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Aktenzeichen
7 C 1.12
Datum
15. November 2012
Gericht
Bundesverwaltungsgericht
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Bundesverwaltungsgericht am 15. November 2012

7 C 1.12

Der Bundesrechnungshof ist auch hinsichtlich seiner Prüftätigkeit eine informationspflichtige Bundesbehörde. Bei seiner Prüfung nimmt er Verwaltungsaufgaben wahr. Er kann sich nicht unter Verweis auf den Ausnahmetatbestand zum Schutz von Angelegenheiten der externen Finanzkontrolle darauf berufen, dass eine Prüfung nur dann möglich sei, wenn den geprüften Stellen der vertrauliche Umgang mit den erlangten Erkenntnissen zugesichert werde. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt mit dem Urteil die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen. Dieses hatte den Bundesrechnungshof verpflichtet, dem Kläger Kopien von Prüfunterlagen über Zuwendung eines Bundesministeriums an verschiedene Organisationen der Entwicklungshilfe zu übersenden. Der Anspruch auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz wird von presserechtlichen Auskunftsansprüchen nicht verdrängt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Konkurrierende Rechtsvorschriften Begriffsbestimmung Aufsichtsaufgaben Gefährdung des Erfolgs behördlicher Maßnahmen

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BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL BVerwG 7 C 1.12 OVG 8 A 2593/10 Verkündet am 15. November 2012 Hardtmann als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In der Verwaltungsstreitsache
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-2- hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger und Brandt für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Ober- verwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Oktober 2011 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe: I 1 Der Kläger, ein freier Wirtschaftsjournalist, begehrt Zugang zu Informationen des Bundesrechnungshofs über die Prüfung von Zuwendungen, die vom Bun- desministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung verschie- denen Stiftungen politischer Parteien und kirchlichen Organisationen zur Förde- rung entwicklungswichtiger Vorhaben gewährt wurden. 2 Mit Schreiben vom 2. September 2008 beantragte der Kläger beim Bundes- rechnungshof unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, ihm jeweils eine Kopie des Ergebnisberichts einschließlich eventueller Bean- standungen von der jeweils letzten Prüfung bestimmter Organisationen (da- runter Friedrich-Ebert-Stiftung, Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Seidel-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung, Katholische Zentralstelle für Entwicklung und Evangeli- sche Zentralstelle für Entwicklung) zu übersenden. Diesen Antrag lehnte der Bundesrechnungshof durch Bescheid vom 16. Oktober 2008 ab mit der Be- gründung, dass das Bekanntwerden der vorliegenden Prüfungserkenntnisse nach § 3 Nr. 1 Buchst. e IFG nachteilige Auswirkungen auf die externe Finanz- kontrolle hätte. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2009 wies der Bun-
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-3- desrechnungshof den Widerspruch zurück. Bezüglich der bereits abgeschlos- senen Prüfungsverfahren verwies er wiederum auf den genannten Versa- gungsgrund und führte aus, dass die Ermittlung der prüfungsrelevanten Sach- verhalte ohne die Mitwirkung und die Auskünfte der geprüften Stellen, die sich auf eine vertrauliche Behandlung verließen, erheblich erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht würde. 3 Mit Urteil vom 30. September 2010 wies das Verwaltungsgericht die hiergegen erhobene Klage ab. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf In- formationszugang nicht zu. Der Bundesrechnungshof werde im Rahmen seiner Prüfungstätigkeit weder als Behörde tätig noch nehme er öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahr; er sei folglich insoweit nicht informationspflichtig. Unabhängig davon sei auch der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. e IFG zu bejahen, da der Bundesrechnungshof dessen Voraussetzungen plausibel dargelegt habe. 4 Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 26. Oktober 2011 der Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Kopien der jeweils abschließenden Prüfungsniederschrift (einschließlich Prüfungsvermerk und Übersendungsschreiben) von der jeweils letzten Prüfung der genannten Organisationen zu übersenden, soweit nicht im Einzelfall Aus- schlussgründe nach § 3 Nr. 4, § 5 oder § 6 IFG entgegenstehen. Zur Begrün- dung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch folge aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Der Bundesrechnungshof sei eine Behörde im Sinne des hier maß- geblichen materiell-funktionellen Behördenbegriffs. Er sei eine Stelle, die öffent- lich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Neben den staatlichen Stel- len, die Funktionen der Rechtsprechung und der Gesetzgebung wahrnähmen, seien - entgegen der Gesetzesbegründung - sonstige unabhängige, d.h. wei- sungsfreie, Tätigkeiten nicht generell vom Anwendungsbereich des Informa- tionsfreiheitsgesetzes ausgenommen. Der Wortlaut gebe hierfür nichts her. Auch der Entstehungsgeschichte könne das nicht entnommen werden. Aus systematischen Gesichtspunkten spreche der auf den Bundesrechnungshof zugeschnittene Ausnahmetatbestand des § 3 Nr. 1 Buchst. e IFG dagegen, ihn in Bezug auf seine Prüfungstätigkeit nicht unter § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG zu fas-
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-4- sen. Denn anderenfalls bliebe für die Vorschrift kein nennenswerter Anwen- dungsbereich. 5 Der Informationszugang werde nicht durch § 3 Nr. 1 Buchst. e IFG ausge- schlossen. Zur externen Finanzkontrolle gehöre auch die Prüfung von Stellen außerhalb der Bundesverwaltung, wenn sie vom Bund Zuwendungen erhielten. Die Beklagte habe jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass das Bekanntwer- den der begehrten Informationen nachteilige Auswirkungen auf das Schutzgut der externen Finanzkontrolle haben könne. Hiernach genüge die konkrete Mög- lichkeit nachteiliger Auswirkungen, während fernliegende Befürchtungen aus- schieden. Dabei sei eine Prognose der informationspflichtigen Stelle erforder- lich. Diese sei gerichtlich jedenfalls daraufhin zu überprüfen, ob die Behörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei, ihre Prognose einleuchtend begründet und keine offensichtlich fehlerhafte, ins- besondere in sich widersprüchliche Einschätzung getroffen habe. Die von der Beklagten befürchtete Verringerung der Bereitschaft der geprüften Stellen zur vertraulichen Zusammenarbeit sei letztlich unwahrscheinlich. Im rechtlichen Sinne sei der Bundesrechnungshof auf die freiwillige Mitwirkung der geprüften Stellen nicht angewiesen. Allerdings setze die effektive Ausübung der Kontroll- tätigkeit eine Kooperation der geprüften Stellen voraus. Es fehle jedoch an einer gesicherten Tatsachenbasis für die Annahme, dass die behauptete Verhaltens- änderung überhaupt eintrete. So hätten die geprüften Stellen auch bislang nicht sicher sein können, dass Beanstandungen gegenüber ihrer Verwaltungspraxis nicht öffentlich würden. Auch müssten geprüfte Zuwendungsempfänger grund- sätzlich befürchten, dass es bei Beanstandungen zur Rückforderung von Zu- wendungen kommen könne oder jedenfalls solche zukünftig nicht mehr gewährt würden. Unabhängig hiervon ergebe sich aus den vorgebrachten Befürchtun- gen auch unter systematischen und teleologischen Erwägungen keine relevante Beeinträchtigung für das Schutzgut der Finanzkontrolle. Die erwähnten Vorbe- halte beträfen die gesamte Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofs und würden damit - entgegen der Wertung des Gesetzgebers - zu einer weiteren Bereichsausnahme führen. Auch für die Befürchtung, bei einer Herausgabe der Prüfungsniederschriften werde sich das Hauptinteresse der geprüften Stellen künftig auf die Rechtfertigung ihrer bisherigen Verwaltungspraxis verlagern, feh-
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-5- le es an einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Schließlich rechtfertige der Gesichtspunkt der Vertraulichkeit der während des Prüfungsverfahrens erlang- ten Informationen keine generelle Verweigerung des Informationszugangs. Der Schutz der Vertraulichkeit werde allein gemäß § 3 Nr. 4 IFG bewirkt. Auch sei Vertraulichkeit kein Wesensmerkmal der Rechnungsprüfung. Schützenswerten privaten Belangen sei gemäß §§ 5 und 6 IFG im Einzelfall durch Schwärzung Rechnung zu tragen. 6 Dem Anspruch auf Informationszugang stehe auch § 3 Nr. 4 IFG nicht grund- sätzlich entgegen. Insbesondere rechtfertige das Beratungsgeheimnis keine generelle Verweigerung des Informationszugangs. Wesentlich für dessen ge- genständliche Reichweite sei die unmittelbare Zuordnung der Äußerung zu ei- nem Mitglied des Bundesrechnungshofs. Die abschließende Prüfungsmitteilung und das Übersendungsschreiben unterlägen nicht dem Beratungsgeheimnis. Beim abschließenden Prüfungsvermerk könne, soweit er im Einzelfall dem Be- ratungsgeheimnis unterfallende Informationen enthalte, dem durch Schwärzung oder Erstellung einer Reinschrift Rechnung getragen werden. Schließlich sei der Anspruch auf Informationszugang nicht deshalb durch § 1 Abs. 3 IFG aus- geschlossen, weil der Kläger als Journalist zum Kreis der auskunftsberechtigten Personen nach § 4 Abs. 1 PresseG NRW gehöre. 7 Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Oberverwaltungsgericht habe gegen den Grund- satz des rechtlichen Gehörs verstoßen, weil es die von der damaligen Bericht- erstatterin im Anschluss an den Erörterungstermin angeforderte Stellungnahme des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wenn auch ohne ausdrückliche Bezugnahme, so doch der Sache nach verwertet und sich dieser angeschlossen habe. Das Oberverwaltungsgericht habe ihr diese Stellungnahme nicht zugeleitet. Wäre die Stellungnahme ordnungsgemäß ins Verfahren eingeführt worden, hätte sie ihre diesbezüglichen Ausführungen - wie nun im Revisionsverfahren geschehen - vertieft.
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-6- 8 Der Bundesrechnungshof sei eine sonstige Bundeseinrichtung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG. Außerhalb seiner Präsidialabteilung nehme er keine öffent- lich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben wahr. Diesen Aufgaben setze das Gesetz nicht nur die Rechtsprechung und die Gesetzgebung im engeren Sinne ent- gegen; vielmehr kämen ausweislich des Wortlauts weitere Stellen in Betracht, die nicht dem Informationsfreiheitsgesetz unterlägen. Der Bundesrechnungshof sei im staatsrechtlichen Sinne nicht der Exekutive zuzuordnen; ihm komme eine verfassungsrechtliche Sonderstellung zu. Er übe bei der Prüfung und Beratung unabhängige Tätigkeiten aus, die das Gesetz ausweislich der Begründung vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausnehmen wolle. Die richterlich unabhängige und weisungsfreie Entscheidungsfindung rücke ihn in die Nähe der Bundesgerichte. Zum Schutz des hohen Rechtsguts der Unab- hängigkeit sei der Informationszugang zu beschränken, um zu vermeiden, dass die Perspektive einer öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion die Entschei- dungsfindung beeinflusse. Der Bundesrechnungshof unterstütze die parlamen- tarische Kontrolle der Bundesregierung und sichere das Budgetrecht des Haus- haltsgesetzgebers durch Beratung und Information ab; insofern nehme er par- lamentarische Angelegenheiten wahr. 9 Aus dem Versagungsgrund nach § 3 Nr. 1 Buchst. e IFG folge bei systemati- scher Auslegung nicht, dass der Bundesrechnungshof hinsichtlich seiner Prüf- und Beratungstätigkeit grundsätzlich informationspflichtig sei. Denn auch dann, wenn der Bundesrechnungshof insoweit vom Informationsfreiheitsgesetz nicht erfasst werde, habe der Versagungsgrund weiterhin einen sinnvollen und not- wendigen Anwendungsbereich sowohl für die Präsidialabteilung als auch für die geprüften Stellen. Denn dort befänden sich sowohl die Prüfungsberichte des Bundesrechnungshofs als auch Erwiderungen der geprüften Stellen sowie wei- terer Schriftverkehr im Rahmen des kontradiktorischen Verfahrens. Auch Sinn und Zweck geböten die Einbeziehung des Bundesrechnungshofs in den An- wendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes nicht; denn die Funktions- fähigkeit der auf Vertraulichkeit angelegten Tätigkeit des Bundesrechnungshofs würde dadurch beeinträchtigt.
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-7- 10 Schließlich lege das Oberverwaltungsgericht beim Versagungsgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. e IFG einen unzutreffenden, weil zu engen Prüfungsmaßstab zu- grunde. Eine Gefährdung des Schutzguts der externen Finanzkontrolle sei nicht erforderlich. Die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen bestehe vielmehr be- reits dann, wenn deren Eintritt nach der Einschätzung der zuständigen Behörde nicht sicher ausgeschlossen werden könne. Dies sei hier jedenfalls deswegen der Fall, weil der Kläger Informationszugang in seiner Eigenschaft als Journalist verlange und deswegen zu erwarten stehe, dass er diese Informationen veröf- fentlichen und journalistisch bewerten werde. 11 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Oktober 2011 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Ver- waltungsgerichts Köln vom 30. September 2010 zurück- zuweisen. 12 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 13 Er verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts. II 14 Die zulässige Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung revisi- blen Rechts. 15 1. Der gerügte Gehörsverstoß liegt nicht vor. 16 a) Die Garantie des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, dass die Beteiligten sich sowohl zu den der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen (siehe auch § 108 Abs. 2 VwGO) als auch zu den Rechts-
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-8- fragen äußern können (stRspr, siehe BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144>). Damit soll gewährleistet werden, dass sie von der abschließenden Entscheidung des Gerichts nicht überrascht werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. Februar 2012 - 1 BvR 1263/11 - juris Rn. 21 m.w.N.). Das setzt die Kenntnis der jeweils maßgeblichen Umstände voraus. Diesem Zweck dient die Möglichkeit der Einsicht in die dem Gericht vorliegen- den Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten (§ 100 Abs. 1 VwGO). Letzteres wird dadurch erleichtert, dass nach § 86 Abs. 4 Satz 3 VwGO die von einem Beteiligten eingereichten Schriftsätze den anderen übermittelt werden müssen. Diese Verpflichtung hat entsprechend auch für Stellungnahmen von Dritten zu gelten, die wie hier auf Veranlassung des Gerichts vorgelegt werden. 17 Die Beklagte trägt vor, dass der Bundesrechnungshof entgegen dieser Ver- pflichtung ein Doppel der vom Oberverwaltungsgericht erbetenen Stellungnah- me des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit vom 23. September 2011, die am 26. September 2011 mit E-Mail und am 28. September 2011 per Post beim Oberverwaltungsgericht eingegangen ist, nicht erhalten habe. In der Gerichtsakte findet sich indessen ein Sendebericht, wo- nach die Stellungnahme von der Geschäftsstelle auf Veranlassung der Bericht- erstatterin am 29. September 2011 per Telefax.PDF erfolgreich an die Telefax- nummer des Bundesrechnungshofs übermittelt worden ist. Der Sendebericht begründet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings über ein bloßes Indiz hinaus nicht den Anscheinsbeweis für den tatsächlichen Zu- gang des Telefax beim Empfänger; denn er belege nur das Zustandekommen der Verbindung, nicht aber die erfolgreiche Übermittlung (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 - IX ZR 148/10 - juris Rn. 3 m.w.N.). Ob dem angesichts der tech- nischen Entwicklungen der Übertragungstechnik noch zu folgen ist (siehe OLG Frankfurt, Urteil vom 5. März 2010 - 19 U 213/09 - juris Rn. 17 und OLG Karls- ruhe, Urteil vom 30. September 2008 - 12 U 65/08 - juris Rn. 12), kann dahin- stehen. Denn selbst wenn davon ausgegangen wird, dass der Bundesrech- nungshof von der eingereichten Stellungnahme keine Kenntnis hatte, ist nicht dargetan, dass es deren bedurfte, um der Beklagten in ausreichendem Maß rechtliches Gehör zu gewähren. Soweit es allein um Rechtsfragen geht, sind
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-9- die für Überraschungsentscheidungen entwickelten Maßstäbe anzulegen. Da- nach scheidet ein Gehörsverstoß aus. 18 Eine der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs zuwiderlaufende unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit welcher die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens selbst unter Berücksichtigung der Viel- falt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchten (stRspr, vgl. etwa Urteil vom 27. Januar 2011 - BVerwG 7 C 3.10 - NVwZ 2011, 696 Rn. 11 m.w.N.). Hiervon kann nicht die Rede sein. Die Stellungnahme des Bundesbe- auftragten brachte keine grundlegend neuen Erkenntnisse und Erwägungen; insbesondere die Frage, ob aus der Regelung des Versagungsgrunds nach § 3 Nr. 1 Buchst. e IFG auf die grundsätzliche Anwendbarkeit des Informationsfrei- heitsgesetzes auch auf die Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofs zu schließen ist, war im Berufungsverfahren im Anschluss an die erstinstanzliche Entscheidung bereits schriftsätzlich erörtert worden. Des Weiteren ist auf die Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht zu verweisen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers trägt vor, dass der Vorsitzende ausführlich die Rechtsauffassung des Senats dargelegt habe, die sich dann auch im Urteil wiederfinde. Dem hat die Beklagte nicht widersprochen. 19 b) Im Übrigen könnte die Beklagte selbst dann mit ihrer Verfahrensrüge nicht durchdringen, wenn hier aufgrund eines Versäumnisses des Oberverwaltungs- gerichts ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör zu bejahen wäre. Ein Gehörs- verstoß, der mit der fehlenden Möglichkeit begründet wird, zu Fragen des revi- siblen Rechts Stellung zu nehmen, wird nämlich im Revisionsverfahren, in dem gerade diese Fragen wieder zur Diskussion stehen und alle Beteiligten Gele- genheit haben, ihre Rechtsansichten vorzutragen, geheilt (vgl. Urteile vom 27. Januar 2011 a.a.O. Rn. 12 und vom 26. Februar 2003 - BVerwG 8 C 1.02 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 67 S. 10; Eichberger, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, § 138 Rn. 83).
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- 10 - 20 2. Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts hat ebenso wenig Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Informationszugang - mit den im Entscheidungsausspruch formulierten Vorbe- halten - ohne Verstoß gegen Bundesrecht bejaht. 21 a) Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass der Bundesrechnungshof insgesamt, also auch in seiner Prüfungs- und Beratungstätigkeit, nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG grundsätzlich auskunftspflichtig ist. Das ist nicht zu beanstanden. 22 aa) § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG verpflichtet Behörden des Bundes. Dabei legt das Gesetz, wie der Senat im Anschluss an die Gesetzesbegründung ausgeführt hat, keinen organisationsrechtlichen, sondern einen funktionellen Behördenbe- griff zugrunde (Urteil vom 3. November 2011 - BVerwG 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 11 = Buchholz 400 IFG Nr. 6). Eine Behörde ist demnach jede Stelle im Sinne einer eigenständigen Organisationseinheit, die öffentlich- rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Dies wiederum bestimmt sich nach materiellen Kriterien; auf den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrens- gesetzes kommt es ebenso wenig an wie auf eine rechtliche Außenwirkung des Handelns (Urteil vom 3. November 2011 a.a.O. Rn. 16). 23 Bei diesem Verständnis von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat Satz 2, wonach sonstige Bundesorgane und -einrichtungen ebenfalls in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen sind, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufga- ben wahrnehmen, eine rein deklaratorische Bedeutung (Urteil vom 3. November 2011 a.a.O. Rn. 18). Damit wird lediglich klargestellt, dass Institutionen, denen organisationsrechtlich keine Behördeneigenschaft zukommt, bezogen auf be- stimmte Tätigkeitsfelder gleichwohl Behörde im funktionellen Sinn sein können. Eine solche nach der jeweils wahrgenommenen Funktion differenzierende Be- trachtungsweise liegt auch § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG zugrunde. Hier sind die „Stel- len“ zwar in erster Linie Behörden im organisationsrechtlichen Sinne. Diese sind aber nicht als solche informationspflichtig. Vielmehr bedarf es auch hier der in- haltlichen Qualifikation ihrer jeweiligen Tätigkeit. Diese wird ungeachtet der ge- brauchten Handlungsformen in aller Regel als Verwaltungstätigkeit einzustufen sein; nur insoweit können die in § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG genannten Behörden als
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