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Aktenzeichen
5 A 166/10
Datum
9. Februar 2012
Gericht
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)

Urteil: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen am 9. Februar 2012

5 A 166/10

Das Oberverwaltungsgericht verpflichtet die Erstinstanz, den Antrag des Klägers auf Informationszugang beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) neu zu entscheiden. Der WDR muss auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen und des WDR-Gesetzes außerhalb des journalistisch-redaktionellen Bereichs grundsätzlich Zugang zu Informationen gewähren. Anders als das Verwaltungsgericht geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass die in Rede stehenden Auftragsvergaben des WDR eine Verwaltungstätigkeit im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes darstellt. Dieser Informationsanspruch steht weder dem publizistischen Wettbewerb mit privaten Anbietern noch dem klassischen Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entgegen. Das Pressegesetz ist keine dem Informationsfreiheitsgesetz vorrangige Regelung. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten Begriffsbestimmung

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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2012/5_A_166_10urteil20120209.html Oberverwaltungsgericht NRW, 5 A 166/10 Datum:                     09.02.2012 Gericht:                   Oberverwaltungsgericht NRW Spruchkörper:              5. Senat Entscheidungsart:          Urteil Aktenzeichen:              5 A 166/10 Tenor:                     Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 19. November 2009 geändert. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 27. November 2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen tragen der Kläger und der Beklagte je zur Hälfte. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstre-ckungsschuldner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:                                                                                            1 Der Kläger ist als freier Journalist für verschiedene Print- und Onlinemedien tätig. Mit Schreiben     2 vom 27.11.2006 bat er den Beklagten, ihm im Rahmen seiner journalistischen Tätigkeit Auskunft darüber zu geben, an welche der im Einzelnen aufgeführten Unternehmen und Personen der Beklagte seit dem Jahr 2002 Aufträge vergeben habe. In diesem Rahmen bat er um Beantwortung, welchen Umfang die Aufträge jeweils gehabt hätten, ob es eine Ausschreibung gegeben habe oder warum dies gegebenenfalls unterblieben sei, ob es Anzeichen für Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der Aufträge, Sach- oder Rechtsmängel nach ihrer Durchführung gegeben oder der Beklagte eine Minderung der Vergütung verlangt habe. Der Beklagte teilte dem Kläger zunächst in einer E-Mail vom 12. März 2007 mit, er könne über           3 vergebene Aufträge keine Auskünfte erteilen. Daraufhin informierte der Kläger die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen, die ihrerseits in einem umfangreichen Schriftverkehr gegenüber dem Beklagten geltend machte, er müsse nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes NRW − IFG NRW − über seine Auftragsvergabe Auskunft erteilen. In einem abschließenden Schreiben vom 21. Februar 2008 legte der Beklagte dar, dass er dem Informationsbegehren des Klägers nicht nachkommen könne. Er führte aus, das Informationsfreiheitsgesetz NRW gelte für ihn nicht. Abgesehen 1 von 17
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2012/5_A_166_10urteil20120209.html davon gehe es um personenbezogene und sensible Unternehmensdaten, die selbst in Anwendung dieses Gesetzes nicht zur Verfügung gestellt werden könnten. Der Kläger hat am 17. März 2008 Klage erhoben und einen Auskunftsanspruch nach § 4 Abs. 1         4 Landespressegesetz NRW − PresseG NRW − sowie einen Informationszugangsanspruch nach § 4 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 IFG NRW geltend gemacht. Der Beklagte sei als Anstalt des öffentlichen Rechts, die der Rechtsaufsicht der Landesregierung unterstehe, auskunftsverpflichtet. Hinsichtlich der mit dem Klageantrag begehrten Auskünfte über Aufträge im nicht journalistisch-redaktionellen Bereich liege sein Verlangen außerhalb des durch die Rundfunkfreiheit des Beklagten nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Bereichs. Die Auftragsvergabe des Beklagten müsse schon deshalb transparent sein, weil seine Ausgaben zumindest teilweise durch Rundfunkgebühren gedeckt würden. Hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen seien die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Entscheidung vom 13. Dezember 2007 − C-337/06 − als öffentliche Auftraggeber anzusehen. Wegen der Verwendung öffentlicher Mittel bestehe ein Informationsinteresse der Allgemeinheit daran, ob bestimmte Firmen oder Personen, die im Rundfunkrat vertreten seien, durch Aufträge begünstigt worden seien. Dies gelte vor allem mit Blick auf § 13 Abs. 5 WDRG, wonach kein Mitglied des Rundfunk- oder Verwaltungsrates unmittelbar oder mittelbar mit dem Beklagten für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen dürfe. Für alle vom Kläger genannten Personen und Unternehmen gelte, dass diese entweder selbst oder zumindest ein Angehöriger der Entscheidungsgremien der Unternehmen einen Sitz im Rundfunkrat des Beklagten hätten oder gehabt hätten. Mit Blick hierauf gehe es ihm nur darum, die Mittelvergabe des Staates transparent zu machen, nicht aber darum, interne Informationen von wirtschaftlicher Bedeutung zu erlangen, für die unter Umständen der Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen greifen könne. Hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten nach § 9 IFG NRW habe er den Beklagten auf die Möglichkeit einer Schwärzung oder Abtrennung von Daten sowie die Möglichkeit, eine Einwilligung einzuholen, hingewiesen. Wegen der mit der Klage zusätzlich begehrten Informationen über die Auftragsvergabe an            5 Unternehmen der X-Mediengruppe bzw. an Unternehmen, an denen die X-Mediengruppe Beteiligungen halte, sei er bisher nicht an den Beklagten herangetreten. Mit einer stattgebenden Beantwortung sei aber nicht zu rechnen gewesen, weil der Beklagte die Auskunftserteilung generell abgelehnt habe. Der Beklagte unterhalte zu der X-Mediengruppe Beziehungen im Bereich des Austausches journalistischer Inhalte. Diese Zusammenarbeit mit einer privaten Mediengruppe sei in der Öffentlichkeit stark kritisiert worden. Angesichts dessen sei es von öffentlichem Interesse zu erfahren, ob über den journalistischen Austausch hinaus weitere, insbesondere wirtschaftliche, Beziehungen bestünden. Der Kläger hat beantragt,                                                                         6 7 1. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, an welche der folgenden ehemals und aktuell existierenden Unternehmen bzw. Personen der Beklagte seit dem Jahr 2002 Aufträge im nicht journalistisch-redaktionellen Bereich vergeben hat: [es folgen 25 Unternehmen, z. T. einschließlich ihrer Tochtergesellschaften, und        8 Einzelpersonen] 9 a. ... .....                                                                                  10 y) ...                                                                                 11 und folgende Fragen in Bezug auf jedes Unternehmen/jede Person zu beantworten:     12 13 Welchen Umfang haben mögliche Aufträge gehabt (Auftragsvolumen, Art der Leistung)? 2 von 17
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2012/5_A_166_10urteil20120209.html Hat es eine Ausschreibung des jeweiligen Auftrages gegeben? Wenn nein, warum war dies der Fall? In welcher Form erfolgte die Ausschreibung, sofern es eine gegeben hat? Gab es Anzeichen für Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung des Auftrags, Sach- oder Rechtsmängel nach Durchführung des Auftrags oder hat der WDR eine Minderung der Vergütung verlangt? 2. den Beklagten zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, ob er seit dem Jahr 2002       14 Aufträge im nicht journalistisch-redaktionellen Bereich an Unternehmen der X-Mediengruppe oder solche Unternehmen, an denen die X-Mediengruppe Beteiligungen hält, vergeben hat. Der Beklagte hat beantragt,                                                                       15 die Klage abzuweisen.                                                             16 Er hat geltend gemacht, der Kläger sei bereits nicht klagebefugt. Er habe keinen Anspruch auf     17 die begehrten Informationen. Es bestehe kein Anspruch aus § 4 Abs. 1 PresseG NRW. Der Beklagte sei keine Behörde im Sinne dieser Vorschrift. Das Grundrecht der Pressefreiheit, das durch das Pressegesetz NRW ausgestaltet werde, richte sich nur gegen den Staat, d. h. gegen Organe der unmittelbaren und mittelbaren Staatsverwaltung. Der Beklagte sei zwar eine Anstalt des öffentlichen Rechts, jedoch kein Organ der Staatsverwaltung. Seine Organisationsform sei gerade aus Gründen der Staatsferne zur Verwirklichung des Grundrechts der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewählt worden. Mit Ausnahme der Gebühreneinziehung und der Vergabe von Sendezeiten übe er keine staatliche Verwaltungstätigkeit aus. Er sei selbst Träger der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Rundfunkfreiheit und damit im gleichen Umfang wie die Presse Begünstigter und nicht Verpflichteter staatlicher Auskunftspflichten. Die Zuerkennung eines gegen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gerichteten Auskunftsanspruchs führe zu einer mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbaren Verschlechterung der Wettbewerbssituation gegenüber der Presse sowie privaten Rundfunkveranstaltern. Dies sei im Hinblick auf den gleichen Rang von Presse- und Rundfunkfreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht hinnehmbar, zumal sich die Wettbewerbssituation in den letzten Jahren zunehmend verschärft habe. Studien belegten, dass von bestimmten privaten Medien ganz gezielt Negativ- Berichterstattung zu Lasten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betrieben werde. Auch der Kläger berichte systematisch seit dem Jahr 2008 tendenziell negativ über den Beklagten. Ausgehend davon müsse die Waffengleichheit in der öffentlichen Legitimationsdebatte gewahrt bleiben. Der Rundfunk müsse nicht nur vor unmittelbaren staatlichen Eingriffen, sondern auch vor subtileren Mitteln der indirekten Einwirkung geschützt werden. Dies gelte für alle Tätigkeitsbereiche des Beklagten. Denn die Rundfunkfreiheit schließe diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten ein, ohne die die Medien ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen könnten. Für den Entstehungsprozess von Rundfunksendungen könnten keine Abgrenzungen vorgenommen werden, um bestimmte Tätigkeiten aus dem Schutzbereich der Rundfunkfreiheit auszunehmen. Eine Trennung in journalistisch- redaktionelle und andere Tätigkeitsbereiche sei künstlich, lebensfremd und operativ nicht umsetzbar. Abgesehen davon unterliege das Geschäftsverhalten des Beklagten bereits ohne Anerkennung eines Auskunftsanspruchs einer hinreichenden binnenpluralen Kontrolle insbesondere durch seinen Rundfunk- und Verwaltungsrat. Auch ein Anspruch aus § 4 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 IFG NRW sei nicht gegeben. Der − hier        18 nicht durchgreifende − presserechtliche Auskunftsanspruch sei als verdrängende Spezialregelung gegenüber dem Informationsanspruch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW vorrangig. Ein inhaltlicher Widerspruch zwischen dem presserechtlichen Auskunftsanspruch und dem Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW sei mit dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung nicht vereinbar. Soweit man mit Blick auf die anstehende Neuregelung des § 55 a WDRG annehmen wollte, das Informationsfreiheitsgesetz NRW sei auf Bereiche beim WDR außerhalb "journalistisch-redaktioneller Inhalte" anwendbar, sei diese Regelung mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar und daher dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Abgesehen davon sei der Beklagte keine öffentliche Stelle und übe keine Verwaltungstätigkeit      19 3 von 17
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2012/5_A_166_10urteil20120209.html i. S. d. § 2 Abs. 1 IFG NRW aus. Dies ergebe sich aus der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dieser sei um der Gewährleistung seiner Freiheit willen aus dem Staat ausgegliedert und dürfe nicht als Teil der staatlichen Organisation betrachtet werden. Im Übrigen habe der Beklagte außer in den Bereichen der Gebührenfinanzierung und der Zuteilung von Wahlwerbesendungen keine Verwaltungsaktbefugnis und könne schon deshalb außerhalb dieser Bereiche nicht durch Verwaltungsakt über den Informationszugang entscheiden. Damit erweise sich seine Inanspruchnahme als Verpflichteter des Informationsfreiheitsgesetzes NRW als systemwidrig. Darüber hinaus stünden dem Informationsbegehren des Klägers die gesetzlichen                     20 Ablehnungsgründe der §§ 6, 8 und 9 IFG NRW entgegen. Der Ausschlussgrund des § 6 Satz 1 lit. b) IFG NRW sei gegeben, weil die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als staatsfernes Medium und Faktor der öffentlichen Meinungs- und Wertebildung erheblich gefährdet sei, wenn Dritte durch Auskunftsansprüche in den Prozess der Programmgestaltung einwirken könnten. Ein offener Rundfunkgestaltungsprozess sei nicht mehr möglich, wenn das gesamte Ausgabenverhalten, das die Weichen für die Programmarbeit des Beklagten stelle, ständig öffentlich hinterfragt und "zerredet" werden könne. Es stehe zu befürchten, dass man ihn mit zahlreichen, auch von der privaten Konkurrenz organisierten Informationsbegehren zu seinen geschäftlichen Beziehungen "überrolle" und sich publizistische Wettbewerber oder disziplinierungswillige staatliche Organisationen des Informationsanspruchs bedienten, um wirtschaftlichen oder publizistischen Druck auf ihn auszuüben. Hinsichtlich der von dem Kläger begehrten Informationen über die Auftragsvergabe handele es      21 sich im Übrigen um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 8 IFG NRW. Bei Veröffentlichung der Informationen sei ein wirtschaftlicher Schaden für den Beklagten dadurch zu befürchten, dass bestehende Geschäftspartner auf Grund der Veröffentlichung vertraulicher Geschäftsdaten ihre Geschäftsbeziehungen zu ihm einstellten und potentielle Geschäftspartner erst gar keine Geschäftsbeziehungen zu ihm aufbauten. Dadurch seien Auftragsvergabe und ordnungsgemäße Auftragserfüllung gefährdet. Ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit i. S. d. § 8 Abs. 2 IFG NRW bestehe demgegenüber selbst dann nicht, wenn die Behauptungen des Klägers über die angeblichen Zusammenhänge zwischen den im Klageantrag genannten Unternehmen und dem Rundfunkrat des Beklagten zuträfen. Der Landesgesetzgeber und der Satzungsgeber hätten in § 13 Abs. 5 WDRG und § 4 Abs. 3 WDR-Satzung Inkompatibilitätsregeln umgesetzt. Deren Einhaltung sei durch das binnenplurale Kontrollsystem des Beklagten und über die Rechtsaufsicht gesichert. Transparenz und die Vermeidung von Interessenkollisionen seien gewährleistet. Schließlich stehe § 9 Abs. 1 IFG NRW dem Informationsbegehren entgegen. Hinsichtlich der im      22 Auskunftsbegehren bezeichneten Privatpersonen würden durch die Erteilung der erbetenen Auskunft personenbezogene Daten offenbart werden. Eine Einwilligung dieser Personen nach § 9 Abs. 1 Halbsatz 2 IFG NRW liege nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, der          23 Beklagte sei als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt keine "Behörde" im Sinne von § 4 PresseG NRW. Er sei vielmehr selbst Träger der grundrechtlich verbürgten Rundfunkfreiheit. Diese schließe die staatliche Beherrschung und Einflussnahme aus und lasse öffentlich- rechtliche Rundfunkanstalten im selben Umfang wie die Presse zu Begünstigten staatlicher Informationspflichten werden. Damit stehe der Rundfunk in einer Gegenposition zum Staat und könne nicht als Teil der staatlichen Organisation gesehen werden. Dies gelte für alle wesensmäßig mit der Veranstaltung von Rundfunk zusammenhängenden Tätigkeiten − von der Informationsbeschaffung und der Produktion von Sendungen bis hin zu ihrer Verbreitung einschließlich aller zur Erfüllung der Funktion des Rundfunks notwendigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten. Hierzu zähle auch die vom Auskunftsbegehren des Klägers betroffene Haushaltswirtschaft. Eine Abgrenzung zwischen der von der Rundfunkfreiheit erfassten journalistisch-redaktionellen und der sonstigen Tätigkeit des Beklagten verkürze das Grundrecht in unzulässiger Weise und sei auch tatsächlich nicht praktikabel. Staatliche Aufgabe des Beklagten sei lediglich seine hoheitliche Tätigkeit, insbesondere der Gebühreneinzug. Ein Anspruch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW bestehe ebenfalls nicht. Diesen 4 von 17
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2012/5_A_166_10urteil20120209.html Anspruch könne der Kläger zwar grundsätzlich als natürliche Person geltend machen. Auch sei der Beklagte eine auskunftsverpflichtete öffentliche Stelle. Allerdings bezögen sich die vom Kläger begehrten Auskünfte nicht auf eine Verwaltungstätigkeit des Beklagten. Mit dem Erfordernis der Verwaltungstätigkeit erfasse das Informationsfreiheitsgesetz nur solches Handeln öffentlicher Stellen, das als staatliche Verwaltung ebenso dem Behördenbegriff des § 4 Abs. 1 PresseG NRW unterfalle. Der Kläger vertieft mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung sein               24 erstinstanzliches Vorbringen und tritt der Einschätzung entgegen, der Beklagte sei keine Behörde im Sinne von § 4 Abs. 1 PresseG NRW. Zwar ergebe sich unmittelbar aus der verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit kein Auskunftsanspruch gegen die öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten, weil sich dadurch deren Wettbewerbsposition gegenüber der Presse und den privaten Rundfunkanstalten verschlechtere. Dies schließe jedoch die Annahme eines einfach-rechtlichen Auskunftsanspruchs dann nicht aus, wenn − wie hier − keine Gefahren für die Wettbewerbsposition des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestünden. Vielmehr könne die Presse auf dieser Grundlage die notwendige Transparenz über die Verwendung der Rundfunkgebühr herstellen, um zur unbeeinflussten Berichterstattung durch den Beklagten im Sinne seiner Rundfunkfreiheit beizutragen. Indem sie in der Lage sei, Missstände aufzudecken, wache sie darüber, dass der Beklagte wahrheitsgemäß und unbeeinflusst informieren könne. Vor diesem Hintergrund bestehe ein Interesse der Öffentlichkeit zu erfahren, inwieweit der Beklagte ihm verbundenen Personen und Unternehmen Aufträge erteilt habe, die unter Umständen große wirtschaftliche Bedeutung für die Auftragnehmer besäßen. Dieses Interesse überwiege widerstreitende Belange der informationellen Selbstbestimmung. Es müsse jedem Privaten oder Privatunternehmen klar sein, bei Annahme öffentlicher Aufträge in Rechenschaft gebracht zu werden. Die Vergabepraxis des Beklagten als öffentlicher Auftraggeber berühre seine verfassungsrechtliche Unabhängigkeit gerade nicht. Dem Kläger stehe der Auskunftsanspruch auch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW zu. Durch den am           25 15. Dezember 2009 in Kraft getretenen § 55 a WDRG sei klargestellt, dass der Beklagte hierdurch außerhalb des Kernbereichs der journalistisch-redaktionellen Arbeit und des verfassungsrechtlich geschützten Bereichs der Programmgestaltung verpflichtet werde. Den ausgenommenen Bereich habe der Kläger ausdrücklich nicht zum Gegenstand seines Auskunftsbegehrens gemacht. Mögliche Rückwirkungen auf die journalistisch-redaktionelle Tätigkeit des Beklagten seien bei Erteilung der gewünschten Informationen nicht erkennbar zu erwarten. Vielmehr sei die durch die Rundfunkfreiheit bezweckte freie Meinungsbildung nur in dem Maß möglich, in dem der Rundfunk seinerseits frei, umfassend und wahrheitsgemäß informiere. Hierzu gehöre auch die Offenlegung der Vergabepraxis des Beklagten, die damit seinem gesetzlichen Auftrag förderlich sei. Daher liege auch keine erhebliche Beeinträchtigung einer behördlichen Maßnahme im Sinne        26 von § 6 Abs. 1 lit. b) IFG NRW vor. Der Auskunftserteilung stehe auch nicht entgegen, dass es sich um Geschäftsgeheimnisse handele. Denn es sei fraglich, inwieweit durch die Offenlegung ein wirtschaftlicher Schaden entstehen könne. Kein Unternehmen und keine Person, die auf sauberer vertraglicher Grundlage mit dem Beklagten in Kontakt stünden, könnten Bedenken gegen eine Veröffentlichung der Geschäftsbeziehung haben und nur deshalb von der Übernahme neuer Aufträge Abstand nehmen. Jedenfalls bestehe ein überwiegendes Interesse am Informationszugang. Denn es gebe konkrete Verdachtsmomente, wonach mit Steuergeldern oder Ämtern Missbrauch getrieben werde. So sei ein Rundfunkratsmitglied vor seiner Bestellung sieben Jahre lang beim Beklagten mit der Auftragsvergabe befasst und anschließend fünf Jahre lang Herstellungsleiter und Geschäftsführer zweier Firmen gewesen, die Sendungen mit und für den Beklagten produziert hätten. Der Kläger beantragt,                                                                          27 das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu   28 erkennen. 29 5 von 17
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2012/5_A_166_10urteil20120209.html Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.                                                        30 Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er hebt hervor, wegen des             31 Grundrechtsschutzes aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG könnten unabhängig von der einfach- gesetzlichen Differenzierung keine unterschiedlichen Kriterien für die Frage gelten, ob der Beklagte Auskunftspflichten unterliege, die für staatliche und sonstige öffentliche Stellen gälten. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe sich die Wettbewerbssituation in der dualen Rundfunkordnung in den letzten Jahren zunehmend verschärft. In dieser Situation müsse er sich behaupten und gleichzeitig um gesellschaftliche und medienpolitische Akzeptanz kämpfen. Vor diesem Hintergrund sei die bisherige Rechtsprechung zur Ablehnung einer presserechtlichen Auskunftspflicht weiterhin aktuell und müsse auch für das Informationsfreiheitsrecht gelten. Das Bundesverfassungsgericht fordere vom Gesetzgeber, materielle und prozedurale Vorkehrungen zu treffen, um den Rundfunk vor mittelbarer Einflussnahme durch den Staat zu schützen. Dies schließe den Schutz gegenüber subtilen Mitteln der indirekten Einwirkung ein. Bei Annahme eines Auskunftsanspruchs bestehe die Gefahr, dass staatliche Entscheidungsträger auskunftsberechtigte Dritte vorschieben könnten, um Einfluss auf den Rundfunk zu gewinnen. Die Argumentation des Klägers setze einen "hoheitlichen" Bildungs- und Informationsauftrag des Beklagten voraus, den es nicht gebe. Vielmehr werde der durch die Rundfunkfreiheit geschützte, nicht hoheitliche Programmauftrag des Beklagten durch die staatsferne Organisationsstruktur und eine unter anderem durch die §§ 44 b bis 45 b WDRG gestärkte binnenplurale Kontrolle in Bezug auf kommerzielle Tätigkeiten gesichert. Dieses System habe das Bundesverfassungsgericht mehrfach als ausreichend erachtet. Die vergaberechtliche Rechtsprechung des EuGH sage über die grundsätzliche staatliche Funktionszuordnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nichts aus. Der mittlerweile in Kraft getretene § 55 a WDRG könne nur bei verfassungskonformer Auslegung Bestand haben. Danach müsse sich die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes auf die hoheitlichen Tätigkeiten des Beklagten beschränken. Daneben gebe es nur die grundrechtlich geschützte Erfüllung des gesetzlichen Funktions- und Programmauftrags. Der Beklagte habe an Einzelbeispielen dargelegt, welchen konkreten Einfluss die Offenlegung         32 der Haushaltswirtschaft auf seine journalistisch-redaktionelle Tätigkeit habe. Daran zeige sich plastisch die mangelnde Abgrenzbarkeit von presserechtlich geschützten und sonstigen Bereichen. Soweit der Kläger Verdachtsmomente für eine rechtswidrige Vergabepraxis äußere, stelle er den Sachverhalt falsch dar. Das genannte Mitglied des Rundfunkrats habe von Ende 1998 bis Anfang 2004 Banken und Filmproduktionsfirmen beraten, diese Tätigkeit dann aber eingestellt. Dass er über einen medienbranchennahen Lebenslauf verfüge, stelle keine besondere Gefahrenlage dar, sondern stärke die Sachkompetenz des Rundfunkrats. Die Kooperation mit der X-Mediengruppe sei im Detail öffentlich dargelegt und medial erörtert worden. Auch ihre wirtschaftlichen Beziehungen zum Beklagten und zu seinen Tochterunternehmen seien in den wesentlichen Details bekannt. Für den Fall, dass das Gericht einen Auskunftsanspruch bejahen sollte, müssten die betroffenen Unternehmen und Einzelpersonen notwendig beigeladen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der                 33 Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (2 Hefter) ergänzend Bezug genommen. Entscheidungsgründe:                                                                                34 Die Berufung hat teilweise Erfolg. Die Klage ist insoweit begründet, als dem Kläger ein             35 Anspruch auf Neubescheidung seines Auskunftsbegehrens zu Fragen der Auftragsvergabe des Beklagten zusteht (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). 1. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich der geltend gemachte Auskunftsanspruch            36 allerdings nicht aus § 4 Abs. 1 PresseG NRW herleiten. Der dort geregelte presserechtliche 6 von 17
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2012/5_A_166_10urteil20120209.html Auskunftsanspruch richtet sich lediglich gegen Behörden, also staatliche Stellen. In der Rechtsprechung ist seit langem geklärt, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten keine staatlichen Stellen im Sinne des Presserechts sind. Ihre Tätigkeit ist nicht im üblichen Sinne mittelbare Staatsverwaltung. Der Rundfunk nimmt bei der Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen eine öffentliche Aufgabe wahr, die nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG weder unmittelbar noch mittelbar Aufgabe des Staates sein kann. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss von staatlicher Einflussnahme frei sein, damit eine unabhängige Berichterstattung gesichert ist. Er ist daher selbst nicht anspruchsverpflichtet, sondern berechtigt. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. August 1985 − 4 A 1050/81 −, DÖV 1986, 82; OVG              37 Berlin, Urteil vom 13. Juni 1985 − 5 B 5.83 −, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 5. Oktober − X 2365/79 −, NJW 1982, 668, bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1984 − 7 139.81 −, BVerwGE 70, 310, sowie BVerfG, Beschluss vom 20. Juli 1988 − 1 BvR 155/85 u. NJW 1989, 382; Groß, DÖV 1997, 133, 142; krit. Kull, AfP 1985, 75 ff. sowie Schoch, AfP 20 313, 317. Der Senat hat keine Veranlassung, diese gefestigte Rechtsprechung aufzugeben. Ein nicht                  38 weiter eingegrenzter Auskunftsanspruch gegen öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten verschlechterte deren Wettbewerbssituation gegenüber der Presse und den privaten Rundfunkanbietern. Die nähere Ausgestaltung und Änderung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs sowie die dabei erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den diesem entgegen stehenden öffentlichen oder privaten Interessen muss dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1984 − 7 C 139.81 −, BVerwGE 70, 310, 315.          39 Es bedarf mit anderen Worten eines klar geäußerten gesetzgeberischen Willens, wonach sich                40 der die gesamte Presse einschließlich des Rundfunks (§ 26 Abs. 1 PresseG NRW) gleichermaßen berechtigende presserechtliche Auskunftsanspruch auch gegen den öffentlich- rechtlichen Rundfunk richten soll. Daran fehlt es. Der Gesetzgeber hat den Anspruch in § 4 Abs. 1 PresseG NRW nicht erweitert. Er hat dies nicht getan, obwohl die gefestigte Rechtsprechung unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung von einem spezifisch presserechtlichen Verständnis des Behördenbegriffs ausgeht. Auch die an dieser Rechtsprechung in der Literatur geäußerte Kritik hat ihn nicht zu einer Änderung des Pressegesetzes veranlasst. Selbst die Erkenntnis, die Information aus allgemein zugänglichen Quellen reiche unter den aktuellen Gegebenheiten nicht mehr aus, führte ausschließlich zur Eröffnung sehr weitreichender Informationszugangsrechte durch das Informationsfreiheitsgesetz, nicht aber zugleich zu einer Erweiterung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2004 − 5 A 640/02 −, OVGE 50, 32, 35.            41 2. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers ergibt sich dem Grunde nach aber aus § 4                    42 Abs. 1 des Informationsfreiheitsgesetzes NRW (IFG NRW) vom 27. November 2001 (GV. NRW. S. 806) in der Fassung des Gesetzes vom 8. Dezember 2009 (GV. NRW. S. 765) i. V. m. § 55 a des Gesetzes über den Westdeutschen Rundfunk Köln (WDRG) in der Fassung des 13. Rundfunkänderungsgesetzes vom 8. Dezember 2009 (GV. NRW. S. 728). Nach § 4 Abs. 1 IFG NRW hat jede natürliche Person nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen. § 55 a WDRG bestimmt, dass das Informationsfreiheitsgesetz auf den WDR Anwendung findet, es sei denn, dass journalistisch- redaktionelle Informationen betroffen sind. Dem Informationsanspruch des Klägers nach dem Informationsfreiheitsgesetz steht die                      43 Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW nicht entgegen (a). Der Beklagte ist eine informationspflichtige Stelle i. S. d. § 4 Abs. 1 IFG NRW i. V. m. § 2 Abs. 1 IFG NRW und § 55 a WDRG und übt auch im Zusammenhang mit seiner Auftragsvergabe Verwaltungstätigkeit im 7 von 17
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2012/5_A_166_10urteil20120209.html Sinne von § 2 Abs. 1 IFG NRW aus (b). Ein Auskunftsanspruch des Klägers nach § 4 Abs. 1 IFG NRW i. V. m. § 55 a WDRG scheidet auch nicht deshalb aus, weil der Beklagte selbst Träger der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Rundfunkfreiheit ist. Der Beklagte ist allerdings nicht verpflichtet, Informationen preiszugeben, die den journalistisch-redaktionellen Bereich betreffen (c). Unabhängig davon stehen dem Anspruch des Klägers möglicherweise Ablehnungsgründe nach §§ 8 und 9 IFG NRW (Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie personenbezogener Daten) entgegen (d). Insoweit ist die Sache nicht spruchreif im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Beklagte hat die vom Auskunftsanspruch betroffenen Geschäftsbeziehungen noch nicht identifiziert und den Betroffenen noch nicht die ggf. erforderliche Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Senat ist aus prozessualen Gründen gehindert, die Spruchreife selbst herzustellen (e). a) Der Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz wird für den Kläger nicht           44 durch die Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW ausgeschlossen. Danach treten die Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes zurück, soweit besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestehen. Darunter sind bereichsspezifische Gesetze des Bundes oder des Landes zu verstehen, die einen Informationsanspruch regeln. Vgl. Gesetzentwurf zum Informationsfreiheitsgesetz NRW, LT-Drs. 13/1311, S. 11.    45 Entgegen der Auffassung des Beklagten ist § 4 PresseG NRW, der einen dem Kläger als                46 Journalist grundsätzlich zustehenden Auskunftsanspruch begründet, keine derartige spezialgesetzliche Regelung. Wie das Tatbestandsmerkmal "soweit" in § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW zeigt, sind nur solche Vorschriften als vorrangig in Betracht zu ziehen, die denselben Sachverhalt abschließend − sei es identisch, sei es abweichend − regeln. Konkurrenzfragen sind in jedem konkreten Regelungszusammenhang durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären. Wenn spezialgesetzliche Bestimmungen für einen gesonderten Sachbereich oder für bestimmte Personengruppen einen begrenzten Informationsanspruch vorsehen, ist deshalb jeweils zu untersuchen, ob diese Grenzen auch für den Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bindend sind. Das ist anzunehmen, wenn ein umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwider liefe. Lässt sich Derartiges nicht feststellen, ist § 4 Abs. 1 IFG NRW anzuwenden. OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 − 8 A 1150/10 −, DVBl. 2011, 1162 f. m. w. N.;   47 Beschluss vom 31. Januar 2005 − 21 E 1487/04 −, NJW 2005, 2028, 2029. Nur dieses Verständnis des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW wird dem Gebot der Einheit der                48 Rechtsordnung gerecht. Es trägt dem Gesetzeszweck des Informationsfreiheitsgesetzes hinreichend Rechnung, das Recht auf Informationszugang gegenüber den bereichsspezifischen Bestimmungen zu erweitern, ohne abschließende Spezialregelungen außer Kraft zu setzen. Vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drs. 13/1311, S. 9 und 11; OVG NRW, Beschluss vom      49 19. Februar 2004 − 5 A 640/02 −, OVGE 50, 32, 35. Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Informationsanspruch des Klägers nicht durch § 4            50 PresseG NRW ausgeschlossen. Der danach bestimmte presserechtliche Auskunftsanspruch bezweckt eine Privilegierung der Presse und des Rundfunks (§ 26 Abs. 1 PresseG NRW) gegenüber sonstigen Auskunftsuchenden. Er soll Presse und Rundfunk ermöglichen, die ihnen verfassungsrechtlich garantierte Funktion der Berichterstattung im Interesse einer politischen Willensbildung des Volkes auch über Vorgänge im staatlichen Bereich zu erfüllen. In der freiheitlich-demokratischen Grundordnung soll er die Behörden zu einem Verhalten veranlassen, das in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse von Offenheit geprägt ist. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Oktober 2011 − 8 A 2593/10 −, juris, Rn. 176;         51 Beschluss vom 28. Oktober 2008 − 5 B 1183/08 −, NWVBl. 2009, 198; BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 − III ZR 294/04, NJW 2005, 1720 (zu § 4 NdsPresseG); siehe auch BVerw 8 von 17
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2012/5_A_166_10urteil20120209.html Urteil vom 13. Dezember 1984 − 7 C 139.81 −, BVerwGE 70, 310, 313 f.; Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 56 f.; Scheel, in: Berger/Roth/ Scheel, IFG 2006, Rn. 116 ff. und 130; Rossi, IFG, 2006, § 1 Rn. 105 ff.; Franßen/Seidel, IFG NRW, 200 § 4 Rn. 526; a. A. Schoch, IFG, 2009, 182 ff. Diesem Regelungszweck entspricht es, Pressevertretern neben dem presserechtlichen                      52 Auskunftsanspruch auch weitere gesetzlich vorgesehene Informationsansprüche zu eröffnen, die der demokratischen Willensbildung des Volkes dienen sollen. Das ist bei dem jedermann zustehenden Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz der Fall. Seine Einführung beruht darauf, dass in der Informationsgesellschaft die bloße Möglichkeit nicht mehr als ausreichend angesehen wird, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drs. 13/1311, S. 1.                                        53 Zudem wäre es mit der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Pressefreiheit nicht vereinbar,       54 einen Informationszugang, der jedem Bürger offen steht, für Journalisten zu versperren. Der Staat ist verpflichtet, in seiner Rechtsordnung überall dort, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. August 2000 – 1 BvR 1307/91 –, NJW 2000, 503,           55 Teilurteil vom 5. August 1966 – 1 BvR 586/62 u. a. – BVerfGE 20, 162, 175. Die Pressefreiheit gebietet zwar nicht die Eröffnung einer Informationsquelle. Insoweit reicht die     56 Pressefreiheit nicht weiter als die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, die den Zugang zu allgemein zugänglichen Informationsquellen gegen staatliche Beschränkungen sichert. Jedoch umfasst das Grundrecht ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Informationszugang in Fällen, in denen eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle auf Grund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist. Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 − 1 BvR 2623/95 u. a. −, BVerfGE 103, 44,      57 59 f. Soweit die öffentliche Zugänglichkeit durch das Informationsfreiheitsgesetz jedem Bürger               58 eröffnet wird, steht der Zugang unter gleichen Bedingungen auch den Vertretern der Presse zu. b) Der Beklagte ist eine informationspflichtige Stelle i. S. d. § 4 Abs. 2 IFG NRW i. V. m. § 2        59 Abs. 1 IFG NRW und § 55 a WDRG. Das Informationsfreiheitsgesetz gilt gemäß § 2 Abs. 1 IFG NRW für die Verwaltungstätigkeit der Behörden, Einrichtungen und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen (öffentliche Stellen). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Beklagte eine öffentliche Stelle im Sinne von § 2 Abs. 1 IFG NRW ist. Davon ist auch der Gesetzgeber bei Schaffung von § 55 a WDRG ausgegangen. Vgl. Gesetzentwurf, LT-Drs. 14/9393, S. 188.                                           60 Der Beklagte ist gemäß § 1 Abs. 1 WDRG eine gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts              61 mit dem Recht der Selbstverwaltung im Rahmen der Bestimmungen des WDR-Gesetzes. Er unterliegt der Rechtsaufsicht durch den Ministerpräsidenten (§ 54 WDRG). Der Beklagte übt im Zusammenhang mit seiner Auftragsvergabe auch Verwaltungstätigkeit                  62 i. S. v. § 2 Abs. 1 IFG NRW aus. Der Begriff der Verwaltungstätigkeit in § 2 Abs. 1 IFG NRW ist weit auszulegen und umfasst die Verwaltung sowohl im formellen als auch im materiellen Sinne. Zweck des Gesetzes ist es, staatliches Handeln transparent zu machen und durch den freien Zugang zu Informationen nicht nur die Nachvollziehbarkeit, sondern auch die Akzeptanz behördlicher Entscheidungen zu steigern. Dementsprechend beabsichtigte der Gesetzgeber, einen möglichst weiten und umfassenden Informationsanspruch zu schaffen und die Ausschlussgründe eng zu fassen. Vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drs. 13/1311, S. 1, 2, 9, 12; für ein ähnlich weites       63 9 von 17
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2012/5_A_166_10urteil20120209.html Verständnis auch BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 – 7 C 4.11 –, juris, Rn. 10 ff. zu § 1 Abs. 1 IFG. Hierunter fällt zunächst die gesamte Tätigkeit der Exekutive, unabhängig davon, ob es sich um          64 eine Tätigkeit materiell verwaltender Art handelt. Entscheidend ist die Einordnung des Handelnden in den Staatsaufbau. Ausgehend davon liegt eine Verwaltungstätigkeit dann vor, wenn eine Stelle aus dem Bereich der Exekutive und nicht der Legislative oder Judikative tätig wird. Darüber hinaus erfasst § 2 Abs. 1 IFG NRW die Verwaltung im materiellen Sinne. Dies ergibt sich aus der Behördendefinition in § 2 Abs. 1 Satz 2 IFG NRW sowie aus § 2 Abs. 4 IFG NRW, der die Anwendbarkeit des Gesetzes auf natürliche und juristische Personen des Privatrechts regelt, sofern sie öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnehmen. Der materielle Verwaltungsbegriff knüpft an die ausgeübte Funktion oder den verfolgten Zweck der Tätigkeit an, unabhängig davon, wer sie ausübt. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. Oktober 2010 − 8 A 875/09 −, juris, Rn. 29 ff. und 35 ff.  65 m. w. N. Ausgehend von diesem weiten Begriffsverständnis erfasst § 2 Abs. 1 IFG NRW zunächst die                66 gesamte Tätigkeit des Beklagten. Dies hat auch der Gesetzgeber bei Schaffung des § 55 a WDRG vorausgesetzt. Der Beklagte hat als Veranstalter von Rundfunksendungen in der Rechtsform einer gemeinnützigen Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung die öffentliche Aufgabe, die unerlässliche Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen sicherzustellen. Die damit gestellte Aufgabe umfasst die wesentlichen Funktionen des Rundfunks für die demokratische Ordnung. Vgl. BVerfG, Urteile vom 28. Februar 1961 − 2 BvG 1/60 u. a. −, BVerfGE 12, 205,       67 243 ff., vom 4. November 1986 − 1 BvF 1/84 −, BVerfGE 73, 119, 157 ff., und vom 5. Februa 1991 − 1 BvF 1/85 u. a. –, BVerfGE 83, 238, 297 f.; BGH, Urteil vom 27. November 2009 − 2 104/09 −, BGHSt 54, 202, juris, Rn. 29 m. w. N.; Schoch, AfP 2010, 313, 317; Schnabel, ZU 2010, 412, 416 f.; krit. Degenhart, K&R 2011, 374, 378. In der dualen Ordnung eines Nebeneinanders von öffentlich-rechtlichem und                              68 privatwirtschaftlichem Rundfunk dienen die besonderen normativen Anforderungen an öffentlich-rechtliche Veranstalter der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Ordnung. Diese stellt sicher, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk möglichst breit und vollständig Ausdruck findet. Vgl. BVerfG, Urteil vom 11. September 2007 − 1 BvR 2270/05 u. a. −, BVerfGE 119,       69 181, 214 ff. Die öffentliche Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kann zwar mit Rücksicht auf die           70 durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Programmfreiheit der Rundfunkanstalten vom Gesetzgeber nur abstrakt festgelegt und geordnet werden. Vgl. BVerfG, Urteil vom 11. September 2007 − 1 BvR 2270/05 u. a. −, BVerfGE 119,       71 181, 221. Gleichwohl ist den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wie dem Beklagten der                      72 Programmauftrag als öffentliche Aufgabe in abstrakter Form unabhängig davon übertragen, dass die gebotene Meinungsvielfalt inhaltliche staatliche Einflussnahmen auf das Programm ausschließt. Teil dieser öffentlichen Aufgabe ist die Vergabe von Aufträgen, die der Beklagte für erforderlich hält, um seinen gesetzlichen Aufgaben nachzukommen. c) Ein Auskunftsanspruch des Klägers nach § 4 Abs. 1 IFG NRW i. V. m. § 55 a WDRG scheidet             73 nicht deshalb aus, weil der Beklagte selbst Träger der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Rundfunkfreiheit ist. Zwar kann die Zuerkennung eines gegen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gerichteten Auskunftsanspruchs wegen der damit verbundenen Verschlechterung ihrer Wettbewerbssituation gegenüber der Presse sowie privaten Rundfunkveranstaltern im Hinblick auf den gleichen Rang von Presse- und Rundfunkfreiheit 10 von 17
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