Auf den Widerspruch
des Herrn Arne Semsrott (Widerspruchsführer), Singerstraße 109, 10179 Berlin, gegen
den Bescheid des Bundesministeriums der Justiz (Widerspruchsgegner) vom 28. Februar 2023, Geschäftszeichen 145101#00002#0153
wegen Auskunft nach dem IFG
wird folgende Entscheidung getroffen:
1. Der Widerspruch wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens trägt der Widerspruchsführer.
3. Die Widerspruchsgebühr wird auf EUR 30,00 festgesetzt.
Begründung:
I.
Mit E-Mail vom 28. März 2023 bat der Widerspruchsführer über
www.fragdenstaat.de um Zugang zu folgenden Informationen:
„Den Veräußerungsvertrag zu juris (vgl. Frage 4, BT-Drucksache 20/6057). Personenbezogene Daten wie Unterschriften können geschwärzt werden.“ Mit Bescheid vom 18. April 2023 lehnte der Widerspruchsgegner den Antrag ab und führte zur Begründung aus, dass der Versagungsgrund nach § 3 Nr. 6 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) entgegenstehe. Danach bestehe der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information geeignet wäre, fiskalische Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr zu beeinträchtigen. Der Bund werde nach Abschluss der Entflechtung die voliständige Privatisierung der juris GmbH prüfen und sei dabei nach § 63 Abs. 3 BHO
gehalten, seine Anteile nur zum vollen Wert zu veräußern. Dies könne durch die Herausgabe des Vertrags beeinträchtigt werden, weil der Vertrag auch Regelungen enthalte, die sich auf die Veräußerung der Bundesanteile auswirken könnten. Ein vorzeitiges Bekanntwerden des Vertrages könne dazu führen; den Kreis potentieller Kaufinteressenten einzuschränken oder die Ermittlung des Werts der Anteile des Bundes zu beeinträchtigen.
Hiergegen richtet sich der form- und fristgerecht eingelegte Widerspruch vom 21. April 2023, mit dem der Widerspruchsführer vorträgt, dass der behauptete Ausschlussgrund des § 3 Nr. 6 IFG nicht belegt worden sei. Zudem müsse der Vertrag zumindest teilweise zugänglich gemacht werden.
II.
Der zulässige Widerspruch ist zurückzuweisen, da der Bescheid vom 28. Februar 2023 rechtmäßig ist und den Widerspruchsführer nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt. Der geltend gemachte Anspruch auf Zugang zu dem Veräußerungsvertrag besteht nicht.
Dem Anspruch steht der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 6 IFG entgegen. Auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Ausgangsbescheid vom 14. April 2023 wird insoweit Bezug genommen. Zugleich liegen auch die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes des § 3 Nr. 3 lit. b IFG vor. Der Veräußerungsvertrag ist Gegenstand laufender Beratungen des Bundesministeriums der Justiz. Wie bereits öffentlich bekannt, zieht die Bundesregierung eine künftige vollständige Privatisierung der juris GmbH in Betracht (vgl. Bundestags-Drucksache 20/6865, a.a.O.). Die Bundesrepublik Deutschland hat dabei ein fiskalisches Interesse, eine Veräußerung ihrer Anteile an der juris GmbH zum vollen Wert zu ermöglichen (vgl. § 63 Absatz 3 Bundeshaushaltsordnung). Die Veröffentlichung der in dem Vertrag geregelten Rechte und Pflichten kann sich hierauf nachteilig auswirken, weil diese auch nach Abschluss des eigentlichen Veräußerungsvorgangs im Jahr 2001 das Verhältnis der derzeitigen Gesellschafter untereinander prägen und Rückschlüsse auf die künftige Ausgestaltung und Entwicklung der Gesellschaft zulassen. Die Bundesregierung — vertreten durch das Bundesministerium der Justiz als Beteiligungsführer — prüft derzeit, ob und gegebenenfalls wie sich der Inhalt des im Jahr 2001 geschlossenen Veräußerungsvertrags auf die weitere Privatisierung der juris GmbH auswirkt. Das Ergebnis dieser Prüfung hat auch Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung des etwaigen Veräußerungsprozesses. Ein vertraulicher Umgang mit dem verfahrensgegenständlichen Vertrag ist deshalb erforderlich. Potentielle Kaufinteressenten könnten andernfalls Hinweise auf die weitere Strategie und die etwaige Verhandlungsführung der Bundesregierung erhalten. Dies kann sich nachteilig auf den Entscheidungsprozess der Bundesregierung auswirken, weil gegebenenfalls Änderungen erforderlich werden. Zudem kann sich die Veröffentlichung nachteilig auf den zu erzielenden Kaufpreis auswirken, weil der Kreis der Interessenten eingeschränkt wird oder potentielle Verhandlungspartner schon vorab wesentliche Informationen erhalten.
Zweck des Ausschlussgrundes des § 3 Nr. 6 IFG ist der Schutz der öffentlichen Hand vor Ausforschung durch Wettbewerber, soweit sich der Staat erwerbswirtschaftlich betätigt (VG Hamburg, Urteil vom 27.08.2010, Az. 7 K 619/09). Durch die Beteiligung an der juris GmbH und die beabsichtigte Veräußerung der Gesellschaftsanteile nimmt der Bund am Wirtschaftsleben teil. Er darf sich deshalb wie ein privater Marktteilnehmer davor schützen, potentiellen Verhandlungspartnern durch frühzeitige Weitergabe von wichtigen Informationen einen Vorteil zu verschaffen. Die Darlegung der vertraglichen Verhältnisse der zu erwerbenden Gesellschaft erfolgt im Wirtschaftsleben regelmäßig erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Verhandlungen und in einem zwischen den Parteien abgestimmten Prozess im Rahmen der sogenannten „Due-Diligence-Prüfung“. Dies kann der Widerspruchsgegner nach § 3 Nummer 6 IFG vorliegend auch für sich in Anspruch nehmen, das IFG bezweckt insoweit gerade keine Schlechterstellung des Staates.
Soweit der Widerspruchsführer einen Beweis des vorliegenden Ausschlussgrundes verlangt, überspannt er der die Darlegungslast. Es handelt sich bei den Ausschlussgründen des & 3 Nr. 3 lit b und des § 3 Nr. 6 IFG jeweils um eine Prognoseentscheidung, so dass die Darlegung der Möglichkeit einer konkreten Gefährdung des Schutzguts genügt. Dies ist hier erfolgt. Die Ausschlussgründe erstrecken sich dabei auf auch den vollständigen Vertrag, da sich die vorstehend dargelegten Erwägungen gerade auf das Zusammenwirken einzelner Vertragsklauseln beziehen. Es handelt sich bei dem Vertrag um ein einheitliches Werk, das als Gesamtheit zu bewerten ist.
Davon unabhängig steht einer Veröffentlichung der Vertragsklausel zum Vorerwerbsrecht auch der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 4 IFG entgegen. Dieser Vertragsbestandteil ist ohne Zusammenhang mit diesem Verfahren als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad „VS - NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH'' eingestuft worden (s. Bundestagsdrucksache 20/6865, Seite 69 zu Frage Nummer 95).
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens nach 3 73 Absatz 3 Satz 3 VwGO ergeht gemäß 3 80 Absatz 1 VwVfG.
IV.
Für die Zurückweisung eines Widerspruchs fällt nach § 1 IFGGebV in Verbindung mit Teil A der Anlage zu § 1 1FGGebV Gebührentatbestand Nr. 5 (vollständige oder teilweise Zurückweisung eines Widerspruchs) eine Mindestgebühr in Höhe von EUR 30 an.
Ich bitte Sie, EUR 30,00 innerhalb eines Monats auf das folgende Konto
Begünstigter: Bundeskasse in Trier
IBAN: DE81 5900 0000 0059 0010 20
BIC: MARKDEF1590
Verwendungszweck: 1151 9007 7511 BEW 03183384
unter Verwendung des beigefügten Überweisungsvordrucks zu überweisen.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen den Bescheid vom 18. April 2023 des Bundesministeriums der Justiz, Mohrenstr. 37, 10117 Berlin, Az.: 145101#00002#0153, kann innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Widerspruchsbescheids Klage bei dem Verwaltungsgericht Berlin in 10557 Berlin, Kirchstraße 7, erhoben werden. Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden. Der Klage nebst Anlagen sollen so viele Abschriften beigefügt werden, dass alle Beteiligten eine Ausfertigung erhalten können.
Im Auftrag