Erfolgreiche Klage gegen Berliner Hochschule90.000 Euro für Zoom statt eigener digitaler Infrastruktur

Die Humboldt Universität hat beim Datenschutz kräftig gespart – und zugleich viel Geld ausgegeben. Wieso investiert die Hochschule nicht in eigene Infrastruktur?

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Videokonferenz auf einem Laptopbildschirm
Alltag in Pandemiejahren: Lehre per Videokonferenz –

Lucas Law

Mit geltenden Datenschutzgesetzen war der Videokonferenzdienst „Zoom“ lange nicht vereinbar. Die Nutzung durch deutsche Hochschulen stand rechtlich auf wackligen Beinen. Doch selbst eklatante Sicherheitspannen änderten nichts an der regen Verwendung des amerikanischen Service, zu Lasten der Privatsphäre der Studierenden. Letztes Jahr berichteten wir, dass deutsche Hochschulen im Jahr 2020 mehr als sechs Millionen Euro für die Nutzung von Zoom bezahlt haben. Bei unserer Recherche hatten wir alle Hochschulen Anfragen auf Grundlage der Informationsfreiheitsgesetze (IFG) gestellt. Doch fast die Hälfte der Hochschulen verweigerte die Antwort – darunter auch die Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Dies war rechtswidrig, hat nun das Verwaltungsgericht Berlin entschieden und verpflichtete die HU zur Auskunft. Wie uns die Hochschule nun mitteilen musste, gab sie im Jahr 2020 mehr als 90.000 Euro für Zoom aus.

Humboldt-Uni lehnt IFG-Anfrage ab: Geschäftsgeheimnis

In einigen Bundesländern sind Hochschulen im IFG von der Auskunftspflicht befreit. Somit gibt es mancherorts leider keine gesetzliche Grundlage, die Universitäten zur Transparenz verpflichtet. Ein Bundesland, in dem Hochschulen jedoch gesetzlich klar zur Auskunft verpflichtet sind, ist Berlin. Dennoch verweigerte die Humboldt-Universität zunächst eine Auskunft auf unsere Anfrage.

Würde sie auf unsere Anfrage antworten, würden wesentliche Geschäftsgeheimnisse offenbart werden, argumentierte die HU. Tatsächlich dürfen Anfragen nach dem IFG abgelehnt werden, wenn durch die Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen wesentliche wirtschaftliche Schäden entstehen würden – und sofern das öffentliche Informationsinteresse nicht überwiegt. Nach Auffassung der HU würde „exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten“ von Zoom vermittelt werden, wenn bekannt wird, wie viel die Universität dem Tech-Unternehmen bezahlt hat.

Zu diesem Zeitpunkt waren vergleichbare Zahlen vieler anderer Hochschulen bereits bekannt. So zahlte die Universität Hamburg nach eigenen Angaben etwa 125.000 Euro für den Konferenzdienst. Durch eine Antwort der HU hätten sich also nur schwer neue Erkenntnisse zur Kostenkalkulation von Zoom erschließen lassen.

Gericht betont das öffentliche Interesse an Kostentransparenz

Das Verwaltungsgericht Berlin kommt in seinem Urteil zum selben Ergebnis. Eine „befürchtete Verschlechterung der Verhandlungsposition von Zoom“, wie sie die HU in den Raum stellte, sei „fernliegend“. Stattdessen betonte das Gericht das öffentliche Interesse hinter unserer Anfrage. Im Urteil heißt es dazu:

„Die Höhe der Zahlungen an externe Betreiber von Videokommunikationsplattformen haben wegen der öffentlich diskutierten datenschutzrechtlichen Aspekte und der fortschreitenden Digitalisierung universitärer Angebote auch eine hervorgehobene Bedeutung für die Allgemeinheit.“

Nun ist die Pandemie für viele bereits in den Hintergrund gerückt, Lehrveranstaltungen finden wieder vermehrt in Präsenz statt. So wie auch Covid-19, werden aber auch digitale Dienste an Hochschulen nicht einfach wieder verschwinden. Auch jetzt noch werden Daten von Studierenden durch private Unternehmen verarbeitet, die es mit Privatsphäre und Sicherheit nicht immer genau nehmen. Ein Zustand, an dessen Verbesserung die Hochschulen kaum arbeiten.

Es wird fröhlich weiter gezoomt

Neben Zoom wird bei der HU auch der datensparsame Dienst „BigBlueButton“ auf eigener Infrastruktur bereitgestellt. Das klingt erstmal gut, doch leider versumpft die selbst betriebene Alternative seit mindestens November 2020 im „Pilotbetrieb“. Zoom ist an der Humboldt-Uni weiterhin der Standard. Dabei hat die Uni sich vor mehr als einem Jahr selbst das Ziel gesetzt, „BigBlueButton mittelfristig oder langfristig zu etablieren“. Wieso das 90.000 Euro große Zoom-Budget nicht für einen ordentlichen Wechsel genutzt wird, ist unklar.

Ein verschleppter Wechsel hin Richtung Datenschutz lässt sich auch andernorts beobachten. An der Technischen Universität Darmstadt betreiben Studierende ehrenamtlich das Projekt Senfcall.de. Was sie in ihrer Freizeit geschafft haben, scheitert bislang noch an den meisten Hochschulen: Die Bereitstellung eines datenschutzfreundlichen Videokonferenzdienstes. Laut Senfcall kündigte die Uni zwar vor kurzem endlich einen Wechsel von Zoom an – für große Meetings soll aber auch hier weiter der US-Dienst verwendet werden.

Lange Zeit war in Darmstadt der Einsatz von Zoom eigentlich verboten, jedoch von der Landesdatenschutzbehörde geduldet. Kürzlich entschied diese, dass aufgrund technischer Änderungen mittlerweile ein Einsatz an hessischen Hochschulen möglich sei. Dazu sagt uns Senfcall:

„Was sich erst einmal wie ein Rückschritt anhört, hat es aber im Kleingedruckten in sich. So stellt der Datenschutzbeauftragte erhebliche Anforderungen an die Nutzung, die sich in der Praxis kaum als umsetzbar erweisen dürften oder Zoom zumindest unwirtschaftlich machen.“

So sieht das „Hessische Modell“ etwa vor, dass Zoom nur mit aktivierter Ende-zu-Ende-Verschlüsselung exklusiv für Lehrveranstaltungen genutzt werden darf, sofern der Dienst von einem europäischen Auftragsverarbeiter in Europa betrieben wird und keine Daten in die USA abfließen können. Zudem müssen die Nutzer:innen zur informationellen Selbstbestimmung aufgeklärt werden. Besonders schön: eine Alternative muss zwingend bereitgestellt werden. Damit wird die Nutzung von Zoom rechtlich ad absurdum geführt.

Es braucht endlich gute eigene Infrastruktur

Zoom ist ein Paradebeispiel dafür, was bei digitaler Datensicherheit schiefgehen kann: angefangen bei der Weitergabe von Daten an Dritte wie Google und Facebook, bis hin zu so gravierenden Sicherheitslücken, dass IT-Forschende die Software als „Malware“ bezeichneten, also als Schadsoftware.

Dabei gibt es gute, offene Alternativen. Wieso diese also nicht als Basis nutzen, um eine eigene digitale Infrastruktur der öffentlichen Verwaltung zu bauen? Das hätte auch ganz praktikable Vorteile. Sie ist auf individuelle Bedürfnisse anpassbar, steht unter eigener Kontrolle und ist damit unabhängig von Konzerninteressen. Organisationen könnten sich auf Kommunal-, Landes-, oder sogar europäischer Ebene zusammenschließen, um gemeinsam gute und sichere Dienste bereitzustellen. Schließlich benötigen nicht nur Hochschulen Videokonferenzen, Cloudspeicher oder Kommunikationstools.

Statt Millionen für Zoom und Co. könnte Open-Source-Software mit öffentlichen Mitteln finanziert und verbessert werden, so dass alle davon profitieren. Vereinzelt gibt es Lichtblicke: manche Universitäten kümmern sich um eigene Dienste, stehen im Austausch mit Lehrenden und Studierenden, teilen ihre Erfahrungen mit anderen und helfen bei der Verbesserung der verwendeten Software mit. Doch in der Breite ist das leider noch selten. Es ist längst Zeit, sich von den Datenkraken zu verabschieden und in eigene, zukunftsfähige Infrastruktur zu investieren.

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zur Anfrage und Klage

zum Urteil

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Beglaubigte Abschrift VG 2 K 131/21                                                                             Schriftliche Entscheidung Mitgeteilt durch Zustellung an a) Kl.-Bev. am b) Bekl.          am als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache des Herrn Max Kronmüller, X 2 3 ( a Z F 8 b E g i n N 7 k y Y 6 Q c/o Open Knowledge Foundation e. V., Singerstraße 109, 10179 Berlin, Klägers, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin Theresia Rasche, ██████████ ███ ▎ gegen die Humboldt-Universität zu Berlin Der Präsident - Rechtsabteilung -, Unter den Linden 6, 10117 Berlin, Beklagte, X 2 3 ( a Z F 8 e N d E 7 k y Y 6 Q hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, durch ████████████████████ als Einzelrichter im Wege schriftlicher Entscheidung am 22. Juni 2022 für Recht erkannt: Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 12. November 2020 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 17. März 2021 verpflichtet, dem Klä- ger Zugang zu einer Übersicht der Zahlungen zu gewähren, die sie im Jahr 2020 an die Zoom Video Communications Inc. geleistet hat. -2-
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-2- Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweiligen Vollstreckungsbetrags leistet. Tatbestand Der Kläger begehrt Informationszugang zu Zahlungen einer staatlichen Hochschule an den Anbieter einer Videokommunikationsplattform. Der Kläger beantragte am 30. Oktober 2020 bei der Beklagten, ihm eine Übersicht ihrer Zahlungen an die Zoom Video Communications Inc. (im Folgenden: Zoom) im Jahr 2020 zuzusenden. Mit Bescheid vom 12. November 2020 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 17. März 2021 mit der Begründung zurück, dem Informationszugang stehe der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entgegen. Zoom habe die Einwilli- gung in die Offenlegung der Zahlungen versagt. Die begehrten Informationen ent- hielten konkrete Konditionen, die mit der Beklagten vereinbart worden seien. Ihre Bekanntgabe lasse Rückschlüsse auf die Betriebsführung, die Wirtschafts- und Marktstrategie und/oder die Kostenkalkulation und Entgeltgestaltung des Unterneh- mens zu. Der Kläger begründet seine Klage damit, die Beklagte habe bereits kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis dargelegt. Die Summe der Zahlungen habe keine Wettbe- werbsrelevanz. Sie lasse die von der Beklagten befürchteten Rückschlüsse nicht zu. Ihm lägen bereits die von über 100 weiteren Hochschulen an Zoom geleisteten Zah- lungen vor. Die begehrte Information lasse keine neuen Rückschlüsse auf wirtschaft- liche Unternehmensentscheidungen zu. Deshalb bestehe auch nur ein sehr geringes Geheimhaltungsinteresse. Demgegenüber überwiege das öffentliche Informationsin- teresse. Dieses bestehe darin nachzuweisen, dass die Beklagte das Budget, das sie für nicht-datenschutzkonforme Videoplattformen ausgebe, ebenso in die Entwick- lung/den Betrieb einer datenschutzkonformen Software stecken könne, deren Code -3-
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-3- öffentlich einsehbar und damit weniger fehleranfällig sei. Denkbar seien auch lan- desweite Lösungen. Ohne Offenlegung der Zahlen hätten die Bürger keine Kenntnis davon, für welche Dienstleistungen wie viel Geld ausgegeben werde. Die Öffentlich- keit könne daher nicht auf Steuergeldverschwendung aufmerksam gemacht werden. Der Kläger beantragt schriftlich, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2021 zu verpflichten, ihm eine Übersicht der Zahlungen, die die Hochschule im Jahr 2020 an Zoom Video Communications Inc. geleistet hat, zugänglich zu machen. Die Beklagte beantragt schriftlich, die Klage abzuweisen. Ergänzend trägt sie vor, die begehrten Informationen hätten wettbewerbsrechtliche Relevanz. Es sei nicht maßgeblich, ob andere Universitäten Angaben bekannt ge- macht hätten. Ein wesentlicher Schaden entstehe für Zoom durch den Verlust der Verhandlungsoption. Die Beklagte evaluiere die Qualität und Datenschutzkonformität der von Zoom und anderen Dienstleistern erbrachten Leistungen. Die datenschutz- rechtlichen Aspekte seien unabhängig von den entstandenen Kosten für alle angebo- tenen Videoplattformen zu berücksichtigen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- akte und den übersandten Verwaltungsvorgang verwiesen. Entscheidungsgründe Gemäß § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ist der Berichterstatter als Einzelrichter zuständig, nachdem die Kammer ihm den Rechtsstreit durch Be- schluss vom 21. Juni 2022 zur Entscheidung übertragen hat. Das Gericht kann den Rechtsstreit gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im erklärten Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 12. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; der Kläger hat Anspruch auf Zugang zu einer Übersicht der Zahlungen der Beklagten an Zoom im Jahr 2020 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). -4-
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-4- Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes - IFG Bln. Danach hat jeder Mensch nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 genannten öffentlichen Stellen nach seiner Wahl ein Recht auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind gegeben. Der Kläger ist als natürliche Person anspruchsberechtigt; die Beklagte ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1 Satz 1 des Berliner Hochschulgesetzes) eine öffentli- che Stelle im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 IFG Bln. Bei der Über- sicht über die Zahlungen der Beklagten an Zoom handelt es sich um Akten gemäß § 3 Abs. 2 IFG Bln. Der Informationszugang ist nicht zum Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen von Zoom eingeschränkt. Gemäß § 7 Satz 1 Alt. 1 IFG Bln besteht das Recht auf Akteneinsicht oder Akten- auskunft nicht, soweit dadurch ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird, es sei denn, das Informationsinteresse überwiegt das schutzwürdige Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung. 1. Die Beklagte hat bereits nicht dargelegt, dass die Übersicht der Zahlungen im Jahr 2020 ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis von Zoom ist. Betriebs- und Ge- schäftsgeheimnisse umfassen alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Um- stände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Perso- nenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein be- rechtigtes Interesse hat. Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse ist anzuerken- nen, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, den Konkurrenten exklusi- ves technisches oder kaufmännisches Wissen zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Hierfür muss die prognostische Einschätzung nachteiliger Auswirkungen im Fall des Bekanntwerdens der Information nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2020 – BVerwG 10 C 25/19 – BVerwGE 171, 90 Rn. 38). Hieran fehlt es. Der Kläger begehrt Zugang zu der an Zoom gezahlten Gesamtsumme für das Jahr 2020. Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar und plausibel dargelegt, dass das Bekanntwerden dieser Information geeignet ist, die Wettbewerbsposition von Zoom zu schwächen. Anhaltspunkte dafür, dass die Kenntnis der Gesamtsumme – wie von der Beklagten befürchtet – Rückschlüsse auf die Betriebsführung sowie die Wirt- -5-
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-5- schafts- und Marktstrategie von Zoom ermöglicht, sind nicht gegeben. Auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten ist nicht erkennbar, dass die Höhe der Zahlungen der Beklagten Informationen über die strategische Ausrichtung des Un- ternehmens enthält. Der Informationszugang ermöglicht auch keine Rückschlüsse auf die Kostenkalkula- tion und Entgeltgestaltung von Zoom. Auf der Grundlage der im Jahr 2020 gezahlten Gesamtsumme kann der Kläger oder ein Dritter (auch unter Zuhilfenahme anderer öffentlich zugänglicher Informationen, wie etwa der Anzahl der Studierenden und Beschäftigten, der öffentlichen oder privaten Trägerschaft, der Anzahl der Fachrich- tungen etc.) die Art und den Umfang der von Zoom erbrachten Leistungen nicht hin- reichend genau einschätzen und in Relation zu der von der Beklagten gezahlten Summe setzen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. Februar 2019 – OVG 12 B 15/18 – NVwZ 2019, 1056 Rn. 23, 16 ff. zu § 6 Satz 2 IFG Bund). Denn hierfür fehlt es an Informationen über die weiteren Parameter für die von Zoom angestellte Kostenkalkulation und Entgeltgestaltung. Die Beklagte hat nicht darge- legt, dass der Kläger oder ein Dritter über Informationen verfügt über die Anzahl und Art der erworbenen Lizenzen (Lehrende, Verwaltungsmitarbeiter und/oder Studie- rende), die angebotenen Veranstaltungsformate (Meetings, Webinare, Events etc.), die Anzahl der zur Teilnahme an diesen Veranstaltungen berechtigten Personen, sonstige Beratungs-, Betriebs- und Serviceleistungen, die Vertragslaufzeit, die Zah- lungskonditionen (monatlich/jährlich) und sonstige für die Preisbildung maßgebliche Faktoren. Nur in Zusammenhang mit diesen Parametern können aussagekräftige und damit für die Wettbewerbsposition von Zoom möglicherweise nachteilige Rück- schlüsse gezogen werden. Aus diesen Gründen ist auch die von der Beklagten befürchtete Verschlechterung der Verhandlungsposition von Zoom fernliegend. 2. Darüber hinaus und dessen ungeachtet überwiegt das Informationsinteresse des Klägers das schutzwürdige Interesse von Zoom an der Geheimhaltung. Letzteres ist von eher geringem Gewicht. Denn selbst wenn die Kenntnis der für das Jahr 2020 gezahlten Gesamtsumme Rückschlüsse auf die Kostenkalkulation und Entgeltgestal- tung zuließe, wären die hierdurch zu befürchtenden Wettbewerbsnachteile geringfü- gig. Die zu ziehenden Rückschlüsse bieten allenfalls einen groben Anhaltspunkt für die Kostenkalkulation bzw. Entgeltgestaltung mit einem Kunden und betreffen nicht die gesamte Entgeltstruktur und Markposition von Zoom. Deshalb lässt die Offenle- -6-
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-6- gung dieser Information keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Wettbewerbs- position erwarten. Demgegenüber verfolgt der Kläger mit seinem Informationszugang ein gewichtiges öffentliches Interesse. Ihm geht es darum aufzuklären, wie viel Geld die Beklagte für die – aus seiner Sicht nicht datenschutzkonformen – Dienstleistungen von Zoom ausgegeben hat, anstatt mit diesem Budget eine – aus seiner Sicht – datenschutz- konforme Software zu entwickeln und zu betreiben, deren Code öffentlich einsehbar und damit weniger fehleranfällig sei. Mit den gewonnenen Erkenntnissen möchte der Kläger die Öffentlichkeit auf mögliche Steuergeldverschwendung aufmerksam ma- chen. Dieses Interesse unterfällt dem Gesetzeszweck des Berliner Informationsfrei- heitsgesetzes, die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen (§ 1 IFG Bln). Es betrifft mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Art. 86 Abs. 2, Art. 95 Abs. 3 Satz 1 der Verfassung von Berlin, § 7 Landeshaushaltsordnung) zudem einen Be- lang von verfassungsrechtlichem Gewicht. Die Höhe der Zahlungen an externe Be- treiber von Videokommunikationsplattformen haben wegen der öffentlich diskutierten datenschutzrechtlichen Aspekte und der fortschreitenden Digitalisierung universitärer Angebote auch eine hervorgehobene Bedeutung für die Allgemeinheit. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO in Verbin- dung mit § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Ober- verwaltungsgericht zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form gemäß § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstra- ße 7, 10557 Berlin zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe schriftlich oder in elektronischer Form darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Ber- lin, einzureichen. -7-
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-7- Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevoll- mächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Beru- fung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Uni- on, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirt- schaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus können auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Per- sonen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteilig- ter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebil- deten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Rich- teramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zu- sammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht, ehrenamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. ▎ ████▎ BESCHLUSS Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostenge- setzes auf 5.000,00 Euro festgesetzt. Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Ber- lin-Brandenburg zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, schriftlich oder in elektronischer Form gemäß § 55a der Verwaltungs- gerichtsordnung (VwGO) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen. Sie ist innerhalb von sechs Monaten einzulegen, nachdem die Entscheidung in der Haupt- sache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Der Ver- tretung durch einen Prozessbevollmächtigten bedarf es nicht. ████ ████▎
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