelne Angabe festzustellen. § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG bezieht sich ausdrücklich auf „alle Daten“ über die erfassten Maßnahmen.“ (BVerwG Urt. v. 25.09.2009, 7 C 2/09, Rn. 32.)
Damit ist der Vertrag in seiner Gesamtheit als Umweltinformation anzusehen.
4) Ausschlussgründe
Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht von einer Beeinträchtigung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auszugehen.
Zunächst stellen Sie selbst fest, dass der Umstand des Vertragsschlusses, sowie die wesentlichen Gegenleistungen bereits bekannt sind. Bezogen auf diese Informationen können also schon keine schutzwürdigen Geheimnisse vorliegen.
Das gleiche gilt für die Schweigeklausel, denn diese soll der Oberbürgermeister nach Medienberichten bereits bei einer öffentlichen Veranstaltung im Herbst 2023 vorgelesen haben, sodass deren Inhalt ebenfalls kein Geheimnis mehr darstellen kann:
https://correctiv.org/aktuelles/klimawandel/2023/10/02/zu-leag-deal-buergermeister-liest-schweigeklausel-selbst-vor/ Dadurch wird der Antrag aber in diesem Punkt nicht unzulässig, denn die Wiedergabe eines mündlichen Zitats, dessen Richtigkeit nicht überprüft werden kann, steht einer Zugänglichmachung der Vertragsklausel selbst nicht gleich.
Des weiteren dürften den Informationen die Wettbewerbsrelevanz fehlen, denn beider LEAG handelt es sich insofern um den einzigen Marktteilnehmer in der Lausitz. Bei einer monopolartigen Stellung scheidet eine Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aber regelmäßig aus, vgl. OVG Berlin-Brandenburg Urt. v. 2.10.2007, Rn. 30).
Gleiches gilt für die FWA als kommunaler Wasserversorger, es ist nicht ersichtlich, welche Inhalte des Vertrags wettbewerbsrelevante Informationen enthalten sollten.
Wenn überhaupt, können aber ohnehin nur einzelne Vertragsbestandteile dem Ausschlussgrund unterfallen. Diesbezüglich trifft sie als Behörde die Darlegungslast. Dieser werden die bisherighen Ausführungen in ihrer Antwort nicht gerecht.
Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass der pauschale Verweis, es handle sich bei den Vertragsspezifika um Informationen, die Rückschlüsse auf Verhandlungspositionen zuließen, gerade nicht genügt. Vielmehr wäre für jeden Vertragsbestandteil gesondert anzugeben, inwiefern von der Zugänglichmachung schützenswerte Belange betroffen sein sollten.
5) Öffentliches Interesse
Jedenfalls besteht aber ein besonderes öffentliches Interesse an dem Vertragsinhalt, welches die entgegenstehenden Belange – sofern solche überhaupt bestehen – überwiegen.
Mit dem Vergleichsvertrag wurde ein beim EuGH anhängiger Rechtsstreit beendet, der die Rechtmäßigkeit der Flutung des Cottbusser Ostsees zum Gegenstand hatte. Die Klage von Seiten der Stadt Frankfurt und der FWA gerade aus Sorge um die nachteilige Beeinträchtigung der Grund- und Trinkwasserqualität eingelegt. Das Vorhaben hat weitreichende Auswirkungen auf Umwelt, Natur, Landschaft und eben auch die menschliche Gesundheit. Es bestanden erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie. Der Vertrag wurde nach der mündlichen Verhandlung, wenige Wochen vor der erwarteten Verkündung des EuGH Urteils im März 2023 geschlossen.
Die Öffentlichkeit hat ein Interesse daran zu erfahren, zu welchen Bedingungen dieser Vertrag geschlossen wurde. Es ist gerade das Anliegen des UIG und der europäischen Umweltinformationsrichtlinie, solche Informationen einer öffentlichen Diskussion zugänglich zu machen.
Das besondere öffentliche Interesse wird außerdem durch die Kontroverse rund um den Vertrag selbst dokumentiert:
• Veröffentlichung von Correctiv:
https://correctiv.org/aktuelles/kampf-um-wasser/2023/09/23/wasser-gefaehrdet-leag-erkauft-schweigen/
• Sowohl die LEAG als auch die Stadt Frankfurt äußerten sich öffentlich zu dem Vertrag. Der Oberbürgermeister nannte die Berichte zu dem Vertrag „unanständig“ und erwog gegen die Berichterstattung juristisch vorzugehen:
https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/10/frankfurt-wilke-leag-schweigegeld-juristischeschritte-trinkwasser-sulfat-spree.html; https://www.sueddeutsche.de/wissen/wasser-frankfurt-oder-oderstadt-weist-vorwurf-einer-schweigevereinbarung-zurueck-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230924-99-313633
• Selbst von der CDU wurde der Vertrag als „vorsätzliches Handeln gegen gesundes Wasser“ bezeichnet:
https://correctiv.org/aktuelles/kampf-um-wasser/2023/09/28/schweigedeal-der-leag-opposition-erwaegt-untersuchungsausschuss/
• Die Freien Wähler Brandenburg ließen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses dazu prüfen:
https://correctiv.org/aktuelles/kampf-um-wasser/2023/09/28/schweigedeal-der-leag-opposition-erwaegt-untersuchungsausschuss/
• Am Staatstheater Cottbus wird seit 2023 ein Theaterstück mit dem Titel „Kraftwerk- ein Theaterabend über Kohle, Wasser und die Ewigkeit“ aufgeführt.
Insgesamt besteht ein großes öffentliches Interesse an dem Thema der Wasserversorgung im Einzugsgebiet der Spree und den Auswirkungen der Aktivitäten der LEAG (siehe nur
https://correctiv.org/aktuelles/kampf-um-wasser/2023/12/20/kohlekonzern-leag-geheimsache-wasser/.
Demgegenüber wiegt die Beeinträchtigung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, sofern solche überhaupt berührt werden sollten, nicht schwer. Denn die wesentlichen Inhalte des Vertrags, insbesondere die Höhe der für das Wasserwerk Müllrose zu zahlende Summe, sind bereits bekannt. Aus den übrigen Vertragsbestandteilen werden sich keine Rückschlüsse ziehen lassen, die eine Wettbewerbssituation – sofern eine solche überhaupt bestehen sollte – nennenswert beeinträchtigen könnte.
Im Ergebnis überwiegt das öffentliche Informationsinteresse, sodass der Vertrag unter Schwärzung personenbezogener Daten zugänglich zu machen ist.
6) Hilfsweise: Teilweise Zugänglichmachung
Hilfsweise verweise ich auf § 5 Abs. 3 UIG, wonach sämtliche Bestandteile des Vertrages, die von keinem Ausschlussgrund erfasst sind, zugänglich zu machen sind.
Ich bitte Sie daher, mir den Vergleichsvertrag zugänglich zu machen. Sollten Sie Schwärzungen vornehmen, bitte ich Sie diese unter Beachtung der obigen Ausführungen nachvollziehbar dazulegen und zu begründen.
Nachdem bereits fünf Monate seit Antragstellung vergangen sind, sehe ich Ihrer zeitnahen Antwort entgegen.
Mit freundlichen Grüßen,
Philipp Schönberger
Anfragenr: 285131
Antwort an:
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https://fragdenstaat.de/a/285131/