Information

Aktenzeichen
7 K 2696/10
Datum
6. September 2011
Gericht
Verwaltungsgericht Hamburg
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz (Hamburg)
Informationsfreiheitsgesetz (Hamburg)

Beschluss: Verwaltungsgericht Hamburg am 6. September 2011

7 K 2696/10

Für die vorliegende Streitigkeit über Ansprüche nach dem Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz (Einsicht des Insolvenzverwalters in Vollstreckungsakten) ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art, die nicht durch Bundesgesetz ausdrücklich einem anderen Gericht zugewiesen ist. Es geht zudem nicht um eine Streitigkeit über die Vollziehung von Verwaltungsakten, sondern um ein Auskunftsersuchen, das lediglich inhaltlich die Vollstreckungsakte betrifft. Über die Vollstreckung selbst wird hingegen nicht gestritten. (Quelle: LDA Brandenburg)

Prozessuales

/ 5
PDF herunterladen
7 K 2696/10 Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss In der Verwaltungsrechtssache hat das Verwaltungsgericht Hamburg, Kammer 7, am 6. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht, den Richter am Verwaltungsgericht, den Richter, beschlossen: Der Verwaltungsrechtsweg ist der zulässige Rechtsweg. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten und sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu. Sie ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich beim Verwaltungsgericht Hamburg, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, einzulegen. Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Hamburgischen Ober- verwaltungsgericht, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, eingeht. Eine Beschwerde in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Der Beschwerde sowie allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die Beteiligten beigefügt werden. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt zuge- lassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichne- ten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ergänzend wird wegen der weiteren Ein- zelheiten auf § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 und Abs. 5 VwGO verwiesen.
1

-2- Gründe: I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erteilung einer Auskunft. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. In dieser Eigenschaft verlangte er bei der Beklagten Einsicht in die zu der Ge- sellschaft geführten Vollstreckungsakten unter Berufung auf das Hamburgische Informati- onsfreiheitsgesetz. Die Beklagte lehnte dies unter Hinweis auf § 30 der Abgabenordnung – AO – ab und wies den dagegen erhobenen „Einspruch“ zurück. In der Rechtsbehelfsbe- lehrung wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass er Klage beim Finanzgericht Ham- burg erheben könne. Der Kläger hat jedoch Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg er- hoben und verweist darauf, dass dieses für Ansprüche nach dem Hamburgischen Infor- mationsfreiheitsgesetz – HmbIFG – zuständig sei. Die Beklagte macht demgegenüber geltend, dass die Klage vor dem Verwaltungsgericht unzulässig sei, weil es sich bei der Streitigkeit um eine Abgabenangelegenheit im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzge- richtsordnung – FGO – handele, die den Finanzgerichten zugewiesen sei. II. Das Gericht entscheidet über die Zulässigkeit des vom Kläger beschrittenen Verwaltungs- rechtswegs gemäß § 17a Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 4 Satz 1 GVG vorab durch Be- schluss, da die Beklagte die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges gerügt hat. Für die vorliegende Rechtsstreitigkeit ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwal- tungsrechtsweg gegeben. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht- verfassungsrechtlicher Art (1.), die nicht durch Bundesgesetz ausdrücklich einem anderen Gericht zugewiesen ist (2.). 1. Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch nach dem Hamburgischen Informa- tionsfreiheitsgesetz auf Erteilung amtlicher Informationen aus Steuerakten geltend. Bei der Geltendmachung eines solchen Anspruchs handelt es sich um eine öffentlich- rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art (vgl. BFH, Beschl. v. 10.2.2011, VII B 183/10 – juris; OVG Hamburg, Beschl. v. 16.2.2009, NordÖR 2009, 258). -3-
2

-3- 2. Diese Streitigkeit ist nicht im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz VwGO durch Bundesgesetz ausdrücklich dem Finanzgericht zugewiesen. a) Eine solche ausdrückliche Zuweisung ergibt sich nicht aus § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Nach dieser Vorschrift ist der Finanzrechtsweg gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitig- keiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bun- des unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Bei der Geltendmachung eines Anspruches auf Erteilung von Informationen aus Steuerakten auf Grundlage des HmbIFG handelt es sich indes nicht um eine Abgabenan- gelegenheit. Der Begriff „Abgabenangelegenheiten“ ist in § 33 Abs. 2 FGO legaldefiniert. Danach sind Abgabenangelegenheiten im Sinne der FGO alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der ab- gabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angele- genheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze, wobei den Abga- benangelegenheiten die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich stehen. Dazu zählen z.B. alle Streitigkeiten über Steuern und Ein- und Ausfuhrabgaben, insbesondere Zölle, sowie über Abgabenvergütungen und bestimmte Gebühren (vgl. Koch, in: Gräber, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 6. Aufl. 2006, § 33 Rn. 15). Zwar gehört dazu grundsätzlich auch die Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht (vgl. Koch, a.a.O., § 33 Rn. 30 „Auskunft“ m.w.N.). Darunter ist allerdings schon nach dem eindeutigen Wortlaut von § 33 Abs. 2 FGO nur eine Entscheidung unter Anwendung von „abgabenrechtlichen Vorschriften“ zu verstehen, nicht aber über ein allgemeines Informa- tionsbegehren aufgrund verwaltungsrechtlicher Vorschriften (a.A. FG Hamburg, Beschl. v. 2.7.2010, 6 K 75/09 – ZInsO 2010, 1613; VG Hamburg, Beschl. v. 4.11.2010, 11 K 2221/10 – juris). Der Kläger begehrt indes gerade Auskünfte aufgrund solcher allgemei- nen verwaltungsrechtlichen Vorschriften – nämlich nach dem Hamburgischen Informati- onsfreiheitsgesetz, das keinen spezifisch abgabenrechtlichen Bezug aufweist. Es geht nicht um eine Streitigkeit über Steuern etc. sondern um die Erteilung von Informationen durch eine Landesbehörde, für die das maßgebliche Landesgesetz kein berechtigtes Inte- resse und damit insbesondere auch keinen spezifisch auf abgabenrechtliche Verhältnisse bezogenen Zweck fordert. -4-
3

-4- Dass sich die gewünschte Informationserteilung auf eine Vollstreckungsakte des Finanz- amtes bezieht, macht die Streitigkeit über das Bestehen eines Informationsanspruchs nach dem Informationsfreiheitsgesetz nicht zu einer Abgabenangelegenheit. Ob daneben – nämlich unter Zugrundelegung abgabenrechtlicher Vorschriften über Akteneinsichts- und Auskunftsansprüche – auch eine Abgabenangelegenheit im Sinne des § 33 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 FGO vorliegt, ist für die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs uner- heblich, da das Verwaltungsgericht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG über rechtswegfrem- de Ansprüche – so sie vom Kläger geltend gemacht würden – mitzuentscheiden hätte (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 26.8.2009, 8 E 1044/09 – ZInsO 2009, 2401). Auf die Fra- ge, welche Gerichtsbarkeit über besondere Sachkunde für den materiell-rechtlichen Kern des Rechtsstreits – d.h. hier für die Frage nach dem Schutz abgabenrechtlicher Daten – verfügt, kommt es, wie gerade § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG zu entnehmen ist, zur Bestim- mung des Rechtswegs nicht an. Nach Art. 31 GG gegebenenfalls gegenüber den Rege- lungen des Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes vorrangige oder deren Ausle- gung bestimmende Wertungen der Abgabenordnung über den Zugang zu Abgabenakten sind vielmehr durch das Verwaltungsgericht im Rahmen der Begründetheitsprüfung zu beachten (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 27.8.2010, 7 K 429/09). Soweit der Bundesfinanzhof in einem Beschluss vom 10.2.2011 (VII B 183/10 – juris) die Auffassung vertreten hat, dass es sich „zumindest in den Fällen, in denen der Insolvenz- verwalter, ohne sein Anliegen näher zu konkretisieren, allgemein Einsicht in die beim FA geführten Vollstreckungsakten begehrt, um eine Streitigkeit i.S. von § 33 Abs. 1 FGO [handelt]“, folgt die Kammer dieser Auffassung nicht. Die ihr zugrundeliegende Begrün- dung, dass ein allgemeines Akteneinsichtsbegehren einen abgabenrechtlichen Bezug aufweise, weil es sich auf alle in den Steuerakten dokumentierten Vorgänge und darin enthaltenen Schriftstücke erstrecke (vgl. Beschl. v. 10.2.2011, a.a.O., Rn. 9), überzeugt mangels Systemgerechtigkeit nicht. Indem sie (schon zur Bestimmung des Rechtswegs) maßgeblich auf den Inhalt der Akten abstellt, erfasst sie auch die Fälle von auf Abgaben- akten bezogenen Auskunftsansprüchen auf Grundlage eines bestehenden Anfechtungs- rechts nach der Insolvenzordnung. Hierfür sieht indes der Bundesfinanzhof selbst den Rechtsweg zu den Finanzgerichten nicht als eröffnet an (vgl. BFH, Beschl. v. 26.4.2010, VII B 229/09 – juris): Wie der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 10.2.2011 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 13.8.2009, IX ZR 58/06 – ZInsO 2009, 1810; Urt. v. 21.1.1999, IX ZR 429/97 – NJW 1999, 1033) ausführt, handelt es sich bei solchen Auskunftsansprüchen um zivilrechtliche Ansprüche, die sich aus ei- -5-
4

-5- nem durch Anfechtung nach der Insolvenzordnung begründeten Rückgewährschuldver- hältnis ergeben. Sie ergeben sich demnach nicht aus „abgabenrechtlichen Vorschriften“ und stellen somit – auch unabhängig davon, dass eine Streitigkeit über sie nicht öffentlich- rechtlicher Natur ist (vgl. BFH, Beschl. v. 26.4.2010, a.a.O.) – keine Abgabenangelegen- heit im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 FGO dar. Ist aber – richtigerweise – auf die maßgebliche Anspruchsnorm abzustellen, kann nichts anderes für einen Auskunftsan- spruch auf Grundlage allgemeiner verwaltungsrechtlicher Vorschriften wie denen des Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes gelten. b) Eine Zuweisung des Rechtsstreits an das Finanzgericht gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil es nicht um eine Streitigkeit über die Vollziehung von Verwaltungsakten geht, sondern um ein Auskunftsersuchen, das lediglich inhaltlich eine Vollstreckungsakte betrifft. Über die Vollstreckung selbst wird hingegen nicht gestritten.
5