Europäisches Gericht in LuxemburgKlage zu griechischem Neonazi vor EU-Gericht

Ioannis Lagos ist ein verurteilter Neonazi, der für 13 Jahre im Gefängnis sitzt – und gleichzeitig als EU-Abgeordneter. Wie der Kriminelle seine Gelder verwendet, hält das Parlament geheim. Jetzt verhandelt das EU-Gericht unsere Klage dazu.

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Vor zwei Jahren forderten wir vom Europäischen Parlament alle Informationen darüber an, wie der EU-Abgeordnete Ioannis Lagos seine Parlamentsgelder verwendet. Lagos ist ein Neonazi, der derzeit eine 13-jährige Gefängnisstrafe in Griechenland verbüßt – er ist allerdings weiterhin Mitglied des Parlaments und hat damit Zugriff auf große Geldtöpfe.

Das EU-Parlament besitzt 93 Dokumente zu Lagos' Ausgaben, weigerte sich jedoch, sie zu veröffentlichen. Die Begründung: Eine Herausgabe der Informationen würde Lagos’ Privatsphäre verletzen. Wir haben das EU-Parlament deswegen im Juli 2022 verklagt. Am 5. Oktober verhandelt das Europäische Gericht in Luxemburg über die Klage.

Nazi, kriminell, EU-Abgeordneter

Im Oktober 2020 wurde die Neonazi-Partei „Goldene Morgenröte“ in Griechenland in einem wegweisenden Urteil zu einer kriminellen Vereinigung erklärt. Die Partei wurde aufgelöst und ihre führenden Mitglieder zu Haftstrafen verurteilt. Darunter war auch Ioannis Lagos. Er wurde für schuldig befunden, die Organisation geleitet und den Mord am antifaschistischen Rapper Pavlos Fyssas sowie andere gewalttätige Angriffe organisiert zu haben.

Zu dieser Zeit war Lagos allerdings bereits EU-Abgeordneter. Daher genoss er zunächst Immunität. Während das EU-Parlament nach dem Urteil ganze sieben Monate lang über die Aufhebung der Immunität verhanndelte, wurde Lagos nicht nach Griechenland ausgeliefert.

Campaign sticker in the streets of Brussels against the presence of Ioannis Lagos in the European Parliament. –

FragDenStaat

Während dieses Zeitraums konnte Lagos ein normales und freies Leben in Brüssel führen. Er hielt Reden im Europäischen Parlament und gelobte, die Mittel zu nutzen, die ihm als Abgeordneter zur Verfügung gestellt wurden – fast 5.000 € pro Monat zusätzlich zu seinem Gehalt. Inzwischen hat das Parlament hunderttausende Euro an Lagos gezahlt, Gehalt, Spesen und weitere Gelder.

Gleichzeitig weigerte sich Lagos beharrlich, die Rechtmäßigkeit des Prozesses gegen die Goldene Morgenröte anzuerkennen, den er als Betrug bezeichnete. Er legte gegen das Urteil Berufung ein. Er behauptete, er werde politisch verfolgt, und erklärte offen, dass er Vorkehrungen treffe, um anderswo in Europa –  wahrscheinlich in Norwegen – Asyl zu beantragen, um seiner Haftstrafe zu entgehen.

Am 26. April 2021 schließlich stimmte das Europäische Parlament für die Aufhebung der Immunität von Lagos. Zuvor war Lagos bei der Durchführung eines Covid-19-Tests fotografiert worden, der damals Voraussetzung für Reisen war. Einen Tag später wurde er schließlich in Brüssel verhaftet und nach Griechenland ausgeliefert, wo er seitdem seine Haftstrafe verbüßt.

EU-Abgeordneter aus einer Gefängniszelle

Aber: Auch als strafrechtlich verurteilter Neonazi, der eine Haftstrafe verbüßt, ist Lagos immer noch EU-Abgeordneter und darf sein Mandat weiterhin normal ausüben. Lagos bleibt nicht nur Mitglied in parlamentarischen Ausschüssen, er kann auch weiterhin Gesetzentwürfe verfassen und schreibt oft Änderungsanträge, um seine neonazistischen Ideale durchzusetzen. Er hält Reden, schreibt Anfragen und schlägt Anträge vor – alles von seiner Gefängniszelle in Griechenland aus.

Amendment by Ioannis Lagos. –

Screenshot via ParlTrack

Lagos korrespondiert auch häufig mit seinen Kollegen im EU-Parlament. Er hat seine Kolleg*innen in mehreren E-Mails aufgefordert, für die Wiederherstellung seiner Immunität zu stimmen oder „als Freiwilliger den ukrainischen Streitkräften beizutreten“ (auch wenn Lagos einer der wenigen Abgeordneten war, die gegen die Verurteilung der Invasion in der Ukraine gestimmt haben).

Während er seine Haftstrafe verbüßt, erhält Lagos auch weiterhin sein Gehalt als Europaabgeordneter: ein monatliches Bruttogehalt von fast 10.000 Euro. Wenn er 63 Jahre alt wird, hat er Anspruch auf eine Rente wie alle seine Altersgenoss*innen. Auch aus dem Gefängnis heraus hat er weiterhin Zugang zu parlamentarischen Geldern und Ressourcen. Griechische Medien haben berichtet, dass ein ihm vom Parlament zur Verfügung gestelltes Auto immer noch von einem seiner Assistenten genutzt wird.

Zwar ist derzeit nicht bekannt, ob Lagos bei den Europawahlen 2024 erneut kandidieren will, doch ist es ziemlich sicher, dass er sein Mandat trotz seiner strafrechtlichen Verurteilung normal beenden darf. Abgesehen von der Aufhebung seiner Immunität hat das Europäische Parlament keine sichtbaren Schritte unternommen, um anzuerkennen, dass die Anwesenheit des Kriminellen in den Reihen der Abgeordneten ein Problem darstellt.

Besonders alarmierend ist die fehlende öffentliche Kontrolle über Lagos' Verwendung der parlamentarischen Gelder. In Anbetracht von Lagos' Neonazi-Ideologie, seiner Prominenz innerhalb der griechischen extremen Rechten und seiner Vorstrafen ist es äußerst bedenklich, dass er Zugang zu öffentlichen Geldern hat, über die er nicht Rechenschaft ablegen muss. Wir kämpfen vor Gericht, damit sich das ändert.

zur Anfrage und Klage

zu mehr Infos beim EU-Gericht

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