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Aktenzeichen
10 A 10244/12
Datum
17. August 2012
Gericht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Gesetz
Sonstige
Sonstige

Urteil: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz am 17. August 2012

10 A 10244/12

Das Oberverwaltungsgericht bestätigt vollumfänglich die erstinstanzliche Entscheidung. Das Bundesarchivgesetz geht dem Informationsfreiheitsgesetz vor, weil es denselben sachlichen Regelungsgegenstand - Zugang zu amtlichen Informationen - hat und einen Teilbereich abschließend erfasst. Archivgut im Sinne des Bundesarchivgesetzes entsteht durch Umwidmung von Unterlagen, die dem Bundesarchiv von den im Bundesarchivgesetz bezeichneten Stellen angeboten werden und vom Bundesarchiv endgültig übernommen worden sind. Das Informationsfreiheitsgesetz gewährt nur einen Anspruch auf Zugang zu tatsächlich bei der Behörde vorhandenen Informationen, jedoch keinen Beschaffungsanspruch. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Konkurrierende Rechtsvorschriften Begriffsbestimmung

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10 A 10244/12.0VG
5 K 424/11.KO

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rechtskräftig!

OBERVERWALTUNGSGERICHT

RHEINLAND-PFALZ

 

URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Archivrechts
1

Ss

hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz
aufgrund der Beratung vom 17. August 2012, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm
Richter am Oberverwaltungsgericht Hennig

Richterin am Oberverwaltungsgericht Brink
ehrenamtlicher Richter Landwirtschaftsmeister Klöppel
ehrenamtliche Richterin Sporttherapeutin Lütkefedder

für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das aufgrund der Beratung vom
1. Februar 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz wird
zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Beschaffung von Unterlagen und

deren Bereitstellung zur Einsichtnahme.

Die Klägerin ist Journalistin und Historikerin. Sie befasst sich mit den Wiedergut-
machungszahlungen an Israel ab 1952 und der sogenannten Aktion „Geschäfts-
freund“ im Zeitraum ab 1960. Dabei stellte sie fest, dass für ihre Recherche
möglicherweise hilfreiche Akten von damals für die Bundesregierung tätigen
Personen — des ehemaligen Staatssekretärs im Bundeskanzleramt Dr. A*** und
des ehemaligen Vorstandvorsitzenden der B*** Bank C*** — existieren. Die
Unterlagen sollen sich im Besitz der D***-Stiftung e.V. bzw. im Besitz des
Historischen Instituts der B*** Bank AG befinden. Der an beide Einrichtungen
gerichteten Bitte der Klägerin um Einsichtnahme kam lediglich die D***-Stiftung

insoweit nach, als es sich um nicht VS-eingestufte Schriftstücke handelte.

Daraufhin stellte die Klägerin mit Schreiben vom 24. Januar 2011 bei der

Beklagten unter Hinweis auf die Bestimmungen des Bundesarchivgesetzes

Bi.
2

ds

— BArchG - den Antrag, die genannten amtlichen Unterlagen bereitzustellen und
ihr die Einsichtnahme zu erlauben, und zwar insbesondere auch in diejenigen
Unterlagen, die sich gegenwärtig im Besitz der D***-Stiftung bzw. der B*** Bank
befinden.

Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien teilte der Klägerin in
seiner Eigenschaft als Fachaufsichtsbehörde über das Bundesarchiv unter dem
10. März 2011 mit, der Beklagten stünden keine Sanktionsmöglichkeiten bei
Verletzung der Ablieferungspflicht zu. Eine Bescheidung des Antrags erfolgte

nicht.

Mit ihrer am 9. Mai 2011 erhobenen Untätigkeitsklage machte die Klägerin im
Wesentlichen geltend, sie habe nach $ 1 Abs. 1 Satz 1 des Informationsfreiheits-
gesetzes - IFG - einen Anspruch auf Zugang zu den in den Akten enthaltenen
Informationen. Die Beklagte sei verpflichtet, die amtlichen Informationen zu
beschaffen; hierfür sprächen der Wortlaut der Norm, die abschließend geregelten
Ausnahmetatbestände und der Vergleich mit den Bestimmungen der
Informationsfreiheitsgesetze der Länder. Das Bundesarchivgesetz sei auch nicht
vorrangig. Dies ergebe sich insbesondere aus der unterschiedlichen Zielsetzung
beider Gesetze. Im Gegensatz zum Bundesarchivgesetz gehe es beim
Informationsfreiheitsgesetz nicht um den Zugang zu den Informationsträgern,
sondern zu den Informationen. Im Übrigen seien die Anspruchsvoraussetzungen
nach $ 5 Abs. 1 Satz 1 BArchG erfüllt, obwohl sich die fraglichen Unterlagen nicht
im Archiv der Beklagten befänden. Informationsbeschaffungsansprüche ergäben
sich zudem aus $4 Abs. 1 des Landespressegesetzes sowie aus Art. 5 Abs. 1
und Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verpflichten, sämtliche amtlichen Unterlagen des ehe-
maligen Staatsekretärs im Bundeskanzleramt, Dr. A***, insbesondere
auch diejenigen Unterlagen, die sich im Besitz der D***-Stiftung e.V.
befinden, bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu
erteilen,

2. die Beklagte zu verpflichten, sämtliche amtlichen Unterlagen des ehe-
maligen Vorstandsvorsitzenden der öffentlich-rechtlichen E***anstalt und

ss
3

As

Vorstandsmitgliedes der B*** Bank, C***, insbesondere auch diejenigen
Unterlagen, die sich gegenwärtig im Besitz der B*** Bank AG befinden,
bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, das Informationsfreiheits-
gesetz sei schon nicht anwendbar, weil 85 BArchG ein Jedermann-Recht auf
Zugang zu dem Archivgut des Bundes gebe und damit eine gegenüber $ 1 Abs. 1
Satz 1 IFG abschließende und vorrangige Bestimmung sei. Weiterhin fehle es an
einer vorhandenen Information, da sich die begehrten Unterlagen nicht im
Bundesarchiv befänden. Auch ein Anspruch aus & 5 Abs. 1 Satz1 BArchivG
bestehe nicht, weil die Akten kein Archivgut des Bundes seien. Nach $ 2 Abs. 1
Satz 1 BArchivG werde eine Unterlage erst dann zum Archivgut des Bundes
werde, wenn sie tatsächlich gemäß der Ablieferungspflicht dem Bundesarchiv zur
Verfügung gestellt worden sei. Die Beklagte treffe weder eine Beschaffungspflicht
noch habe sie einen Herausgabeanspruch gegenüber der ablieferungspflichtigen
Stelle. Ein presserechtlicher Informationsanspruch, der sich allenfalls aus $ 6
Abs. 1 des Landesmediengesetzes — LMG - ergeben könne, scheitere schon an
der Unmöglichkeit der Auskunftserteilung. Schließlich lasse sich der geltend
gemachte Anspruch auf Zugang zu den Unterlagen auch nicht aus den von der

Klägerin genannten grundgesetzlichen Bestimmungen herleiten.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne sich
gegenüber dem Bundesarchiv nicht auf einen Informationszugang nach dem
Informationsfreiheitsgesetz berufen, weil das Bundesarchivgesetz ein das
Informationsfreiheitsgesetz verdrängendes Spezialgesetz sei. Das Bundesarchiv-
gesetz betreffe eine Teilmenge der vom Informationsfreiheitsgesetz erfassten
amtlichen Informationen, nämlich die in Archivgut des Bundes überführten. Davon
abgesehen erstrecke sich der Einsichtsanspruch nach dem Informationsfreiheits-
gesetz grundsätzlich lediglich auf amtliche Informationen, die bei der Behörde
tatsächlich vorhanden seien; eine Beschaffungspflicht werde nicht normiert. Ein

Anspruch auf Akteneinsicht nach & 5 Abs. 1 Satz 1 BArchG scheide aus, weil es

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sich bei den begehrten Unterlagen nicht um Archivgut des Bundes handele. Die
Unterlagen seien zwar möglicherweise archivwürdig, seien aber nicht — wie
erforderlich — dauerhaft an das Bundesarchiv abgegeben worden. Ansprüche aus
$ 6 Abs. 1 LMG, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG und Art. 20 Abs. 3 GG bestünden

ebenfalls nicht.

Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Klägerin
ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen weiter vor, das Informationsfreiheits-
gesetz sei gegenüber dem Bundesarchivgesetz nicht spezieller, weil die
Ausnahmen vom Informationszugang in beiden Gesetzen unterschiedlich geregelt
seien. $ 5 Abs. 4 BArchG stehe, anders als das Verwaltungsgericht meine, einer
parallelen Anwendbarkeit von Bundesarchivgesetz und Informationsfreiheitsgesetz
nicht entgegen. Der Anspruch aus dem Bundesarchivgesetz sei gegeben, weil es
sich bei den begehrten Unterlagen von bleibendem Wert um Archivgut des
Bundes handele; auf die Übergabe an das Bundesarchiv komme es nicht an.
Darüber hinaus verschafften auch die Pressefreiheit des Art. 5 GG sowie das
Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip den Medien einen gegen den Staat
gerichteten Informationszugangsanspruch. Das Prinzip der Aktenöffentlichkeit als
Verfassungsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG dürfe nur in absoluten Ausnahmefällen
durchbrochen werden, und Art. 20 Abs. 2 GG streite für die grundsätzliche Öffent-
lichkeit und Zugänglichkeit des staatlichen Informationsbestandes. Eine Behörde,
die der Presse eine Auskunft verweigere, obwohl der Erteilung kein durchgreifen-
der Grund entgegenstehe, werde den ihr grundgesetzlich auferlegten Pflichten

nicht gerecht.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 1.
Februar 2012 die Beklagte zu verpflichten, ihr — der Klägerin -

u sämtliche amtlichen Unterlagen des ehemaligen Staats-
sekretärs im Bundeskanzleramt, Dr. A***, insbesondere auch
diejenigen Unterlagen, die sich im Besitz der D***-Stiftung e.V.
befinden, bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu
erteilen,

= sämtliche amtlichen Unterlagen des ehemaligen
Vorstandsvorsitzenden der öffentlich-rechtlichen E***anstalt und

Bi:
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Vorstandsmitgliedes der B*** Bank, C***, insbesondere auch
diejenigen Unterlagen, die sich gegenwärtig im Besitz der B*** Bank
AG befinden, bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme
zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 19. Juni 2012 und vom 20. Juni

2012 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten
ergeben sich aus den von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schrifts-
ätzen und den vorgelegten Verwaltungsvorgängen. Sämtliche Unterlagen waren

Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten
gemäß & 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ohne mündliche
Verhandlung entscheiden kann, hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf
Beschaffung und Bereitstellung der im Klageantrag bezeichneten Akten zur
Einsichtnahme zu Recht verneint. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin lässt
sich ihr Begehren weder auf $ 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des
Zugangs zu Informationen des Bundes - Informationsfreiheitsgesetz — (IFG) noch
auf $ 5 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Sicherung und Nutzung von
Archivgut des Bundes — Bundesarchivgesetz — (BArchG) stützen. Dies alles hat
das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Der Senat folgt dessen
ausführlicher Begründung und sieht daher insoweit von einer weiteren Darstellung
der Entscheidungsgründe ab (vgl. $ 130b Satz 2 VwGO). Das Vorbringen der

-I-
6

Ts

Klägerin im Berufungsverfahren rechtfertigt? keine andere Entscheidung.

Hinzuweisen ist lediglich auf das Folgende:

Die Rügen der Klägerin vermögen die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts,
das Bundesarchivgesetz sei ein das Informationsfreiheitsgesetz verdrängendes
Spezialgesetz, nicht zu erschüttern. Vielmehr geht das Bundesarchivgesetz nach
$ 1 Abs. 3 IFG vor, weil es denselben sachlichen Regelungsgegenstand - Zugang
zu amtlichen Informationen - hat. Soweit die Klägerin meint, das Bundesarchiv-
gesetz regele den Zugang zu den Informationsträgern, kann dem nicht gefolgt
werden. Denn auch das Bundesarchivgesetz will den Zugang auf den Inhalt der
archivierten Akten - also zu den in ihnen enthaltenen Informationen - ermöglichen.
Es betrifft eine Teilmenge der vom Informationsfreiheitsgesetz erfassten amtlichen
Informationen, nämlich diejenigen, die zu Archivgut des Bundes geworden sind
und als solches nach Ablauf der Schutzfristen jedermann zugänglich sein sollen.
Dass das Bundesarchivgesetz den Zugang zu amtlichen Informationen in einem
Teilbereich abschließend erfasst, lässt sich nicht nur der bereits vom Verwal-
tungsgericht zitierten Begründung zu & 1 Abs. 3 des Gesetzentwurfs IFG (BT-Drs.
15/4493, S. 8: „Das Informationsfreiheitsgesetz verdrängt spezialgesetzliche
Informationszugangsregelungen nicht; diese gehen vor. Spezialgesetze können
enger, aber auch weiter sein als dieses Gesetz. Lediglich das Bundesarchivgesetz
wird in einem Teilbereich angepasst (siehe $ 13), während die sonstigen
Spezialgesetze unverändert bleiben.“), sondern auch aus der aufgrund von & 13
Abs. 2 IFG in das Bundesarchivgesetz eingefügten Vorschrift des $ 5 Abs. 4 Satz
2 BArchG entnehmen. Hiernach werden die archivrechtlichen Schutzvorschriften
für den Fall modifiziert, dass das Archivgut vor der Übergabe an das Bundesarchiv
bereits einem Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz offen
gestanden hat. Der Zugang zum Archivgut als solcher beurteilt sich demnach nach
dem Bundesarchivgesetz und nicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz (vgl.
auch Schoch, IFG, 2009, $ 1 Rn. 176). Hiervon geht auch die Begründung zu 8 13
des Gesetzentwurfs IFG (BT-Drs. 15/4493, S. 17) aus, in welcher es heißt: „Es
wäre widersprüchlich, Information, die zugänglich gemacht werden durfte,
während sie noch im Verwaltungsgebrauch war, nach Abgabe an das
Bundesarchiv strengeren Voraussetzungen zu unterwerfen“. Überdies wäre $ 5

Abs. 4 Satz 2 BArchG überflüssig, wenn neben den Vorschriften des

Be
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Bundesarchivgesetzes das Informationsfreiheitsgesetz (ohne entsprechende
Schutzvorschriften) anwendbar wäre. Anders als die Klägerin meint, steht der
Spezialität des Bundesarchivgesetzes auch nicht entgegen, dass Informationsfrei-
heitsgesetz und Bundesarchivgesetz - bei, wie dargelegt, identischem sachlichen
Regelungsgegenstand — den Informationszugang in unterschiedlicher Weise
eröffnen, insbesondere die Ausnahmen in unterschiedlicher Weise regeln.
Spezialgesetze können enger oder weiter sein als das Informationsfreiheitsgesetz
(vgl. die Begründung zu $ 1 Abs. 3 des Gesetzentwurfs IFG - BT-Drs. 15/4493, S.
8 -). Schließlich lässt sich der Begründung zur Änderung des $ 13 Abs. 2
Gesetzentwurf IFG (BT-Drs. 15/5606, S. 6) „Durch eine Abgabe von Unterlagen
z.B. an das Parlamentsarchiv werden diese einem Informationszugang, soweit er
nach dem Informationsfreiheitsgesetz für Verwaltungsakten besteht, nicht
entzogen“ entgegen der klägerischen Ansicht nicht entnehmen, dass das
Informationsfreiheitsgesetz weiterhin die Rechtsgrundlage für den Informations-

zugang ist.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht es weiterhin abgelehnt, die begehrten
Unterlagen als Archivgut des Bundes einzuordnen, und folglich einen
Informationszugangsanspruch aus & 5 Abs. 1 Satz 1 BArchG verneint. Archivgut
entsteht auch nach Ansicht des Senats durch die Umwidmung von Unterlagen, die
dem Bundesarchiv von den in & 2 BArchG bezeichneten Stellen angeboten
werden und deren bleibender Wert für die Erforschung oder das Verständnis der
deutschen Geschichte, die Sicherung berechtigter Belange der Bürger oder die
Bereitstellung von Informationen für Gesetzgebung, Verwaltung oder
Rechtsprechung im Sinne des & 3 BArchG festgestellt ist. Zum Archivgut im
Rechtssinne werden diese Unterlagen, wenn sie vom Bundesarchiv endgültig
übernommen worden sind (vgl. Schoch, a.a.0., $ 13 IFG Rn. 18). Die
Rechtsansicht der Klägerin, Unterlagen mit bleibendem Wert würden bereits als
Archivgut an das Bundesarchiv übergeben, greift nicht durch. Der Klägerin ist zwar
zuzugeben, dass der Wortlaut des &$ 2 Abs. 1 BArchG, der von der Übergabe als
Archivgut des Bundes spricht, insoweit nicht eindeutig ist. Nach der Begründung
zu $ 2 des Gesetzentwurfs BArchG kann aber nicht zweifelhaft sein, dass die
Übergabe die zeitliche Zäsur markiert, mit welcher Unterlagen zu Archivgut

werden und sich der Auskunftsanspruch nicht mehr länger nach dem
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Informationsfreiheitsgesetz, sondern nach dem Bundesarchivgesetz richtet (vgl.
BT-Drs. 11/498, S. 8: „Deshalb sollen alle Stellen....der Verpflichtung unterliegen,
Unterlagen....anzubieten....und zu übergeben. Damit werden diese Unterlagen zu
Archivgut."; vgl. auch Schoch, a.a.O., 8 13 IFG Rn. 21). Für die Notwendigkeit des
Besitzes des Bundes am Archivgut spricht darüber hinaus, wie das Verwaltungs-
gericht nachvollziehbar ausgeführt hat, die Tatsache, dass sich der Anspruch auf

Nutzung des Archivguts gegen das Bundesarchiv richtet.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Beschaffung archivwürdiger
Unterlagen und nachfolgender Bereitstellung derselben zur Einsichtnahme lässt
sich den Vorschriften des Bundesarchivgesetzes nicht entnehmen. Er setzte im
Übrigen, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, einen rechtlich
durchsetzbaren Herausgabeanspruch gegen die Besitzer der Unterlagen voraus.
Ein solcher Anspruch besteht aber nach den Vorschriften des Bundesarchiv-
gesetzes nicht einmal gegenüber den nach $ 2 BArchG ablieferungspflichtigen
(öffentlich-rechtlichen) Stellen; gegenüber privatrechtlich organisierten Einrichtun-
gen wie der D***-Stiftung e.V. und der B*** Bank AG ist er ersichtlich erst recht
nicht gegeben. Sie können vielmehr lediglich angeregt werden, Unterlagen von
bleibendem Wert zu übergeben (vgl. BT-Drs. 11/498, S. 10: „Die Bereitschaft von
Eigentümern (z.B. auch von Bundesministern), wertvolle Unterlagen, die zur
Ergänzung des Archivguts des Bundes geeignet sind, dem Bundesarchiv auf
freiwilliger Basis zu übereignen oder sie bei ihm zu deponieren und nutzen zu
lassen, sollte durch dieses Gesetz angeregt werden. Hier ist der private Vertrag
die geeignete Rechtsgrundlage.“). Dies gilt auch dann, wenn die von der Klägerin
begehrten Unterlagen ursprünglich bei den Verfassungsorganen und Dienststellen

angefallen und danach in die Hände privater Besitzer gelangt sind.

Ein archivrechtlicher Anspruch auf Zugang zu Unterlagen, die mangels Übergabe
noch nicht Archivgut geworden sind, könnte sich für die Klägerin danach allenfalls
aus $ 5 Abs. 8 Satz 1 BArchG ergeben. Hiernach sind bei der Benutzung von
Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind und noch der Verfügungsgewalt der in 8 2
Abs. 1 bezeichneten Stellen unterliegen, die Absätze 1 bis 7 entsprechend
anzuwenden. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf BArchG (BT-Drs. 11/498,
S.12) trägt die Vorschrift der Tatsache Rechnung, dass beim Anbietungsverfahren

= 40:
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nach $ 2 BArchG keine Fristen gesetzt werden, es aber unangemessen wäre, das
Recht auf Nutzung durch Dritte allein vom Aufbewahrungsort der Unterlagen
abhängig zu machen. Davon abgesehen, dass für den Senat nicht erkennbar ist,
wie das Bundesarchiv in diesen Fällen die nach $ 3 BArchG weiterhin notwendige
Entscheidung über den bleibenden Wert der Unterlagen fällt, kann die Klägerin ihr
Begehren schon deshalb nicht auf $ 5 Abs. 8 Satz 1 BArchG stützen, weil sich die
von ihr begehrten Unterlagen nicht in der Verfügungsgewalt einer ablieferungs-

pflichtigen Stelle befinden.

Sind hiernach die Akten, zu denen die Klägerin Zugang erhalten will, weder als
Archivgut noch als Unterlagen von bleibendem Wert in der Verfügungsgewalt
einer ablieferungspflichtigen Stelle anzusehen, dürfte über den Informations-
zugangsanspruch mangels verdrängender Spezialregelung nach dem
Informationsfreiheitsgesetz zu entscheiden sein. Dieses indessen gibt, wie
erstinstanzlich ausgeführt, grundsätzlich nur einen Anspruch auf Zugang zu
tatsächlich bei der Behörde vorhandenen Informationen, auch wenn das
Informationsfreiheitsgesetz, anders als die Informationsfreiheitsgesetze
verschiedener Länder, dies nicht ausdrücklich so bestimmt. Eine Verpflichtung zur
Beschaffung von Informationen besteht nach der vom Verwaltungsgericht zitierten
einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Kommentarliteratur nicht. Der Senat
teilt diese Auffassung mit Blick auf den Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes,
die Transparenz behördlicher Entscheidungen herzustellen und eine
gleichgewichtige Informationsverteilung herzustellen. Hierfür bedarf es nur des
Zugangs zu Informationen, über die die Behörde im Rahmen ihres Entschei-
dungsprozesses verfügte. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin stehen die
(eng auszulegenden) Versagungsgründe der 88 3 bis 6 IFG der Beschränkung
des Zugangsanspruchs auf bei der Behörde vorhandene Informationen nicht
entgegen. Wie die Beklagte zu Recht geltend gemacht hat, geht es bei der
Beschränkung auf vorhandene Informationen um die Konturierung des

tatbestandlichen Anwendungsbereichs des Informationsfreiheitsgesetzes.

Ein Anspruch aus & 6 Abs. 1 des Landesmediengesetzes scheidet, wie schon das
Verwaltungsgericht mit überzeugender Begründung ausgeführt hat, bereits daran,

dass es vorliegend an einem auf die Erteilung konkreter Informationen gerichteten

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