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Aktenzeichen
5 D 47/15
Datum
14. Dezember 2015
Gericht
Oberverwaltungsgericht Sachsen
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Sachsen am 14. Dezember 2015

5 D 47/15

Das Oberverwaltungsgericht hebt den gegenteiligen Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden auf und bewilligt dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug. Die vorgesehene Klage gegen die Ablehnung des Zugangs zur aktuellen Diensttelefonliste eines Jobcenters bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht stellt insbesondere fest, dass daraus, dass nicht nachvollziehbar ist, aus welchem Grund der Antragsteller Listen von Jobcentern im gesamten Bundesgebiet begehrt, ein Mutwillen nicht abgeleitet werden kann. (Quelle: LDA Brandenburg)

Prozessuales

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Beglaubigte Abschrift Az.:  5 D 47/15 6 K 3031/14 SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss In der Verwaltungsrechtssache des Herrn - Antragsteller - - Beschwerdeführer - prozessbevollmächtigt: gegen das Jobcenter D...... - Antragsgegner - - Beschwerdegegner - prozessbevollmächtigt: Rechtsanwälte wegen Erteilung von Auskünften nach dem IFG hier: Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe
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2 hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und den Richter am Oberverwaltungsgericht Tischer am 14. Dezember 2015 beschlossen: Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 23. Juni 2015 - 6 K 3031/14 - geändert. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und Rechtsanwalt, beigeordnet. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet. Gründe 1 Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein noch durchzuführendes Klageverfahren abgelehnt hat, ist begründet. 2 Der Antragsteller begehrt mit seiner beabsichtigten Klage die Erteilung von Auskünften nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Er will vom Jobcenter D...... die Diensttelefonliste mit der Angabe der Zuständigkeitsbereiche der betreffenden Mitarbeiter   erhalten.   Das    Verwaltungsgericht    hat    die  Gewährung       von Prozesskostenhilfe abgelehnt, da seine Rechtsverfolgung mutwillig sei. Mit Rücksicht auf das Kostenrisiko, das typischerweise mit der Einleitung eines Gerichtsverfahrens einhergehe, würde eine verständige und vermögende Partei einen Prozess, der ihr in keiner Weise einen Vorteil oder Nutzen bringe, nicht führen. Der Antragsteller habe bei einer Vielzahl von Jobcentern im gesamten Bundesgebiet Anträge auf die Aushändigung von Diensttelefonlisten gestellt und soweit diese abgelehnt worden seien, bei verschiedenen Verwaltungsgerichten Klagen unter gleichzeitiger Stellung von Prozesskostenhilfeanträgen erhoben. Ein bemittelter Antragsteller würde keine weiteren vergleichbaren Verfahren anstrengen, sondern abwarten, bis in einem bereits anhängigen fortgeschrittenen Verfahren eine höchstrichterliche Entscheidung ergehe. Dies gelte insbesondere, weil das Sächsische Oberverwaltungsgericht in einem Parallelverfahren mit Beschluss vom 29. Januar 2015 den Antrag auf Zulassung der
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3 Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen habe. Für die Kammer sei es zudem nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund der in B........... lebende Antragsteller die streitgegenständlichen Listen im gesamten Bundesgebiet begehre. Das Informationsfreiheitsgesetz diene nicht dazu, Verwaltungspersonal mit der Erteilung von Auskünften zu belasten, die nur um der Auskunft willen begehrt würden. 3 Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. 4 Der Antragsteller ist - wie sich aus der vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe ergibt - bedürftig. 5 Seine Klage bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Hierbei dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist zu bejahen, wenn die Sach- und Rechtslage bei summarischer Prüfung zumindest als offen   erscheint. So liegt es hier.       Zwar haben zwischenzeitlich mehrere Oberverwaltungsgerichte einen Anspruch auf Zugang zu der Diensttelefonliste - jedenfalls ohne Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter - verneint (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Urt. v. 20. August 2015 - OVG 12 B 21.14 -, juris; BayVGH, Urt. vom 5. August 2015 - 5 BV 15.160 -, juris; OVG NRW, Urt. v. 16. Juni 2015 - 8 A 2429/14     -,   juris).  Die     Gerichte    haben    aber    die     Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat die Frage noch nicht entschieden. In einem vergleichbaren Verfahren hat es mit Beschluss vom 29. Januar 2015 - 5 A 207/13 - die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. 6 Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers ist auch nicht mutwillig.
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4 7 Nach § 114 Abs. 2 ZPO ist eine Rechtsverfolgung mutwillig, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der (weiteren) Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Dies kann der Fall sein, wenn bereits andere Verfahren in der Rechtsmittelinstanz anhängig sind. Ein sein Kostenrisiko vernünftig abwägender Bürger, der die Prozesskosten aus eigenen Mitteln finanzieren muss, wird ein Verfahren nicht (weiter) betreiben, solange dieselbe Rechtsfrage bereits in anderen Verfahren in der Rechtsmittelinstanz (sog. unechte Musterverfahren) anhängig ist. Er kann auf diesem Wege - im Falle einer in seinem Sinne positiven Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - vom Ausgang dieser Verfahren profitieren, ohne selbst einem (weiteren) Kostenrisiko zu unterliegen. Geht das Rechtsmittelverfahren hingegen aus Sicht des Betroffenen negativ aus, ist er nicht gehindert, sein Rechtsschutzziel im eigenen Verfahren weiter zu verfolgen. Es reicht aus verfassungsrechtlicher Sicht aus, wenn dem Betroffenen nach Ergehen der „Musterentscheidungen” noch alle prozessualen Möglichkeiten offenstehen, umfassenden gerichtlichen Schutz zu erlangen (BVerfG-K, Beschl. v. 18. November 2009, NJW 2010, 988 Rn. 10 f.; Beschl. v. 27. März 1980; BVerfGE 54, 39, 41 f.). Solange ein Betreiben des eigenen Verfahrens in zumutbarer Weise zurückgestellt bzw. auch formell ruhend gestellt werden kann, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte davon ausgehen, dass eine   anwaltliche    Vertretung   nicht  erforderlich  ist. Waren     die   unechten Musterverfahren zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits beim Revisionsgericht anhängig, gilt dies regelmäßig auch für die Klageerhebung selbst (BVerfG-K, Beschl. v. 18. November 2009, NJW 2010, 988 Rn. 11). 8 Eine solche Situation bestand indes zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Antrags des Antragstellers auf Prozesskostenhilfe im Juni oder Juli 2014 nicht. Zu diesem Zeitpunkt war - soweit ersichtlich - weder ein Revisionsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht noch ein Berufungsverfahren beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht zur selben Rechtsfrage anhängig. Anhängig waren beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht nur Anträge auf Zulassung der Berufung, deren Erfolg zu diesem Zeitpunkt nicht sicher abschätzbar war. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat erst mit Beschluss vom 29. Januar 2015 die Berufung eines Antragstellers gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Der Antragsteller - der in dem
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5 Parallelverfahren nicht Antragsteller ist (vgl. zu mehreren Verfahren desselben Antragstellers: NdsOVG, Beschl. v. 13. August 2015, NVwZ-RR 2015, 917 f.) - musste deshalb bei verständiger Würdigung aller Umstände nicht von der (weiteren) Rechtsverfolgung absehen. Vielmehr durfte er, nachdem der Antragsgegner nicht das Ruhen des Widerspruchsverfahrens vorgeschlagen (vgl. zu einem solchen Fall: BVerfG-K, Beschl. v. 18. November 2009, NJW 2010, 988), sondern einen Widerspruchsbescheid erlassen hatte, versuchen, der Bestandskraft des Bescheids durch einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für ein durchzuführendes Klageverfahren entgegenzuwirken, um sich die prozessualen Möglichkeiten offenzuhalten. 9  Auch daraus, dass nicht nachvollziehbar ist, aus welchem Grund der in B........... lebende Antragsteller die streitgegenständlichen Listen von Jobcentern im gesamten Bundesgebiet begehrt, kann ein Mutwillen nicht abgeleitet werden. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gewährt jedermann gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Ein Bedürfnis oder berechtigtes Interesse verlangt das Informationsfreiheitsgesetz grundsätzlich nicht. Nur in Fällen, in denen personenbezogene Daten begehrt werden, sieht § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG eine Abwägung des Informationsinteresses des Antragsstellers mit den schutzwürdigen Interessen des Dritten oder eine Einwilligung des Dritten vor. In diesem Fall muss somit dann, wenn die Dritten nicht einwilligen, ein Informationsinteresse des Antragstellers vorliegen. Hiervon macht § 5 Abs. 4 IFG jedoch wieder eine Unterausnahme, nach der u. a. Telekommunikationsnummern von Bearbeitern vom Informationszugang nicht ausgeschlossen sind. Ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, ist zwischen den   Beteiligten    umstritten und    kann  im    Prozesskostenhilfeverfahren   nicht abschließend geklärt werden. 10 Dem Antragsteller war auch sein Prozessbevollmächtigter beizuordnen. Zwar ist eine Vertretung durch Anwälte vor dem Verwaltungsgericht nicht vorgeschrieben. Dem Antragsteller ist es auch zumutbar, nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe lediglich Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist zu beantragen und Klage zu erheben. Im Übrigen könnte er ein Betreiben des eigenen Verfahrens in zumutbarer Weise zurückstellen bzw. das Verfahren auch formell ruhend stellen, bis über die unechten Musterverfahren        vom       Bundesverwaltungsgericht       oder      Sächsischen Oberverwaltungsgericht entschieden ist. Für die Erhebung der Klage und den
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6 Wiedereinsetzungsantrag allein erscheint auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht zwingend erforderlich. Da aber der Antragsgegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, ist auch dem Antragsteller ein Prozessbevollmächtigter beizuordnen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO). 11 Gerichtsgebühren fallen nicht an; außergerichtliche Kosten werden nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet. 12 Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). gez.: Raden                               Dehoust                                     Tischer Die Übereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift wird beglaubigt. Bautzen, den Sächsisches Oberverwaltungsgericht Gentsch Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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