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Aktenzeichen
9 K 1334/14
Datum
3. September 2014
Gericht
Verwaltungsgericht Potsdam
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Beschluss: Verwaltungsgericht Potsdam am 3. September 2014

9 K 1334/14

Das Gericht lehnt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zugang zur Diensttelefonliste mit Durchwahlnummern der Mitarbeiter eines Jobcenters zu. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Jobcenter der Herausgabe entgegen hält, dass es seine Erreichbarkeit über ein sogenanntes Service-Center sicherstelle. Diese organisatorische Regelung und der damit bezweckte Schutz der Arbeit der Sachbearbeiter würde gestört, wenn das Jobcenter an jedermann Listen mit Durchwahlnummern herausgeben müsste. Es greift der Ausschlussgrund der die öffentliche Sicherheit und damit auch die grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates, mithin insbesondere die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen schützt. Geschützt ist auch die Befugnis staatlicher Stellen, im Rahmen der rechtlichen Vorgaben durch Organisation sicherzustellen, dass die ihnen zugewiesenen Aufgaben sachgerecht und effektiv erledigt werden können; hierzu gehört grundsätzlich auch, Regelungen zur telefonischen Kommunikation zu treffen, wobei den staatlichen Stellen Ermessen zusteht. Das Verwaltungsgericht ist nicht berufen, dem Beklagten im Rahmen seines Organisationsermessens Vorgaben zu machen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Begriffsbestimmung Sicherheitsaspekte Prozessuales

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Abschrift VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM BESCHLUSS VG 9 K 1334/14 In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam am 3. September 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Kaufhold, die Richterin am Verwaltungsgericht Stüker-Fenski und den Richter am Verwaltungsgericht Weißmann beschlossen: Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
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-2- Gründe: Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO), dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung (oder Rechtsverteidigung) hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, wobei von einer mutwilligen Rechtsverfolgung      dann     auszugehen   ist,  wenn    eine    Partei,  die   keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Hieran fehlt es. Die Untätigkeitsklage des Klägers auf Zugang zu der in Rede stehenden Diensttelefonliste mit Durchwahlnummern von Mitarbeitern des Beklagten bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger – der ansonsten offenbar in keinerlei rechtlichem Kontakt zu dem Beklagten steht, der in Rede stehenden Durchwahlnummern daher nicht zur Wahrung seiner Rechte bedarf – stützt sich auf die Anspruchsgrundlage des § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs     zu   Informationen     des  Bundes    (IFG),  die   für  jedermann    und voraussetzungslos gilt. Ungeachtet der Frage, ob es sich bei der Telefonliste überhaupt um eine amtliche Information im Sinne dieser Bestimmung handelt (dagegen VG Ansbach, Urteil vom 27. Mai 2014 – AN 4 K 13.01194 – Juris Rn. 29 ff.; VG Augsburg, Beschluss vom 6. August 2014 – Au 4 K 14.983 –, Juris Rn. 18; vgl. auch Seifert, in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. 2014, § 32 Rn. 124), ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Herausgabe einer Diensttelefonliste mit Durchwahlnummern von Mitarbeitern an jedermann ablehnt und dem Kläger entgegenhält, dass er seine Erreichbarkeit über ein sogenanntes Service-Center sicherstelle. Diese organisatorische Regelung des Beklagten zur telefonischen Kommunikation und der damit ganz offensichtlich bezweckte Schutz der Arbeit der einzelnen Sachbearbeiter würde nämlich gestört, wenn der Beklagte dennoch – wie von dem Kläger gewünscht – an jedermann Listen mit Durchwahlnummern herausgeben müsste. Insoweit greift der Ausschlussgrund des -3-
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-3- § 3 Nr. 2 IFG, der mit dem Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Sicherheit nicht nur die Rechtsordnung und Individualrechtsgüter der Bürger schützt, sondern – wie in der    Gesetzesbegründung        bestätigt  (BT-Drs.    15/4493,   S. 10)  –   auch   die grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates, mithin insbesondere auch        die       Funktionsfähigkeit        staatlicher      Einrichtungen       (vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 1986, S. 233 f.). Geschützt ist damit auch die Befugnis (und die Verpflichtung) staatlicher Stellen, im Rahmen der rechtlichen   Vorgaben      durch    Organisation   sicherzustellen,   dass   die  ihnen zugewiesenen Aufgaben mit den zur Verfügung stehenden (begrenzten) personellen und sächlichen Mitteln sachgerecht und effektiv erledigt werden können; hierzu gehört grundsätzlich auch, Regelungen zur telefonischen Kommunikation zu treffen. Dabei steht den staatlichen Stellen Ermessen zu. Um eine solche organisatorische Maßnahme handelt es sich bei der Regelung, die telefonische Durchwahl zu einzelnen Sachbearbeitern nicht für jedermann zu veröffentlichen, sondern den telefonischen Kontakt im Allgemeinen über eine Zentrale oder ein Service-Center zu steuern. Die Regelung dient ersichtlich (zumindest auch) dazu, dass die Arbeit der einzelnen Sachbearbeiter nicht ungeregelt durch Anrufe unterbrochen wird (vgl. Beschluss der Kammer vom 16. Juli 2014 – 9 K 1333/14 –). Dass der Beklagte hiermit das ihm eingeräumte Organisationsermessen fehlerhaft ausgeübt hätte, kann die Kammer nicht erkennen. Weder sind der Regelung entgegenstehende rechtliche Vorgaben vorgetragen oder ersichtlich, noch ist die Regelung sachwidrig oder vom Verwaltungsgericht sonst zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht ist nicht berufen, dem Beklagten im Rahmen seines Organisationsermessens Vorgaben zu machen. Der von dem Kläger angeführten Auffassung, wonach es „Ausdruck modernen staatlichen Selbstverständnisses“ sei, die telefonische Erreichbarkeit in beiden Richtungen      unmittelbar    sicherzustellen,   und    zwar   auch    in  sogenannten Masseverfahren und auch und gerade in Bereichen, wo es um die soziale Existenz gehen könne, und nur der Rest eine Frage der Organisation sei (so VG Leipzig, Urteil vom 10. Januar 2013 - 5 K 981/11 -, Juris Rn. 32; VG Gießen, Urteil vom 24. Februar 2014 – 4 K 2911/13.GI –, Juris Rn. 27), kann sich die Kammer daher nicht anschließen. Auch der Umstand, dass andere Jobcenter (§ 6d Sozialgesetzbuch II) Durchwahlnummern ihrer Mitarbeiter allgemein abrufbar in ihren Internetauftritt einstellen, führt nicht weiter; vielmehr ist auch dies lediglich Ausdruck des – insoweit -4-
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-4- anders ausgeübten – Organisationsermessens jener Stellen (siehe zum Ganzen im Wesentlichen ebenso VG Augsburg, a.a.O., Rn. 19). Die Organisationsentscheidung des Beklagten gegen die Veröffentlichung der Durchwahlnummern und der damit bezweckte Schutz der Arbeit der einzelnen Sachbearbeiter würde konterkariert, wenn der Beklagte auf der Grundlage von § 1 IFG dennoch an jedermann Durchwahlnummern herausgeben müsste. Ob hierdurch die Funktionsfähigkeit des Beklagten insgesamt in Frage gestellt bzw. die Arbeit insgesamt lahmgelegt würde (vgl. hierzu VG Leipzig und VG Gießen, jeweils a.a.O.), ist unerheblich. Denn der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 2 IFG setzt nicht erst dann ein, wenn zu befürchten ist, dass staatliche Stellen gar nicht mehr arbeiten können, sondern bereits dann, wenn ihre organisatorischen Vorkehrungen zur effektiven Aufgabenerledigung gestört werden und die Gefahr besteht, dass die Arbeit der Sachbearbeiter beeinträchtigt wird. Soweit der Kläger anführt, dass der Gesetzgeber bei der Regelung der Ausschlusstatbestände die Frage der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung gesehen habe, führt auch dies zu keiner anderen Bewertung (anders VG Leipzig, a.a.O., Rn. 41). Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber zum Schutz behördlicher Beratungen und Entscheidungsprozesse konkrete Versagungsgründe geregelt hat, namentlich die Versagungsgründe der § 3 Nr. 3 lit. b und § 4 IFG, ist nicht zu schließen, dass er anderweitige Aspekte der Funktionsfähigkeit staatlicher Stellen, insbesondere Regelungen zum telefonischen Außenkontakt, nicht schützen bzw. aus dem hier in Rede stehende Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 2 IFG ausklammern wollte. Soweit er mit der Eröffnung des allgemeinen Informationszugangsanspruchs im Übrigen eine zusätzliche Belastung der informationspflichtigen Stellen in Kauf genommen hat, betrifft dies die Belastung durch den Aufwand, den die Bearbeitung entsprechender Anträge auf Informationszugang mit sich bringt. Keinesfalls folgt hieraus aber, dass der Gesetzgeber den Aspekt der zusätzlichen Belastung staatlicher Stellen auch als Folge der Herausgabe bestimmter Informationen pauschal in Kauf genommen hätte bzw. dass er interne Informationen staatlicher Stellen auch dann für jedermann hätte zugänglich machen wollen, wenn deren Veröffentlichung ihrer betrieblichen Organisation zuwiderläuft und ihre Arbeit stören kann. -5-
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-5- Ungeachtet      dessen    lägen  die  Voraussetzungen     für  die  Gewährung  von Prozesskostenhilfe selbst dann nicht vor, wenn man zu dem Ergebnis käme, dass der Klage vor dem Hintergrund der von dem Kläger angeführten erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen gewisse Erfolgsaussichten beizumessen wären. Gemessen an § 114 Abs. 2 ZPO ist die Rechtsverfolgung nämlich mutwillig. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Kläger, der für sich keine staatliche Hilfe beansprucht, sondern seine Rechtsverfolgung aus eigenen Mitteln bestreiten muss, in gleichem Umfang wie der Kläger den Rechtsweg beschreiten würde, nämlich durch Erhebung mehrerer jeweils auf Herausgabe entsprechender Telefonlisten gerichteter,    nicht  fristgebundener   Untätigkeitsklagen   (§ 75  VwGO)   gegen verschiedene Jobcenter, welche für ihn in ihrem eigentlichen Aufgabenfeld, der Grundsicherung für Arbeitssuchende, örtlich gar nicht zuständig sind, und dies obwohl er wissen muss, dass es hierzu noch keine ober- und höchstgerichtliche Entscheidung gibt, auf die er sich stützen kann, er also durchaus damit rechnen muss, in allen Fällen zu unterliegen. Dass sich ein die Prozessführung selbst finanzierender Kläger dem damit verbundenen Prozesskostenrisiko aussetzen und nicht zunächst den Ausgang des ersten Verfahrens abwarten würde, ist bei verständiger Würdigung nicht anzunehmen. Rechtsmittelbelehrung: Gegen den Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 32, 14469 Potsdam, innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung schriftlich einzulegen. Sie kann stattdessen auch in elektronischer Form bei der elektronischen Poststelle des Verwaltungsgerichts Potsdam eingereicht werden, wenn das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes versehen ist (s. zu diesem Einreichungsverfahren die Erläuterungen unter www.erv.brandenburg.de). Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch nach § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zugelassene Bevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Kaufhold                        Stüker-Fenski                       Weißmann
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