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Aktenzeichen
12 N 37.11
Datum
26. Mai 2011
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 26. Mai 2011

12 N 37.11

Das Oberverwaltungsgericht bestätigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, nach der ein Einsichtsanspruch nicht gegeben war, da die Beklagte zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr aktenführende Stelle im Sinne das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes war. Eine aufgrund einer Zuständigkeitsänderung nach Antragstellung erfolgte Aktenabgabe verpflichtet nicht zur Wiederbeschaffung. Selbst die Auslegung, dass in einem solchen Fall eine Weiterleitung des Antrags zu erfolgen hat, würde nicht erklären, weshalb ein Anspruch auf Akteneinsicht gegenüber der nicht mehr zuständigen Beklagten bestehen soll. Eine Verpflichtung zum Anlegen von Retentakten lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Durchführung des Antragsverfahrens Begriffsbestimmung Prozessuales Bestimmtheit des Antrags

Wappen Berlins und Brandenburgs OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS OVG 12 N 37.11 VG 3 K 1050/09 Cottbus In der Verwaltungsstreitsache

bevollmächtigt:

gegen

das Landesamt für Soziales und Versorgung, Sozialhilfe, Lipezker Straße 45, Haus 5, 03048 Cottbus,

Klägerin und Antragstellerin,

Beklagten und Antragsgegner,

hat der 12. Senat durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Plückelmann und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Riese am 26. Mai 2011 beschlossen:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 25. Januar 2011 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Rechtsstufen auf jeweils 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

  • 2 -

  • 2 - Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

  • Unter Zugrundelegung des allein maßgeblichen Zulassungsvorbringens bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Es kann offen bleiben, ob der Klägerin bei Antragstellung ein Akteneinsichtsrecht nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) in die nach § 75 SGB XII von dem Beklagten geschlossenen Entgeltsatzvereinbarungen zustand. Das Verwaltungsgericht hat den behaupteten Anspruch zu Recht verneint, weil der Beklagte im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr aktenführende Stelle im Sinne von § 2 AIG war. Er hatte die Vorgänge während des Widerspruchsverfahrens Anfang 2007 zuständigkeitshalber abgegeben, weil seit dem 1. Januar 2007 gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (AG-SGB XII) vom 6. Dezember 2006 (GVBl. I S: 166) nicht mehr er selbst als überörtlicher Träger der Sozialhilfe für den Abschluss von Entgeltsatzvereinbarungen zuständig ist, sondern die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe.

Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht hier nichts dafür, dass das Verwaltungsgericht ausnahmsweise eine dem Beklagten obliegende Wiederbeschaffungspflicht der streitgegenständlichen Informationen hätte bejahen müssen. Die Abgabe von Akten aufgrund einer gesetzlichen Änderung der behördlichen Zuständigkeit ist nicht mit einer (freiwilligen) Rückgabe von Aktenbestandteilen an Dritte in Kenntnis des beantragten Informationszuganges zu vergleichen (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. März 2011 - 12 B 41.08 -, LKV 2010, 275). Ein treuwidriges Verhalten des Beklagten gegenüber der Klägerin, das ausnahmsweise die Annahme eines gesetzlich nicht vorgesehenen Anspruchs auf Wiederbeschaffung von Informationen rechtfertigen kann, liegt in der hier erfolgten Aktenabgabe nicht. Dass der Beklagte auf die Aktenabgabe nur in dem Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2009 abgestellt hat, ist darauf zurückzuführen, dass die den Zuständigkeitswechsel normierende Vorschrift bei Erlass des ablehnenden Bescheides vom 24. März 2006 noch nicht in Kraft war.

  • 3 -

  • 3 -

Soweit die Klägerin einwendet, dass das Verwaltungsgericht den (weiteren) Fehlern des Beklagten nicht nachgegangen sei, legt sie nicht dar, worin diese Fehler konkret bestehen und wie sie sich ihrer Ansicht zufolge auf das Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgewirkt haben.

  1. Der Rechtssache kommt unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens keine grundsätzliche Bedeutung zu, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

Die aufgeworfene Frage, "ob der Grundsatz von Treu und Glauben bei Abgabe der Akten während eines Widerspruchsverfahrens greifen und einen Anspruch auf Wiederbeschaffung von Akten begründen kann", wird sich in dieser Form nicht im Berufungsverfahren stellen. Zum einen lässt die Frage nicht erkennen, wann der Antrag auf Akteneinsicht gestellt worden ist. Zum anderen geht aus der Frage nicht der entscheidungserhebliche Umstand hervor, dass die Aktenabgabe auf einem gesetzlich angeordneten behördlichen Zuständigkeitswechsel beruht. Unter diesen Umständen verstößt die Aktenabgabe – wie ausgeführt – auch dann nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sie erst nach Eingang des Antrags auf Informationszugang erfolgt.

Die weitere Frage, "ob die Verpflichtung zur Weiterleitung des Antrag auch im Widerspruchsverfahren besteht bzw. bestehen kann und ob der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, das anhängige Verwaltungsverfahren mit Abgabe der Akten an die zuständige Stelle weiterzuleiten", wird sich im Berufungsverfahren ebenfalls nicht stellen bzw. ist keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich. Selbst wenn man § 6 Abs. 1 Satz 6 AIG entgegen der dortigen Formulierung ("Wird ein Antrag bei einer unzuständigen Stelle gestellt …") dahingehend auslegt, dass die Weiterleitung des Antrags auch dann zu erfolgen hat, wenn die informationspflichtige Stelle erst nach der Antragstellung unzuständig wird, fehlt es an einer Darlegung, warum die unterlassene Weiterleitung des Zulassungsantrags trotz nicht mehr vorhandener Akten zu einem Anspruch auf Akteneinsicht gerade gegenüber dem Beklagten führen soll. Im Übrigen ist die Frage unvollständig und nicht hinreichend allgemein formuliert, sondern sie zielt letztlich darauf ab, dass die hier maßgeblichen Umstände des Einzelfalles geklärt werden.

  • 4 -

  • 4 -

Die weitere Frage, "ob die Behörde und damit der Beklagte verpflichtet ist, Abschriften bzw. Retente anzulegen, wenn Akten während eines laufenden Akteneinsichtsgesuchs abgegeben werden", ist nicht hinreichend genau formuliert und im Übrigen nicht entscheidungserheblich. Abgesehen davon, dass es hier um eine Abgabe aufgrund einer gesetzlichen Zuständigkeitsvorschrift geht, begründet die fehlende Anfertigung von Kopien grundsätzlich keinen Anspruch auf Akteneinsicht, wenn diese nicht mehr vorhanden sind. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass bei einem Zuständigkeitswechsel Kopien der zu übersendenden Akten angefertigt werden müssten. Aus § 7 Satz 3 AIG lässt sich eine solche Verpflichtung nicht herleiten.

  1. Divergenz ist nicht gegeben (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO): Die von dem Zulassungsantrag zitierte Entscheidung des Senats (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. März 2011 - 12 B 41.08 -, LKV 2010, 275) hat einen Wiederbeschaffungsanspruch ausnahmsweise bejaht, wenn die Rückgabe der Akten einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt. Von diesem Rechtssatz weicht das angegriffene Urteil nicht ab, weil hier – wie ausgeführt – ein anderer Sachverhalt vorliegt. Die Abgabe von Akten aufgrund eines gesetzlichen Zuständigkeitswechsels lässt sich auch dann nicht als treuwidrig bezeichnen, wenn sie nach der Stellung eines Antrags auf Akteneinsicht erfolgt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 3 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG. An Stelle des von dem Verwaltungsgericht festgesetzten mehrfachen Auffangwertes ist hier nur der einfache Auffangwert in Höhe von 5.000 Euro festzusetzen, weil es sich hier – anders als in dem von dem Verwaltungsgericht zitierten Verfahren (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Dezember 2010 – OVG 12 L 73.10 -) – im Hinblick auf den Gegenstand um ein einheitliches Informationsbegehren handelt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Kipp Plückelmann Dr. Riese

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