Gegenrechtsschutz-KlageRechtsextrem oder nicht?

Ein Bautzner Unternehmer verklagt ein Recherchekollektiv, weil er sich nicht als „extrem rechts“ bezeichnen lassen will. Sein Anwalt ist aus der Kanzlei Höcker. Der Richter war früher AfD-Mitglied.

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Über der Sihloutte von Bautzen zucken Gewitterwolken. Davor ist ein Bagger und daneben türmt sich ein Papierstapel
Im ostsächsichen Bautzen ist der Bauunternehmer Jörg Drews eine bekannte Persönlichkeit. Er spendet an den Fußballverein, finanziert den Sender Ostsachsen.TV und hat auch an die AfD gespendet.

FragDenStaat hat einen Rechtshilfefonds gegründet. Er hilft Menschen, die wegen ihrer Tweets, Mails oder Aussagen von rechts abgemahnt, verklagt und angegriffen werden. Diese Einschüchterungsklagen schränken den öffentlichen Diskurs ein. Sie sollen jene zum Schweigen bringen, die auf Missstände hinweisen. Hier berichten wir über eine Verhandlung, die wir unterstützen. 

Zu Beginn der Verhandlung sagt der Richter: Er war früher AfD-Mitglied, habe aber seit Jahren nichts mehr mit der Partei zu tun. Er betont das, weil er heute über die Veröffentlichung eines Berichtes entscheidet, in dem es auch um die AfD geht. Genauer gesagt um den Vorwurf von Verbindungen eines Bautzner Unternehmers zu rechtsextremen Medien mit Verschwörungsinhalten, seiner Spende an die AfD und rassistischen Aussagen im Pausenraum seiner Firma.

Auf der Beklagtenseite sitzt Silvio Lang. Er ist Vorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) in Sachsen und laut Impressum verantwortlich für den Bericht, der von dem Recherchekollektiv 15°Research veröffentlicht wurde. Lang hat vor einiger Zeit von dem Bautzner Unternehmer Jörg Drews eine Abmahnung erhalten. Weil er die Unterlassungserklärung nicht unterschrieb, verklagte ihn Drews.

Drews ist Geschäftsführer der Firma „Hentschke Bau“. Vor Gericht vertritt ihn die Kanzlei des Medienanwalts Ralf Höcker, die unter anderem die AfD bei Verfahren gegen journalistische Berichterstattung vertritt. 

In dem Bericht, der gemeinsam mit dem Else-Frenkel-Brunswik-Institut für Demokratieforschung an der Universität Leipzig geschrieben wurde, steht, dass Drews den Sender Ostsachsen.TV teilfinanziere. Laut dem Bericht biete der Sender eine Plattform für extrem Rechte, wie den Verleger Jürgen Elsässer und Maximilian Thorn, Mitglied der Identitären. 2017 habe Drews 19.500 Euro an die AfD gespendet.

Rassistische Sprüche im Pausenraum

Die Autor*innen resümieren, dass „das extrem rechte politische Engagement“ von Drews sich in seinem Unternehmen widerspiegele. Als Beweis dafür wird eine Szene im Pausenraum von Hentschke Bau geschildert. Nach der Darstellung des Recherchekollektivs soll sie sich wie folgt zugetragen haben: Ein*e ehemalige*r Mitarbeiter*in habe dort einen Gabelstaplerfahrer gehört, der vom „Vergasen” geredet habe. Widersprochen habe ihm niemand.

Die Spende an die AfD leugnet Drews nicht. Sein Anwalt findet die Auswahl dieser Details zu einseitig und unvollständig, um ihn als „extrem rechts“ zu bezeichnen. Es sei eine „rechtswidrige Schmähkritik“ und würde Drews in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt.

Vor allem die Aussage im Pausenraum hält Drews Anwalt für nicht erwiesen – und damit unzulässig. Dazu ruft das Gericht zwei von Drews benannte Zeugen auf. Beide sind Betriebsräte bei „Hentschke Bau“. Sie berichten, während ihr Chef im Gerichtssaal auf der Klägerbank sitzt. Mit einigen Gabelstaplerfahrern hätten sie gesprochen, konnten jedoch nichts herausfinden. Rassistische Sprüche hätten beide nie in ihrer Arbeitszeit gehört. 

Auch Lang und der VVN-BdA haben einen Zeugen mitgebracht: Oliver Decker, Direktor des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts, das den Bericht gemeinsam mit dem Recherchekollektiv verfasst hat. Er berichtet, dass das Team bereits bei der Recherche den*die Mitarbeiter*in getroffen habe. Nachdem die Abmahnung von Drews Anwalt kam, habe Decker ihn*sie erneut getroffen.

Drews klagt nicht zum ersten Mal

Er sei nach Görlitz, habe dort den*die Mitarbeiter*in gesprochen, dessen*deren Identität überprüft und habe sich den Arbeitsvertrag mit „Hentschke Bau“ zeigen lassen. Dann habe er noch einmal gefragt: Was geschah im Pausenraum? „Es ging darum, wie bestimmte Gruppen eine Vergasung verdient hätten“, wiederholt Decker in der Verhandlung die Aussage des*der Ehemaligen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Drews gegen Äußerungen über ihn klagt. Vor einigen Jahren schrieb eine Bautznerin auf Twitter, sie habe Belege für die „Reichsbürgerei von Drews“. Drews habe das Magazin „Denkste?!“ mitgestaltet, das Verschwörungsideologien verbreitete. Das Bautzner Landgericht entschied damals: Die Äußerung ist zulässig.

Wie die Klage gegen den VVN-BdA ausgehen wird, bleibt an diesem Januartag offen. Der Richter hat nur entschieden, dass er am 5. April verkündet, wie es weitergeht.

→ Mehr Informationen und Kontaktmöglichkeiten zum Gegenrechtsschutz gibt es hier!

→ Was es für Betroffene bedeutet, abgemahnt zu werden

→ Dieses Urteil haben wir schon erwirkt

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