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Aktenzeichen
27 L 185.13
Datum
22. August 2013
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Art. 5 Grundgesetz
Art. 5 Grundgesetz

Beschluss: Verwaltungsgericht Berlin am 22. August 2013

27 L 185.13

Der Deutsche Bundestag muss einem Journalisten unter Zugrundelegung des Grundrechts aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz Auskunft über die Verwendung von Mitteln aus der Sachleistungspauschale von Abgeordneten erteilen. Das freie Mandat jedes Abgeordneten steht dem nicht entgegen. Der entsprechende Ausschlussgrund des Informationsfreiheitsgesetzes ist auf den verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruch nicht anwendbar. (Quelle: LDA Brandenburg)

Interessenabwägung Konkurrierende Rechtsvorschriften

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VG 27 L 185.13                       Abschrift VERWALTUNGSGERICHT BERLIN BESCHLUSS In der Verwaltungsstreitsache Antragstellers, Verfahrensbevollmächtigte(r): Rechtsanwalt gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Antragsgegnerin, hat die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Neumann, den Richter am Verwaltungsgericht Hofmann, die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Gamp, die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. August 2013 beschlossen: Die Antragsgegnerin wird im Wege vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft zu erteilen, welche Abgeordneten des 17. Bu n- destages im Jahre 2013 unter Inanspruchnahme der Sachleistungspauschale mehr als 5 Tablet Computer erworben haben und welche Abgeordneten des 17. Bundestages im Jahre 2013 unter Inanspruchnahme der Sachleistungs- pauschale ein Smartphone erworben haben. Dem Antragsteller wird aufgegeben, bis zum 1. September 2013 Klage zu erheben. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. -2-
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-2- Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt. Gründe I. Der Antragsteller ist Journalist bei einer Tageszeitung und begehrt von der Antrag s- gegnerin im Rahmen einer Recherche im Zusammenhang mit der Bundestagswahl im September 2013 Auskunft hinsichtlich des sogenannten Sachleistungskonsums der Mitglieder des 17. Deutschen Bundestages. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben einen gesetzlichen (§ 12 Abs. 1 – 4 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bu n- destages - AbgG) Anspruch auf eine Amtsausstattung als Aufwandsentschädigung zur Abgeltung ihrer durch das Mandat veranlassten Aufwendungen. Die Amtsau s- stattung umfasst Sach- und Geldleistungen. Nach aktueller Rechtlage entsprechend dem Haushaltsgesetz und den vom Ältestenrat erlassenen Ausführungsbestimmun- gen (§ 12 Abs. 2 S. 3 AbgG) hat jeder Abgeordnete die Möglichkeit, im Rahmen der Amtsausstattung für einen Betrag von bis zu 12.000,- Euro jährlich Gegenstände für den Büro- und Geschäftsbedarf anzuschaffen. Zu diesem Zweck hat die Verwaltung des Deutschen Bundestages - nach eigenen Angaben - für jeden Abgeordneten ein Sachleistungskonto eingerichtet, über welches die Anschaffungen abgerechnet we r- den. Tablet-Computer und Smartphones können bis zu einem Betrag von 800,- Euro pro Gerät als Informations- und Kommunikationsbedarf über das Sachleistungskonto abgerechnet werden. Die Geräte können bei einem Anbieter nach Wahl des Abg e- ordneten erworben werden, wobei die hierbei entstehenden Aufwendungen von dem jeweiligen Abgeordneten zunächst verauslagt und dann durch Vorlage der Origina l- rechnungen zur Erstattung beim zuständigen Fachreferat der Verwaltung des Deu t- schen Bundestages eingereicht werden. Diese Rechnungen, die unter anderem den erworbenen Gegenstand, den Kaufpreis, den Vor- und Zunamen des Abgeordneten, sowie gegebenenfalls die Adresse des Wahlkreises ausweisen, bewahrt die Bundes- tagsverwaltung in Papierform in den Sachkostenakten für jeden einzelnen Abgeord- neten auf. Wie von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt -3-
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-3- wurde, werden von ihr für die EDV-Buchführung bezüglich der von einem einzelnen Abgeordneten als Sachkosten eingereichten Rechnungen nur Rechnungsdatum/- nummer, nicht jedoch die Bezeichnung des erworbenen Gegenstandes gespeichert, da letzteres die Antragsgegnerin nichts angehe. Der Antragsteller begehrte mit E-Mail vom 01. Juli 2013 als Vertreter der Presse und unter Verweis auf Art. 5 GG beim Deutschen Bundestag Auskunft zu Fragen hin- sichtlich der Verwendung der Sachmittelpauschale durch Abgeordnete des 17. Deut- schen Bundestages im Jahre 2013. In dieser fragte er, wie viele Mitglieder des Deu t- schen Bundestages keinen, eins bis sieben oder mehr als sieben Laptops, Tablet- Computer und Smartphones unter Inanspruchnahme der Sachleistungspauschale erworben hätten. Mit E-Mail vom 15. Juli 2013 lehnte die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf ein zwischen ihr und dem Antragsteller geführtes Telefongespräch vom 09. Juli 2013 den Antrag des Antragstellers ab mit der Begründung, die Bundestagsverwaltung verfüge über keine statistischen Angaben zu den Fragen des Antragstellers. Mit seinem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vom 17. Juli 2013 verfolgt der A n- tragsteller das Auskunftsbegehren weiter. Er trägt im Wesentlichen vor: Eine Vorwegnahme der Hauptsache stehe der Gewäh- rung vorläufigen Rechtsschutzes nicht entgegen. Sie sei aufgrund der Bedeutung der betroffenen Rechtsverletzung für ihn im Falle einer Nichtgewährung unbedenklich; denn die Presse habe ein Recht auf Information, um ihr politisches Mitgestaltungs- recht ausüben zu können. Dies sei umso stärker zu bewerten, als die Presse auf Recherche angewiesen sei, um ihre Multiplikatorfunktion auszuüben. D arüber hinaus liege die geforderte sehr hohe Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens in der Hauptsa- che vor. Sein Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft folge nach der Recht- sprechung des Bundesverwaltungsgerichts unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG . Ein Ausschlussgrund nach den entsprechend anwendbaren Landespressegesetzen liege nicht vor, insbesondere würden mit der Auskunft keine berechtigten schutzwür- digen Interessen Privater verletzt. Die begehrten Informationen lägen der Antrags- gegnerin in den Sachkostenakten der einzelnen Abgeordneten auch vor, eine Infor- mationsbeschaffung werde deshalb nicht verlangt. Für den Fall diesbezüglicher Auskunftsbegehren habe sich die Behörde jedenfalls so zu organisieren, dass ein möglichst geringer Verwaltungsaufwand sichergestellt sei. Über den genannten An- -4-
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-4- spruch hinaus habe der Antragsteller als Vertreter der Presse nach der Recht- sprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - einen An- spruch aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - auf die begehrte Auskunft. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor, da ein Zuwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache den Antragsteller schwer und irreparabel schädigen, nämlich an der Aktualität der Berichterstattung hindern wü rde, wohingegen die Bekanntgabe der Information die Antragsgegnerin nicht ge fährden könne. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die bevorstehende Bundestag swahl im September 2013. Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Auskunft zu den folgenden Fragen zu erteilen: 1. Welche Abgeordneten des 17. Bundestages haben im Jahre 2013 unter Inanspruchnahme der Sachleistungspauschale mehr als 5 Tablet Computer erworben? 2. Welche Abgeordneten des 17. Bundestages haben im Jahre 2013 unter Inanspruchnahme der Sachleistungspauschale ein Smartphone erwor- ben? Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen, hilfsweise, dem Antragsteller gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 926 Abs. 1 ZPO binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist aufzugeben, in der Hauptsa- che Klage zu erheben. Sie trägt vor, der Antrag auf Auskunftserteilung sei jedenfalls unbegründet. Es fehle insoweit an einem Anordnungsanspruch. Ein solcher ergebe sich nicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, da die Antragsgegnerin die Auskunft mit Blick auf berechtigte schutzwürde private Interessen der von dem Auskunftsbegehren betroffenen Abg e- ordneten des Deutschen Bundestages habe verweigern dürfen. Auch der pressesp e- zifische verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch ende dort, wo berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen entgegenstehen, denn insoweit gewähre Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lediglich einen Minimalstan- dard. Aus der Interessenabwägung mit dem Recht auf informationelle Selbstbesti m- -5-
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-5- mung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) und dem Schutz des freien Ma n- dats (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG), welcher vorliegend aufgrund des unmittelbaren Z u- sammenhangs zwischen Verwendung der Sachleistungspauschale und Ausübung des Mandats betroffen sei, sei zwingend abzuleiten, dass die begehrten mandatsb e- zogenen Informationen allenfalls mit Einwilligung des betroffenen Abgeordneten he r- ausgegeben werden könnten. Eine solche Einwilligung liege nicht vor. Weiterhin lä- gen die begehrten Informationen der Verwaltung des Deutschen Bundestages nicht in einer Form vor, die es der Antragsgegnerin ermöglichen würde, die Anfrage au s- schließlich durch Offenlegung bestimmter Fakten und Tatsachen zu beantworten, so dass das Begehren des Antragstellers auf eine nicht vom Auskunftsrecht umfasste Informationsbeschaffung zu Lasten der Antragsgegnerin gerichtet sei. Die ge- wünschten Informationen könnten nicht im Wege einer Datenbankabfrage aus dem Abrechnungssystem ermittelt werden. Da die Daten lediglich in Papierform vorlägen (für das Jahr 2013 insgesamt 313 Ordner mit jeweils ca. 200 Seiten), würde die E r- mittlung der einzelnen Abrechnungsunterlagen und die Aufbereitung der Dat en in der vom Antragsteller gewünschten Form einen unverhältnismäßigen Verwaltungsau f- wand verursachen. Insofern fehle das hierfür erforderliche Personal. Auch einem Anspruch aus Art. 10 EMRK stehe entgegen, dass die begehrten Informationen nicht aufbereitet und unmittelbar verfügbar seien. Es fehle weiterhin am Anordnung s- grund. Ein „aktueller Gegenwartsbezug“ sei vorliegend nicht gegeben, da der A n- tragsteller weder substantiiert dargetan habe noch es ersichtlich sei, aus welchen Gründen die in Rede stehende Thematik nur vor der Bundestagswahl einen Aktuali- tätsbezug aufweisen könne und weshalb die Informationen nach einem Hauptsach e- verfahren mit Blick auf das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit als wertlos e r- scheinen sollten. Allein der Verweis darauf, dass die Presse auf aktuelle Informatio- nen angewiesen sei, reiche nicht aus, um einen Anordnungsgrund insbesondere gemessen am hohen Maßstab der Vorwegnahme der Hauptsache annehmen zu können. II. 1. Der gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO als Regelungsanordnung statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist b e- gründet. Der Antragsteller hat das Vorliegen eines Anordnungsgrundes (a) sowie eines Anordnungsanspruchs (b) mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erfor- derlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). -6-
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-6- a) Ein Anordnungsgrund für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegt vor. Dieser lässt - ausnahmsweise – sogar eine Vorwegnahme der Hauptsache zu, weil ein Abwarten des - rechtskräftigen - Ausgangs eines noch anhängig zu ma- chenden Hauptsacheverfahrens vorliegend den geltend gemachten Auskunftsan- spruch faktisch leerlaufen ließe. Angesichts der bevorstehenden Wahlen zum Deut- schen Bundestag am 22. September 2013 endet die Legislaturperiode des 17. Deut- schen Bundestages mit dem Zusammentritt des neu gewählten Bundest ages (Art. 39 Abs. 1 Satz 2 GG). Damit schwindet auch das öffentliche Interesse an einer Bericht- erstattung über Abgeordnete des 17. Deutschen Bundestages. Diesem Interesse könnte aus zeitlichen Gründen bis zur Rechtskraft einer Hauptsacheentscheidung nicht mehr nachgekommen werden. Darüber hinaus folgt das öffentliche Informat i- onsinteresse - vor dem Hintergrund der aktuellen Medienberichterstattung und Veröf- fentlichungen über Vorwürfe wegen missbräuchlicher Verwendung der für Sachkos- ten bereitgestellten Mittel bezüglich Abgeordneter des Bayerischen Landtages auf- grund Erkenntnissen des Obersten Rechnungshofes (vgl. u.a. Süddeutsche Zeitung vom 19. August 2013 „Fälle von Selbstbedienung bei Politikern - Vorteile mit luxuriö- sem Beigeschmack“ sowie vom 21. August 2013 „Rechnungshof hatte auch SPD im Visier“, spiegel-online vom 20. August 2013 „Die Beutemacher aus Bayern“) - insbe- sondere auch aus der besonderen Aktualität der vom Antragsteller intendierten Be- richterstattung, zumal die von ihm begehrten Informationen offensichtlich dazu die- nen sollen, die Öffentlichkeit über vergleichbares Verhalten von einzelnen Bundes- tagsabgeordneten bei der Verwendung der ihnen für die Mandatsausübung zuste- henden Mittel angesichts der bevorstehenden Wahlentscheidung zu informieren. Da das Informationsinteresse der Öffentlichkeit maßgeblich von der Aktualität der B e- richterstattung abhängt, ist die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf eine zeitnahe Informationsbeschaffung angewiesen und kann insoweit nicht auf einen ungewi ssen Zeitpunkt in der Zukunft verwiesen werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 11. November 2010, Az. OVG 10 S 32.10, S. 10 m.w.N.). Im Hinblick auf den ver- fassungsrechtlich verbürgten Wert der Pressefreiheit und das Gebot der G ewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist in diesem Fall ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache in Kauf zu nehmen, da der Antragsteller mit an Si- cherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit seinem Auskunftsbegehren auch in e i- nem Hauptsacheverfahren aus den nachfolgend ausgeführten Gründen obsiegen wird. b) Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Auskunftsanspruch zu (1), ohne -7-
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-7- dass die Antragsgegnerin berechtigt wäre, die begehrte Auskunft zu verweigern (2). (1) Der Antragsteller kann sein Begehren – jedenfalls – auf den verfassungsunmit- telbaren Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG stützen. aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt ein subjektiv- rechtlicher Auskunftsanspruch der Presse unmittelbar aus der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn sich das presserechtliche Auskunftsbegehren gegen eine Bundesbehörde richtet und solange der Bundesgesetzgeber von seiner gesetzlichen Regelungskompetenz noch keinen Gebrauch gemacht hat (s. BVerwG, Urteil v. 20. Februar 2013, Az. 6 A 2/12,- nachfolgend a.a.O. - Rn. 17 – juris ). Denn aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Pressefreiheit folgt die Verpflichtung des Gesetzge- bers, die Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, die der besonderen verfa s- sungsrechtlichen Bedeutung der Presse gerecht wird und ihr eine funktionsgemäße Betätigung ermöglicht, wozu auch die Schaffung von behördlichen Auskunftspflichten zählt, die es der Presse erleichtern oder in Einzelfällen sogar überhaupt erst ermö g- lichen soll, ihre Kontroll- und Vermittlerfunktionen zu erfüllen, die in der repräsentat i- ven Demokratie unerlässlich sind (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 27 m.w.N.). Die Bundes- tagsverwaltung, gegen die sich das Auskunftsbegehren des Antragstellers richtet, ist eine Bundesbehörde (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 07. Juni 2012, Az. 12 B 34.10, S. 8 des amtl. Umdrucks). Das Landespressegesetz begründet keinen Aus- kunftsanspruch gegen die Bundestagsverwaltung, da die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung derartiger Presseauskünfte beim Bund liegt. Mangels einer Gesetzge- bungskompetenz des Bundes für das Sachgebiet „Presserecht“ haben die Länder entsprechend dem Grundsatz des Art. 70 Abs. 1 GG zwar die Befugnis, presserecht- liche Regelungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 28. November 1973, Az. 2 BvL 42/71, BVerfGE 36, 193, 201), jedoch folgt ihre Kompetenz zur Regelung der Presseauskünfte als Annex zu der jeweiligen Sachkompetenz (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 20, dazu auch Neumann, jurisPR-BVerwG 12/2013 Anm. 2). Gemäß Art. 38 Abs. 3 GG und Art. 48 Abs. 3 Satz 3 GG steht dem Bund die ausschließliche Gesetzg e- bungskompetenz (vgl. nur Maunz-Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Stand: 67. Liefe- rung November 2012, Art. 38 Rn. 165 u. Art. 48 Rn. 147) zur Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, des Abgeordn e- tenverhältnisses und der Abgeordnetenentschädigung zu. Hierzu zählt auch die Amtsausstattung als Aufwandsentschädigung im Sinne einer Ausgleichszahlung für besonderen mandatsbezogenen Aufwand (s. Maunz-Dürig, a.a.O., Art. 48 Rn. 171 u. 187). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Bundesg e- -8-
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-8- setzgeber in Ausübung dieser Kompetenz über den Gegenstand und die Reichweite von Offenbarungspflichten der Abgeordneten und die Veröffentlichung solcher O f- fenbarungen durch die Bundestagsverwaltung zu entscheiden (vgl. BVerfG, Urteil v. 4. Juli 2007, Az. 2 BvE 1-4/06, Rn. 273 - juris; VG Berlin, Urteil v. 11. November 2011, Az. 2 K 35.10, Rn. 23 - juris). Dieser Gesetzgebungskompetenz entspricht damit als Annex die Befugnis, Voraussetzungen und Grenzen zu regeln, unter denen der Presse Informationen, die das Abgeordnetenverhältnis betreffen, zulässiger wei- se offenbart werden dürfen. Der Bund hat von seiner Gesetzgebungskompetenz bisher keinen Gebrauch gemacht. bb) Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Auskunft gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Schutzbereich der Pressefreiheit ist eröffnet. Der Antragsteller ist Journalist einer großen deutschen Tageszeitung. Das Handeln des Antragstellers ist auf die Veröffentlichung eines Druckerzeugnisses gerichtet, welches Tatsachenberichte und Meinungen gegenüber der Öffentlichkeit, d. h. ge- genüber einer unbestimmten Anzahl von Personen, verbreitet. Vorliegend macht er einen Auskunftsanspruch im Rahmen einer Recherche geltend; sein Int eresse ist auf Publikation der begehrten Informationen gerichtet. Damit erfüllt der A ntragsteller die Informationsfunktion, die Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisten möchte. Der grun d- rechtliche Schutz der Pressefreiheit will sicherstellen, dass die Presse ihre von Ve r- fassung wegen zugewiesene Vermittlerfunktion wahrnehmen kann, indem sie dem Bürger Informationen zukommen lässt, die es ihm ermöglichen, die Meinungen ande- rer kennenzulernen und zu überprüfen, seinen eigenen Standpunkt zu finden, sich an der öffentlichen Diskussion zu beteiligen und politische Entscheidungen zu treffen (so BVerfG, Beschluss v. 06. Februar 1979, Az. 2 BvR 154/78, NJW 1979, 1400, 1401). Der Antragssteller gehört als Journalist zum geschützten Personenkreis (vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., Art. 5 Rn. 161). Ist der Schutzbereich eröffnet, ergibt sich für den grundrechtsberechtigten Antragsteller ein Auskunftsanspruch gegen die An- tragsgegnerin. Denn vorliegend schlägt der grundsätzliche objektiv-rechtliche Ge- währleistungsgehalt des Grundrechts in einen subjektiv-rechtlichen Anspruch um, da ansonsten die Pressefreiheit in ihrem objektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalt leer liefe (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 29). Soweit der Deutsche Bundestag die Ausg a- ben von Abgeordneten verwaltet, liegt eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit durch eine Behörde des Bundes vor (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 7. Juni 2012, Az. 12 B 40.11, Rn. 19 - juris); die Antragsgegnerin ist damit auch An- spruchsverpflichtete. -9-
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-9- (2) Die Antragsgegnerin ist nicht berechtigt, die gewährte Auskunft zu verweigern. aa) Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insoweit BVerwG, a.a.O., Rn. 29) der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch auf das Niveau eines „Minimalstandards“ begrenzt. Denn die Anwendung des Au s- kunftsanspruchs muss in einer Weise vorgenommen werden, die nicht die Ausgestal- tungsprärogative des Gesetzgebers unterläuft, indem sie auf Grundlage von Intere s- sengewichtungen und -abwägungen erfolgt, die nach der Verfassungsordnung nur der Gesetzgeber vorzunehmen befugt ist. Die Position von Behörden oder Gerichten, die über die Berechtigung eines geltend gemachten verfassungsunmittelbaren Au s- kunftsanspruchs zu entscheiden haben, ist schon im Ansatz nicht vergleichbar mit der Position des Gesetzgebers, der in Umsetzung des Gestaltungsauftrags aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gesetzliche Regelungen zu treffen hat. Insoweit ist der Anspruch auf das Niveau begrenzt, den auch der Gesetzgeber nicht unterschreiten dürfte. D a- nach endet das verfassungsunmittelbare Auskunftsrecht von Pressevertretern dort, wo berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen entgegenstehen. Denn sind solche schutzwürdigen Interessen nicht erkennbar, wäre auch eine gesetzliche Bestimmung, we lche der Presse die Auskunft verwehrte, mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und den hierin angeleg- ten Ausgestaltungsdirektiven nicht vereinbar. Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O. Rn. 29 am Ende) verweist in diesem Zusammenhang beispielhaft auf die in den Lan- despressegesetzen aufgeführten, jedoch nicht abschließend normierten, berechtig- ten schutzwürdigen Interessen. bb) Die Antragsgegnerin kann sich vorliegend nicht auf die entsprechend anwendb a- re Beschränkung des presserechtlichen Auskunftsanspruch nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 des Berliner Pressegesetzes - BlnPrG - berufen. Nach dieser Norm können Auskünf- te verweigert werden, soweit ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde. Derartige private Interessen werden von dem geltend gemachten Auskunft sanspruch nicht erfasst. Vielmehr richtet sich das Auskunftsbegehren nur auf die von Abgeord- neten als Aufwandsentschädigung im Rahmen ihrer Amtsausstattung geltend ge- machten Käufe von mehr als 5 Tablet-Computern bzw. eines Smartphones. Das Auskunftsbegehren steht damit im ausschließlichen Zusammenhang nicht nur mit der verfassungsrechtlich vorgesehenen (Art. 48 Abs. 3 GG) Entschädigung für die Ma n- datsausübung der Abgeordneten, sondern spezieller mit den zur Abgeltung der durch das Mandat veranlassten Aufwendungen, die der Abgeordnete im Rahmen der Kostenpauschale nach § 12 Abs. 2 AbgG geltend gemacht hat. Insofern geht es - 10 -
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- 10 - nicht um dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung unterliegende pe r- sönliche oder sachliche Verhältnisse, sondern um Mittel, die der Abgeordnete für die Ausübung seines Mandats benötigt und die nicht aus dem der Lebensführung dienen sollenden beruflichen Einkommen zu bestreiten sind (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 4 Hs. 2 AbgG). cc) Der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) vom 05. September 2005 (BGBl. I S. 2711), geändert durch Artikel 2 Absatz 6 des Gesetzes vom 07. August 2013 (BGBl. I S. 3154), ist auf den verfassungsunmittelbaren presserechtl i- chen Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht anwendbar, so dass da- hinstehen kann, ob Auskünfte hierüber ohne Einwilligung der betroffenen Abgeor d- neten ausgeschlossen sind (so für Auskunftsansprüche aus dem IFG OVG Berlin- Brandenburg, Urteil v. 7. Juni 2012, Az. 12 B 34.10, S. 10 ff des amtl. Umdrucks). Diese Norm bestimmt, dass das Informationsinteresse des Antragstellers nicht übe r- wiegt bei Informationen aus Unterlagen, soweit sie mit einem Dienst - oder Amtsver- hältnis oder einem Mandat des Dritten in Zusammenhang stehen. Die – in der münd- lichen Verhandlung angesprochenen - verfassungsrechtlichen Bedenken, die die Kammer im Hinblick auf die gesetzlich pauschal angeordnete gebundene Entschei- dung, die keinen Raum für eine Abwägung der widerstreitenden Interessen zulässt und jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation keine sachliche Rechtfertigung erkennen lässt (vgl. nachfolgend dd)), bezüglich einer Subsumtion des vorliegenden Sachverhalts unter diese Norm hegt, können allerdings dahingestellt bleiben. Denn Auskunftsbeschränkungen nach dem IFG können ohnehin nicht ohne weiteres auf den - insoweit spezielleren - presserechtlichen Auskunftsanspruch übertragen wer- den. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, a.a.O., Rn. 28) führt insoweit aus: „Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes begründet Jedermannspflichten und formt nicht spezifisch die informationsrechtliche Stellung der Presse aus. Seine Z u- gangsregelungen und Begrenzungsvorschriften reflektieren nicht die b esonderen Funktionsbedürfnisse der Presse. Der Bundesgesetzgeber hat mit seinem Erlass nicht zur Erfüllung des Gestaltungsauftrages gehandelt, der ihm aus dem objektiv- rechtlichen Gewährleistungsgehalt des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erwächst “. Deshalb konkretisiert § 5 Abs. 2 IFG – anders als „beispielhaft“ die Auskunftsverweigerungs- rechte nach den Landespressegesetzen wie etwa § 4 Abs. 2 BlnPrG - auch keine berechtigten schutzwürdigen Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Ve r- traulichkeit von Informationen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwa l- tungsgerichts (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 29). - 11 -
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