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Aktenzeichen
9 K 1767/12
Datum
26. Juli 2013
Gericht
Verwaltungsgericht Potsdam
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Urteil: Verwaltungsgericht Potsdam am 26. Juli 2013

9 K 1767/12

Das Verwaltungsgericht Potsdam verpflichtet eine Finanzbehörde, einem Insolvenzverwalter die Jahreskontoauszüge des Insolvenzschuldners, der hierin eingewilligt hatte, herauszugeben. Ein Ausschluss der Anwendbarkeit des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes im laufenden Verfahren ist nicht gegeben, da das steuerrechtliche Verfahren abgeschlossen ist und es sich bei dem Insolvenzverfahren nicht um ein laufendes Verfahren im Sinne des Gesetzes handelt. Die Akten sind nicht im Insolvenzverfahren angefallen und dieses ist auch keine Fortsetzung des Steuerverfahrens. Der Ausnahmetatbestand zum Schutz des Erfolges bevorstehender Maßnahmen greift nicht, wenn die steuerrechtlichen Verfahren bereits abgeschlossen sind. Die Möglichkeit einer etwaigen Abgabenrückzahlung ist vom Ausnahmetatbestand zum Schutz der Aufgabenerfüllung der Behörde nicht umfasst; insbesondere müssen aus Gründen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung rechtmäßige Anfechtungen bei der Beurteilung dieser Frage außer Betracht bleiben. Das Steuergeheimnis wird nicht berührt, da der Insolvenzverwalter mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen entsprechenden Auskunftsanspruch gegenüber dem Insolvenzschuldner hat und eine Offenbarung somit nicht unbefugt erfolgt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten Gefährdung des Erfolgs behördlicher Maßnahmen

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VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VG 9 K 1767/12 In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam am 26. Juli 2013 durch Richter am Verwaltungsgericht Weißmann für R e c h t erkannt: Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 22. Dezember 2011 verpflichtet, dem Kläger Auskunft zu erteilen über die ihm, dem Beklagten, vorliegenden Informationen über die ... -... GmbH
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-2- durch Herausgabe von Jahreskontenauszügen zur Körperschafts-, Umsatz- und Lohnsteuer für die Jahre 2004 und 2005 an den Kläger. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt. Tatbestand: Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 23. Oktober 2009 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... -... GmbH (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin) bestellt worden. Mit Schreiben vom 5. Januar 2011 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Übersendung eines Kontoauszuges im Rahmen der Aufarbeitung der steuerlichen Unterlagen der Insolvenzschuldnerin. Am 22. Dezember 2011 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass es sich um ein laufendes Insolvenzverfahren handele, die Forderungen des Finanzamts in voller Höhe anerkannt worden seien, die Erteilung der – zeitlich uneingeschränkten - Auskunft zu höherem Arbeitsaufwand führen würde und die Auskunft nicht im Interesse des Landes stünde. Mit Schreiben vom 27. Januar 2012 widersprach der Kläger der Ablehnung. Am 9. August 2012 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor, dass er die Kontoauszüge benötige, um anfechtbare Zahlungen zu erkennen und beantragt sinngemäß, den Beklagten zu verpflichten, ihm Auskunft zu erteilen über die bei ihm, dem Beklagten, über die ... -... GmbH vorliegenden Informationen durch Herausgabe von Jahreskontenauszügen zur Körperschafts-, Umsatz- und Lohnsteuer für die Jahre 2004 und 2005 an ihn. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. -3-
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-3- Zur Begründung bezieht er sich auf den angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend im Wesentlichen Folgendes vor: Die Untätigkeitsklage sei unzulässig, weil es ihm an Personal mangele, zuständige Sachbearbeiter dienstunfähig bzw. urlaubsbedingt abwesend und sodann mit wichtigen anderen Aufgaben betraut gewesen seien. Inzwischen sei zwar das steuerrechtliche Verfahren abgeschlossen, allerdings habe der Kläger unter dem 11. Dezember 2012 bei dem Amtsgericht Luckenwalde Klage gegen ihn erhoben. Der Kläger fechte darin eine Zahlung der Insolvenzschuldnerin aus dem Jahre 2005 an. Hierzu repliziert der Kläger mit Schriftsatz vom 29. April 2013, dass eine Akteneinsicht    in  die    Akten   des   amtsgerichtlichen   Verfahrens  für  sein verwaltungsgerichtliches Begehren nicht ergiebig sei. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer erklärt. Hinsichtlich des weiteren Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Verfahrensakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage gemäß § 75 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Nach dieser Bestimmung ist eine Klage abweichend von § 68 VwGO dann zulässig, wenn über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Über den Widerspruch mit Schreiben vom 27. Januar 2012 hat der Beklagte nicht entschieden. -4-
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-4- Somit ist die in § 75 Satz 2 VwGO geforderte Frist von 3 Monaten seit dem Widerspruch im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, vgl. Saurenhaus in Wysk, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung § 75 Rdnr. 4, verstrichen. Ein zureichender Grund für die Nichtentscheidung des Beklagten über den Widerspruch innerhalb eines Zeitraums von rund eineinhalb Jahren - auch insoweit ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich, vgl. Saurenhaus a.a.O., Rdnr. 6,- liegt  nicht   vor.   Zwar   hat   der   Beklagte  als   Grund  für  den   fehlenden Widerspruchsbescheid Personalmangel und sonstige personelle Besonderheiten angeführt. Die Kammer erachtet den Beklagten indes mit Blick auf den Rechtsgedanken          der      Beschleunigung       bei    Akteneinsichts-     und Informationszugangsgesuchen aus § 6 Abs. 1 Satz 7 Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) für verpflichtet, über den Widerspruch – jedenfalls bis zur Entscheidung des Gerichts – zu entscheiden. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf die begehrte Auskunft und wird durch die Ablehnung vom 22. Dezember 2011 daher in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Anspruchsgrundlage ist § 1 AIG in Verbindung mit §§ 6 Abs. 2 Satz 2, § 7 Satz 3 Ziffer 2 und § 8 Abs. 1 AIG. Durch diese Vorschriften stellt der Gesetzgeber klar, dass das Informationszugangsrecht keineswegs – wie man bei einer isolierten Lektüre des § 1 AIG meinen könnte - auf die Einsicht in Akten beschränkt ist. Der Kläger kann vielmehr auch – statt bzw. zusätzlich zu der Akteneinsicht – in den Nummern 1 bis 5 des § 7 AIG näher bezeichnete - Informationen über Akten, also bloße Auskünfte, beantragen. Hierüber muss der Beklagte ermessensfehlerfrei entscheiden. Durch die Formulierung des § 1 AIG macht der Gesetzgeber lediglich deutlich, dass der Einsicht in die Originalakten eine primäre und besondere Bedeutung zukommt, keinesfalls aber, dass der Antragsteller auf die Einsicht in die Originalakten beschränkt ist. Hierauf deutet bereits die Bezeichnung des Gesetzes. -5-
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-5- Der Gesetzgeber hat es nicht etwa – wie in einem Entwurf vorgesehen - Akteneinsichtsrechtsgesetz genannt, sondern - weitergehender - als Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz bezeichnet. Der Gesetzgeber macht ferner deutlich, dass er die Auskunftserteilung als eine Einschränkung gegenüber der Akteneinsicht in die Originalakte ansieht, indem er in § 6 Abs. 2 Satz 2 AIG davon spricht, dass in bestimmten Fällen „nur ein Recht auf Auskunftserteilung“ besteht und er in § 8 Abs. 1 AIG den Anspruch „auf Auskunftserteilung beschränkt“. Gemäß § 7 Satz 3 AIG kann das Akteneinsichtsrecht schließlich - mit Zustimmung des Antragstellers - auch durch bestimmte Auskünfte gewährt werden, soweit sie die begehrten Informationen enthalten. Das Recht auf Informationszugang bezieht sich nach Ziffer 2 dieser Vorschrift explizit auch auf „Dokumentationen“, also auf Auskünfte, die zum Erschließen des Inhalts der Akten zu ihrer Nutzbarmachung, notwendig sind. Bei der von dem Kläger gewünschten Auskunft durch Vorlage von Kontoauszügen zur Körperschafts-, Umsatz- und Lohnsteuer für die Jahre 2004 und 2005 handelt es sich um Dokumentationen in diesem Sinne. Die Auszüge stellen die begehrten Informationen der Originalakten geordnet zusammen und machen dadurch die Informationen aus der Originalakte in einem besonderen Maße nutzbar. Die Formulierung des § 7 Satz 3 Ziffer 2 AIG („mit Zustimmung des Antragstellers kann das Akteneinsichtsrecht auch durch Dokumentationen gewährt werden“) bedeutet nicht, dass es allein der Behörde frei stünde, statt der Akteneinsicht die Dokumentation       zu    wählen.    Ein    derartiges   Verständnis   würde      den Informationszugang      in    unzumutbarer    Weise    einschränken;   von     einem Informationszugangsgesetz könnte man dann kaum mehr sprechen. Es ist nämlich allgemein anerkannt, dass bei umfangreichen komplexen Akten erst eine Dokumentation mit sog. Metadaten die eigentlichen Daten erschließbar und nutzbar macht. Auf diesem Prinzip beruhen beispielsweise die Kataloge von Bibliotheken. Ein Antragsteller kann dieserhalb zwar unmittelbar das beantragen worauf er verwiesen werden könnte, also eine Dokumentation. Aus der Kann-Formulierung folgt indes, dass dieser Antrag grundsätzlich nur einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung auslöst. Im Hinblick auf Artikel 21 Abs. 4 der Verfassung des Landes Brandenburg      und   dem      Fehlen   von   sachlichen   und   verhältnismäßigen Ablehnungsgründen – solche könnten etwa vorliegen, wenn mit der Dokumentation ein unzumutbarer Verwaltungsaufwand für die Behörde verbunden ist –, geht die Kammer von einer Ermessensreduzierung auf Null aus. Zwar trägt der Beklagte in -6-
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-6- seinem ablehnenden Bescheid vor, dass die Kontoauszüge „zu Arbeitsaufwand führen“ würden. Für eine Unzumutbarkeit ist allerdings nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich, zumal der Kläger – anders als bei seinem behördlichen Antrag – die Auszüge zeitlich auf die Jahre 2004 und 2005 eingeschränkt hat. Andere Rechtsnormen als das AIG enthalten keine bereichsspezifischen Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis, weder über die Einsicht in Akten, noch über die Herausgabe von Dokumentationen (vgl. § 1 AIG a. E. in Verbindung mit § 7 Satz 3 AIG). Insbesondere scheiden die §§ 97 und 101 Insolvenzordnung – InsO - wegen ihrer Beschränkung des Personenkreises und § 30 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) wegen der nicht passenden Rechtsfolge aus. Bei den den Dokumentationen (Kontoauszügen) zugrundeliegenden Daten handelt es   sich    um   solche    über     Steuerschulden   und   geleistete Zahlungen    der Insolvenzschuldnerin, mithin um Aufzeichnungen, die ausschließlich amtlichen Zwecken dienen, also um Akten im Sinne des § 3 AIG. Der    Bund     hat    im   Rahmen       seiner   Gesetzgebungskompetenz      für  das Steuerverwaltungsverfahren nach Maßgabe von Artikel 108 Abs. 5 Satz 2, 105 Abs. 2   Grundgesetz     (GG)      in  der   AO    keine  abschließenden    Regelungen    zu Informationsrechten gegenüber den Landesfinanzbehörden getroffen, die hiervon abweichende landesrechtliche Regelungen sperren könnten (vgl. Artikel 31, 72 Abs. 1 GG). Die Kammer folgt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Mai 2012 - BVerwG 7 B 53.11 –, Juris, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Ausschlussgründe nach den §§ 4 und 5 AIG stehen dem Anspruch nicht entgegen. Gemäß § 5 Abs. 1 Ziffer 1 AIG ist der Antrag auf Akteneinsicht zwar abzulehnen, soweit hierdurch personenbezogene Daten offenbart würden. Das ist jedoch offensichtlich   nicht    der    Fall,  weil   durch  die   begehrte   Auskunft   keine personenbezogenen Daten veröffentlicht werden. Gemäß § 3 Abs. 1 Gesetz zum -7-
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-7- Schutz    personenbezogener      Daten    im    Land    Brandenburg     (BbgDSG)     sind personenbezogene       Daten    Einzelangaben      über   persönliche    oder   sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, weil es sich bei der begehrten Auskunft um Angaben       über    Zahlungen     einer     juristischen    Person,     nämlich     der Insolvenzschuldnerin, an den Beklagten und deren Steuerforderungen, handelt. Diese unternehmensbezogenen Daten des insolvenzschulderischen Unternehmens sollen dem Insolvenzverwalter offenbart werden, so dass auch § 5 Abs. 1 Ziffer 3 AIG von seinem Sinn und Zweck nicht entgegensteht. § 4 Abs. 2 Ziffer 2 AIG greift nicht, weil das steuerrechtliche Verfahren nach eigenen Angaben des Beklagten, an denen zu zweifeln die Kammer keinen Anlass hat, bereits abgeschlossen ist. Eine bevorstehende Maßnahme ist daher ausgeschlossen. Schließlich scheidet auch die – allenfalls noch in Betracht kommende – Vorschrift des § 4 Abs. 2 Ziffer 4 AIG aus. Eine „erhebliche“ Beeinträchtigung der Erfüllung der Aufgaben des Beklagten hält die Kammer für ausgeschlossen. Dabei nimmt die Kammer entsprechend der Gesetzesbegründung (Seite 13 Drucksache 2/4417) nur solche Beeinträchtigungen in den Blick, die durch das Verfahren der Aufbereitung und Sichtung der Akten und Zusammenstellung der Unterlagen zur Beantwortung des Einsichtsersuchens die Aufgabenerfüllung     der   Behörde   beeinträchtigen     würden.   Auf    eine  etwaige Abgabenrückzahlung – die im Hinblick auf den möglichen Umfang der Anfechtung im Übrigen auch nicht erheblich wäre – kommt es deshalb nicht an. Auch im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Artikel 20 Abs. 3 GG) müssen      rechtmäßige    Anfechtungen    bei    der   Beurteilung   der   Frage   einer Beeinträchtigung außer Betracht bleiben. Der nämliche Grundsatz bindet den Beklagten an alle Gesetze, also auch an die des Anfechtungsverfahrens und nicht nur an die des Steuerrechts. Dem Anspruch des Klägers steht auch eine Geheimhaltungspflicht nicht entgegen. Zwar verbietet das Steuergeheimnis nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 AIG in Verbindung mit § 30 AO, Steuerdaten unbefugt weiterzugeben. Allerdings unterliegen die in der Akte der Insolvenzschuldnerin enthaltenen Informationen dem Kläger als Insolvenzverwalter gegenüber keiner Geheimhaltungspflicht, sodass das Steuergeheimnis      insoweit   nicht   berührt     wird.  Mit    der    Eröffnung    des Insolvenzverfahrens     erlangt   der   Insolvenzverwalter     die   Verwaltungs-     und -8-
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-8- Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (vgl. § 80 Abs. 1 InsO) und hat gegenüber dem Insolvenzschuldner einen Anspruch auf Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse (§ 97 Abs. 1 Satz 1 InsO),   mithin   auch    über   alle  Einkünfte,  die   für  die  Beurteilung   von Gläubigerforderungen bedeutsam sein können. Muss der Insolvenzschuldner also dem Insolvenzverwalter die ihm möglichen Auskünfte über die von ihm gezahlten Steuern erteilen, sind diese Informationen dem Insolvenzverwalter gegenüber von vornherein nicht geheimhaltungsbedürftig. Die Offenbarung erfolgt jedenfalls nicht unbefugt im Sinne des § 30 Abs. 2 Alt. 1 AO. Da der Anspruch auf Akteneinsicht nach dem AIG im Übrigen voraussetzungslos besteht, kommt es auf die Überlegungen des Beklagten zu dem Zweck des Begehrens des Klägers in diesem Zusammenhang, insbesondere auf den Umstand des Anerkenntnisses der Forderungen des Beklagten in voller Höhe, nicht an. Auch wenn das ausschließlich auf das AIG gestützte Informationsbegehren einen steuerrechtlichen Hintergrund hat, geht es dabei gerade nicht um die Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften durch die Finanzbehörden. Das Informationsbegehren des Klägers betrifft weder die Steuererhebung noch die Durchsetzung von Steuerforderungen in einem laufenden Verwaltungs- oder Vollstreckungsverfahren. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter und damit nicht am steuerlichen Verwaltungsverfahren Beteiligter im Sinne der AO einen eigenständigen Informationszugangsanspruch nach dem AIG gegenüber dem Beklagten    geltend,   ohne   dass   dies  in  einem    Zusammenhang     mit  einer abgabenrechtlichen Angelegenheit der Insolvenzschuldnerin stünde, vgl. Oberverwaltungsrecht Berlin - Brandenburg, Beschluss vom 9. März 2012 – OVG 12 L 67.11-. Die Anwendbarkeit des AIG ist schließlich nicht durch § 2 Abs. 5 AIG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift – von deren Anwendbarkeit der Beklagte offenbar ausgeht - wird zwar in laufenden Verfahren Akteneinsicht nur nach Maßgabe      des   anzuwendenden      Verfahrensrechts    gewährt. Da    indes   das steuerrechtliche    Verfahren    abgeschlossen    ist   und   es   sich   bei   dem Insolvenzverfahren und dem Anfechtungsprozess vor dem Amtsgericht Luckenwalde nicht um laufende Verfahren im Sinne des § 2 Abs. 5 AIG handelt, ist das AIG anwendbar. Die Akten über die der Kläger Informationen begehrt, sind weder bei -9-
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-9- dem     Insolvenz-    noch     bei   dem      Anfechtungsverfahren   angefallen;    das Anfechtungsverfahren ist auch keine Fortsetzung des Steuerverfahrens. Das auf die Herausgabe einer Dokumentation gerichtete Auskunftsbegehren des Klägers hat überdies einen anderen Gegenstand als die Anfechtung einer Zahlung in dem Anfechtungsprozess; eine Einsicht in die Verfahrensakte des Amtsgerichts Luckenwalde vermag das Auskunftsbegehren des Klägers von vornherein nicht, und zwar auch nicht teilweise, zu erledigen. Der Kläger kann auch dieserhalb nicht auf das Verfahrensrecht des Anfechtungsprozesses verwiesen werden. Überdies ist fraglich, ob die Vorschrift gegen ihren Wortlaut nicht nur auf „Akteneinsicht“ sondern auch auf Dokumentationen anwendbar ist. Nach der Begründung des Gesetzgebers (Seite 10 a.a.O.) bestehe zwischen dem Bund und den Ländern darüber Konsens, dass das Verfahrensrecht möglichst einheitlich geregelt werden solle. Diesen gemeinsamen Standpunkt würde das Land aufkündigen, wenn es den Zugang zu Akten     im  Rahmen      eines    Verwaltungsverfahrens    auch   anderen    als   den Verfahrensbeteiligten ermöglichen würde. Da es dem Kläger nicht um einen „Zugang zu Akten“ sondern um eine bloße Dokumentation über Akten geht, dürfte dieser Gesichtspunkt wohl nicht greifen. Dokumentationen sind nicht Bestandteile der Originalakte; sie enthalten Metadaten und nicht die Original-Daten. Für die Originalakte ist es sinnvoll, die Akteneinsicht bei einem laufenden Verfahren auf das Verfahrensrecht gerade dieses Verfahrens zu beschränken. Für Metadaten, die die Beschränkung des „Zugangs zu den Akten“ daselbst auf die Verfahrensbeteiligten nicht berührt, ist derartiges nicht ersichtlich. Eine Ablehnung des Antrags des Klägers auf die Herausgabe von Dokumentationen nach § 6 Abs. 4 AIG scheidet insgesamt aus. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Anfechtungsprozesses. Dass der Kläger insoweit bereits über die mit den Kontoauszügen begehrten Informationen verfügt, trägt der Beklagte nicht vor und ist auch sonst nicht ersichtlich. Als Unterliegender hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen (vgl. § 154 Abs. 1 VwGO). Die Streitwertfestsetzung – mangels anderweitiger Anhaltspunkte in Höhe des Auffangstreitwerts – beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. - 10 -
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- 10 - Rechtsmittelbelehrung: Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 32, 14469 Potsdam, schriftlich zu stellen. Er kann stattdessen auch in elektronischer Form bei der elektronischen Poststelle des Verwaltungsgerichts      Potsdam      eingereicht   werden,   wenn    das    elektronische Dokument      mit   einer   qualifizierten   elektronischen   Signatur  im    Sinne    des Signaturgesetzes versehen ist (siehe zu diesem Einreichungsverfahren die Erläuterungen unter www.erv.brandenburg.de). Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, schriftlich oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes auf dem unter www.berlin.de/erv veröffentlichten Kommunikationsweg einzureichen. Vor     dem     Oberverwaltungsgericht        müssen     sich   die   Beteiligten    durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, zugelassen. Darüber hinaus können auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung und in § 3 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. - 11 -
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