Urteilsabschrift Landgericht Aschaffenburg, Urt. v. 21.04.1978, Az.: Kls 4 Js 6880/76 (Exorzismus Entscheidung Fall Anneliese Michel)
Entscheidungsabschrift LG Aschaffenburg Urt. v. 21.04.1978, Az.: Kls 4 Js 6880/76
Mit Urt. v. 21.04.1978, Az.: Kls 4 Js 6880/76 wovon ich eine Abschrift anfordere, hat das LG Aschaffenburg die Angeklagten Eltern der Geschädigten Anneliese Michel, sowie die beiden Exorzisten wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.
Über das Verfahren wurde umfangreich berichtet (vgl. https://www.spiegel.de/politik/bewaehrung-um-jeden-preis-a-0890ba46-0002-0001-0000-000040617568; https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/exorzismus-prozess-als-der-teufel-mit-im-gericht-sass-art-10131824; Hilgendorf, "Teufelsglaube und freie Beweiswürdigung. Zur Verarbeitung des Übernatürlichen im Strafrecht am Beispiel des Exorzismus" in: Festgabe des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Jur. Fakultät der Julius-Maximilians-Uni Würzburg für Rainer Paulus zum 70. Geburtstag am 20.01.2009; https://www.haufe.de/recht/kanzleimanagement/colours-of-law-exorzisten-vor-gericht_222_442940.html; https://www.tz.de/bayern/exorzismus-in-bayern-die-verschwiegene-wahrheit-28390.html; https://www.ndr.de/media/keshas-geister-exorzismus-in-unterfranken-,audio1211246.html).
Das angeforderte Urt. wird nicht mehr bei der zuständigen StA, sondern beim Staatsarchiv Würzburg aufbewahrt (vgl. Cichos, Todesakte Anneliese Michel Teufelsaustreibung, 2018).
Der Anspruch folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 III GG, dem Gewaltenteilungsgrundsatz gem. Art. 20 II, III GG, der Justizgewährleistungspflicht in Art. 2 Abs. I i.V.m. 20 Abs. III GG und aus dem Demokratieprinzip, Art. 20 I GG.
Aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt sich eine verfassungsrechtlich fundierte Pflicht zur Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen. Gerichtl. Entsch. konkretisieren gesetzt. Vorschriften und wirken rechtsfortbildend. Diese Publikationspflicht findet ihre Grundlage daneben auch in dem leitenden Grundsatz des Prozessrechts der Öffentlichkeit gerichtlicher Verhandlungen und Urteilsverkündungen, geht aber über diesen hinaus. Sie erfasst alle Entsch., an deren Veröffentlichung die Öffentlichkeit ein Interesse hat oder haben kann, jedenfalls soweit diese veröffentlichungswürdig sind. Maßgeblich sind das tatsächliche oder mutmaßliche Interesse der Öffentlichkeit und das Interesse derjenigen, die in entsprechenden Angelegenheiten um Rechtsschutz nachsuchen wollen. Das öffentliche Interesse ist in der Regel bei entsprechenden Anfragen aus der Öffentlichkeit als gegeben anzusehen (vgl. VG Aachen Urt. v. 11.2.2020, Az.: 8 K 276/16, BeckRS 2020, 4781 Rn. 28).
Mit der Veröffentlichungspflicht von Entscheidungsabschriften korrespondiert das Recht auf deren Übersendung (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 28.06.2001, Az.: 510-AR 4/01; NJW 2002, 838).
Die Pflicht zur Veröffentlichung einer Gerichtsentscheidung besteht, sofern ein öffentl. Interesse nicht gänzlich ausgeschlossen ist. Als Indiz für das Bestehen eines öffentl. Interesses an Veröffentlichung der Entsch. wird die mediale Berichterstattung angesehen (vgl. Putzke/ Zenthöfer, NJW 2015, 1777 (1778)).
Außerdem ist das Erfordernis des öffentl. Interesses von dem Moment an erfüllt, sobald eine gerichtl. Entsch. angefordert wird (vgl. Albrecht, CR 1998, 373 (374)). Auch das OLG München hat diesen Standpunkt eingenommen (vgl. OLG München, Verf. v. 24.08.2020, Az.: 6 St 1/19; GRUR-RS 2020, 20497 Rn. 5).
An einer Veröffentlichung des vorliegenden Urt. besteht aufgrund der umfassenden Behandlung des Falles in den Medien, sowie wegen des im vorliegenden Schriftsatz geäußerten Begehrens ein öffentl. Interesse und folglich eine Veröffentlichungspflicht, bzw. ein Recht auf Zusendung einer Abschrift.
Die Veröffentlichung gerichtl. Entsch. ist mit der Verkündung von Rechtsnormen vergleichbar (vgl. BVerwG NJW 1997, 2694 (2695)). Gesetzl. Regelungen werden durch gerichtl. Entscheidungen konkret umgesetzt. Allein deshalb ist ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegeben (vgl. Putzke/ Zenthöfer, NJW 2015, 1777). Vorliegend wurden strafrechtl. Normen durch ein Urt. konkretisiert. Ein öffentl. Interesse ist gegeben.
Die Veröffentlichungspflicht folgt aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit gerichtl. Verhandlungen und Urteilsverkündungen aus § 169 GVG und aus dem allg. geltenden Publizitätsgebot für staatliches Handeln (vgl. BVerwG NJW 1997, 2694 (2695)). Dem Publizitätsgebot staatl. Handelns dienen sowohl die Vorschriften des GVG als auch des Art. 6 I MRK, die grunds. ein öffentl. Gerichtsverfahren fordern (vgl. OLG Celle, NJW 1990, 2570).
Der Anspr. ergibt sich auch aus der Informationsfreiheit gem. Art. 5 I S. 1 Var. 3 GG. Nach Rspr. des BVerfG ist der Schutzbereich dieses Grundrechts eröffnet, wenn eine im staatl. Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle auf Grund rechtl. Vorgaben zur öffentl. Zugänglichkeit bestimmt ist (BVerfG, Beschl. v. 20.06.2017, Az. 1 BvR 1978/13 - Rn. 20). Veröffentlichungswürdige Gerichtsentscheidungen sind aufgrund der amtl. Publikationspflicht aus Art. 20 III GG zur öffentl. Zugänglichkeit bestimmt.
Anfrage abgelehnt
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Datum27. September 2022
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1. November 2022
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