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Aktenzeichen
9 K 312/13
Datum
24. April 2014
Gericht
Verwaltungsgericht Potsdam
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Urteil: Verwaltungsgericht Potsdam am 24. April 2014

9 K 312/13

Strittig ist der Informationszugangsanspruchs eines Insolvenzverwalters zu den von einem Finanzamt geführten Akten des Insolvenzschuldners. Die Ausnahme laufender Verfahren vom Anwendungsbereich des Akteneinsichts- und Informtionszugangsgesetzes erfasst nur diejenigen Akten, die in der laufenden Verwaltungsangelegenheit aufgezeichnet oder beigezogen wurden, nicht jedoch alle Akten, die einen Zusammenhang zu diesem Verfahren aufweisen. Die Abgabenordnung enthält keine abschließende Regelung zu Informationsrechten gegenüber den Landesfinanzbehörden; eine Sperrwirkung gegenüber dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz besteht somit nicht. Überwiegende öffentliche oder private Geheimhaltungsinteressen stehen dem Informationszugang nicht entgegen; insbesondere handelt es sich bei den Angaben zur der in Rede stehenden Gesellschaft nicht um personenbezogene Daten, da diese eine juristische Person ist. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse wären nur zu schützen, wenn deren Rechtsträger - nunmehr der Insolvenzverwalter - diese geltend machen würde; er selbst hat aber die Einsicht beantragt. Das Steuergeheimnis steht der Einsichtnahme ebenfalls nicht entgegen, da die Informationen des Insolvenzschuldners gegenüber dem Insolvenzverwalter keiner Geheimhaltungspflicht unterliegen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Personenbezogene Daten Schutz besonderer Verfahren Prozessuales Gefährdung des Erfolgs behördlicher Maßnahmen

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VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VG 9 K 312/13 In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen Akteneinsicht hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam ohne mündliche Verhandlung am 24. April 2014 durch die Richterin am Verwaltungsgericht Stüker-Fenski für R e c h t erkannt:
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-2- Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Einsicht in alle bei ihm bezüglich der ... ... GmbH geführten Vorgänge betreffend den Zeitraum 2004 bis 2010 zu gewähren. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen mit Ausnahme der durch die Verweisung entstandenen Kosten, die die Klägerin zu tragen hat. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet. Tatbestand: Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der ...                 ... GmbH (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin). Ihre Prozessbevollmächtigten beantragten im Zusammenhang         mit   der    Insolvenzanfechtung    von     Steuerzahlungen      der Insolvenzschuldnerin an den Beklagten mit Schreiben vom 4. September 2012 bei dem       Beklagten      Akteneinsicht      nach      dem       Akteneinsichts-       und Informationszugangsgesetz in die bei diesem bezogen auf die Insolvenzschuldnerin geführten Vorgänge. Der Beklagte lehnte den Antrag unter dem 15. Oktober 2012 mit der Begründung ab, die wegen des laufenden Insolvenzverfahrens maßgebliche Insolvenzordnung     sehe    keinen    Auskunftsanspruch    vor.   Darauf    wiesen    die Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 18. Oktober 2012 darauf hin, dass als laufende Verfahren nur die Verfahren bei derjenigen Behörde anzusehen seien, die um Auskunft ersucht werde. Die Unterlagen, in die die Klägerin Einsicht begehre, bezögen sich auf bereits abgeschlossene steuerliche Sachverhalte und nicht auf das noch laufende Insolvenzverfahren. Es werde daher darum gebeten, nunmehr die begehrte Auskunft zu erteilen. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2012 wies der Beklagte den „erneuten Antrag auf Akteneinsicht vom 15.10.2012“ zurück. Das zwischen ihm und der -3-
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-3- Klägerin bestehende Rechtsverhältnis sei wie der strittige Anfechtungsanspruch zivilrechtlicher Natur. Nach zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften bestehe der geltend gemachte Akteneinsichtsanspruch nicht. Auf die weitere Aufforderung der Verfahrensbevollmächtigen der Klägerin, der Akteneinsicht nunmehr bis zum 30. November 2012 zuzustimmen, entgegnete der Beklagte mit Schreiben vom 21. November 2012, er weise den erneuten Antrag auf Akteneinsicht vom 12. November 2012 zurück. Das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz gewähre anders als andere Informationsfreiheitsgesetze in laufenden Verfahren Akteneinsicht nur nach Maßgabe des jeweils anzuwendenden Verfahrensrechts. Dies sei wegen des inneren Zusammenhangs des Akteneinsichtsbegehrens zur Insolvenzanfechtung das Verfahrensrecht der Insolvenzordnung. Am 21. Dezember 2012 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) erhoben, das den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 16. Januar 2013 an das Verwaltungsgericht Potsdam verwiesen hat. Einen am 22. Februar 2013 von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorsorglich beim Beklagten erhobenen „Widerspruch gegen die mit Schreiben vom 15. 10. 2012 erfolgte Zurückweisung des Akteneinsichtsgesuchs gemäß § 1 AIG“ hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2013 zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der Gewährung von Akteneinsicht stehe das Steuergeheimnis entgegen. Zur Begründung der Klage vertieft die Klägerin ihr vorprozessuales Vorbringen und führt ergänzend aus: Die Klage sei nicht wegen Fehlens eines Vorverfahrens unzulässig; sie sei auch begründet. Die Abgabenordnung schließe außerhalb eines konkreten     Finanzverwaltungsverfahrens den       geltend   gemachten     allgemeinen Informationsanspruch     nicht  aus.    Im   Übrigen     komme      der   Antrag   eines Insolvenzverwalters     auf  Akteneinsicht    einer   Zustimmung       des   betroffenen Insolvenzschuldners gleich. Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Beklagten zu verpflichten, ihr Einsicht in alle bei ihm bezüglich der ... ... GmbH geführten Vorgänge betreffend den Zeitraum 2004 bis 2010 zu gewähren. Der Beklagte beantragt, -4-
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-4- die Klage abzuweisen. Er hält die Klage mangels Erhebung eines Widerspruchs für unzulässig und in der Sache für unbegründet. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin anstelle der Kammer erklärt. Hinsichtlich des weiteren Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Verfahrensakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die Klage hat Erfolg. Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig. Die Zulässigkeit scheitert nicht am Fehlen eines erforderlichen Vorverfahrens. Eines Widerspruchsverfahrens bedurfte es nicht. Das nach § 68 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) grundsätzlich durchzuführende Widerspruchsverfahren ist u.a. dann sinnlos und deswegen      entbehrlich,    wenn    der    Beklagte   zugleich    Ausgangs-      und Widerspruchsbehörde       ist  und   sich    bei  einer   Gesamtwürdigung       seiner vorgerichtlichen Erklärungen ergibt, dass er sich endgültig darauf festgelegt hat, das Rechtsschutzbegehren abzulehnen. Eine derartige Festlegung setzt voraus, dass der Beklagte zu erkennen gegeben hat, er habe sich seine Auffassung gebildet und gedenke daran auf jeden Fall festzuhalten; vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – 2 C 23/12 –, juris Rn. 36 f.. Von   einer   solchen   Lage    ist hier   auszugehen.    Der  als   Ausgangs-     und Widerspruchsbehörde zuständige Beklagte hatte mit seinen Schreiben vom 29. Oktober 2012 und vom 21. November 2012 deutlich gemacht, dass er an seiner Ablehnungsentscheidung vom 15. Oktober 2012 festhält und die begehrte -5-
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-5- Akteneinsicht nicht gewähren werde. Daraus hätte die Klägerin den Schluss ziehen dürfen, die Durchführung eines förmlichen Widerspruchsverfahrens sei sinnlos. Im Übrigen hat die Klägerin aber gegen die Ablehnung ihres Akteneinsichtsantrags Widerspruch erhoben. Das Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 18. Oktober 2012 stellt einen Widerspruch i.S.v. §§ 69, 70 Abs. 1 VwGO gegen die Ablehnungsentscheidung       des   Beklagten   vom    15.  Oktober  2012    dar.  Die Verwaltungsgerichtsordnung fordert nicht, dass ein Widerspruch als solcher bezeichnet wird. Es genügt, wenn der Betroffene deutlich macht, dass er sich von der angegriffenen Entscheidung beschwert fühlt, sich deshalb dagegen wehrt und ihre Überprüfung sowie Aufhebung bzw. Änderung begehrt. Dabei ist maßgebend, wie die Behörde die fragliche Erklärung unter Berücksichtigung aller ihr erkennbaren Umstände einschließlich des erkennbar verfolgten Rechtsschutzziels nach Treu und Glauben zu verstehen hat. Zugunsten des Bürgers hat sie davon auszugehen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspricht und eingelegt werden muss, um den erkennbar angestrebten Erfolg zu erreichen. Dies gilt im Grundsatz auch für anwaltliche Anträge und Rechtsbehelfe; vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2001 – BVerwG 8 C 17.01 -, juris Rn. 40. Gemessen hieran ist das Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin vom 18. Oktober 2012 als Widerspruch auszulegen. Es nimmt Bezug auf die den Akteneinsichtsantrag ablehnende Entscheidung des Beklagten vom 15. Oktober 2012, erhebt Einwendungen gegen die darin geäußerte Rechtsauffassung und bittet um Erteilung der begehrten Auskunft, begehrt also erkennbar die Überprüfung und Änderung der Ablehnungsentscheidung. Im Übrigen hätte der Beklagte seine - im Aktenvermerk vom 26. Oktober 2012 niedergelegten - Zweifel über den Inhalt des Anwaltsschreibens vom 18. Oktober 2012 durch Rückfrage klären können. Dass dies nicht geschehen ist, darf nicht zu Lasten der Klägerin gehen; vgl.    Verwaltungsgerichtshof   Baden-Württemberg,    Urteil   vom   3. Dezember 2013 – 2 S 978/13 –, juris Rn. 37. -6-
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-6- Ob der Beklagte den Widerspruch der Sache nach mit seinem Schreiben vom 29. Oktober 2012 zurückgewiesen oder erst unter dem 4. März 2013 eine Widerspruchsentscheidung getroffen hat, kann dahinstehen. Im ersten Fall wäre die Klage nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhoben worden. Eine Klagefrist hatte die Klägerin nicht zu wahren, da das Schreiben vom 29. Oktober 2012 nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war (§§ 58 Abs. 1, 68 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, 74 VwGO); die Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO war eingehalten. Auch im zweiten Fall wäre die am 21. Dezember 2012 erhobene Klage zulässig, weil sie dann zwar vor Ablauf von drei Monaten nach Einlegung des am 19. Oktober 2012 beim Beklagten eingegangenen Widerspruchs und damit gemäß § 75 Satz 2 VwGO verfrüht gewesen, jedoch nach Ablauf der Frist des § 75 Satz 2 VwGO zulässig geworden wäre. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat nach § 1 Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) einen Anspruch auf die begehrte Akteneinsicht; die gegenstehenden Entscheidungen des Beklagten sind daher rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ein Akteneinsichtsrecht nach § 1 AIG ist nicht von vornherein deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin Einsicht in Akten der Insolvenzschuldnerin begehrt, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Zwar bestimmt § 2 Abs. 4 AIG, dass in laufenden Verfahren Akteneinsicht nur nach Maßgabe des anzuwendenden Verfahrensrechts gewährt wird. Die Vorschrift ist jedoch nicht so zu verstehen, dass während eines laufenden Verfahrens alle Akten vom Einsichtsrecht ausgenommen sind, die einen Zusammenhang zu diesem Verfahren aufweisen. Vielmehr erfasst die Ausnahme nur diejenigen Akten, die in der laufenden Verwaltungsangelegenheit aufgezeichnet oder beigezogen wurden. Dies ergibt  sich   aus   dem     Zweck   der   Norm,    den   Vorrang   des  allgemeinen Verfahrensrechts zu sichern und zu verhindern, dass der Zugang zu Akten im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens auch anderen als den Verfahrensbeteiligten ermöglicht wird (vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drucks. 2/4417 S. 10). Hier betrifft das     Akteneinsichtsbegehren     nicht     die   Akten    des    noch     laufenden Insolvenzverfahrens, sondern Unterlagen zu abgeschlossenen Steuerverfahren. -7-
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-7- Das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz ist auch nicht mit Blick auf die Kompetenzordnung des Grundgesetzes einschränkend auszulegen. Der Bund hat im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz für das Steuerverwaltungsverfahren nach Maßgabe von Art. 108 Abs. 5 Satz 2, 105 Abs. 2 Grundgesetz (GG) in der Abgabenordnung (AO) keine abschließenden Regelungen zu Informationsrechten gegenüber     den    Landesfinanzbehörden    getroffen,  die  hiervon abweichende landesrechtliche Regelungen sperren könnten (vgl. Art. 31, 72 Abs. 1 GG). Die Kammer folgt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Mai 2012 - BVerwG 7 B 53.11 –, juris, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Entsprechendes gilt bezogen auf die insolvenzrechtlichen Auskunftsvorschriften; vgl. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Februar 2010 – 10 A 11156/09 –, juris Rn. 27. Die Voraussetzungen des § 1 AIG sind erfüllt. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen nach den §§ 4 und 5 entgegenstehen oder andere Rechtsvorschriften bereichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis enthalten. Anderweitige bereichsspezifische Rechtsvorschriften für einen unbeschränkten Personenkreis bestehen nicht. Der Beklagte gehört gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG als untere Landesbehörde (s. § 11 Abs. 3 Nr. 1 Landesorganisationsgesetz) zu den einsichtspflichtigen Stellen. Bei den vom Beklagten zur Insolvenzschuldnerin vorhandenen Steuerunterlagen handelt es sich auch um Akten im Sinne von § 3 AIG. Ausschlussgründe nach den §§ 4 und 5 AIG stehen dem Anspruch nicht entgegen. Überwiegende öffentliche Interessen im Sinne von § 4 AIG sind vom Beklagten weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Ziffer 4 AIG nicht vor, wonach der Antrag auf Akteneinsicht abgelehnt werden soll, wenn die ordnungsgemäße Erfüllung der -8-
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-8- Aufgaben der öffentlichen Stelle erheblich beeinträchtigt würde. Da insofern entsprechend      der  Gesetzesbegründung      (LT-Drs.    2/4417,   Seite  13)  nur Beeinträchtigungen durch das Verfahren der Aufbereitung und Sichtung der Akten zur Beantwortung des Einsichtsersuchens zu berücksichtigen sind, kommt es auf eine etwaige – möglicherweise auch erhebliche - Abgabenrückzahlung infolge einer Insolvenzanfechtung nicht an. Im Übrigen müssen rechtmäßige Anfechtungen bei der Beurteilung der Frage einer Beeinträchtigung auch im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz bindet den Beklagten an alle Gesetze, also auch an die des Anfechtungsverfahrens; vgl. VG Potsdam, Urteil vom 30. Juli 2013 – VG 9 K 2398/12 –, amtl. Abdruck S. 6 Überwiegende privaten Interessen im Sinne von § 5 AIG stehen der Akteneinsicht ebenfalls nicht entgegen. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AIG ist der Antrag auf Akteneinsicht zwar abzulehnen, soweit hierdurch personenbezogene Daten offenbart würden. Personenbezogene Daten sind jedoch nur Einzelangaben über natürliche Personen (§ 3 Abs. 1 Brandenburgisches Datenschutzgesetz), während das streitige Einsichtsbegehren Steuerunterlagen der Klägerin betrifft, also Angaben über eine juristische Person. Die Akteneinsicht ist auch nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG zum Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen abzulehnen. Auf den näheren Inhalt der streitbefangenen Unterlagen kommt es hier nicht an. Die Annahme eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses im Sinne der Vorschrift setzt nämlich u.a. voraus, dass der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse an der Nichtverbreitung der Information hat; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. April 2014 – OVG 12 S 77.13 –, juris Rn. 18. Für die Feststellung dieses Interesses ist im Fall der Insolvenz eines Unternehmens auf den an seine Stelle tretenden Insolvenzverwalter abzustellen; BVerwG, Beschluss vom 27. August 2012 – 20 F 3/12 –, juris Rn. 11. -9-
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-9- Da dieser die Akteneinsicht beantragt hat, besteht ein Interesse an der Nichtverbreitung gerade nicht. Dem Akteneinsichtsanspruch der Klägerin steht auch eine Geheimhaltungspflicht nicht entgegen. Zwar verbietet das Steuergeheimnis nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 AIG in Verbindung mit § 30 AO Steuerdaten unbefugt weiterzugeben. Allerdings unterliegen die in der Akte der Insolvenzschuldnerin enthaltenen Informationen gegenüber der Klägerin als Insolvenzverwalter keiner Geheimhaltungspflicht, sodass das Steuergeheimnis insoweit nicht berührt wird.          Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens    erlangt  der   Insolvenzverwalter   die  Verwaltungs-    und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (vgl. § 80 Abs. 1 Insolvenzordnung – InsO -) und hat gegenüber dem Insolvenzschuldner einen Anspruch auf Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse (§ 97 Abs. 1 Satz 1 InsO), mithin auch über alle Einkünfte, die für die Beurteilung von Gläubigerforderungen bedeutsam sein können. Muss der Insolvenzschuldner also dem Insolvenzverwalter die ihm möglichen Auskünfte über die von ihm gezahlten Steuern erteilen, sind diese Informationen dem Insolvenzverwalter gegenüber von vornherein nicht geheimhaltungsbedürftig. Die Offenbarung erfolgt jedenfalls nicht unbefugt im Sinne des § 30 Abs. 2 Alt. 1 AO. Da der Anspruch auf Akteneinsicht nach     dem   Akteneinsichts-    und    Informationszugangsgesetz   im    Übrigen voraussetzungslos besteht, kommt es auf den Zweck des Begehrens der Klägerin in diesem Zusammenhang nicht an. Auch wenn das ausschließlich auf das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz gestützte Informationsbegehren einen steuerrechtlichen Hintergrund hat, geht es dabei gerade nicht um die Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften durch die Finanzbehörden. Das Informationsbegehren der Klägerin betrifft weder die Steuererhebung noch die Durchsetzung von Steuerforderungen in einem laufenden Verwaltungs- oder Vollstreckungsverfahren. Die Klägerin macht als Insolvenzverwalter und damit nicht am steuerlichen Verwaltungsverfahren Beteiligte im Sinne der Abgabenordnung einen eigenständigen Informationszugangsanspruch nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz gegenüber dem Beklagten geltend, ohne dass dies in einem     Zusammenhang      mit   einer   abgabenrechtlichen   Angelegenheit    des Insolvenzschuldners stünde; - 10 -
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- 10 - vgl. VG Potsdam, Urteil vom 30. Juli 2013 – VG 9 K 2398/12 –, amtl. Abdruck S. 7 mit Hinweis auf OVG Berlin - Brandenburg, Beschluss vom 9. März 2012 – OVG 12 L 67.11-. Als Unterliegender hat der Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) entstandenen Kosten. Diese hat gemäß § 281 Abs. 3 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 173 VwGO die Klägerin zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 Abs. 2, 124a Abs.1 VwGO) sind nicht gegeben. Rechtsmittelbelehrung: Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 32, 14469 Potsdam, schriftlich zu stellen. Er kann stattdessen auch in elektronischer Form bei der elektronischen Poststelle des Verwaltungsgerichts Potsdam eingereicht werden, wenn das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes versehen ist (s. zu diesem Einreichungsverfahren die Erläuterungen unter www.erv.brandenburg.de). Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, schriftlich oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes auf dem unter www.berlin.de/erv veröffentlichten Kommunikationsweg einzureichen. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch nach § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zugelassene Bevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Stüker-Fenski - 11 -
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