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Aktenzeichen
2 K 48.14
Datum
18. Februar 2015
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Umweltinformationsgesetz Bund (UIG)
Umweltinformationsgesetz Bund (UIG)

Urteil: Verwaltungsgericht Berlin am 18. Februar 2015

2 K 48.14

Zu Informationen im Zusammenhang mit einem Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung der CO2-Grenzwerte für neue Personenkraftwagen muss das zuständige Bundesministerium teilweise Zugang gewähren. Die begehrten Informationen betreffen keine ortsfeste Anlage und enthalten keine Angaben zu konkreten Werten des CO2-Ausstoßes eines Fahrzeugs, mithin handelt es sich nicht um Umweltinformationen über Emissionen. Während die Ausnahmetatbestände zum Schutz vertraulicher Beratungen sowie von internationalen Beziehungen nicht greifen, enthalten die Unterlagen teilweise schutzbedürftige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffener Unternehmen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Interessenabwägung Begriffsbestimmung Beratungsgeheimnis (behördlicher Entscheidungsprozess) Internationale Beziehungen

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VG 2 K 48.14 Verkündet am 18. Februar 2015 Kelm Justizbeschäftigte als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache des Klägers, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Scharnhorststraße 34-37, 10115 Berlin, Beklagte, beigeladen: 1. die 2. der Verfahrensbevollmächtigte zu 1. und 2.: Rechtsanwälte hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2015 durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Xalter, den Richter am Verwaltungsgericht Keßler, den Richter am Verwaltungsgericht Schulte, den ehrenamtlichen Richter Chlebosz und die ehrenamtliche Richterin Cenowa -2-
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-2- für Recht erkannt: Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 29. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2014 verpflichtet , dem Kläger Einsicht zu gewähren in folgende Informationen, die in der Anlage B 3 des Beklagtenschriftsatzes vom 5. Juni 2014 durch gelbe Textfelder ma r- kiert sind: 1-1, 3-1, 6-1, 7-2 Schwärzung 2, 12-1 Sätze 2 bis 4, 12-2, 13-2 Absatz 1 Satz 2 und Absätze 2 und 3, 14-1, 15-1, 16-1, 17-1 Halbsatz 2, 18-1, 19-1, 20-1 und 20-2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Hälfte der Kosten des Verfahrens sowie 2/3 der außerg e- richtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Die Beklagte trägt 1/3 der G erichts- kosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers sowie die Hälfte ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten. Die Beigeladene zu 1. trägt 1/12 der Ge- richtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers sowie 1/3 ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten. Der Beigeladene zu 2. trägt 1/12 der Ge- richtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers sowie seine e i- genen außergerichtlichen Kosten. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicher- heitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Be- trages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Tatbestand Der Kläger - ein anerkannter Umweltverein - begehrt gegenüber der Beklagten Zu- gang zu Informationen im Zusammenhang mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission vom 11. Juli 2012 (COM(2012) 393 final) zur Änderung der CO 2- Grenzwerte für neue Personenkraftwagen in der Verordnung (EG) Nr. 443/2009 vom 23. April 2009. Mit Schreiben vom 13. November 2013 beantragte der Kläger beim Bundesminister i- um für Wirtschaft und Technologie (BMWi) auf der Grundlage des Informationsfre i- heitsgesetzes und des Umweltinformationsgesetzes Akteneinsicht in alle im Zusa m- menhang mit dem Verordnungsvorhaben zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 443/2009 stehenden Unterlagen. Zur Begründung führte der Kläger an, er wolle der Frage nachgehen, ob und inwieweit Vertreter der deutschen Automobilbranche im Laufe der Verhandlungen Einfluss auf die Position der Bundesregierung haben ne h- -3-
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-3- men können. Mit Bescheid vom 12. Dezember 2013 gewährte das BMWi teilweise Zugang (38 Blatt), kündigte an, zu weiteren 21 Blatt Informationszugang zu gewähren, nachdem dieser Bescheid einem privaten Dritten (der Beigeladenen zu 1.) gegenüber b e- standskräftig geworden sei und lehnte den Antrag im Übrigen unter Ber ufung auf Ablehnungsgründe nach dem Umweltinformationsgesetz ab. Nachdem die Beigeladene zu 1. mit Schreiben vom 23. Januar 2014 mitgeteilt hatte, dass sie gegen den Bescheid vom 12. Dezember 2013 keinen Widerspruch einlegen werde, übermittelte das BMWi die angekündigten weiteren 21 Blatt mit Bescheid vom 29. Januar 2014 teilgeschwärzt. Zur Begründung führte sie aus: Die Teilschwärzu n- gen beträfen personenbezogene Daten bzw. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Am 3. Februar 2014 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 29. Januar 2014 W i- derspruch, soweit die Schwärzungen nicht Namen natürlicher Personen betreffen. Nach erneuter Beteiligung der Beigeladenen zu 1. und 2., die einer weiteren Offe n- legung widersprachen, half das BMWi mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2014 dem Widerspruch hinsichtlich einzelner Passagen ab und gewährte insoweit Informa- tionszugang. Im Übrigen wies es den Widerspruch zurück und berief sich insoweit auf den Schutz internationaler Beziehungen, den Schutz der Vertraulichkeit der B e- ratungen, den Schutz internen Mitteilungen, den Schutz von Interessen Dritter sowie auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zu 1. und 2. Am 28. März 2014 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren - nach Klarstellung im Erörterungstermin am 19. Januar 2015 - auf Einsicht in die ge- schwärzten Informationen der Dokumente in Anlage B 3 des Beklagtenschriftsatzes vom 5. Juni 2014, die durch gelbe Textfelder erläutert sind, zunächst weiterverfolgt hat. Im Erörterungstermin am 19. Januar 2015 und in der mündlichen Verhandlung am 18. Februar 2015 haben der Kläger und die Beklagte den Rechtsstreit in der Haupt- sache übereinstimmend für erledigt erklärt hinsichtlich der in der Anlage B 3 be- zeichneten ersten und dritten Schwärzung von 6-2, der ersten und dritten Schwär- zung von 7-2, des Satzes 1 der Schwärzung von 12-1, der Schwärzung von 13-1, Satz 1 der Schwärzung von 13-2 und des 1.Halbsatzes der Schwärzung 17-1, nach- dem die Beklagte insoweit Informationszugang gewährt hat. -4-
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-4- Zur Begründung der noch aufrechterhaltenen Klage führt der Kläger im Wesentlichen an: Da es sich bei den begehrten Informationen um Umweltinformationen über Emis- sionen handele, scheide eine Berufung auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, auf Interessen privater Dritter oder auf die Vertraulichkeit der Beratungen von info r- mationspflichtigen Stellen von vornherein aus. Die Ablehnungsgründe des Schutzes der Vertraulichkeit der Beratungen, des Schutzes internationaler Beziehungen sowie des Schutzes interner Mitteilungen griffen aber auch nicht, weil die Beratungen ab- geschlossen seien. Jedenfalls überwöge das öffentliche Interesse an der Bekannt- gabe, da der Straßenverkehr die zweitgrößte Treibhausgas-Emmissionsquelle in der EU sei; der Verordnung komme dabei eine zentrale Rolle zu. Betriebs- oder Ge- schäftsgeheimnisse der Beigeladenen zu 1. lägen nicht vor. Der Beigeladene zu 2. könne sich bereits nicht auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse berufen, da er kein Unternehmen sei. Auch Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der von ihm ver- tretenen Unternehmen seien nicht betroffen. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 29. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2014 zu verpflichten, ihm Einsicht zu gewähren in die geschwärzten Informationen der Dokumente in Anlage B 3 des Beklagtenschriftsatzes vom 5. Juni 2014, die durch gelbe Textfelder erläutert sind, soweit der Rechtstreit nicht in der Hauptsache übe r- einstimmend für erledigt erklärt worden ist. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beigeladenen zu 1. und 2. beantragen, die Klage abzuweisen. Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor: Mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 333/2014 vom 11. März 2014 sei die Regulierung der CO2-Emissionen von neu- en Personenkraftwagen nicht abgeschlossen. Die Änderungsverordnung enthalte einen Auftrag an die EU-Kommission, bereits bis Ende 2015 die Zielvorgaben für die spezifischen Emissionen, die Modalitäten und andere Aspekte dieser Verordnung zu überprüfen. Die EU-Kommission habe bereits mit Vorarbeiten für die angekündigte Folgenabschätzung und den Überprüfungsbericht begonnen. Die Vergabe einer St u- die zu Modalitäten, Instrumenten und Kosten einer CO2-Regulierung für die Zeit nach 2020 befinde sich in Vorbereitung. Eine erneute Änderung der Verordnung ste- -5-
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-5- he in 2016 bis 2017 an. Dem Informationszugang stünden Ablehnungsgründe nach §§ 8 und 9 UIG entgegen. Bei den geschwärzten Passagen handele es sich nicht um Umweltinformationen über Emissionen. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwa l- tungsgerichts. Danach sei maßgeblich, ob ein konkreter Bezug zu der tatsächlichen Freisetzung von Emissionen in die Umwelt bestehe, woran es bei einem Rechtsse t- zungsverfahren fehle. Aus dem vom Kläger zitierten Urteil des EuG vom 8. Okt ober 2013 ergebe sich nichts anderes. Auch das EuG habe betont, dass ein hinreichend unmittelbarer Bezug zu Emissionen in die Umwelt gegeben sein müsse. Dem Informationszugang stehe der Ablehnungsgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG entgegen. Der Ablehnungsgrund werde zeitlich nicht durch den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zur Änderungsverordnung begrenzt. Eine Bekanntgabe der Informationen hätte nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Ber a- tungen. Die Passagen enthielten grundsätzliche Erwägungen und strategische Au s- führungen, die für weitere Verhandlungen von Bedeutung seien. Die widerstreiten- den Positionen bestünden fort. Bei einer Bekanntgabe könnten Verhandlungspartner die Position der Beklagten leichter einschätzen; die Durchsetzung einer künftigen Position innerhalb des BMWi, im Ressortkreis und der Bundesregierung gegenüber den Verhandlungspartnern auf EU-Ebene wäre dadurch erschwert. Ein überwiegen- des öffentliches Interesse an der Bekanntgabe liege nicht vor. Die Beklagte habe bereits viele Informationen preisgegeben. Die noch nicht freigegebenen Informatio- nen beträfen nicht die von der Klägerin angenommene Einflussnahme durch die A u- tomobilindustrie. Dem Informationszugang stehe auch der Ablehnungsgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG entgegen. Die Informationen beträfen sowohl vertraulic he Beratungen auf EU- Ebene als auch vertrauliche bilaterale Gespräche mit anderen Mitgliedstaaten der EU. Eine Offenlegung könne die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit der Bu n- desregierung mit den übrigen EU-Mitgliedstaaten gefährden. Diese müssten darauf vertrauen können, dass ihre Ausführungen von der Beklagten vertraulich behandelt würden. Auch § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG stehe dem Informationszugang entgegen. Die Informati o- nen beträfen ausschließlich die interne Arbeit des BMWi. Eine Begrenzung des Schutzes auf die Dauer des behördlichen Entscheidungsprozesses finde im Gesetz keine Grundlage. -6-
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-6- Zudem seien die von § 9 Abs. 2 Satz 1 UIG geschützten Interessen der Beigelade- nen zu 1. und 2. betroffen. Die Beigeladene zu 1. trägt im Wesentlichen vor: Bei den auf den Seiten 1 bis 10 geschwärzten Passagen handele es sich um ihre Betriebs- und Geschäftsgeheim- nisse, nämlich um unternehmensbezogene Tatsachen, Informationen zur Wettb e- werbssituation, aktuelle Parameter ihrer Investitionspolitik und Unternehmensstrat e- gie, exklusives technisches Wissen sowie geheime Unternehmensinterna. Es best e- he kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe. Die Dokumente seien bereits weitestgehend zugänglich gemacht worden. Eine weitere Offenlegung habe keinen Nutzen für den Umweltschutz. Auch § 9 Abs. 2 S. 1 UIG stehe einem Informationszugang entgegen. Die Vorschrift bezwecke den Schutz der vertrauen s- vollen Zusammenarbeit mit einer Behörde. Die Unternehmensinterna seien im Ve r- trauen darauf, dass sie nicht an die Öffentlichkeit gelangen, an die Beklagte übermit- telt worden. Der Beigeladene zu 2. trägt im Wesentlichen vor: Bei der auf Seite 20 Absatz 3 ge- schwärzte Passage handele es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Der V_____ sei ein Interessenverband und damit ein Unternehmen im Sinne des wett- bewerbsrechtlichen Begriffsverständnisses. Er stehe im Wettbewerb zu anderen I n- teressenverbänden auf europäischer und internationaler Ebene. Der Absatz befasse sich mit den sog. Supercredits. Er enthalte eine Bewertung der Verhandlungslinie der Beklagten im Ausschuss der Ständigen Vertreter und der Forderungen anderer Beteiligter. Er beziehe sich auf ein vertrauliches Gespräch zwischen einem Mitarbei- ter des V_____ und der Beklagten und befasse sich auch mit verhandlungstakti- schen Fragen sowie Betroffenheiten von Automobilherstellern. Er enthalte zudem eine Aussage zur strategischen Entscheidung des V_____. Eine Bekanntgabe könn- te das Vertrauensverhältnis zwischen dem V_____ und seinen Mitgliedern stören. Ein Erfolg oder Misserfolg seiner Strategie wirke sich auf die Attraktivität für seine Mitglieder aus. Da die Passage ebenfalls Informationen über die Erreichbarkeit der Zielwerte durch die Produktportfolios verschiedener Automobilhersteller enthalten, seien auch Be- triebs- und Geschäftsgeheimnisse der von ihr vertretenen Hersteller betroffen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere zum konkreten Inhalt der Dokumente, wird auf die Streitakte (Bl. 151 ff., 164 ff.) und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; diese waren Gegenstand -7-
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-7- der mündlichen Verhandlung. Entscheidungsgründe Das Verfahren ist entsprechend § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen, soweit die B e- teiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt ha- ben. Im Übrigen ist die zulässige Verpflichtungsklage teilweise begründet (I.) und teilwe i- se unbegründet (II.), da die Versagung des Informationszugangs in den angegriff e- nen Bescheiden teilweise rechtswidrig ist und den Kläger insoweit in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO). I. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Einsicht in die im Tenor näher bezeichneten Informationen. Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG. Hiernach hat jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Abs. 1 UIG verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Der Kläger ist als juristische Person des Privatrechts in der Rechtsform eines eing e- tragenen Vereins Anspruchsberechtigter und das beklagte Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ist als Bundesbehörde eine informationspflichtige Stelle. Bei den vom Kläger begehrten Informationen handelt es sich um Umweltinformatio- nen im Sinne des § 3 Abs. 1 und § 2 Abs. 3 UIG. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UIG sind Umweltinformationen unabhängig von der Art ihrer Speich erung u.a. alle Daten über Maßnahmen oder Tätigkeiten, die den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nr. 1 bezwecken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzep- te, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme. Die Änderungsverordnung (EU) Nr. 333/2014 vom 11. März 2014 ist eine solche Maßnahme im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UIG; sie ändert die Modalitäten zur Erreichung des Zielwertes von 95 g CO2/km für die durchschnitt- lichen Emissionen der Flotte neuer Personenkraftwagen. Die Verordnung dient damit der Verringerung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen bis 2020 (vgl. Be- gründung des Vorschlags der Europäischen Kommission vom 11. Juli 2012, COM(2012) 393 final und Erwägungsgrund 19 der Änderungsverordnung). Zu den Umweltinformationen gehören auch die (weiteren) Daten die bei der Erarbei- -8-
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-8- tung der Änderungsverordnung angefallen sind. Denn nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UIG sind Umweltinformationen alle Daten über Maßnahmen oder Tätigkeiten mit Umweltbezug, also alle damit in Zusammenhang stehende Daten. Es kommt dem- nach nicht darauf an, ob die diesbezüglichen Informationen auch in der letztlich ve r- abschiedeten Verordnung Eingang gefunden haben. Der Begriff der Umweltinform a- tion im Sinne des § 2 Abs. 3 UIG ist vielmehr weit auszulegen und umfasst auch Stellungnahmen im Rechtssetzungsverfahren, die geeignet sind, die abschließende Entscheidung des Gesetzgebers zu beeinflussen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Be- schluss vom 14. Mai 2012 - OVG 12 S 12.12 - juris). Nach den Angaben der Beklag- ten enthalten die o.g. Dokumente solche Daten, die im Zusammenhang mit der Ver- abschiedung der Änderungsverordnung stehen. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei den begehrten Informati o- nen nicht um Umweltinformationen über Emissionen. Dabei kann offen bleiben, ob der Begriff der Emissionen auf die von einer ortsfesten Anlage ausgehende Freiset- zung von Stoffen, Erschütterungen, Wärme oder Lärm in die Luft, das Wasser oder den Boden beschränkt ist (so BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 - BVerwG 7 C 2.09 -, juris Rn. 42 ff.), oder ob allein maßgeblich ist, dass die Information einen hinreichend unmittelbaren Bezug zu Emissionen in die Umwelt aufweist, was dann anzunehmen ist, wenn sich aus der Information „Identität“ und „Menge“ der Emission ergibt (so EuG, Urteil vom 8. Oktober 2013 - T-545/11 - Glyphosat -, juris Rn. 53 ff., 59, nicht rechtskräftig). Die von dem Kläger begehrten Informationen betreffen keine ortsfeste Anlage und enthalten nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beklagten und der Beigeladenen keine Informationen über den genauen Wert des CO2-Ausstoßes eines Fahrzeuges oder einer Baureihe. Damit fehlt es an einer In- formation über die „Identität“ und „Menge“ der Emission. Soweit in den Dokumenten zum Teil Angaben zur Erreichbarkeit der Zielwerte zukünftiger Baureihen enthalten sind, handelt es sich lediglich um Planungen und Prognosen, nicht jedoch um Infor- mationen über tatsächlich vorhandene Emissionswerte einzelner Fahrzeuge oder der Fahrzeugflotte. Dem Anspruch des Klägers auf Einsicht in die durch gelbe Textfelder markierten In- formationen stehen hinsichtlich der Anlage B 3 Nrn. 1-1, 3-1, 6-1, 7-2 Schwärzung 2 und 20-2 die geltend gemachten Ablehnungsgründe nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 UIG sowie § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG (1.) und hinsichtlich der Nrn. 12-1 Sätze 2 bis 4, 12- 2, 13-2 Absatz 1 Satz 2 und Absätze 2 und 3, 14-1, 15-1, 16-1, 17-1 Halbsatz 2, 18- 1, 19-1 und 20-1 die geltend gemachten Ablehnungsgründe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 -9-
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-9- UIG, § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG und § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG nicht entgegen (2.). 1. Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1. und 2. können den begehrten Informat i- onszugang zu den Schwärzungen 1-1, 3-1, 6-1, 7-2 Schwärzung 2 und 20-2 weder nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG (a.) noch nach § 9 Abs. 2 UIG (b.) und zu 20-2 auch nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG (c.) verweigern. a) Die Beigeladene zu 1. beruft sich ohne Erfolg auf § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG. Hiernach ist der Antrag abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben Betriebs - oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht würden, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogenen Tat- sachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenz- ten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vorneh m- lich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen zählen etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Mark t- strategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanme l- dungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte, durch welche die wirt- schaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden k önnen (vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5.11 -, juris Rn. 182). Neben dem Mangel an Offenkundigkeit muss ein berechtigtes Interesse des Unternehmers an der Nichtverbreitung der betreffenden Informationen bestehen. Ein so lches Interesse ist dann anzunehmen, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklus i- ves technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflu s- sen (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. September 2009 ,a.a.O., juris Rn. 50 und vom 28. Mai 2009 - 7 C 18.08 -, juris Rn. 12 f.; Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer Umwelt- recht Band I, Stand: August 2014, § 9 UIG Rn. 20). Dabei kann eine Zugänglichmac- hung nicht nur dann verwehrt werden, wenn die begehrte Information für sich g e- nommen bereits ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis darstellt. Vielmehr gilt dies auch, wenn die offengelegte Information ihrerseits Rückschlüsse auf Betriebs - und Geschäftsgeheimnisse zulässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009, a.a.O., juris Rn. 55). Was den Grad an Überzeugungsgewissheit angeht, den sich das G e- richt verschaffen muss, so kann es sich damit begnügen, dass nachteilige Wirkungen - 10 -
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- 10 - im Wettbewerb nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden. Diese Einschätzung ist Ergebnis einer auf die Zukunft bezogenen Beurteilung und damit notwendigerwe i- se mit einem gewissen Maß an Unsicherheit verbunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009, a.a.O., juris Rn. 58 f.; OVG Koblenz, Urteil vom 6. September 2012 - 8 A 10096.12 -, juris Rn. 43). Ob und ggf. welche Bedeutung eine Information für mögliche Konkurrenten hat oder inwieweit ihre Offenbarung die Marktposition des betroffenen Unternehmens zukünftig schwächen kann, lässt sich insbesondere a n- hand der Frage beurteilen, ob die Kenntnis bestimmter Daten Rückschlüsse auf die Betriebsführung, die Wirtschafts- und Marktstrategie und/oder die Kostenkalkulation und Entgeltgestaltung des Unternehmens zulässt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2. Oktober 2007 - OVG 12 B 11.07 -, juris Rn. 26). Gemessen hieran handelt es sich bei den Schwärzungen 1-1, 3-1, 6-1 und 7-2 Schwärzung 2 nicht um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zu 1. Sie enthalten in nur einigen Worten bzw. in maximal zwei Sätzen eine Aussage dazu, ob die Beigeladene zu 1. die von der Kommission vorgeschlagenen Zie lwerte erreichen kann. An der Geheimhaltung einer allein auf das „Ob“ der Erreichbarkeit der Zielwerte beschränkten Information besteht kein schützenswertes Interesse. Denn es ist angesichts der bereits vorhandenen Kenntnisse und Informati onen über das „Ob“ (vgl. nur die ungeschwärzten Passagen auf Bl. 20 der Anlage B 3, in der ausgeführt wird, dass der Zielwert für die Beigeladene zu 1. nur schwer e rreichbar sei) weder erkennbar noch nachvollziehbar dargelegt, dass in den wenigen Wo rten Informationen enthalten sind, die die Wettbewerbssituation der Beigeladenen zu 1. schwächen könnten. Bezogen auf die Schwärzung 20-2 kann sich der Beigeladene zu 2. nicht erfolgreich auf § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG berufen. Der in der Rechtsform eines Vereins konsti- tuierte Verband wird hier weder im Wettbewerb noch zu Zwecken des Wettbewerbs tätig. Ihm ist vielmehr satzungsgemäß die Führung eines wirtschaftlichen Geschäft s- betriebs untersagt (§ 2 Abs. 2 seiner Satzung). Er tritt hier auch nicht zu Zw ecken des Wettbewerbs seiner Mitglieder in der Öffentlichkeit auf, wie dies etwa bei einer bundesweiten Anzeigenkampagne der Fall wäre (vgl. dazu BGH, Urteil vom 25. Juni 1992 - I ZR 60/91 -, juris), sondern beschränkt sich auf eine wettbewerbsneutrale, nicht öffentliche Verbandstätigkeit im Rahmen der politischen Auseinandersetzung über die Revision der CO2-Verordnung (EG) Nr. 443/2009 und vertritt nur insoweit die Interessen seiner Mitglieder. Bezogen auf mögliche Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse von Mitgliedern des - 11 -
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