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Aktenzeichen
2 K 176.13
Datum
12. Mai 2014
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Berlin am 12. Mai 2014

2 K 176.13

Das Bundesministerium des Innern muss Zugang zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt des Protokolls einer Ausländerreferentenbesprechung (Bund-Länder-Treffen) durch Herausgabe von Kopien gewähren. Nach Auffassung der Behörde müsse das Protokoll erst noch zwischen den beteiligten Behörden abgestimmt werden. Außerdem greife der Ausschlussgrund zum Schutz der Beratungen von Behörden und fehle ihr die Verfügungsberechtigung über die Protokolle. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich nicht um Entwürfe und Notizen im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes. Als Entwurf sind nur bloße Vorstufen eines endgültigen Dokuments zu sehen; das Protokoll hingegen wurde von der Behörde bereits angefertigt und zur Abstimmung übersandt. Notizen dienen ausschließlich den Zwecken des Verfassers. Zur Frage der Verfügungsberechtigung bzw. des Beratungsgeheimnisses siehe auch Parallelverfahren: VG Berlin, 2 K 255.12 und 2 K 286.12. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Begriffsbestimmung Beratungsgeheimnis (behördlicher Entscheidungsprozess)

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VG 2 K 176.13 Ausfertigung

Mitgeteilt durch Zustellung an
a) Ki. am
b) Bekl. am

als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle

 

VERWALTUNGSGERICHT BERLIN

URTEIL

Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache

Klägers,
gegen
die Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch das Bundesministerium des Innern,
Alt-Moabit 101 D, 10559 Berlin,
Beklagte,

hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2014 durch

den Richter am Verwaltungsgericht Hömig
als Einzelrichter

für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Zugang zu dem Tagesordnungs-
punkt 1 des Protokolls der Ausländerreferentenbesprechung vom 9. und 10.
April 2013 durch Herausgabe einer Ablichtung zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
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Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger erstrebt den Zugang zu Informationen aus Verwaltungsvorgängen des

Bundesministeriums des Inneren (BMI).

Zweimal im Jahr findet unter Vorsitz des BMI eine sogenannte Ausländerreferenten-
besprechung statt. Dabei handelt es sich um ein Bund-Länder-Treffen, bei dem ne-
ben den zuständigen Behörden des Bundes die Landesinnenministerien mit ihren
Ausländerreferenten vertreten sind. Dieses Gremium befasst sich mit der Koordinie-
rung der ausländerrechtlichen bzw. -politischen Vorgehensweisen von Bund und

Ländern.

Mit E-Mail vom 19. Juni 2013 beantragte der Kläger beim BMI, ihm Zugang zu dem
„Protokoll der letzten Ausländerreferentenbesprechung zum Thema ‚Konsequenzen
aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4.09.2012 zur Einschränkung
des Sprachnachweises beim Ehegattennachzug zu Deutschen (BVerwG 10 C

12.12)“ durch Überlassung einer Kopie zu gewähren.

Nachdem die Beklagte hierauf zunächst nicht reagiert hatte, hat der Kläger am 22.
Juli 2013 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein Informationsbegehren wei-
terverfolgt. Mit E-Mail vom 25. Juli 2013 hat das BMI dem Kläger mitgeteilt, das in
Rede stehende Protokoll habe „noch nicht abschließend erstellt werden“ können; die
Abstimmung zwischen den beteiligten Behörden werde noch einige Zeit in Anspruch

nehmen.

Der Kläger ist der Auffassung, die Verweigerung der Protokollabstimmung durch die
Länder könne kein Grund dafür sein, ihm die Zugangsgewährung zu verweigern.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm Zugang zu dem Tagesordnungspunkt 1 des
Protokolls der Ausländerreferentenbesprechung vom 9. und 10. April 2013
durch Herausgabe einer Ablichtung zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage für unzulässig, weil die Wartefrist des $ 75 Abs. 1 VwGO nicht
eingehalten worden sei. Sie sei zudem unbegründet, weil ihr die Verfügungsbefugnis
über das fragliche Protokoll fehle und außerdem der Ausschlussgrund des Schutzes
der Beratungen von Behörden eingreife. Insoweit verweist sie auf ihre Ausführungen
in zwei älteren Parallelverfahren (VG 2 K 255.12 und VG 2 K 286.12).

Der Rechtsstreit ist durch Beschluss der Kammer vom 19. März 2014 gemäß 8 6
Abs. 1 VwGO dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen
worden. In der mündlichen Verhandlung ist die Beklagte (erneut) auf ihre Darle-
gungslast in Bezug auf Ausschlussgründe hingewiesen worden. Ihr Vertreter hat da-
raufhin erklärt, er sei nicht in der Lage, so vorzutragen, dass der konkrete Inhalt der
begehrten Informationen nicht bekannt werde. Die Protokolle der
Ausländerreferentenbesprechung enthielten zum Teil auch Aussagen dazu, welches
Land welche Auffassung vertreten habe. Er könne jedoch nicht sagen, ob das auch

auf den hier in Rede stehenden Tagesordnungspunkt zutreffe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Streitakte und den Inhalt des Verwaltungsvorganges der Beklagten verwiesen.
Die betreffenden Akten haben vorgelegen und ihr Inhalt ist - soweit erheblich - Ge-

genstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als Untätig-
keitsklage zulässige Verpflichtungsklage (vgl. $ 75 VwGO) ist begründet. Der Kläger
hat einen Anspruch auf den von ihm begehrten Informationszugang zu Tagesord-
nungspunkt 1 des bei der Beklagten vorhandenen Protokolls der
Ausländerreferentenbesprechung von 9. und 10. April 2013 (vgi. 8 113 Abs. 5
VwGO).

Dieser Anspruch folgt aus $ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG, wobei die Beklagte, der Wahl des
Klägers entsprechend, zur Herausgabe einer Ablichtung des vom Kläger begehrten
Protokollteils verpflichtet ist (vgl. $ 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 IFG).
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Nach 8 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgeset-
zes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen
Informationen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger ist als natürliche Per-
son „jeder“ im Sinne dieser Bestimmung und das BMI ist eine Behörde des Bundes.

Bei den von der Beklagten nicht zugänglich gemachten Teilen des Protokolls handelt
es sich auch um amtliche Informationen im Sinne des 8 2 Nr. 1 IFG. Der Begriff
„amtliche Information‘ ist in8$ 2 Nr. 1 Satz 1 IFG legal definiert. Danach fällt hierunter
jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Spei-
cherung. Die in Rede stehenden Teile des Protokolls der Ausländerreferentenbe-
sprechung vom 9. und 10. April 2013 gehören hierzu. Denn bei dem fraglichen Pro-
tokoll handelt es sich um eine schriftlich verkörperte Gedankenerklärung, die der
Erfüllung der Aufgaben des Ministeriums dient.

Zwar rechnen Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden
sollen, nicht zu den amtlichen Informationen (vgl. $2 Nr. 1 Satz 2 IFG). Bei den vor-
liegend streitgegenständlichen Informationen handelt es sich jedoch nicht um Ent-
würfe und Notizen in diesem Sinne. Das streitgegenständliche Protokoll der
Ausländerreferentenbesprechung vom 9. und 10. April 2013 stellt keinen Entwurf
1.S.v. 82 Nr. 1 Satz 2 IFG dar. Denn hierzu gehören dem natürlichen Wortverständ-
nis nach nur bloße Vorstufen eines endgültigen Dokuments. Entwürfe sind danach
vorläufige Gedankenverkörperungen, die nach der Vorstellung des Verfassers noch
weiterer Bearbeitung bedürfen und noch nicht als endgültige Entscheidung verstan-
den werden können, weil noch keine endgültige Festlegung des Behördenwillens
stattgefunden hat (vgl. Schoch, IFG, 2009, Rn. 46 zu 8 2). Dies trifft auf das streitge-
genständliche Protokoll der Ausländerreferentenbesprechung vom 9. und 10. April
2013 nicht zu, weil dieses vom BMI bereits angefertigt und den Ländervertretern zur
Abstimmung übersandt worden ist. Dass es im Rahmen der Abstimmung des Proto-
kolls zu der Erstellung eines neuen Dokuments kommen kann, ist für die Frage, ob
es sich bei dem hier in Rede stehenden Protokoll in seiner zum Zwecke der Abstim-
mung hergestellten Fassung um einen Entwurf handelt, unerheblich. Das streitge-
genständliche Protokoll ist auch keine Notiz i.S.v. $ 2 Nr. 1 Satz 2 IFG. Kennzeich-
nend für Notizen ist, dass diese allein den Zwecken des Verfassers gewidmet sind
und es sich bei ihnen um Aufzeichnungen zur Stützung des Gedächtnisses handelt;
sie dienen z.B. der Vorbereitung später zu fertigender Vermerke, Stellungnahmen,
Entscheidungen oder Berichte (vgl. Schoch, a.a.O., Rn. 47). Daran fehlt es hier.
Denn bei dem streitgegenständlichen Protokoll handelt es sich um den endgültigen

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Protokollierungsvorschlag des BMI, das dieses den Ländern zur Abstimmung über-
sandt hat. Darauf, dass es zudem bestimmungsgemäß Teil der Vorgänge des BMI
geworden ist und auch dieser Umstand der Annahme eines bloßen Entwurfs oder
einer Notiz entgegensteht, kommt es danach nicht mehr an.

Das BMI ist entgegen der Annahme der Beklagten auch zur Verfügung über das in
Rede stehende Protokoll berechtigt. Nach der als Zuständigkeitsbestimmung ausge-
stalteten Vorschrift des $ 7 Abs. 1 Satz 1 IFG entscheidet diejenige Behörde über
den Informationszugang, die zur Verfügung über die begehrten Informationen be-
rechtigt ist. Verfügungsberechtigt über eine Information ist grundsätzlich deren Ur-
heber (siehe BT-Drs. 15/4493 S. 14). Demjenigen, der die Information im Rahmen
der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben erhoben oder selbst geschaffen hat, ist
sie auch zur weiteren Verwendung zugewiesen. Das umfasst auch die Entscheidung,
welchem Personenkreis sie zugänglich gemacht werden soll. Wird die Information im
weiteren Verlauf anderen Behörden übermittelt und ist sie demnach an mehreren
Stellen verfügbar, soll mit dem Merkmal der Verfügungsberechtigung eine sachan-
gemessene Entscheidungszuständigkeit ermöglicht werden, die sowohl der Aufga-
benverteilung auf Seiten der Behörden als auch dem Interesse des Informationsbe-
rechtigten an einer aus seiner Sicht nachvollziehbaren Bestimmung der auskunfts-
pflichtigen Stelle Rechnung trägt. Bei einer umfangreichen Abstimmungspraxis unter
den Behörden, aufgrund deren diese in großem Umfang als Teil der bei ihnen ge-
führten Akten über Informationen verfügen, die nicht von ihnen erhoben worden sind,
sollen die Verfahren auf Informationszugang bei der Behörde konzentriert werden,
der die größte Sachnähe zum Verfahren zukommt bzw. die die Verfahrensführung
innehat (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - BVerwG 7 C 4.11 -, juris Rn.
27 f.).

Danach ist vorliegend das BMI über das Protokoll der Ausländerreferentenbe-
sprechung vom 9. und 10. April 2013 verfügungsberechtigt. Denn es hat die Feder-
führung bei den Ausländerreferentenbesprechungen. Außerdem hat es das in Rede
stehende - zum Zwecke der Behördenabstimmung hergestellte - Protokoll selbst
aufgezeichnet und es im Original zu seinen Vorgängen genommen.

Der Umstand, dass die Erstellung eines endgültigen Protokolls die Genehmigung der
übrigen Teilnehmer der Ausländerreferentenbesprechung voraussetzt, ändert nichts
an der Federführung durch das BMI. Vielmehr ist dieser Begriff gerade dadurch ge-
kennzeichnet, dass es auch mitzeichnende Behörden geben muss. Dies führt jedoch

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nicht zu einer gesamthänderischen Verfügungsbefugnis. Gerade dann, wenn mehre-
re Behörden an der Erstellung einer Information mitwirken, soll durch $ 7 Abs. 1 Satz
1 IFG bewirkt werden, dass jedenfalls die Behörde für den Informationszuganıg zu-
ständig ist, die das Verfahren führt oder der Sache am nächsten ist (vgl. BVerwG,
a.a.O.; vgl. ferner Urteile der Kammer vom 6. Juni 2013 - VG 2 K 255.12 und VG2K
286.12 -).

Auch das Kriterium der Sachnähe führt zu keiner anderen Betrachtung. Vielmehr
zeigt namentlich $ 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der
Bundesministerien, dass das BMI für die Themen der Ausländerreferentenbe-
sprechung zuständig ist. Denn danach dürfen die Bundesministerien nur solche Auf-
gaben wahrnehmen, die der Erfüllung oder Unterstützung von Regierungsfunktionen
dienen, also insbesondere die strategische Gestaltung und Koordination von Politik-
feldern, die Realisierung von politischen Zielen, Schwerpunkten und Programmen,
die internationale Zusammenarbeit, die Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren
sowie die Wahrnehmung von Steuerungs- und Aufsichtsfunktionen gegenüber dem
nachgeordneten Geschäftsbereich. Die Vorbereitung und Durchführung der Bespre-
chungen mit den Landesinnenministerien auf der Arbeitsebene der Referatsleiter
kann daher ebenso wie das anschließende Abfassen der Protokolle nur im Rahmen

der eigenen Aufgaben des Bundesministeriums erfolgt sein.

Im Übrigen ist nach Auffassung der Kammer ein Bundesministerium auch dann über
eine Information verfügungsberechtigt, wenn es in Wahrnehmung einer eigenen Auf-
gabe durch seine Beamten an Gremiensitzungen einer anderen Behörde teilnimmt
und darüber ein Protokoll erhält, das es in seinen Aktenbestand übernimmt (vgl. Ur-
teil der Kammer vom 29. November 2012 - VG 2 K 28.12 -, juris Rn. 31 f.).

Ausschlussgründe in Sinne der 88 3 bis 6 IFG stehen dem Informationsbegehren des
Klägers nicht entgegen. Wie der Beklagten aus mehreren früheren Verfahren - ins-
besondere auch solchen, in denen gerade um den Informationszugang zu Proto-
kollen von Ausländerreferentenbesprechungen gestritten worden ist (vgl. Urteil der °
Kammer vom 25. August 2011 - VG 2 K 50.11 -, juris; vgl. ferner die oben bereits
genannten Urteile vom 6. Juni 2013, a.a.O.) - bekannt ist, ist Maßstab für die Prü-
fung von Ausschlussgründen zunächst, ob deren Vorliegen von der Behörde plausi-
bel dargelegt ist. Dabei müssen die Angaben nicht so detailliert sein, dass Rück-
schlüsse auf die geschützte Information möglich sind, sie müssen aber so einleuch-
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tend und nachvollziehbar dargetan sein, dass das Vorliegen von Ausschlussgründen

geprüft werden kann.

Danach kann das Eingreifen eines Ausschlussgrundes vorliegend nicht festgestellt
werden. Insbesondere hat die Beklagte nicht plausibel dargelegt, dass der von ihr
allein erwähnte Ausschlussgrund des $ 3 Nr. 3 Buchst. b) IFG der vom Kläger be-
gehrten Informationserteilung entgegensteht. Nach der vorgenannten Bestimmung
besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratun-
gen von Behörden beeinträchtigt werden.

Zweck des 8 3 Nr. 3 Buchst. b) IFG ist es, einen unbefangenen und freien Mei-
nungsaustausch innerhalb einer Behörde oder zwischen Behörden zu gewährleisten.
Schutzobjekt der Norm ist hierbei nur der eigentliche Vorgang der behördlichen Ent-
scheidungsfindung, d.h. die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung, mithin der
eigentliche Vorgang des Überlegens. Die Tatsachengrundlagen und die Grundlagen
der Willensbildung sind ebenso wie das Ergebnis der Willensbildung nicht von & 3
Nr..3 Buchst. b) IFG geschützt (vgl. OVG Nordrhein-Westphalen, Urteil vom 2. No-
vember 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 91 f. m.w.N., und dazu BVerwG, Beschluss
vom 18. Juli 2011 - BVerwG 7 B 14.11 -, juris; vgl. außerdem die o.a. Urteile der
Kammer und - zu 8 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG -: BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 -
BVerwG 7 C 7.12 -, juris).

Die Beklagte hat sich im Verwaltungsverfahren zu dem Inhalt des vom Kläger be-
gehrten Auszugs aus dem Protokoll der Ausländerreferentenbesprechung vom 9.
und 10. April 2013 nicht verhalten. In der mündlichen Verhandlung hat sie - erneut
auf ihre Darlegungspflichten hingewiesen - mitgeteilt, sie könne nicht so vortragen,
dass der konkrete Inhalt des fraglichen Protokollteils nicht bekannt werde. Die Proto-
kolle der Ausländerreferentenbesprechung enthielten zum Teil auch Aussagen dazu,
welches Land welche Auffassung vertreten habe. Sie könne jedoch nicht sagen, ob

das auch auf den hier in Rede stehenden Tagesordnungspunkt zuträfe.

Danach kann dem Vorbringen der Beklagten schon nicht entnommen werden, dass
der streitbefangene Tagesordnungspunkt überhaupt Angaben über den - allein ge-
schützten - Beratungsprozess enthält. Vielmehr kann es sich auf der Grundlage des
Vorbringens der Beklagten auch um bloße Informationen zum Beratungsgegenstand

oder -ergebnis handeln.
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Selbst wenn jedoch zugunsten der Beklagten davon ausgegangen würde, in dem
Protokoll zum fraglichen Tagesordnungspunkt würde auch - jedenfalls teilweise - der
Beratungsprozess wiedergegeben, fehlt es an der plausiblen Darlegung der weiteren
Voraussetzungen des Ausschlussgrundes.

Es ist dem Vorbringen der Beklagten nämlich nicht zu entnehmen, dass das Be-
kanntwerden der Information zu einer Beeinträchtigung führen könnte, wie sie von

8 3 Nr. 3 Buchst. b) IFG vorausgesetzt wird. Insoweit bedarf es einer Prognose, ob
das Bekanntwerden der Information sich auf die Beratungen einer Behörde behin-
dernd oder hemmend auswirken kann. An die Wahrscheinlichkeit der Behinderung
oder Hemmung sind hierbei umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und
folgenschwerer die möglicherweise eintretende Beeinträchtigung ist. Dies wiederum
bemisst sich insbesondere nach dem Gewicht des öffentlichen Interesses an einem
ungestörten Verlauf des in Frage stehenden behördlichen Willensbildungsprozesses
(vgl. Urteil der Kammer vom 25. August 2011 - VG 2 K 50.11 - m.w.N.).

Die Beklagte hat zu dem konkreten Tagesordnungspunkt und den Inhalten der Bei-
träge der Teilnehmer aus den Entsendestellen nichts vorgetragen. Daher kann die
von der Beklagten in den Raum gestellte Befürchtung, Teilnehmer der
Ausländerreferentenbesprechung würden ihre Meinung zukünftig nicht mehr oder
gerade deswegen äußern, weil sie mit einer späteren Veröffentlichung ihrer Meinung
rechnen müssten, nicht nachvollzogen werden. Insoweit müssen auch im Anwen-
dungsbereich des $ 3 Nr. 3 Buchst. b) IFG die befürchteten negativen Auswirkungen
anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt werden
(vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - BVerwG 7 C 3.11 -, juris Rn. 31). Da-

ran fehlt es hier.

Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass eine etwaige Beeinträchtigung der Bera-
tungen von Behörden auch noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gegeben
wäre. 8 3 Nr. 3 Buchst. b) IFG enthält mit der Wendung „solange“ nämlich ausdrück-
lich eine zeitliche Begrenzung. Die Dauer des Aufschubs bestimmt sich danach, ob
der Schutz der Vertraulichkeit weiterhin eine Offenlegung der Beratungsinterna ver-
bietet. Dieser kann zwar über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausrei-
chen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2011, a.a.O., Rn. 5). Wird die Versagung
des Informationszugangs im gerichtlichen Verfahren jedoch auf den Ablehnungs-
grund des $ 3 Nr. 3 Buchst. b) IFG gestützt, bedarf es der substantiierten Darlegung
durch die Behörde, dass die Bekanntgabe der streitigen Informationen auch zum
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Zeitpunkt der Entscheidung über das Verpflichtungsbegehren noch die Vertraulich-
keit der behördlichen Beratungen beeinträchtigt (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil
vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 6.10 -, juris Rn. 31). Auch daran fehlt es hier.

Die Kostenentscheidung beruht auf $ 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus 8 167 VwGO i.V.m. den
88 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Ober-
verwaltungsgericht zugelassen wird.

Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils
schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechts-
verkehr mit der Justiz im Lande Berlin vom 27. Dezember 2006, GVBi. S. 1183, in
der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 9. Dezember 2009, GVBI. S.
881) zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7,
10557 Berlin zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe schriftlich
oder in elektronischer Form darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die
Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei
dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Ber-
lin, einzureichen.

Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevoll-
mächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Beru-
fung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen
oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Uni-
on, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirt-
schaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber
hinaus können auch die in 8 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichts-
ordnung bezeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmäch-
tigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische
Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer
öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftig-
te mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis
kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts
oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor
dem Gericht, ehrenamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie
angehören.

Hömig

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BESCHLUSS

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß 88 39 ff., 52 f. des Gerichtskostenge-
setzes auf

3.000,00 Euro

festgesetzt.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Ber-
lin-Brandenburg zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro
übersteigt. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7,
10557 Berlin, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den eiektroni-
schen Rechtsverkehr mit der Justiz im Lande Berlin vom 27. Dezember 2006, GVBi.
S. 1183, in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 9. Dezember 2009,
GVBl. S. 881) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen. Sie ist innerhalb von
sechs Monaten einzulegen, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechts-
kraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Der Vertretung durch
einen Prozessbevollmächtigten bedarf es nicht.

Hömig

Ausgefertigt

” # . ; Justizbeschäftigte
” “N als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle
ZERLT
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