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Aktenzeichen
12 S 12.12
Datum
14. Mai 2012
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Gesetz
Umweltinformationsgesetz des Landes Brandenburg (BbgUIG)
Umweltinformationsgesetz des Landes Brandenburg (BbgUIG)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 14. Mai 2012

12 S 12.12

Das Oberverwaltungsgericht ändert den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus. Nicht nur handelt es sich bei der Antragsgegnerin - einer juristische Person des Privatrechts - um eine informationspflichtige Stelle im Sinne des Umweltinformationsgesetzes. Die begehrten Unterlagen stellen, anders als vom Verwaltungsgericht angenommen, auch Umweltinformationen dar. Beantragt hatten die Kläger den Zugang zu verschiedenen Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Planung, Genehmigung und Errichtung eines Großflughafens stehen. In der Entscheidung rügt das Oberverwaltungsgericht die enge Auslegung des Umweltinformationsbegriffs durch die Vorinstanz. Diese hatte den Zugangsanspruch auf Daten beschränkt, die als Entscheidungsgrundlage für den Planfeststellungsbeschluss gedient haben. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts enthält grundlegende Ausführungen zum Zweck des Umweltinformationsrechts. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die strittigen Informationen herauszugeben. Die Eilbedürftigkeit wird mit dem Zeitplan des von den Antragstellern beabsichtigten Klageverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht, in dem die Informationen verwendet werden sollen, begründet. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Begriffsbestimmung Prozessuales

Wappen Berlins und Brandenburgs

OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS OVG 12 S 12.12 VG 3 L 307/11 Cottbus In der Verwaltungsstreitsache

bevollmächtigt:

Antragstellerin und Beschwerdeführerin,

gegen

die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer, Flughafen Schönefeld, 12521 Berlin,

bevollmächtigt:

Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,

hat der 12. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Fieting sowie die Richter am Oberverwaltungsgericht Panzer und Dr. Marenbach am 14. Mai 2012 beschlossen:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 27. Februar 2012 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin den Zugang zu folgenden Informationen/Unterlagen durch Einsichtnahme mit der Möglichkeit zur Fertigung bzw. der Überlassung von Kopien zu gewähren:

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a) Ergebnisprotokolle zu einer Sitzung der Antragsgegnerin mit der Deutschen Flugsicherung in Offenbach am 29. September 1998, die u. a. die zukünftigen Flugverfahren am Flughafen Schönefeld zum Gegenstand hatte;

b) Korrespondenz und Kommunikation der Antragsgegnerin mit der Deutschen Flugsicherung (direkt oder über das Bundesministerium für Verkehr abgewickelt) im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1999, die die Beratung der Flugverfahren am zukünftigen Großflughafen Schönefeld (jetzt BER) zum Gegenstand hatte;

c) alle Entscheidungsgrundlagen der Antragsgegnerin aus den Jahren 1997 bis 1999 für die Wahl der Flughafenkonfiguration im Planfeststellungsantrag (beispielsweise Länge und Lage der Start- und Landebahnen), inklusive der im Quellenverzeichnis des "Zwischenberichts Layout und Verkehr" der Projektplanungsgesellschaft aus dem März 1998 durch sie auf der rechten Seite mit einem oder zwei Kreuzen gekennzeichneten Grundlagendokumente (Anlage Ast. 14 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 5. Januar 2012 - StreitA Bd. II, Bl. 278/9);

d) Gutachtenauftrag für das Gutachten M 21 "Flugsicherheitsgutachten für den Ausbau des Flughafens Schönefeld", ausgenommen der Kosten des Gutachtens;

e) vermutete Kapazitätsberechnung dahingehend, ob mit den dem Lärmgutachten zugrunde gelegten Flugverfahren, die den Planfeststellungsbeschlüssen zum Flughafen Berlin-Schönefeld (jetzt BER) zugrunde gelegten Kapazitäten des Flughafens erreicht werden können.

Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

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Das Beschwerdevorbringen, dass den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt die Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses (§ 146 Abs. 4 VwGO). Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch (I.) auf Zugang zu den begehrten Informationen und einen Anordnungsgrund (II.) glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Soweit sich die Beschwerde gegen die Kostenentscheidung bezüglich des erledigten Teils wendet, ist sie unzulässig und deshalb zu verwerfen (III.)

I. Rechtsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin ist § 1 des Umweltinformationsgesetzes des Landes Brandenburg (BbgUIG) i.V.m. § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 3 Nr. 3 des Umweltinformationsgesetzes (UIG). Danach hat jede Person nach Maßgabe des Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt; ein rechtliches Interesse muss nicht dargelegt werden. Die Antragsgegnerin ist – wie erstinstanzlich zutreffend festgestellt – eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Nr. 2 BbgUIG, weil sie als juristische Person des Privatrechts mit der Errichtung und dem geplanten Betrieb eines Verkehrsflughafens öffentliche Aufgaben mit Umweltbezug wahrnimmt (umweltbezogene Daseinsvorsorge) und dabei - unstreitig - der Kontrolle des Bundes sowie der Länder Berlin und Brandenburg unterliegt.

  1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Beschluss richtet sich der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch aus den von ihr dargelegten Gründen auf den Zugang zu Umweltinformationen. Zu Recht rügt sie die im Ergebnis zu enge erstinstanzliche Auslegung des Umweltinformationsbegriffs. Indem das Verwaltungsgericht den Zugangsanspruch gegen die Antragsgegnerin als Vorhabenträgerin grundsätzlich auf Daten beschränkt, die der Planfeststellungsbehörde als Entscheidungsgrundlage für den Planfeststellungsbeschluss gedient haben, verkennt es die Reichweite des Begriffs der Umweltinformation.

Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG sind Umweltinformationen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung, alle Daten über Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile im Sinne der Nr. 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nr. 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken (Buchst. a) oder die den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nr. 1 bezwecken (Buchst. b). Zu

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den Umweltbestandteilen zählen etwa Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG), zu den Faktoren gehören u.a. Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung sowie Emissionen, die sich auf Umweltbestandteile im Sinne der Nr. 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG).

Mit Blick auf die Zielsetzung des Gesetzes, einen erweiterten Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen sicherzustellen, sind die genannten Fallgruppen weit auszulegen (BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2008, a.a.O., Rz. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Dezember 2008 – OVG 12 B 23.07 – juris, Rz. 44 = OVGE 29, 218 ff., 220 f.; Reidt/Schiller in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, Std.: März 2010, § 2 UIG, Rz. 31 m.w.N.; vgl. zu § 3 Abs. 2 Nr. 3 UIG a.F.: BVerwG, Urteil vom 25. März 1999, BVerwGE 108, 369 ff., 376 ff.). § 3 Abs. 3 UIG dient insgesamt der Umsetzung der Begriffsbestimmungen in Artikel 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41, S. 26). Bereits zur Umweltinformationsrichtlinie 1990 ist der Europäische Gerichtshof davon ausgegangen, dass der vom Gemeinschaftsgesetzgeber verwendeten Begriffsbestimmung eine weite Bedeutung beizulegen ist (Urteil vom 17. Juni 1998 - Rs. C-321/96 - NVwZ 1998, 945). Die nunmehr geltende Richtlinie 2003/4/EG hat diesen Anwendungsbereich präzisiert (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juni 2003 - Rs. C-316/01 - ZUR 2003, 363). Nicht nur die Schärfung des Umweltbewusstseins der Bürger in der Europäischen Union ist Ziel der Richtlinie, sondern der erweiterte Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen und die Verbreitung dieser Informationen sollen im Interesse einer Verbesserung des Umweltschutzes gleichermaßen dazu beitragen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksame Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen (1. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/4/EG). Offenheit und Transparenz im Umgang mit Umweltinformationen werden durch die Umweltinformationsrichtlinie 2003 ausgebaut und fortgesetzt (2. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/4/EG), um eine effektive Kontrolle von behördlichem Handeln zu ermöglichen (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 4. Januar 2006 - 12 Q 2828.05 - juris, Rz. 29; OVG Koblenz, Urteil vom 2. Juni 2006 - 8 A 10267.06 - juris, Rz. 33 ff.). Dabei

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kann der Zugangsanspruch auch Daten umfassen, die in der Vergangenheit liegende abgeschlossene Sachverhalte betreffen (vgl. OVG Koblenz, ebd.).

Gemessen daran beziehen sich die von der Antragstellerin geltend gemachten Zugangsansprüche auf Umweltinformationen, denn es handelt es sich um Daten über Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile oder faktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UIG). Der aus der Umweltinformationsrichtlinie übernommene Sammelbegriff "Maßnahmen oder Tätigkeiten" wird nicht nur wegen seines (bewusst) unbestimmten Inhalts, sondern vor allem mit Rücksicht auf den dargelegten Zweck des Umweltinformationengesetzes, Transparenz zwischen Bürger und Staat in Angelegenheiten des Umweltschutzes zu schaffen, ebenfalls weit verstanden (BVerwG, Urteil vom 25. März 1999, a.a.O., 376). Unter Maßnahmen werden insbesondere alle Entscheidungen von Behörden in Form von Bescheiden verstanden, durch die im Einzelfall Rechtsvorschriften umgesetzt werden (vgl. Reidt/Schiller in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 2 UIG, Rz. 43 m.w.N.).

Z utreffend ist das Verwaltungsgericht daher zunächst davon ausgegangen, dass in erster Linie der Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 die entscheidende Maßnahme ist, die sich im Rahmen des Flughafenausbaus auf die genannten Umweltbestandteile auswirken wird bzw. kann (BA S. 7). Damit sind sämtliche Angaben in dem Planfeststellungsbeschluss ihrerseits ebenso als Umweltinformationen zu werten wie die darin in Bezug genommenen Unterlagen; dies ist nicht gesondert für jede einzelne Angabe festzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 – 7 C 2.09 – juris, Rz. 32; OVG Münster, Urteil vom 1. März 2011 – 8 A 3357.08 – juris, Rz. 58). Soweit das Verwaltungsgericht (BA S. 9) und die Antragsgegnerin daraus jedoch im Umkehrschluss folgern, dass Daten über Besprechungen und Beratungen sowie sonstige Vorgänge, die zeitlich vor der Stellung des Planfeststellungsantrages liegen und in die Planungsentscheidung keinen Eingang gefunden haben, von vorneherein aus dem Anwendungsbereich des Umweltinformationsgesetzes auszunehmen sind, verkürzen sie bereits den Wortlaut des § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG. Danach sind Umweltinformationen alle Daten über Maßnahmen oder Tätigkeiten mit Umweltbezug, also alle damit in Zusammenhang stehenden Daten. Entscheidend ist allein, dass sich die Maßnahme oder Tätigkeit ihrerseits noch auf Umweltbestandteile oder Umweltfaktoren auswirken

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oder wahrscheinlich auswirken kann. Dies steht für den u.a. Lärm verursachenden Betrieb des planfestgestellten Flughafens außer Frage.

Der vom Verwaltungsgericht und der Antragsgegnerin herangezogene Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. November 2007 (- 7 B 37.07 - juris) führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Anders als im vorliegenden Fall waren die im dortigen Verfahren begehrten Daten schon deshalb keine Umweltinformationen, weil sie sich auf den Ausbau eines Flughafens bezogen, dessen Verwirklichung definitiv aufgegeben worden war (Rz. 2 sowie 14-16 der Entscheidung). Damit fehlte es bereits an einer Maßnahme mit potenziellen Umweltauswirkungen. Das ist hier nicht der Fall, weil der Flughafen Berlin-Brandenburg planfestgestellt worden ist und in Betrieb genommen werden soll. Mögen die von der Antragstellerin begehrten Informationen auch keinen Eingang in das Planfeststellungsverfahren gefunden haben, so stehen sie dennoch in einem Zusammenhang mit der Maßnahme, so dass ihnen ihre Umweltrelevanz nicht von vorneherein abgesprochen werden darf.

Im Übrigen verstößt die erstinstanzliche Beschränkung des Anwendungsbereichs auch gegen den vorgenannten Zweck des Umweltinformationsgesetzes, Offenheit und Transparenz zu schaffen zwischen Bürger und Staat bzw. juristischen Personen des Privatrechts, die bei der Wahrnehmung umweltbezogener öffentlicher Aufgaben staatlicher Kontrolle unterliegen. Die informationspflichtige Stelle soll keinen Vorteil durch einen etwaigen Informationsvorsprung haben, sondern ihre umweltrelevanten Informationen grundsätzlich - vorbehaltlich schutzwürdiger Belange nach §§ 8 f. UIG - mit den Bürgern teilen, indem sie freien Zugang gewährt.

  1. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist der Zugang zu den begehrten Informationen zu gewähren. Die Daten und Unterlagen stehen in engem Zusammenhang ("über") mit dem planfestgestellten Vorhaben, das sich auf die Umwelt auswirkt; für die jeweils erbetene Einzelangabe ist dies daher nicht gesondert festzustellen (vgl. OVG Münster, Urteil vom 1. März 2011, a.a.O., Rz. 58). Insoweit genügt vielmehr die Feststellung, dass sich die Daten auf die sich hier unstreitig auf die Umwelt auswirkenden Maßnahmen und Tätigkeiten beziehen. Daran bestehen bei summarischer Prüfung keine Zweifel:

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Für die unter a) beantragte Einsicht in die Ergebnisprotokolle zu der Sitzung mit der Deutschen Flugsicherung in Offenbach am 29. September 1998 folgt der notwendige Bezug bereits aus den Entscheidungsgründen der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 2011 und insbesondere aus dem Schreiben der Deutschen Flugsicherung an das Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr vom 26. Oktober 1998. Darin hat die Deutsche Flugsicherung im Zusammenhang mit der für das Planfeststellungsverfahren zu erarbeitenden Grobplanung der An- und Abflugverfahren (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 4 A 4000.09 – juris, Rz. 154 - 164) ausdrücklich die "Besprechung vom 29. September 1998 in Offenbach" erwähnt. Darauf hat die Antragstellerin in der Sache zu Recht hingewiesen. Zudem war die Antragsgegnerin nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragstellerin durch Bescheid der Planfeststellungsbehörde schon im Juli 1997 angewiesen worden, die An- und Abflugverfahren mit der Deutschen Flugsicherung für den Planfeststellungsantrag abzustimmen.

Der unter b) begehrte Zugang der Antragstellerin zu der Korrespondenz und Kommunikation der Antragsgegnerin mit der Deutschen Flugsicherung im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 1999 ist inhaltlich ebenfalls eingegrenzt auf die "Beratung der Flugverfahren am zukünftigen Großflughafen Schönefeld". Damit ist ein hinreichend enger Bezug zu dem sich auf die Umwelt auswirkenden Vorhaben hergestellt. Zu einer weiteren Präzisierung des Antrags wurde die Antragstellerin durch die Antragsgegnerin trotz der dieser gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 und 4 UIG obliegenden Pflicht zur Unterstützung nicht aufgefordert. Ihr Einwand, die begehrten Informationen seien "nicht Teil der Maßnahmen (geworden), die sich ihrerseits, wie der Planfeststellungsbeschluss … oder die Festsetzung der An- und Abflugverfahren … auf die Umwelt auswirken oder auswirken können", greift nicht. Insoweit übersieht die Antragsgegnerin erneut, dass Umweltinformationen nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG "alle Daten" über (umweltrelevante) Maßnahmen oder Tätigkeiten sind; Teil der Maßnahmen müssen sie nicht notwendigerweise geworden zu sein.

Aus diesem Grund handelt es sich auch hinsichtlich der unter c) beantragten Einsicht in die Entscheidungsgrundlagen der Antragsgegnerin aus den Jahren 1997

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bis 1999 für die Wahl der Flughafenkonfiguration im Planfeststellungsantrag einschließlich der dazugehörigen Dokumente aus dem Quellenverzeichnis um den Zugang zu Umweltinformationen. Dass die Planfeststellungsbehörde während des Planfeststellungsverfahrens nicht auf jeden zwischenzeitlichen Planungsstand der Deutschen Flugsicherung bei der Vorbereitung der verbindlichen An- und Abflugverfahren reagieren musste, sondern sich planfeststellungsrechtlich in nicht zu beanstandender Weise auf die schriftlichen Erklärungen zu den Flugroutenprognosen stützen konnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 2012, a.a.O., Rz. 164), ändert entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts (BA S. 11) nichts an der Qualifizierung der Entscheidungsgrundlagen als Umweltinformationen im Sinne des § 2 Abs. 3 UIG.

Schließlich sind die unter d) und e) begehrten Daten ebenfalls von dem weiten Begriffsverständnis des Umweltinformationsgesetzes gedeckt. Dass die (konkrete) Fassung des Auftrags für das tatsächlich angefertigte Sicherheitsgutachten M 21 in engem Zusammenhang mit dem planfestgestellten Flughafen steht, ist ebenso wenig zweifelhaft wie der Bezug der (vermuteten) Kapazitätsberechnung. Im Übrigen reicht es für die Zuordnung zum Begriff der Umweltinformationen aus, dass Angaben über die Kapazität einer Anlage im Zusammenhang mit Umweltauswirkungen stehen, die mit dem Betrieb der Anlage und damit einer Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UIG verbunden sind (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Dezember 2008, a.a.O., Rz. 46). Es kann daher im Ergebnis dahinstehen, ob der Zugang zu der unter d) und e) erbetenen Unterlagen auch auf § 2 Abs. 3 Nr. 6 UIG (Gutachtenauftrag) und § 2 Abs. 3 Nr. 5 UIG (Kapazitätsberechnung) gestützt werden könnte.

Da sich die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung weder substantiiert auf Ablehnungsgründe nach §§ 8 und 9 UIG berufen hat noch solche bei summarischer Prüfung ersichtlich sind, kann sich die Antragstellerin auf die geltend gemachten Zugangsansprüche berufen. Im Übrigen hat sie ohnehin alle in den beanspruchten Informationen enthaltenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von dem Einsichtsbegehren ausgenommen.

II. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO),

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der ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigt. Sie trägt unwidersprochen vor, die Informationen für das auf den 3. oder 4. Juli 2012 terminierte Klageverfahren zum Aktenzeichen BVerwG 4 A 5001.10 gegen den Planfeststellungsbeschluss vor dem Bundesverwaltungsgericht zu benötigen und einbringen zu wollen. Der Zugang zu den Informationen sei für sie als "Wiedereinsetzungsklägerin" eine notwendige Voraussetzung für die vollumfängliche und gleichberechtigte Teilnahme im laufenden Gerichtsverfahren, zumal es nur eine Instanz gebe. Formell gehe es um die Wiedereinsetzung nach § 60 Abs. 3 VwGO und materiell um die Zugrundelegung einer bewusst falschen Abwägungsgrundlage. Die erforderliche Vertiefung ihres Vortrags setze die Akteneinsicht nach dem Umweltinformationsgesetz voraus.

Vor diesem tatsächlichen Hintergrund folgt die Dringlichkeit des Begehrens aus dem Zeitplan des Klageverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht. Eine Verweisung der Antragstellerin auf ein Hauptsacheverfahren ist unter Berücksichtigung der mit der Umweltrichtlinie verfolgten Zwecke nicht zumutbar. Der rechtlich möglichst ungehinderte und uneingeschränkte Zugang zu Umweltinformationen soll gerade – wie dargelegt – auch der Kontrolle der Verwaltung dienen (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 4. Januar 2006, a.a.O., Rz. 28 f.). Ob dies bereits während des Verwaltungsverfahren (hier: Planfeststellung) gelingt oder erst nach deren Abschluss im Rahmen eines Gerichtsverfahrens, ist - anders als die Antragsgegnerin anklingen lässt - für die Beurteilung der Eilbedürftigkeit des Informationsbegehrens nach den Bestimmungen des Umweltinformationsgesetzes ohne Bedeutung. Ebenso wenig hat der erkennende Senat Anlass zu der Annahme, dass die begehrten Informationen für das vor dem Bundesverwaltungsgericht geführte Verfahren unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt wertlos sind. Es ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch nicht Aufgabe des Senats, die Erfolgsaussichten der unter Beantragung der Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist erhobenen Klage der Antragstellerin zu prüfen.

III. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Kostenentscheidung hinsichtlich der erledigten Teile des erstinstanzlichen Verfahrens wendet und sinngemäß meint, dass die getroffene Billigkeitsentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO zu beanstanden sei, ist die Beschwerde unzulässig. Die Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO ist gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar. Das gilt grundsätzlich

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auch im Falle einer Teilerledigungserklärung, bei der die einheitliche Kostenentscheidung auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruht (BVerwG, Beschluss vom 3. November 2011 – 7 C 3.11 - juris, Rz. 32; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 158 Rn. 33 ff.). Ob Abweichendes ausnahmsweise dann anzunehmen ist, wenn die maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen für die Kostenentscheidung bezüglich des streitigen Teils mit denjenigen nach § 161 Abs. 2 VwGO identisch sind (so BVerwG, Urteil vom 8. September 2005 - 3 C 50.04 juris, Rz. 34), kann dahinstehen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Denn bezüglich der Kosten des erledigten Teils des Rechtsstreits hat das Verwaltungsgericht nicht etwa auf die Erfolgsaussichten des Antrags abgestellt und insoweit auf die Ausführungen zum nicht erledigten Teil Bezug genommen; es hat die Kostenentscheidung vielmehr auf die Erwägung gestützt, dass die Antragstellerin nur fünf Tage nach Stellung des Einsichtsantrages bei der Antragsgegnerin das kostenpflichtige Eilverfahren eröffnet habe. Damit sei der Antragsgegnerin nahezu jegliche Möglichkeit genommen worden, außerhalb des gerichtlichen Verfahrens gerichtskostenneutral zu reagieren und der Zugangsforderung teilweise nachzukommen.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Antragstellerin hat zwar mit ihrer Beschwerde in der Sache im Wesentlichen Erfolg. Jedoch bezieht sich das Rechtsmittel nur noch auf die bereits im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 5. Januar 2012 deutlich eingeschränkten und spezifizierten Anträge. Gegenüber dem ursprünglichen Antrag vom 11. Oktober 2011, mit dem durchgehend Akten und Dokumente im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2006 begehrt wurden, handelt es sich schon mit Blick auf den im Januar 2012 schriftsätzlich verkürzten Zeitraum (bis zum 31. Dezember 1999) um eine konkludente Antragsrücknahme mit der Kostenfolge nach § 155 Abs. 2 VwGO. Angesichts der im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens im Übrigen vorgenommen Umstellungen und Ergänzungen der Anträge sowie der teilweise übereinstimmend, teilweise einseitig erklärten Hauptsachenerledigung und der ausdrücklichen Teilrücknahme entspricht die ausgesprochene Kostenteilung dem jeweils teilweisen Unterliegen der Beteiligten in beiden Rechtszügen.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Im Hinblick auf die Vorwegnahme der Hauptsache kam die für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig vorgesehene Halbierung des Streitwertes nicht in Betracht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Fieting Panzer Dr. Marenbach

(m./schu.)