Information

Aktenzeichen
7 B 45.12
Datum
25. Juli 2013
Gericht
Bundesverwaltungsgericht
Gesetz
Umweltinformationsgesetz (Rheinland-Pfalz)
Umweltinformationsgesetz (Rheinland-Pfalz)

Beschluss: Bundesverwaltungsgericht am 25. Juli 2013

7 B 45.12

Das Bundesverwaltungsgericht weist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurück. Mit der - vermeintlich - fehlerhaften Anwendung bzw. unzureichenden Beachtung von Rechtssätzen, die sich auf höherrangiges Recht bzw. auf Unionsrecht beziehen, wird eine für die Zulassung der Revision erforderliche Divergenz nicht dargetan. Insbesondere bestätigt das Bundesverwaltungsgericht, dass es bei der Prüfung, ob offengelegte Informationen Rückschlüsse auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ermöglichen, auf eine Unterscheidung zwischen unmittelbaren und nur mittelbaren Rückschlüssen nicht ankommen kann. Die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bestimmt sich allein nach materiellen Kriterien. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Interessenabwägung Begriffsbestimmung Prozessuales

/ 9
PDF herunterladen
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS BVerwG 7 B 45.12 OVG 8 A 10096/12 In der Verwaltungsstreitsache
1

-2- hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 25. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Brandt beschlossen: Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. September 2012 wird zurückge- wiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigela- denen. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer- deverfahren auf 5 000 € festgesetzt. Gründe: I 1 Die Klägerin, eine Partnerschaft u.a. von Rechtsanwälten, begehrt auf der Grundlage des rheinland-pfälzischen Landesumweltinformationsgesetzes - LUIG - vom 19. Oktober 2005 (GVBl. S. 484) Zugang zu bislang vorenthalte- nen Teilen des Sicherheitsberichts nach § 9 der 12. BImSchV (Störfall- Verordnung) zu einem Standort des beigeladenen pharmazeutischen Unter- nehmens. Der Beklagte lehnte den Antrag bezüglich des Anhangs 5 - Verzeichnis der Anlagen und Stoffe - und des Anhangs 6 – Einzelfallbe- trachtungen - zunächst insgesamt unter Berufung auf § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LUIG ab, weil darin Betriebsgeheimnisse der Beigeladenen enthalten seien; im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stellte der Beklagte der Klägerin eine teilweise geschwärzte Fassung dieser Anhänge zur Verfügung. Die ge-
2

-3- schwärzten Angaben ließen Rückschlüsse auf das Gesamtapparatevolumen, die Apparatekapazität, die Anlagengröße und das Lagerkonzept der Beigelade- nen zu. Ein Mitbewerber könne hieraus auf Marktaktivitäten und Marktstrategien des Unternehmens schließen. Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Er- folg. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass durch die begehrte wei- tergehende Offenlegung der Angaben im Sicherheitsbericht Betriebs- und Ge- schäftsgeheimnisse der Beigeladenen zugänglich gemacht würden. Der Zu- gang zu Informationen könne auch dann verwehrt werden, wenn die offen ge- legte Information Rückschlüsse auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zulas- se. Es reiche aus, wenn nachteilige Wirkungen im Wettbewerb nachvollziehbar und plausibel dargelegt würden. Die Beigeladene habe dies anhand typischer Beispiele erläutert. Ein das Geheimhaltungsinteresse überwiegendes öffentli- ches Interesse an der Bekanntgabe der zurückgehaltenen Informationen sei nicht erkennbar. 2 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelas- sen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin. II 3 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be- schwerde hat keinen Erfolg. 4 1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Abweichung des ange- fochtenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zuzu- lassen. 5 Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entschei- dung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsge- richts aufgestellten und deren Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwen-
3

-4- dung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschlüsse vom 21. Juni 1995 - BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18, vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 13. Juli 1999 - BVerwG 8 B 166.99 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 9). Mangels Identität von Rechtsfrage und von Rechts- norm bleibt demnach die Divergenzrüge erfolglos, wenn die als abweichend gerügte Entscheidung - wie hier mit § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LUIG - eine Vor- schrift des nicht revisiblen Rechts betrifft (Beschlüsse vom 16. Februar 1976 - BVerwG 7 B 18.76 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 143 und vom 4. Februar 1999 - BVerwG 6 B 131.98 - Buchholz 251.8 § 94 RhPPersVG Nr. 1 S. 2). Da- bei ist unbeachtlich, dass das Bundesrecht in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG eine wortlautidentische Vorschrift enthält. Auf die Besonderheiten der Divergenzzu- lassung in personalvertretungsrechtlichen Streitigkeiten (siehe Beschlüsse vom 18. April 1995 - BVerwG 6 PB 1.95 - Buchholz 111 Art. 20 EV Nr. 1 S. 2 und vom 28. Januar 2004 - BVerwG 6 PB 10.03 - Buchholz 251.2 § 91 BlnPersVG Nr. 2 S. 2) kann die Klägerin sich nicht berufen. 6 In diesem Zusammenhang ist schließlich auch ohne Bedeutung, dass die Vor- schriften des Landes- und des Bundesrechts jeweils der Umsetzung der Richtli- nie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Auf- hebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates - Umweltinformations-RL - (ABl EG Nr. L 41 S. 26) dienen. Die Klägerin macht zwar auch geltend, dass das Oberwaltungsgericht bei der Anwendung des irrevisiblen Landesrechts den uni- onsrechtlichen Vorgaben im Rahmen der gebotenen richtlinienkonformen Aus- legung nicht genügt habe. Mit der - vermeintlich - fehlerhaften Anwendung bzw. unzureichenden Beachtung von Rechtssätzen, die sich auf höherrangiges Recht bzw. auf Unionsrecht beziehen, wird eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO indessen nicht dargetan (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.). 7 2. Mit der Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) dringt die Klägerin ebenso wenig durch.
4

-5- 8  Die Anwendung und Auslegung des grundsätzlich nicht revisiblen Landesrechts unterliegt zwar insoweit revisionsgerichtlicher Kontrolle, als das Bundesverwal- tungsgericht zu prüfen hat, ob die Vorinstanz die - wie oben darlegt - für die Entscheidung maßgeblichen und dem Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 VwGO zugehörigen unionsrechtlichen Maßstäbe zutreffend erkannt und zugrunde gelegt hat. Die Revision ist dann zuzulassen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender bzw. dirigierender Maßstab angeführten - unionsrechtlichen Bestimmungen ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (Beschlüsse vom 1. November 2007 - BVerwG 7 B 37.07 - Buchholz 451.90 Sonstiges Europ. Recht Nr. 210 <juris Rn. 11> und vom 20. Dezember 2012 - BVerwG 3 B 35.12 - NZBau 2013, 182 Rn. 5 m.w.N.). Das Vorbringen der Klägerin führt jedoch nicht auf rechtsgrund- sätzliche Fragen zur Auslegung der Umweltinformationsrichtlinie. 9  a) Die Klägerin zeigt einen (weitergehenden) Klärungsbedarf zum Begriff des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. d Umweltinformations-RL nicht auf. 10 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG, auf die sich das Oberverwaltungsgericht bezieht, sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Um- stände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmänni- sches Wissen. Ein Interesse an der Nichtverbreitung ist dann anzuerkennen, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Konkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (Urteile vom 28. Mai 2009 - BVerwG 7 C 18.08 - Buchholz 406.252 § 9 UIG Nr. 1 Rn. 12 f. und vom 24. September 2009 - BVerwG 7 C 2.09 - BVerwGE 135, 34 Rn. 50 = Buchholz 406.252 § 9 UIG Nr. 2; Beschluss vom 12. April 2013 - BVerwG 20 F 6.12 - Rn. 12). Damit orientiert sich die Auslegung am gewachsenen wettbe-
5

-6- werbsrechtlichen Begriffsverständnis (siehe BTDrucks 15/3406 S. 20 i.V.m BTDrucks 12/7138 S. 14). 11 Diese Maßstäbe stehen mit den unionsrechtlichen Vorgaben in Einklang. Das Unionsrecht kennt weder im Primär- noch im Sekundärrecht eine allgemein gül- tige Legaldefinition des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses. Der Schutz des Geschäftsgeheimnisses ist als allgemeiner Rechtsgrundsatz ausgehend insbe- sondere vom Wettbewerbs- und vom Vergaberecht entwickelt worden (siehe EuGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - Rs. C-450/06, Varec SA / Belgien -, NVwZ 2008, 651 Rn. 48 f.; vgl. Nehl, in: Heselhaus/Nowak, Handbuch der Europäi- schen Grundrechte, 2006, § 55 Rn. 40 ff.; siehe auch Schendel, in: Rengeling <Hg.>, EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 39 Rn. 69 ff.). Mit diesem Inhalt findet er auch in anderen Regelungszusammenhängen Anwendung (siehe etwa Schlussanträge der Generalanwältin im Verfahren Rs. C-266/09, Slg. 2010, I- 13119 Rn. 76 ff.). 12 aa) Diesen rechtlichen Ausgangspunkt stellt die Klägerin zwar nicht in Frage. Sie wirft aber als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob bestimmte Umstände wie etwa Produktionswege und Herstellungsverfahren angesichts des in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Umweltinformations-RL normierten Gebots der en- gen Auslegung der Versagungsgründe zu den Betriebs- und Geschäftsgeheim- nissen zählen können. Dem Gebot der engen Auslegung ist indessen beim Begriff des Geschäftsgeheimnisses schon durch das Erfordernis der Wettbe- werbsrelevanz der betreffenden Information Genüge getan. Da der Schutz des Geschäftsgeheimnisses auch im Unionsrecht grundrechtlich gewährleistet ist (Art. 8, 15 und 16 GRCh), sind einer engen Auslegung, die sich auf alle Versa- gungsgründe bezieht, insoweit rechtliche Grenzen gesetzt. Ob die einzelnen Umstände, wie in den Fragen I.3., 4. und 6. benannt, nach den allgemeinen Maßstäben zu den Geschäftsgeheimnissen zählen, entscheidet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls und entzieht sich einer fallübergreifenden Be- antwortung. 13 bb) Auch mit der Frage I.1., ob es sich bei der Kapazität von Anlagenteilen und bei Lagermengen, die jeweils der Störfall-Verordnung unterfallen, um Betriebs-
6

-7- und Geschäftsgeheimnisse handelt, wird ein auf die Umweltinformationsrichtli- nie bezogener Klärungsbedarf nicht aufgezeigt. Ob eine Information für Dritte zugänglich, damit offenkundig ist und folglich von einem Geheimnis nicht mehr gesprochen werden kann, richtet sich vielmehr nach den in anderen Rechtsvor- schriften, hier der Störfall-Verordnung, geregelten Veröffentlichungspflichten. 14 b) Ebenfalls im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge- richts ist das Oberverwaltungsgericht des Weiteren davon ausgegangen, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LUIG nicht verlangt, die begehrte Information müsse schon als solche ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis darstellen. Zugänglich gemacht wird ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vielmehr auch dann, wenn die offengelegte Information ihrerseits Rückschlüsse auf Betriebs- oder Ge- schäftsgeheimnisse zulässt. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge- richts ist geklärt, dass diese Auslegung mit Art. 4 Abs. 2 Buchst. d Umweltin- formations-RL vereinbar ist (Urteil vom 24. September 2009 a.a.O. Rn. 56). Die Klägerin will hierzu geklärt wissen, ob Art. 4 Abs. 2 Buchst. d Umweltinformati- ons-RL mit der Formulierung, dass die Bekanntgabe „negative Auswirkungen“ hätte auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, besondere Anforderungen an die Qualität der Rückschlüsse stellt. 15 Es liegt indessen bereits auf der Hand und bedarf keiner Klärung in einem Re- visionsverfahren, dass es bei der Prüfung, ob offengelegte Informationen Rück- schlüsse auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse ermöglichen, auf eine Un- terscheidung zwischen unmittelbaren und nur mittelbaren Rückschlüssen nicht ankommen kann (Frage I.7.). Denn die - auch grundrechtlich gewährleistete - Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit von Betriebs- und Geschäftsgeheim- nissen bestimmt sich allein nach materiellen Kriterien. Auf welche Weise diese Geheimnisse sich Außenstehenden erschließen, ist unbeachtlich. Dass dabei gerade auch die besonderen Kenntnisse und Qualifikationen der Wettbewerber zu berücksichtigen sind (Frage I.2.), versteht sich angesichts der Schutzrich- tung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von selbst. 16 Die weitere Frage I.5., ob spekulative Schlussfolgerungen ausreichen, stellt sich nicht, da sie von tatsächlichen Umständen ausgeht, die das Oberverwaltungs-
7

-8- gericht nicht festgestellt hat. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundes- verwaltungsgerichts geklärt, dass die prognostische Einschätzung nachteiliger Auswirkungen im Falle des Bekanntwerdens der Informationen nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden muss (Urteil vom 24. September 2009 a.a.O. Rn. 58 f.). 17 c) Soweit die Klägerin als rechtsgrundsätzlich bedeutsam eine Frage zum Ver- ständnis des Begriffs des „öffentlichen Interesses“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 und 3 Umweltinformations-RL bezeichnet (Frage I.8.), legt sie bereits deren Klärungsfähigkeit nicht dar. Denn das Oberverwaltungsgericht hat - seine Entscheidung insoweit selbstständig tragend - ein öffentliches Interesse unter- stellt, diesem aber kein das Geheimhaltungsinteresse übertreffendes Gewicht zugebilligt. Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage kommt es folglich nicht an. 18 3. Schließlich beruft die Klägerin sich ohne Erfolg auf einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). 19 Nach Ansicht der Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht seine Pflicht zur vollständigen Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) dadurch verletzt, dass es die Frage, ob negative Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation der Beigeladenen nachvollziehbar und plausibel dargelegt worden sind, im beja- henden Sinne beantwortet hat, ohne hierzu das aufgrund der aufgeworfenen fachtechnischen Fragen zur Möglichkeit von Rückschlüssen erforderliche Sach- verständigengutachten eingeholt zu haben. Diese Verfahrensrüge ist indessen nicht begründet. Grundsätzlich befindet das Gericht selbst darüber, ob es zur Entscheidung des Rechtsstreits Hilfe eines Sachverständigen benötigt. Die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens kann demnach nur dann als verfahrensfehlerhaft beanstandet werden, wenn das Gericht eine ihm unmög- lich zur Verfügung stehende Sachkunde in Anspruch nimmt oder wenn es sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne dass es für die Beteiligten und für das zur Nachprüfung berufene Re- visionsgericht überzeugend darlegt, dass ihm das erforderliche Fachwissen in genügender Weise zur Verfügung steht (stRspr, vgl. etwa Urteil vom
8

-9- 10. November 1983 - BVerwG 3 C 56.82 - BVerwGE 68, 177 <182 f.> = Buch- holz 418.711 LMBG Nr. 5 S. 2 und Beschluss vom 18. Juni 2012 - BVerwG 5 B 5.12 - ZOV 2012, 289 Rn. 7 m.w.N.). 20 Das Oberverwaltungsgericht hat mit dem von der Klägerin beanstandeten Vor- gehen die Grenzen seiner Erkenntnismöglichkeiten nicht überschritten. Es hat sich nicht etwa eine auf die chemischen Prozesse und produktionstechnischen Erfordernisse bezogene Sachkunde zugeschrieben, um sich selbst über die Möglichkeit der behaupteten Rückschlüsse auf Betriebs- und Geschäftsge- heimnisse zu vergewissern. Vielmehr hat es die an fiktive Daten anknüpfenden fachkundigen Darlegungen der Beigeladenen, insbesondere im Schriftsatz vom 18. Mai 2012, auf ihre Nachvollziehbarkeit und Plausibilität überprüft. Diese Ausführungen des Gerichts, mit denen es - vergleichbar mit der Würdigung ei- nes Sachverständigengutachtens - seine Überzeugungsbildung begründet, sind Bestandteil der richterlichen Sachverhaltswürdigung, die nicht an einen Sach- verständigen delegiert werden kann. 21 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Dr. Nolte                            Krauß                                  Brandt
9