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Aktenzeichen
7 B 24.15
Datum
8. Oktober 2015
Gericht
Bundesverwaltungsgericht
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)

Beschluss: Bundesverwaltungsgericht am 8. Oktober 2015

7 B 24.15

Das Bundesverwaltungsgericht lehnt die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen ab. Die Argumentation basiert ausschließlich auf prozessrechtlichen Erwägungen. Zur Rechtsprechung den Informationszugang zu dienstlichen Telefonlisten betreffend siehe höchstrichterliche Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2016 (7 C 20.15, 7 C 23.15, 7 C 27.15, 7 C 28.15). (Quelle: LDA Brandenburg)

Prozessuales

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BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS BVerwG 7 B 24.15 OVG 8 A 1943/13 In der Verwaltungsstreitsache
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-2- hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 8. Oktober 2015 durch die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Schipper und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2015 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer- deverfahren auf 5 000 € festgesetzt. Gründe: I 1 Der Kläger ist Rechtsanwalt in Aachen. Er begehrt gestützt auf das Informati- onsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) die Überlas- sung einer vollständigen Telefonliste des Verwaltungsgerichts Aachen. 2 Der nach Ablehnung dieses Antrags erhobenen Klage gab das Verwaltungsge- richt statt. Der Anspruch folge aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Als Organ der Rechts- pflege habe der Kläger ein rechtliches Interesse im Sinne von § 9 Abs. 1 Buchst. e IFG NRW an der Übermittlung der Telefonliste. Der Bekanntgabe der Daten stünden weder die richterliche Unabhängigkeit noch der Schutz perso- nenbezogener Daten entgegen. 3 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen und den Beklagten unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils verpflichtet, den Antrag auf Zu- gang zur Telefonliste der nichtrichterlichen Gerichtsangehörigen unter Beach- tung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. Im Hinblick auf die
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-3- Durchwahlnummern der Richterschaft sei der Anspruch jedenfalls nach § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW ausgeschlossen. Ob der Informationsanspruch hin- sichtlich der Durchwahlnummern der nichtrichterlichen Gerichtsangehörigen an § 9 IFG NRW scheitere, könne derzeit nicht abschließend festgestellt werden, weil der Beklagte die Betroffenen noch nicht zu ihrer Einwilligung befragt habe. 4 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelas- sen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers. II 5 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. 6 1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. 7 a) Entgegen der Auffassung des Klägers hätte das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Beklagten nicht nach § 125 Abs. 2 VwGO als unzulässig verwer- fen müssen, weil sie von einer nicht vertretungsberechtigten Person begründet worden ist. 8 aa) Das Oberverwaltungsgericht ist in Anwendung der Anordnung über die Ver- tretung des Landes Nordrhein-Westfalen im Geschäftsbereich des Justizminis- teriums (Vertretungsordnung JM NRW) vom 27. Juli 2011 in der Fassung vom 18. Juni 2013 (JMBl. NRW 2013 S. 148) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berufung von einer nach § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO vertretungsbefugten Be- schäftigten des Oberverwaltungsgerichts wirksam und fristgerecht begründet worden sei. Abschnitt A Teil I Nr. 1 b der Vertretungsordnung sei nicht so zu verstehen, dass das beklagte Land in gerichtlichen Verfahren aus dem Ge- schäftsbereich der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts von dieser persön- lich vertreten werde. Die Vertretungsordnung bestimme lediglich, welche "ver- tretungsberechtigte Stelle" bzw. Behörde das Land vertrete. § 67 Abs. 5 VwGO stehe der Anwendung dieser Regelung nicht entgegen.
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-4- 9  An die Auslegung irrevisibler landesrechtlicher Bestimmungen ist das Revisi- onsgericht - auch soweit es um die Beurteilung von Sachurteilsvoraussetzun- gen geht - gebunden. Abweichendes gilt nur dann, wenn die Auslegung der Vorinstanz im Widerspruch zu Bundesrecht steht. Das ist hier nicht der Fall, namentlich verstößt die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts nicht gegen § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift dürfen Richter nicht als Be- vollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/3655, S. 89 f., 94, 98) soll durch die Tren- nung von richterlicher Tätigkeit und Prozessvertretung an demselben Gericht ein damit etwa einhergehender Anschein der Voreingenommenheit des Ge- richts vermieden werden; Interessenkollisionen sollen von vornherein ausge- schlossen werden. Mit diesem Gesetzeszweck ist es entgegen der Auffassung des Klägers vereinbar, dass eine nichtrichterliche Beschäftigte des Gerichts mit Befähigung zum Richteramt die Vertretung des Gerichts als Behörde wahr- nimmt. 10 Die Unvereinbarkeitsregelung des § 67 Abs. 5 VwGO beruht auf der Annahme, dass die kollegialen Beziehungen zwischen den richterlichen Beschäftigten ei- nes Gerichts, die in der Regel spruchkörperübergreifend oder sogar innerhalb desselben Spruchkörpers gleichgeordnet Rechtsprechungsaufgaben wahrneh- men, besonders eng sind. Aus diesem Grund bezieht sich das strenge Vertre- tungsverbot für die Berufsrichter auf das gesamte Gericht, während bei ehren- amtlichen Richtern besonders enge Kontakte nur zu dem Spruchkörper ange- nommen werden, dem sie angehören und das Vertretungsverbot sich daher auf diesen Spruchkörper beschränkt (§ 67 Abs. 5 Satz 2 VwGO; vgl. BT-Drs. 16/3655, S. 94). Die Vermutung eines durch die gemeinsame richterliche Tätig- keit begründeten Näheverhältnisses trifft auf die nichtrichterlichen Beschäftigten nicht zu. Daran ändert der Hinweis des Klägers auf die Weisungsgebundenheit der nichtrichterlichen Vertreterin nichts. 11 bb) Die Vertretungsbefugnis der Regierungsdirektorin begegnet nicht deshalb Bedenken, weil - wie der Kläger meint - die Erteilung einer Prozessvollmacht durch die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts einen Auftritt vor Gericht im Sinne von § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO darstellt und die Vertretungsmacht daher
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-5- von einer ausgeschlossenen Richterin abgeleitet ist. Der Kläger übersieht die Doppelfunktion der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts als Leiterin einer mit der Prozessführung beauftragten Behörde einerseits und Richterin dieses Gerichts andererseits. Von der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Behördenlei- terin wird die Präsidentin durch § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht ausgeschlos- sen. 12 cc) Das Oberverwaltungsgericht musste auch den pauschal geäußerten Zwei- feln des Klägers an der Befähigung der Prozessvertreterin des Beklagten zum Richteramt nicht weiter nachgehen. Diese hat mit Schriftsatz vom 4. März 2015 (S. 2) auf die Rüge des Klägers hin ausdrücklich versichert, dass sie über die Befähigung zum Richteramt verfüge. Der Kläger hat an seiner Rüge gleichwohl festgehalten, diese aber in keiner Weise "unterfüttert". Einer solchermaßen "ins Blaue hinein" aufgestellten Behauptung muss das Gericht nicht nachgehen. Für einen Zurückweisungsbeschluss nach § 67 Abs. 3 Satz 1 VwGO bestand kein Anlass. Aus dem Hinweis des Klägers auf § 88 Abs. 2 ZPO und § 157 Abs. 2 Satz 1 ZPO (gemeint ist wohl § 79 Abs. 3 Satz 3 ZPO) folgt nichts anderes. 13 dd) Auf den absoluten Verfahrensmangel der fehlenden bzw. mangelhaften Vertretung im Sinne von § 138 Nr. 4 VwGO kann der Kläger sich schon deshalb nicht berufen, weil diese Vorschrift nur dem Schutz des Beteiligten dient, der nicht ordnungsgemäß vertreten war (BVerwG, Beschluss vom 10. März 1998 - 8 B 27.98 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 4 VwGO Nr. 7; BGH, Beschluss vom 11. Mai 1988 - IVb ZB 191/87 - FamRZ 1988, 1158). 14 b) Die Rüge des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe die Sache im Hin- blick auf die Telefonnummern der nichtrichterlichen Gerichtsangehörigen unter Verstoß gegen § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht spruchreif gemacht, führt nicht auf einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Selbst wenn das Oberverwaltungsgericht ausgehend von seiner für den Senat grundsätzlich bindenden Auslegung des § 9 Abs. 3 IFG NRW das Prüfprogramm des § 113 Abs. 5 VwGO verkannt haben sollte, läge darin kein Verfahrensfehler, sondern ein inhaltlicher Mangel (BVerwG, Beschluss vom 26. März 2014 - 4 B 3.14 - UPR 2014, 313 Rn. 23).
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-6- 15 2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulas- sen. 16 Mit dem Vorbringen, das Oberverwaltungsgericht sei von einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 2008 - 2 B 131.07 - (Buchholz 237.8 § 102 RhPLBG Nr. 2 Rn. 8) abgewichen, wonach Behördenbedienstete in der Regel keinen Anspruch darauf hätten, von Publikumsverkehr und der Möglich- keit zur postalischen oder elektronischen Kontaktaufnahme von außen abge- schirmt zu werden, wird keine Divergenz bezeichnet. Voraussetzung dafür ist u.a., dass sich die gerügte Abweichung auf dieselbe Vorschrift revisiblen Rechts bezieht (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2011 - 9 B 29.11 - juris Rn. 2). Daran fehlt es hier. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die aus den allgemeinen Organisationsbefugnissen einer Behörde folgende Befugnis, Namen und dienstliche Telefonnummern der Bediensteten zu veröffentlichen, könne und solle eine vom Landesgesetzgeber getroffene ausdrückliche Rege- lung zur Herausgabe nicht unterlaufen, beruht auf der Auslegung der landes- rechtlichen Vorschriften der § 9 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 Buchst. a IFG NRW und § 12 IFG NRW. Demgegenüber betrifft der bezeichnete Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts allgemeine Grundsätze der Behördenorganisation. Abweichendes ergäbe sich selbst dann nicht, wenn die Entscheidung des Bun- desverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2011 zu § 5 Abs. 4 IFG ergangen wäre. Entscheidungen zu Rechtsvorschriften verschiedener Geltungsgrundlagen kön- nen eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO selbst dann nicht begründen, wenn die Regelungen - wie hier nicht - wörtlich übereinstimmen (Beschluss vom 27. Mai 2011 a.a.O.). 17 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset- zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Dr. Philipp                           Schipper                            Brandt
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