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Aktenzeichen
2 L 16.13
Datum
13. Februar 2013
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Berlin (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Berlin (IFG)

Beschluss: Verwaltungsgericht Berlin am 13. Februar 2013

2 L 16.13

Das Gericht versagt eine einstweilige Anordnung gegenüber dem Bundesinnenministerium auf Einsicht in Vermerke/Gutachten zu einem Parteiverbotsverfahren. Es fehlt an der Dringlichkeit, da kein gegenwärtiger Anlass für die Unterrichtung der Öffentlichkeit durch die Presse besteht, der die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen kann. (Quelle: LDA Brandenburg)

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VG 2 L 16.13 VERWALTUNGSGERICHT BERLIN BESCHLUSS In der Verwaltungsstreitsache desHerrn Antragstellers, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium des Innern, Alt-Moabit 101 D, 10559 Berlin, Antragsgegnerin, hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Xalter, den Richter am Verwaltungsgericht Tegtmeier und den Richter am Verwaltungsgericht Schulte am 13. Februar 2013 beschlossen: Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt. -2-
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-2- Gründe Der (sinngemäße) Antrag des Antragstellers nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihm Zugang zu gewähren zu 1. a) sämtlichen vor November 2011 angefertigten Vermerken, Gutachten, Dokumenten etc., in denen in abstrakter bzw. rechtsgutachterlicher Weise die rechtlichen Möglichkeiten von Parteiverboten (Art. 21 Abs. 2 GG) vor dem Bundesverfassungsgericht bzw. deren Prüfung durch den Europäischen Ge- richtshof für Menschenrechte (EGMR) erörtert werden, 1. b) sämtlichen Vermerken, Gutachten, Dokumenten etc. aus dem Zeitraum 1999 bis 2003, die sich mit dem Parteiverbotsverfahren gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht (2 BvB 1/01, Antrag der Bundesregierung) be- fassen, 2. hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, Zugang zu den oben b e- zeichneten amtlichen Information unter Schwärzung derjenigen Passagen zu gewähren, die im Informationsfreiheitsgesetz des Bundes - IFG - genannte Schutzgründe betreffen, hat keinen Erfolg. Nach der genannten Bestimmung sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Grü n- den nötig erscheint. Sie setzt voraus, dass der Antragsteller glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO), dass ihm die begehrte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und ein Eilbedürfnis im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO besteht, das es rechtfertigt, die begehrte vorläufige Entscheidung zu treffen (Anordnungsgrund). Soll im Wege einstweiliger Anordnung - wie hier - das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens vorweg genommen werden, so ist ein Anordnungsgrund nur zu bejahen, wenn anderenfalls schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden können. Denn eine Vorwegnahme der Hauptsache widerspricht der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes und ist daher nur ausnahmsweise zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG zulässig. Ob ein Anordnungsgrund für die Durchsetzung des Informationsbegehrens im vorläufigen Rechtschutzverfahren be- steht, bedarf der Prüfung im konkreten Einzelfall, wobei dem jeweils betroffenen Grundrecht Rechnung zu tragen und der mit dem Informationsbegehren verfolgte Zweck zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2011 - -3-
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-3- BVerwG 7 VR 6.11 -, juris, Rn. 6; OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 12. No- vember 2012 - OVG 12 S 54.12 -, juris, Rn. 3 und vom 20. Dezember 2012 - OVG 6 S 44.12 -, juris, Rn. 4, jeweils m. w. Nachw.). Nach diesen Maßstäben hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund in einem die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Maße nicht glaubhaft gemacht. Es kann dahin stehen, ob die Eilbedürftigkeit des Informationsanliegens eines Journalis- ten gegenüber einer Behörde, das ausdrücklich nicht auf die in Betracht kommenden Bestimmungen des Presserechts, sondern allein auf das Jedermannsrecht des § 1 Abs. 1 IFG gestützt ist, im Lichte von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gleichwohl geringeren prozessualen Darlegungsanforderungen unterliegt (vgl. dazu OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 31. Juli 2012 - OVG 12 S 95.11 -, juris, Rn. 12). Selbst wenn die Rechtsprechung, wonach die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf eine zeitnahe Informationsbeschaffung angewiesen ist, auf Ansprüche nach dem IFG un- eingeschränkt anwendbar sein sollte, setzt die Zuerkennung einer die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Dringlichkeit im Einzelfall doch voraus, dass die Information zur Unterrichtung der Öffentlichkeit durch die Presse über einen gegen- wärtigen Anlass erforderlich ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Thematik einen Aktualitätsbezug aufweist, welche die Informationen im Hauptsacheverfahren mit Blick auf das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit als wertlos erscheinen lässt und deshalb eine sofortige, tagesaktuelle Berichterstattung erfordert (vgl. OVG Ber- lin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - OVG 6 S 44.12 -, a.a.O.). Dies ist nicht erkennbar. Der Antragsteller bezeichnet als Ziel seines Begehrens, der Öffentlichkeit (auch h is- torische) Informationen über Parteiverbotsverfahren zur Verfügung zu stellen und zur Meinungsbildung zu der Frage, ob ein neues Verfahren gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet werden soll, beizutragen. Zweck der Recher- che sei es darzulegen, welche juristische Expertise sich die Bundesregierung hierzu in den vergangenen Jahren angeeignet habe. Damit ist das Erfordernis einer soforti- gen tagesaktuellen Berichterstattung nicht glaubhaft gemacht. Seit der Einstellung des NPD-Verbotsverfahrens nach Art. 21 Abs. 2 GG, §§ 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. März 2003 - 2 BvB 1.01 u.a. (BVerfGE 107, 339) - ist die Frage, ob durch die Bundesregierung, den Deut- schen Bundestag oder den Bundesrat ein neuer Antrag auf Feststellung der Verfas- sungswidrigkeit und Auflösung der NPD gestellt werden sollte und welche Erfolg s- aussichten ein solcher Antrag hätte, Gegenstand der politischen Auseinanderset- zung. Der Beschluss des Bundesrates vom 14. Dezember 2012 (BR-Drucks. -4-
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-4- 770/12), ein solches Verfahren zu beantragen und einen Verfahrensbevol lmächtigten mit der Antragstellung, Begründung und Prozessführung vor dem Bundesverfas- sungsgericht zu beauftragen, erscheint damit weniger als ein singuläres Ereignis als vielmehr als vorläufiges Ergebnis einer Debatte, die nach der Aufdeckung der terr o- ristischen Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ im November 2011 wieder stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten ist. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass die begehrten Informationen im Falle eines Obsiegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren gleichsam wertlos wären. Dies gilt umso mehr, als es dem Antragsteller mit seinen Anträgen gerade nicht um solche Informa- tionen geht, welche aktuelle Erkenntnisse über gegenwärtige Strukturen und Bestre- bungen der NPD betreffen, sondern um die abstrakte juristische Bewertung der mit einem Verbotsverfahren verbundenen Risiken. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Informationen zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im Falle der tatsächlichen Einrei- chung eines Antrages nach § 43 BVerfGG bei dem Bundesverfassungsgericht , be- deutungslos wären. Allein der Umstand, dass der Antragsteller sein Informationsb e- gehren in zeitlichen Zusammenhang mit dem vorgenannten Beschluss de s Bundes- rates stellt, vermag das Erfordernis einer sofortigen Berichterstattung daher nicht zu begründen. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG, wobei die Kammer im Hinblick auf die von dem Antragsteller erstre bte Vorwegnahme der Hauptsache den vollen Auffangstreitwert angesetzt hat. Rechtsmittelbelehrung Gegen die Sachentscheidung ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Recht s- verkehr mit der Justiz im Lande Berlin vom 27. Dezember 2006, GVBl. S. 1183, in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 9. Dezember 2009, GVBl. S. 881) einzulegen. Die Frist für die Einlegung der Beschwerde endet zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses schrift- lich oder in elektronischer Form zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen. Sie mu ss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entsche i- -5-
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-5- dung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbev oll- mächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Als B e- vollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staa t- lich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus kö n- nen auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung b e- zeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmächtigter zuge- lassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befä- higung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht, eh- renamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,0 0 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, schriftlich oder in elektronischer Form oder zu Protokoll der G e- schäftsstelle einzulegen. Sie ist innerhalb von sechs Monaten einzulegen, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten bedarf es nicht. Xalter                                 Tegtmeier                             Schulte /Wol. Ausgefertigt Justizbeschäftigte als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle
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