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Aktenzeichen
27 L 259.12
Datum
20. Dezember 2012
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Beschluss: Verwaltungsgericht Berlin am 20. Dezember 2012

27 L 259.12

Das Gericht spricht einem Journalisten einen Anspruch gegen das Bundesministerium der Finanzen auf Auskunft über die Höhe der für Beratungstätigkeiten eines bestimmten Unternehmens gezahlten Honorare zu. Der Anordnungsanspruch wird auf das Berliner Pressegesetz als spezialgesetzliche Regelung gestützt; das Informationsfreiheitsgesetz kommt hierfür nicht in Betracht. Geheimhaltungsvorschriften, insbesondere eine bloß formale Einstufung der Informationen als "geheim", stehen nicht entgegen. Auch eine ausländische juristische Person des Privatrechts kann sich grundsätzlich auf den Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen. Ob ein privates Interesse schutzwürdig ist, muss im Wege einer umfassenden Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den entgegenstehenden privaten Interessen ermittelt werden. Die Bewertung des Informationsanliegens obliegt grundsätzlich der Presse selbst. Hintergrund der Entscheidung war die Medienberichterstattung über für Vortragstätigkeiten erhaltene Honorare des Kanzlerkandidaten Steinbrück. (Quelle: LDA Brandenburg)

Auskunftserteilung (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Interessenabwägung Konkurrierende Rechtsvorschriften Begriffsbestimmung

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VG 27 L 259.12                       Abschrift VERWALTUNGSGERICHT BERLIN BESCHLUSS In der Verwaltungsstreitsache der Antragstellerin, Verfahrensbevollmächtigter: gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium der Finanzen, Wilhelmstraße 97, 10117 Berlin, Antragsgegnerin, Verfahrensbevollmächtigte(r): beigeladen: hat die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Neumann, den Richter am Verwaltungsgericht Hofmann und die Richterin am Verwaltungsgericht Mueller-Thuns am 20. Dezember 2012 beschlossen: -2-
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-2- Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der An- tragsstellerin Auskunft über die Höhe der für Beratungstätigkeiten der Beigeladenen für das Bundesministerium der Finanzen im Zeitraum zwischen dem 22. November 2005 und dem 27. Oktober 2009 gezahlten Honorare zu erteilen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außerg e- richtlichen Kosten der Beigeladenen. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5.000,- festgesetzt Gründe A. Die Antragstellerin ist als deutscher Medienkonzern unter anderem auch Verlegerin der Tageszeitung „B_____“, für die der Journalist H_____ als Reporter tätig ist. Im Vorfeld der Wahl des Sozialdemokraten Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten der SPD für die Bundestagswahl 2012 auf dem Bundesparteitag der SPD in Hann o- ver am 9. Dezember 2012 recherchierte der Journalist H_____ zu den von Stein- brück seit seinem Ausscheiden aus dem Amt des Bundesfinanzministers im Oktober 2009 für Vortragstätigkeit erhaltenen Honoraren. Die Höhe von Steinbrücks Nebe n- einkünften als einfacher Abgeordneter war seit Bekanntgabe dessen beabsichtigter Nominierung als Kanzlerkandidat am 28. September 2012 Gegenstand einer breiten Berichterstattung in den Medien. Diese hatte dazu geführt, dass Steinbrück im Okt o- ber 2012 eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Prüfung der Ordnungsgemä ß- heit der Offenlegung seiner Vortragstätigkeit beauftragt hatte. Die von diese r erstell- te Auflistung der von Steinbrück im Jahre 2011 gehaltenen Vorträge weist für den 12. September 2011 einen anlässlich des „3. Kranhausgesprächs“ in der Kölner Ni e- derlassung der Beigeladenen gehaltenen Vortrag zu einem Honorar von 15.000 Euro aus. Die Beigeladene war während der Zeit der Tätigkeit des nunmehrigen SPD- Kanzlerkandidaten als Bundesfinanzminister von dessen Ministerium zu Beratung s- tätigkeiten bei Gesetzgebungsvorhaben, aber auch zu sonstigen Beratungstätigke i- ten, herangezogen worden. Die Gesamtsumme ihrer Honorare ist von der Bundesre- gierung mit Blick auf § 203 Abs. 2 StGB als „VS-Vertraulich“ eingestuft und Bundes- tagsabgeordneten auf parlamentarische Anfrage nur unter Einhaltung der Gehei m- schutzvorschriften bekanntgegeben worden. Am 6. Dezember 2012 fragte der Journalist H_____ per E-Mail bei der Antragsgeg- nerin an, wie hoch die von der Antragsgegnerin an die Beigeladene gezahlten Ber a- -3-
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-3- terhonorare während der Amtszeit des Bundesfinanzministers Steinbrück gewesen seien. Mit Mail vom selben Tage antwortete die Antragsgegnerin, die von dem Jour- nalisten erbetene Information könne diesem nicht erteilt werden, da sie G eschäfts- und Betriebsgeheimnisse betreffe, die ohne Genehmigung eines betroffenen Ve r- tragspartners nicht herausgegeben werden könnten. Mit weiterer Mail vom 6. De- zember 2012 wandte sich der Journalist H_____ erneut an die Antragsgegnerin und legte dar, dass er die Auskunftsverweigerung der Antragsgegnerin für unzulä ssig halte, da die erfragte Summe aller Beratungshonorare ohne Aufschlüsselung kein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis darstelle. Die Antragsgegnerin bot darauf in einer folgenden Mail vom gleichen Tage an, sich mit den in Frage kommenden Geschäftspartnern bezüglich einer Zustimmung zur Offenlegung ins Benehmen zu setzen. Mit Mail vom 7. Dezember 2012 bat der Jour- nalist H_____ darum, dieses Beteiligungsverfahren in Gang zu setzen, auch wenn er es nicht für geboten erachte und sich eine rechtliche Klärung vorbehalte. Unter dem 10. Dezember 2012 fragte die Antragsgegnerin bei der Beigeladenen an, ob sie mit der Offenlegung der Gesamtsumme der an sie in der Zeit vom 22. November 2005 bis 27. Oktober 2009 gezahlten Honorare einverstanden sei. Mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vom 10. Dezember 2012 verfolgt nunmehr die Antragstellerin als Verlegerin der Tageszeitung, bei der der Journalist H_____ angestellt ist, das Auskunftsbegehren weiter. Sie trägt im Wesentlichen vor, eine Vorwegnahme der Hauptsache stehe der Gewäh- rung vorläufigen Rechtsschutz nicht entgegen. Sie sei aufgrund der Bedeutung der betroffenen Rechtsverletzung für die Antragstellerin im Falle einer Nichtgewährung unbedenklich; denn die Antragstellerin habe ein Recht auf Information, um ihr polit i- sches Mitgestaltungsrecht ausüben zu können. Dies sei umso stärker zu bewerten, als die Antragstellerin Presse und auf Recherche angewiesen sei, um ihre Multiplikatorfunktion auszuüben. Darüber hinaus liege die geforderte sehr hohe Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens in der Hauptsache vor. Ihr Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft folge aus § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes - BlnPrG. Sie sei „Presse“ im Sinne dieses Gesetzes. Ein Aus- schlussgrund nach dem allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 2 Nr. 4 BlnPrG liege nicht vor. Nach dieser Vorschrift könnten Auskünfte nur verweigert werden, soweit ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt werde. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Als betroffenes privates Interesse kämen allein die Interessen der Beigeladenen -4-
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-4- am Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in Betracht. Hierauf könne sich die Beigeladene jedoch schon nicht berufen, da sich deren Schutz auf Art. 12 GG Gründe, die Beigeladene aber als Unternehmen, das seinen Sitz außerhalb Deutsc h- lands habe, insofern nicht Grundrechtsträgerin sei, da Art. 12 GG nur Deutsche schütze. Darüber hinaus liege auch kein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis vor. Denn es sei nicht ersichtlich, inwiefern die Veröffentlichung der Gesamthonorare der Beigeladenen während der Amtszeit des Ministers Steinbrück deren Wett bewerbs- position nachteilig beeinflussen könne. Selbst wenn jedoch ein schutzwürdiges b e- troffenes Interesse vorläge, sei eine umfassende Abwägung zwischen dem Informa- tionsinteresse der Öffentlichkeit und den entgegenstehenden privaten Interessen anzustellen. Insoweit ständen sich das Informationsinteresse der Öffentlichkeit – in Gestalt der Frage, ob es sich bei dem für den knapp einstündigen Vortrag Stein - brücks gezahlten Honorar von 15.000 Euro möglicherweise um ein sogenanntes „kick-back" für das übertragene Beratungsmandat handele - und das Interesse der Beigeladenen an ihrem Geschäftsgeheimnis gegenüber. Da es sich bei den „G e- schäften", auf die sich die begehrte Auskunft beziehe, um einen die Öffentlichkeit betreffenden Vorgang, nämlich die Beratung der Antragsgegnerin durch die Beigela- dene bei öffentlichen Gesetzgebungsvorhaben handele, müsse dieses zurücktreten. Über den genannten Anspruch hinaus ergebe sich ein Auskunftsanspruch der An- tragstellerin auch aus § 1 IFG sowie unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 10 EMRK. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor, da ein Zuwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache die Antragstellerin als Presseunternehmen irreparabel schädigen, nämlich an der Aktualität der Berichterstattung hindern würde, wohingegen die Be- kanntgabe der Informationen die Beigeladene nicht gefährden könne. Die Antragstellerin beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihr Auskunft zu folgender Frage zu erteilen: Wie hoch waren die Beraterhonor a- re, die die Antragsgegnerin an die Beigeladene während der Amtszeit des Mi- nisters Steinbrück zahlte. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sie trägt vor, -5-
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-5- der Antrag sei bereits unzulässig, denn ihm fehle das notwendige Rechtsschutzbe- dürfnis. Die Antragstellerin habe zu keinem Zeitpunkt einen Auskunftsanspruch bei der Antragsgegnerin gestellt. Die Anfrage stamme allein vom Journalisten H_____ Die Tatsache, dass die B_____-Zeitung, bei der dieser als Reporter arbeite, von der Antragstellerin herausgegeben werde, reiche nicht aus, um von einem Antrag der Antragstellerin zu sprechen. Selbst wenn man jedoch den Antrag des Journalisten als eigenen Antrag der Antragstellerin ansehen wolle, sei der Eilrechtss chutzantrag verfrüht, da die Antragsgegnerin noch nicht abschließend entschieden habe. Die A n- tragsgegnerin habe mit E-Mail vom 10. Dezember 2012 die Beigeladene um Stel- lungnahme beziehungsweise Zustimmung zur Herausgabe der angefragten Inform a- tionen gebeten. Dass die Beigeladene ausweislich ihrer Antragserwiderung die Zu- stimmung verweigert habe, ändere hieran nichts, da die Antragsgegnerin die im Rahmen des § 4 BlnPrG gebotene umfassende Interessenabwägung nicht allein von der Zustimmung der Beigeladenen abhängig machen dürfe. Darüber hinaus sei der Antrag jedenfalls unbegründet. Gemessen an den hohen, auch für Begehren gegenüber Behörden auf Informationszugang geltenden Maßst ä- ben für eine Vorwegnahme in der Hauptsache fehle es zunächst an einem Anor d- nungsanspruch. Ein solcher ergebe sich nicht aus § 4 BlnPrG, da die Antragsgegne- rin die Auskunft jedenfalls mit Blick auf schutzwürdige private Interessen der Beig e- ladenen habe verweigern dürfen. Die angefragte Gesamthonorarsumme stelle sich als ein wirtschaftliches Interesse der Beigeladenen dar, wobei offen bleiben könne, ob es sich insofern um ein Geschäftsgeheimnis handele; das Interesse einer Rechtsanwaltskanzlei, die Zahlungseingänge von Mandanten vertraulich zu behan- deln, sei jedenfalls ein schutzwürdiges Interesse, das auch in einer Interessenabwä- gung überwiege. Die von der Antragstellerin vorgenommene Verbindung der aktue l- len Diskussion in der Öffentlichkeit über Vortragshonorare des früheren Bundesf i- nanzministers Steinbrück mit den hier begehrten Informationen sei konstruiert. Aus dem Gesamtbetrag der Honorare könne schlechterdings nicht geschlossen werden, ob die Beigeladene Steinbrück durch das Vortragshonorar einen Vorteil aufgrund der früheren Mandatierungen seitens des Antragsgegnerin habe zukommen la ssen, zu- mal es sich ausweislich des Berichts der von Steinbrück beauftragten Wirtschafts- prüfungsgesellschaft bei der gezahlten Honorarsumme um den „üblichen“ Honora r- satz gehandelt habe. Auch wenn die Bewertung des öffentlichen Interesses an I n- formationen grundsätzlich der Presse selbst obliege, bedeute dies nicht, dass ent- sprechende Behauptungen der Presse im gerichtlichen Verfahren nicht insbeso ndere auf ein Mindestmaß an Plausibilität und Vertretbarkeit zu überprüfen seien. Demg e- -6-
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-6- genüber komme dem privaten Interesse der Beigeladenen großes Gewicht zu, denn die Frage, welches Honorar eine Rechtsanwaltskanzlei in der bestehenden Wettb e- werbslage aus der Tätigkeit für einen Mandanten erziele, betreffe den Kern der fre i- beruflichen Tätigkeit. Der damit dokumentierte Umsatz beruhe auf vertraulichen ein- zelvertraglichen Vereinbarungen, die für Mitbewerber Rückschlüsse auf den Umfang der abgerechneten Leistungen zulasse. Daher seien diese Angaben seitens der A n- tragsgegnerin als vertraulich eingestuft worden und auch Bundestagsabgeordneten nur unter Einhaltung der Geheimhaltungsvorschriften zur Verfügung gestellt worden. Nichts anderes könne dann für Informationsansprüche der Presse gelten. Einem Anspruch aus § 1 IFG stehe gleichfalls ein berechtigtes Interesse der bei ge- ladenen an der Geheimhaltung ihres Geschäftsgeheimnisses in Gestalt der Gesam t- honorarsumme gegenüber. Selbst wenn sich die Beigeladene insofern nicht auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen könne, was schon aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben fra g- lich sein, sei jedenfalls Grundrechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG eröffnet. Der geltend gemachte Anordnungsanspruch ergebe sich auch nicht unmittelbar aus dem Grun d- recht aus Art. 5 Abs. 1 GG. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bestehe kein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch. Ferner bestehe kein derartiger An- spruch aus Art. 10 EMRK; dessen Schutzbereich beziehe sich nicht auf die Eröf f- nung bisher nicht allgemein zugänglicher Quellen. Es fehle weiterhin am Anordnungsgrund. Ein „aktueller Gegenwartsbezug" sei vor- liegend nicht gegeben, da die Antragstellerin einen Zusammenhang zwischen der beantragten Information und der aktuellen öffentlichen Diskussion um die Vortrag s- honorare Steinbrücks nicht nachvollziehbar herzustellen vermocht habe. Allein die Tatsache, dass die Antragstellerin bzw. ihr Mitarbeiter an einer Recherche zu einem Artikel arbeite, reichten nicht aus, um einen solchen insbesondere gemessen am hohen Maßstab der Vorwegnahme der Hauptsache anzunehmen. Die Beigeladene trägt im Wesentlichen vor, der geltend gemachte Anspruch stehe der Antragsstellerin als einer juristischen Person nicht zu, denn er beziehe sich allein auf natürliche Personen. Darüber hinaus stehe der Antragsgegnerin ein Auskunft s- verweigerungsanspruch wegen der durch die Preisgabe der Honorarsumme betrof- fenen Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zu. Maßgebliches Kriterium für die Annahme eines Geschäftsgeheimnisses sei dessen marktwirtschaftliche Relevanz; die Kenntnis darüber, welchen konkreten Umsatz ein Wettbewerber mit einem Ve r- tragspartner erziele, sei stets eine solche Größe. Darüber hinaus erlaube sie Rüc k- schlüsse auf das Mandantenportfolio eines Unternehmens, woraus sich für Wettbe- -7-
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-7- werber ebenfalls Vorteile ergäben. Die Beigeladene sei mit Blick auf das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 EUV auch grundrechtsfähig in Bezug auf Art. 12 GG. Es bestehe ein hohes Schutzbedürfnis der Beigeladenen an ihren Geschäftsg e- heimnissen, das zunächst schon aus deren wettbewerbsrechtlicher Relevanz sich ergebe. Ferner stelle sich der Eingriff als besonders intensiv dar, da er rechtswidrig sei. Denn schon im Zeitpunkt der Auskunftserteilung könne mit hoher Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass die geplante Information die Grenzen zu- lässiger kritischer Berichterstattung überschreiten werde. Die von der Antragstellerin verfolgte „Kickback-Theorie“ sei sowohl mit Blick auf den fehlenden zeitlichen Zu- sammenhang zwischen Berater- und Vortragstätigkeit wie auch deswegen, weil die von Steinbrück für dessen Vortrag geforderte Summe dessen Üblichkeiten entspre- che, ersichtlich unzutreffend. Eine eidesstattliche Versicherung zum fehlenden Z u- sammenhang zwischen den genannten Tätigkeiten liege bei. Darüber sei das öffent- liche Interesse, das an der Beratertätigkeit der Beigeladenen bestehen könnte, längst durch entsprechende Auskünfte vor dem Bundestag und die Kontrolle der Ordnungsgemäßheit der Honorarhöhe durch den Bundesrechnungshof befriedigt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genom- men auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beschlussfassung waren. B. I. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere besteht für ihn ein Rechtsschutzbedür fnis. Eine vorherige Befassung der Behörde ist entgegen der Auffassung der Antragsgeg- nerin keine zwingende Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 123 Rz. 22). Vielmehr ist in Leistungskonstellati- onen von einem grundsätzlich bestehenden Rechtsschutzinteresse auszugehen, da die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, grundsät z- lich auch ein Interesse an dessen gerichtlichen Schutz anerkennt. Dieses Recht s- schutzinteresse fehlt nur dann, wenn besondere Umstände vorliegen, die die A n- nahme rechtfertigen, dass das subjektive Interesse des vermeintlichen Anspruchsin- habers oder das objektive Interesse an der Gewährung gerichtlichen Schutzes en t- fallen sei (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - 9 C 44/87 - zitiert nach Juris, Rz. 9; Kopp a.a.0. , Vorb. zu § 40, Rz. 37). Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn einfachere oder effektivere Möglichkeiten des Rechtsschutzes vorhanden sind. -8-
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-8- Jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist weder für die Antragstellerin – die einen eigenen Antrag bei der Antragsgegnerin in der Tat nicht gestellt hatte – noch für den Journalisten H_____, der bei der Antragsgegnerin in dieser Angelegenheit bereits vorstellig geworden ist, eine einfachere oder effektivere Möglichkeit des Recht s- schutzes gegeben. Vielmehr haben Antragsgegnerin wie Beigeladene nachdrücklich dargetan, dass sie den zunächst gegenüber der Antragsgegnerin vom Journalisten H_____ und nunmehr von der Antragstellerin geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht ohne Weiteres zu erfüllen bereit sind. Weder kann – worauf es angesichts der nunmehrigen Verfolgung des Anspruchs durch die Antragstellerin auch in diesem Zusammenhang nicht mehr ankommt- daher der Journalist auf ein weiteres Zuwarten im Verfahren gegenüber der Antragsgegnerin verwiesen werden, hinsichtlich dessen weder vorgetragen noch ersichtlich ist, welche Kriterien über die von der Beigelad e- nen geltend gemachten Geheimhaltungsinteressen hinaus eine solche Entscheidung noch weiter sollten beeinflussen können. Auch kann die Antragstellerin – nachdem Antragsgegnerin wie Beigeladene vorab gegenüber dem angestellten Reporter und nunmehr auch im hiesigen Verfahren ihre ablehnende Haltung deutlich gemacht h a- ben – nicht auf eine erneute Antragstellung für dasselbe Begehren gegenüber der Antragsgegnerin verwiesen werden. Die Verneinung eines Rechtschutzinteresses erschiene in dieser Konstellation jedenfalls unbillig. II. Der Antrag ist auch begründet. Denn die Antragstellerin hat das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs (1) sowie eines Anordnungsgrundes (2) mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforder- lichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). 1. Bei summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass der Antragstellerin ein Auskunftsanspruch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zusteht (a), ohne dass die Antragsgegnerin berechtigt wäre, die begehrte Auskunft zu verweigern (b). a) Der Auskunftsanspruch des Antragstellerin ergibt sich aus § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes - BlnPrG -, wonach die Behörden verpflichtet sind, den Vertretern der Presse, die sich als solche ausweisen, zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe Auskünfte zu erteilen. Dieser Anspruch steht nach richtiger Auffassung über den ei n- zelnen akkreditierten Journalisten hinaus auch dem Verleger von Presseerzeugnis- sen zu (vgl. hierzu im Einzelnen und m.w.N. Burkhardt in: Löffler, Presserecht, 5. Aufl. 2006 – im Folgenden: Löffler/Burkhardt - § 4 LPG Rn. 41) und damit auch der -9-
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-9- Antragstellerin als Verlegerin unter anderem der „B_____“-Zeitung, für die der Jour- nalist H_____ tätig ist, zu. Die Antragsgegnerin ist ohne Frage Behörde im presse- rechtlichen Sinne, also eine Stelle, die Aufgaben der staatlichen Verwaltung wah r- nimmt (vgl. zum Begriff Löffler/Burkhardt, § 4 Rz. 52). Die Antragsstellerin begehrt weiter Auskunft über Fakten in Bezug auf einen be- stimmten Tatsachenkomplex (vgl. zu dieser Voraussetzung Löffler/Burkhardt § 4 LPG Rn. 78), nämlich der Höhe des Honorars der Beigeladenen – die den nunmehri- gen Kanzlerkandidaten im Jahre 2011 zu einem Honorar von 15.000,- Euro zu einem Vortrag eingeladen hat - für Beratertätigkeiten zu der Zeit, da dieser noch Bundesfi- nanzminister war. Das Auskunftsbegehren erfolgt auch zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse, die darin liegt, dass sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder in a n- derer Weise an der Meinungsbildung mitwirkt (§ 3 Abs. 3 BlnPrG, vgl. Löff- ler/Burkhardt, § 3 Rn. 86). Die Nebeneinkünfte Steinbrücks, hinsichtlich derer die Antragsstellerin einer möglichen Verknüpfung mit der früheren Beratungstätigkeit der Beigeladenen nachzugehen beabsichtigt, standen seit Bekanntgabe dessen bea b- sichtigter Nominierung zum Kanzlerkandidaten am 28. September 2012 im Fok us des öffentlichen Interesses. Darüber hinaus besteht ein grundsätzliches Interesse an der – auch früheren – politischen Tätigkeit des nunmehrigen Kanzlerkandidaten; dies schließt die Höhe der von seinem früheren Ministerium für die Beratung durch die Beigeladene aufgewendeten öffentlichen Mittel ein. b) Entgegen der Auffassung von Antragsgegnerin und Beigeladener ist die Antrag s- gegnerin nicht berechtigt, die erbetenen Auskünfte nach § 4 Abs. 2 BlnPrG zu ve r- weigern. aa) Ein Auskunftsverweigerungsrecht steht ihr zunächst nicht nach § 4 Abs. 2 Nr.1 BlnPrG zu. Danach kann die Erteilung von Auskünften verweigert werden, soweit Vor- schriften über die Geheimhaltung entgegenstehen. Geheimhaltungsvorschriften im Sinne der gesetzlichen Regelung sind Vorschriften, die öffentliche Geheimnisse schützen sollen und auskunftsverpflichtete Behörden zumindest auch zum Adressaten haben (Löff- ler/Burkhardt a.a.O. Rz.100 m.w.N.). Hierzu gehören grundsätzlich auch Verschlusssa- chen (Löffler/Burkhardt a.a.O. Rz. 104). Wie sich aus den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Gauweiler und Maurer zur Beratungstätigkeit der Beigeladenen (BT -Drs. 17/ 10050, 15; 17/11095,16 ) ergibt, hat die Bundesregierung im Hinblick auf die Stra f- barkeit der Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Amtsträger - 10 -
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- 10 - nach § 203 Abs. 2 StGB die Summe der Beraterhonorare der Beigeladenen als „VS - Vertraulich“ eingestuft. Indes kann wegen der grundrechtlichen Fundierung des presserechtlichen Auskunftsanspruches in Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und in Ermangelung eines fest umrissenen materiellen Geheimnisbegriffes die allein formale Einstufung einer Information als „geheim“ diesem jedoch nicht in jedem Falle entgegengehalten werden. Selbstverständlich ist es, dass ein Vorgang nur deswegen nicht nur deswe- gen als geheim bezeichnet werden darf, um Presseauskünfte zu vermeiden (vgl. hierzu Löffler/Burkhardt, a.a.O.). Vorliegend beruht die vorgenommene Einstufung der Bundesregierung der begehrten Information als „VS-Vertraulich“ auf einer Vor- schrift, die selbst keine Geheimhaltungsvorschrift im Sinne des § 4 BlnPrG darstellt. Denn § 203 Abs. 2 StGB verbietet nur die unbefugte Offenbarung eines der dort au f- geführten Geheimnisse. § 4 Abs. 1 BlnPrG verleiht Behörden aber gerade das Recht zur Information, soweit nicht ein anderer Ausnahmetatbestand eingreift (Löf f- ler/Burkhardt, a.a.O., Rz. 100; im Ergebnis auch OVG NRW, Beschluss vom 19. 2. 2004 – 5 A 640/02 - zitiert nach openjur.de). Eine andere Betrachtungsweise würde auch zu einem Wertungswiderspruch zu § 4 Abs. 2 Nr. 4 BlnPrG führen, der die auch von § 203 Abs. 2 StGB genannten Geheimnisse als private Interessen erst nach durch umfassende Interessenabwägung erfolgter Prüfung auf ihre Schutzwürdigkeit vom presserechtlichen Auskunftsanspruch ausnimmt. Die auf dieser Grundlage vor- genommene Einstufung als „VS-Vertraulich“ kann daher im Verhältnis zur Presse nicht dazu führen, dass die Antragsgegnerin sich auf ein Auskunftsverweigerung s- recht nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BlnPresseG berufen kann. bb) Ein Auskunftsverweigerungsrecht der Antragsgegnerin ergibt sich auch nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 BlnPrG. Nach dieser Vorschrift können Auskünfte (nur) ver- weigert werden, soweit ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde. Dies ist hier nicht der Fall. Als im Falle einer Auskunftserteilung betroffenes privates Interessen kommt hier a l- lein das Interesse der Beigeladenen am Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsge- heimnisse in Betracht. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann sich die Beigeladene allerdings auch als ausländische juristische Person des Privatrechts in Form einer in L_____ ansässigen Limited Liability Partnership auf diese berufen. Denn der Schutz derart i- ger Geheimnisse findet seinen Grund nicht nur in im Grundrecht der Berufsfrei heit aus Art. 12 Abs. 1 GG, welches in der Tat nur inländischen juristischen Personen des Privatrechts zusteht, sondern zugleich auch in Art. 14 Abs. 1 GG (BVerwG, Be- - 11 -
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