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Aktenzeichen
1 S 570/11
Datum
10. Mai 2011
Gericht
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Gesetz
Verbraucherinformationsgesetz (VIG)
Verbraucherinformationsgesetz (VIG)

Beschluss: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am 10. Mai 2011

1 S 570/11

Ein Pressevertreter begehrt von einem Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt die Mitteilung der Titel der Kinderzeitschriften, denen gesundheitsschädliche Beigaben beigefügt waren. Dem presserechtlichen Auskunftsanspruch steht nicht entgegen, dass der Informationsanspruch nach dem Verbraucherinformationsgesetz erfüllt werden könnte. Der Verbraucherinformationsanspruch nach dem Verbraucherinformationsgesetz schränkt den Informationsanspruch der Presse nach dem Pressegesetz nicht ein; die Regelungen ergänzen sich vielmehr. Der Gerichtshof beschäftigt sich ausführlich mit der Interessenabwägung im Rahmen des Pressegesetzes. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Auskunftserteilung Interessenabwägung Konkurrierende Rechtsvorschriften

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1 S 570/11 VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss In der Verwaltungsrechtssache - Antragstellerin - - Beschwerdeführerin - prozessbevollmächtigt: gegen Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Regierungspräsidium Karlsruhe - Abteilung 3 - Landwirt- schaft, Ländlicher Raum, Veterinär- und Lebensmittelwesen -, Schloßplatz 4-6, 76131 Karlsruhe, - Antragsgegner - - Beschwerdegegner - wegen Auskunft hier: Antrag nach § 123 VwGO hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Ellenberger, die Richterin am Ver- waltungsgerichtshof Schmenger und den Richter am Verwaltungsgerichtshof Epe am 10. Mai 2011 beschlossen:
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-2- Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8. Februar 2011 - 3 K 14/11 - wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung - teilweise - geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin die Titel der Kinderzeitschriften bekanntzugeben, in denen das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Karlsruhe gemäß Pressemitteilung 1/2010 vom 12.10.2010 in eingeklebten Kosmetikproben verbotene Farbstoffe und/oder Verdacht auf nicht zugelassene Farbstoffe festgestellt hat. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt der Antragsgegner. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-- EUR festge- setzt. Gründe Die Beschwerde ist zulässig. Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren zwar keinen förmlichen Antrag gestellt. Aus den dargelegten Gründen ergibt sich jedoch, dass Gegenstand dieses Verfahrens der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz in dem Umfang ist, wie er in der ersten Instanz beantragt wur- de. Dort hat die Antragstellerin den Antrag gestellt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr die Titel der Kinder- zeitschriften bekanntzugeben, in denen das Chemische und Veterinäruntersu- chungsamt Karlsruhe gemäß Pressemitteilung 1/2010 vom 12.10.2010 in ein- geklebten Kosmetikproben verbotene Farbstoffe, Verdacht auf nicht zugelas- sene Farbstoffe und Kennzeichnungsmittel (gemeint: Kennzeichnungsmängel) festgestellt hat. I. Die Beschwerde hat auch im wesentlichen Erfolg. Das Beschwerdevorbrin- gen, das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein Gegenstand der Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs ist, rechtfertigt eine Änderung des angefochtenen Beschlusses in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Denn der Antrag ist zulässig (1.). Auch hat die Antragstellerin insoweit das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs (2.) sowie eines Anordnungsgrundes (3.) mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
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-3- 1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere fehlt es der Antragstellerin nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Das Angebot des Antragsgegners, der Antragstellerin die gewünschte Auskunft - wenn auch nur auf schriftlichen Antrag und kostenpflichtig - nach den Vorschriften des Verbraucherinformati- onsgesetzes - VIG - zu erteilen, lässt das Rechtsschutzinteresse der Antrag- stellerin an einer Entscheidung nicht entfallen, weil die Information nach § 4 LPresseG im Gegensatz zu den Regelungen im Verbraucherinformationsge- setz eine wesentlich erleichterte, nicht an Kosten und formelle Anforderungen gebundene Auskunftserteilung vorsieht. 2. Bei summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass der Antragstellerin der geltend gemachte presserechtliche Auskunftsanspruch zusteht (2.1), oh- ne dass der Informationsanspruch nach § 1 Abs. 1 VIG entgegensteht (2.2.) und ohne dass der Antragsgegner berechtigt wäre, die begehrte Auskunft zu verweigern (2.3). 2.1 Der Auskunftsanspruch der Antragstellerin ergibt sich aus § 4 Abs. 1 LPresseG, wonach die Behörden verpflichtet sind, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Die Antragstellerin gehört als Verlegerin des „xxxxxxxxxxxxxxxxx“ zu den auskunftsberechtigten Personen und begehrt gegenüber dem Antragsgegner, der das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe (CVUA) be- treibt, Auskunft über Fakten in Bezug auf einen bestimmen Tatsachenkomplex (vgl. zu dieser Voraussetzung Burkhardt in: Löffler, Presserecht, 5. Aufl. 2006, § 4 LPG RdNr. 78). Denn die Antragstellerin begehrt von dem Antrags- gegner eine Auskunft über die Namen der Kinderzeitschriften, die gemäß Jah- resbericht des CVUA Karlsruhe 2009 und dessen Pressemitteilung vom 12.10.2010 in ihren Kinderzeitschriften kosmetische Mittel als Geschenk- pröbchen beigefügt hatten, welche laut Untersuchungsergebnissen des CVUA Karlsruhe mit den rechtlichen Vorgaben nicht übereinstimmten. Dies ist ein bestimmter Tatsachenkomplex, mit dem der Antragsgegner im Rahmen seiner Zuständigkeit befasst gewesen ist. Das Auskunftsbegehren erfolgt auch zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse, die darin liegt, dass sie in An- gelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbrei-
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-4- tet. Denn die Antragstellerin begehrt deshalb die Mitteilung der Titel der Kin- derzeitschriften, denen gesundheitsschädliche Beigaben beigefügt waren, um ihre Leser über die gesundheitliche Bedenklichkeit der Verwendung der un- tersuchten Kosmetikbeilagen durch noch in deren Besitz befindliche Ge- schenkproben zu informieren. 2.2   Dem presserechtlichen Auskunftsanspruch steht entgegen der Auffas- sung des Antragsgegners nicht entgegen, dass die Antragstellerin ihren In- formationsanspruch nach § 1 Abs. 1 VIG verfolgen könnte. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 VIG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zu- gang zu allen Daten über die Kennzeichnung, Herkunft, Beschaffenheit, Ver- wendung sowie das Herstellen oder das Behandeln von Erzeugnissen sowie über Abweichungen von Rechtsvorschriften über diese Merkmale und Tätig- keiten. Der Zugang zu diesen Daten, die dem Antragsgegner vorliegen, erfolgt nur nach Maßgabe des im VIG geregelten Verfahrens. So ist nach § 3 Abs. 1 VIG die Information nur auf schriftlichen Antrag zu erteilen. Nach § 4 VIG ist Dritten, deren Belange durch den Antrag auf Informationszugang betroffen sind, vor der Entscheidung schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme zu ge- ben. Darunter fallen nicht nur die Unternehmen, die ein beanstandetes Le- bensmittel herstellen, sondern auch - wie hier - unentgeltliche Beilagen im Sinne von Art. 3 Nr. 8 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 in den Verkehr bringen (§ 3 Nr. 1 LFGB für kosmetische Mittel). Der Informationszugang darf erst er- folgen, wenn die Entscheidung bestandskräftig ist oder zwei Wochen nach Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 4 Abs. 3 Satz 3 VIG). Ziel des Ver- braucherinformationsgesetzes ist die Gewährleistung einer umfassenden In- formation der Verbraucherinnen und Verbraucher; diesen wird hierdurch Zu- gang zu den bei den Behörden vorhandenen Informationen im Anwendungs- bereich des LFGB eröffnet (vgl. BT-Drs. 16/5404). Aus diesem Auskunftsan- spruch für jedermann folgt, dass auch Journalisten und Verlage unter den dort genannten gesetzlichen Voraussetzungen und unter Beachtung der Anforde- rungen hinsichtlich des Verfahrens Auskunft über die speziellen Daten und Informationen - wie hier - im Lebensmittel- und Kosmetikbereich erhalten können.
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-5- Die Erweiterung des Rechts der Verbraucherinformation durch das Verbrau- cherinformationsgesetz bedeutet indes nicht, dass hierdurch bestehende presserechtliche Auskunftsansprüche beschnitten werden sollten. Die Rege- lungen ergänzen sich vielmehr. Der Informationsanspruch für Verbraucher ist auf den einzelnen Verbraucher zugeschnitten, ohne die Presse hiervon aus- zuschließen. Der presserechtliche Auskunftsanspruch dient hingegen der Er- füllung der öffentlichen Aufgabe der Presse und hängt anders als das Ver- braucherinformationsgesetz im Interesse einer zeitnahen Informationsbe- schaffung nicht von besonderen verfahrensmäßigen Anforderungen ab. Mit der Gewährleistung der Pressefreiheit trägt das Grundgesetz der besonderen Bedeutung der Presse in einem freiheitlichen demokratischen Staatswesen Rechnung. Es schützt und sichert die Aufgabe der Presse, an dem Prozess der Bildung der öffentlichen Meinung teilzunehmen und dadurch an der politi- schen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Daraus folgt die Pflicht des Staates, diese Aufgabe der Presse zu respektieren. Hierzu gehört auch die Pflicht zur Erteilung von Auskünften. Einer freiheitlich-demokratischen Grund- ordnung entspricht ein Verhalten der Behörden, das in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse von Offenheit geprägt ist. Es erfordert die Bereitschaft, dem Bürger diese Angelegenheiten dadurch durchsichtig zu machen, dass der Presse (wie auch den anderen Medien) durch eine großzügige Informations- politik eine genaue und gründliche Berichterstattung ermöglicht wird (vgl. BVerfG, Teilurteil v. 05.08.1966 - 1 BvR 586/62, 610/63 und 512/64 -, BVerfGE 20, 162, 174 f.; BVerwG, Urt. v. 13.12.1984 - 7 C 139.81 -, BVerwGE 70, 310, 314). Mit der besonderen Bedeutung der Presse wäre es unvereinbar, wenn der presserechtliche Informationsanspruch durch den Aus- kunftsanspruch nach dem Verbraucherinformationsgesetz verdrängt würde (vgl. im Verhältnis zum Informationsfreiheitsgesetz auch OVG NRW, Be- schluss v. 19.02.2004 - 5 A 640/02 -, NJW 2005, 618; VG Köln, Urteil v. 27.01.2011 - 6 K 4265/09; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Auf- lage, S. 141 RdNr 5a). Etwas Anderes lässt sich weder dem Wortlaut noch Sinn und Zweck des Ver- braucherinformationsgesetzes entnehmen. Auch § 1 Abs. 5 LPresseG, wo- nach die Presse Gesetzen, die für jedermann gelten, unterworfen ist, steht
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-6- dem nicht entgegen. Aus dieser Vorschrift ist in diesem Zusammenhang ledig- lich zu folgern, dass ein Pressevertreter, soweit er einen Auskunftsanspruch nach dem Verbraucherinformationsgesetz geltend macht, - wie jedermann auch - den dortigen Regelungen unterworfen ist, nicht jedoch, dass hierdurch der presserechtliche Auskunftsanspruch beschränkt wird. 2.3 Der Antragsgegner ist auch nicht berechtigt, die erbetenen Auskünfte nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG zu verweigern; die übrigen Ausschlussvor- schriften sind im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG     können Auskünfte verweigert werden, soweit ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde. Als im Fal- le einer Auskunftserteilung betroffenes privates Interesse könnte das Interes- se der Herausgeber und Verlage der fraglichen Kinderzeitschriften an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 GG) in Betracht kommen. Dabei kann dahinstehen, ob und inwieweit die Eigentumsgarantie den Gewerbebetrieb als tatsächliche Zusammenfassung der zum Vermögen eines Unternehmens gehörenden Sachen und Rechte erfasst (vgl. zu dieser bislang in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts offen gelas- senen Frage zum Beispiel BVerfGE 51, 193 <221 f.>). Denn nicht jede Verlet- zung privater Interessen löst bereits die Sperrwirkung des § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG aus; es muss vielmehr die Verletzung schutzwürdiger privater Inte- ressen zu befürchten sein. Ob die betroffenen privaten Interessen schutzwür- dig sind, ist im Wege einer umfassenden Abwägung zwischen dem Informati- onsinteresse der Öffentlichkeit und den entgegenstehenden privaten Interes- sen zu ermitteln. Die widerstreitenden Rechtspositionen sind nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Entscheidend ist dabei, wie hoch das öffentliche Informationsinteres- se an der begehrten Auskunft zu bewerten und wie stark der Eingriff in private Rechte durch die Offenlegung der begehrten Informationen zu gewichten ist. Je geringer der Eingriff in das Recht des Privaten, desto geringere Anforde- rungen sind an das Informationsinteresse der Allgemeinheit zu stellen; je in- tensiver und weitergehend die begehrte Auskunft reicht, desto gewichtiger muss das öffentliche Informationsinteresse sein (vgl. Löffler/Burkhardt, a.a.O. RdNr. 111 m.w.N. aus der Rechtsprechung; BVerfG, Urteil v. 05.06.1973 - 1
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-7- BvR 536/72 -, BVerfGE 35, 202; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 11.11.2010 - 10 S 32.10 -, AfP 2010, 621 f. m.w.N.; OVG NRW, Beschluss v. 19.02.2004 - 5 A 640/02 -, NJW 2005, 618; VG Köln, Urteil v. 27.01.2011 - 6 K 4165/09 -, juris; OLG Hamm, Beschluss v. 31.01.2000 - 2 Ws 282/99 -, NJW 2000, 1278; OLG Stuttgart, Beschluss v. 21.06.2001 - 4 VAs 3/01 -, NJW 2001, 3797). Nach diesen Maßstäben ergibt die durchzuführende Abwägung hier ein Über- wiegen des Interesses der Öffentlichkeit an Information. Die Antragstellerin hat hier nachvollziehbar ein besonderes Interesse der Öf- fentlichkeit an den angeforderten Namen der Kinderzeitschriften, denen gesundheitsgefährdende Beigaben beigefügt waren, dargelegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bewertung des Informationsanliegens grundsätzlich der Presse selbst obliegt. Diese muss nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.08.2000 - 1 BvR 1307/91 -, NJW 2001, 503). Im vorliegenden Fall geht es der Antragstellerin als Verbraucherzeitschrift um Informationen über Tatsachen, an denen die Öffentlichkeit ein starkes Inte- resse hat. Die Antragstellerin möchte die Namen der Kinderzeitschriften er- fahren, denen gesundheitsgefährdende Geschenkbeigaben beigefügt waren, um die Leser dieser Zeitschriften, insbesondere die Eltern, auf die gesund- heitliche Bedenklichkeit der Verwendung der in den Proben enthaltenen Kos- metika durch ihre Kinder aufmerksam zu machen. Diese Geschenkbeigaben waren in den Zeitschriften zwar bereits im Jahre 2009 enthalten und es dürfte durch den Antragsgegner auch hinreichend sichergestellt sein, dass es künf- tig insoweit keine Beanstandungen mehr gibt; denn der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 21.12.2010 die Lebensmittelüberwachungsbehörden beauf- tragt, örtliche Zeitschriftenverlage prophylaktisch auf ihre Mitverantwortung und Sorgfaltspflichten als Unternehmer und Inverkehrbringer von Kosmetika bei der Beilegung schriftlich hinzuweisen. Ebenso wurde der Südwestdeut- sche Verband der Zeitschriftenverleger nach dem unwidersprochen gebliebe- nen Vortrag des Antragsgegners gebeten, seine Mitglieder entsprechend zu informieren. Die Antragstellerin hat jedoch im Beschwerdeverfahren nachvoll-
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-8- ziehbar dargelegt, dass derartige kosmetische Beigaben in Kinderzeitschriften sehr begehrt seien. Sie würden oft über einen längeren Zeitraum aufgehoben, um sie bei passender Gelegenheit zu benutzen. Dies entspricht nach Auffas- sung des Senats allgemeiner Lebenserfahrung. Deshalb wolle sie in ihrem Magazin über die bereits im xxxxxxxxxxxxxxxx 1/2011 publizierte Meldung hinaus, einen konkreten Hinweis auf die Problematik der Kosmetikbeigaben in den ihr nicht bekannten Zeitschriften veröffentlichen. Sie wolle mit diesem Hinweis davor warnen, derartige Produkte - vor allem bei Kindern - zum Ein- satz kommen zu lassen. Insoweit dürfte es sich entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch nicht um einen abgeschlossenen Sachverhalt handeln, der zu Gefahrenbefürchtungen keinen Anlass mehr gibt. Der Gegenwartsbe- zug besteht solange fort, wie wesentliche Nachteile gesundheitlicher Art noch zu befürchten sind. Das ist vorliegend der Fall. Die durch die begehrte Aus- kunft eröffnete Möglichkeit, die Öffentlichkeit (noch) zeitnah über die gesund- heitliche Problematik eines bestimmten Produkts, das sich zwar nicht mehr im Handel, aber noch im Gebrauch befinden dürfte, zu informieren, ist daher im- mer noch von hoher Aktualität. Gegenüber dem dargelegten besonderen Informationsinteresse, das hier für die Auskunftserteilung spricht, müssen die privaten, gegen die Auskunftsertei- lung streitenden Interessen zurücktreten. Zwar mag mit der öffentlichen Be- richterstattung, in welchen Kinderzeitschriften gesundheitsschädigende Ge- schenkproben beigefügt waren, möglicherweise eine vorübergehende Ge- winneinbuße bei Bekanntwerden der Namen der betroffenen Kinderzeitschrif- ten verbunden sein. Unabhängig von der Frage, ob das von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewer- bebetrieb damit überhaupt tangiert ist, fällt die Abwägung der privaten Inte- ressen der betroffenen Kinderzeitschriftenverleger mit dem - wie oben darge- legt - besonderen öffentlichen Informationsinteresse vorliegend zugunsten des Informationsinteresses aus. Dies wird auch vom Antragsgegner nicht substantiiert in Frage gestellt. Maßgeblich ist dabei, dass die begehrte Aus- kunft dazu dienen soll, Gesundheitsgefahren für den Verbraucher abzuweh- ren. Auch kann den Interessen der Zeitschriftenverlage bei der Entscheidung über die Art der Berichterstattung Rechnung getragen werden. Denn schließ-
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-9- lich dürften sie die Geschenkproben in der Vergangenheit ohne Kenntnis von deren gesundheitsschädlichen Auswirkungen in den Verkehr gebracht haben, so dass deren Ruf in den Augen der Verbraucher allenfalls dann nachhaltig beeinträchtigt wäre, wenn sie dem entsprechenden Hinweis des Antragsgeg- ners zuwider ihren Zeitschriften weiterhin die beanstandeten Geschenkproben beifügen würden. Davon kann aber derzeit nicht ausgegangen werden. Die ordnungsgemäße journalistische Verwendung und Verarbeitung der erteilten Auskünfte in eigener redaktionellen Verantwortung unterfällt dabei allein dem selbständigen Zuständigkeitsbereich der Presse, die im Fall einer rechtswidri- gen journalistischen Verarbeitung, für deren künftigen Eintritt hier keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, zudem Gegendarstellungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen ausgesetzt wäre. 3. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie begehrt zwar eine Vorwegnahme der Hauptsache, die grundsätzlich dem Wesen und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens widerspricht. Ein Abwarten auf den Ausgang eines noch anhängig zu machenden Hauptsa- cheverfahrens würde vorliegend jedoch den geltend gemachten Auskunftsan- spruch möglicherweise faktisch leerlaufen lassen. Denn das Informationsinte- resse der Öffentlichkeit hängt maßgeblich von der Aktualität der Berichterstat- tung ab, weshalb die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf eine zeitnahe Informationsbeschaffung    angewiesen    ist  (vgl. OVG   Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 11.11.2010 m.w.N.). Da es der Antragstellerin hier darum geht, noch bestehende Gesundheitsgefahren für die Leser von Kinderzeitschriften durch den Gebrauch von noch in deren Besitz befindlichen Haarglättungsmit- teln in Geschenkproben abzuwehren, benötigt sie die begehrten Auskünfte jetzt und nicht zu einem ungewissen Zeitpunkt in der Zukunft. Im Hinblick auf den verfassungsrechtlich verbürgten Wert der Pressefreiheit und das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist in diesem Fall die Vorwegnahme der Hauptsache in Kauf zu nehmen. II. Soweit der Antragsgegner in seinem Jahresbericht 2009 mitgeteilt hat, dass bei 33 Proben Kennzeichnungsmängel festgestellt worden seien, hat die Beschwerde hingegen keinen Erfolg. Ob mit den festgestellten Kennzeich-
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- 10 - nungsmängeln, soweit sie Geschenkbeilagen in Kinderzeitschriften betreffen, zugleich konkrete Gesundheitsgefahren für die Verbraucher verbunden sind, lässt sich im Rahmen des vorliegenden summarischen Verfahrens nicht fest- stellen. Insbesondere ist nach dem Vorbringen nicht erkennbar, ob in den eingeklebten Kosmetikproben neben den verbotenen Farbstoffen und dem Verdacht auf nicht zugelassene Farbstoffe gleichzeitig auch Kennzeich- nungsmängel festgestellt wurden, in diesem Fall wären diese ohnehin vom Auskunftsanspruch umfasst, oder ob teilweise Geschenkproben in Kinderzeit- schriften nur mit Kennzeichnungsmängeln behaftet waren, also allenfalls ein Gefahrenverdacht bestand, aber allein deshalb eine von dem Inhalt der Pro- ben ausgehende Gesundheitsgefahr für den Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht. Insoweit hat die Antragstellerin weder einen Anord- nungsanspruch noch einen Anordnungsgrund mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Die Verlage bzw. Herausgeber der derzeit nicht namentlich bekannten Kin- derzeitschriften waren nicht nach § 65 Abs. 2 VwGO beizuladen. Nach dieser Vorschrift sind Dritte dann notwendig beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen ge- genüber nur einheitlich ergehen kann. Dies ist dann der Fall, wenn die be- gehrte Sachentscheidung des Gerichts nicht wirksam getroffen werden kann, ohne dass dadurch zugleich unmittelbar und zwangsläufig Rechte des Beizu- ladenden gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 65 RdNr. 14). Dies ist hier nicht der Fall. Für eine so genannte einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO, wonach das Gericht von Amts wegen andere, deren rechtliche Inte- ressen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen kann, sah der Senat keinen Anlass. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Antrags- gegner hat die Kosten beider Instanzen in voller Höhe zu tragen, weil das Un- terliegen der Antragstellerin als geringfügig anzusehen ist.
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