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Aktenzeichen
8 A 2861/07
Datum
1. März 2011
Gericht
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Gesetz
Umweltinformationsgesetz Nordrhein-Westfalen (UIG NRW)
Umweltinformationsgesetz Nordrhein-Westfalen (UIG NRW)

Urteil: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen am 1. März 2011

8 A 2861/07

Das Oberverwaltungsgericht ändert das Urteil der Vorinstanz. Es stellt fest, dass sich Agrarsubventionen mittelbar auf die Umwelt auswirken könnten und als Umweltinformationen zu verstehen sind. Das Umweltinformationsgesetz ist als Anspruchsgrundlage anzuwenden. Natürliche Personen, die von der Offenlegung betroffen sind, müssen zwar zur Wahrung ihrer Datenschutzrechte angehört werden, Unternehmen können sich im Hinblick auf den Erhalt von Agrarsubventionen jedoch nicht auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Drittbetroffenheit Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten Begriffsbestimmung

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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2861/07                                  Seite 1 von 20 Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2861/07 Datum:                 01.03.2011 Gericht:               Oberverwaltungsgericht NRW Spruchkörper:          8. Senat Entscheidungsart:      Urteil Aktenzeichen:          8 A 2861/07 Tenor:                 Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsge¬richts Düsseldorf vom 24. August 2007 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 2006 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin, ihr Auskunft zu erteilen über Namen, Betriebsnummern sowie Anschriften von natürlichen Personen als Einzelemp-fängern, die in den Haushaltsjahren 2002 bis 2004 EU- Agrarsubventionszahlungen in Höhe von 50.000 Euro pro Jahr oder mehr erhalten haben, einschließlich der Angabe der Höhe der Förder¬summe und der Herkunft der Mittel (des "Förder¬topfes"), unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen tragen die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hin¬terlegung des beizutreibenden Betrags ab¬wen¬den, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2861_07urteil... 14.05.2011
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2861/07                                  Seite 2 von 20 gleicher Höhe Sicherheit leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:                                                                           1 Der Rechtsstreit betrifft den Zugang zu Informationen über Zahlungen aus dem          2 EU-Agrarhaushalt (insbesondere sogenannte Direktzahlungen an Landwirte sowie Förderungen zur Entwicklung des ländlichen Raums). Die Klägerin ist Journalistin und befasst sich seit Jahren mit dem europäischen       3 Agrarhaushalt. Sie bat mit Schreiben vom 30. März 2005 das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (heute: Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, im Folgenden: Ministerium), gestützt auf das Umweltinformationsgesetz des Bundes vom 22. Dezember 2004 (UIG), hilfsweise gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (IFG NRW), um näher bezeichnete Informationen zu EU-Agrarsubventionen möglichst in elektronischer Form (Jahresabrechnung für die Jahre 2002 bis 2004, Namen und Adressen der Einzelempfänger, die jährlich mehr als 50.000 Euro aus einem oder mehreren Förderprogrammen empfangen haben). Mit Schreiben vom 19. April 2005 teilte das Ministerium ihr mit, dass die             4 erbetenen Informationen gegen Zahlung einer Verwaltungsgebühr in Höhe von voraussichtlich 150 Euro zur Verfügung gestellt werden könnten, jedoch hinsichtlich der Einzelempfänger nur in anonymisierter Form. Eine Angabe von Namen, Adressen, Betriebsnummern oder sonstigen personenbezogenen Daten sei aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich. Mit Schreiben vom 16. Mai 2005 wandte die Klägerin ein, Datenschutzgründe             5 stünden ihrem Begehren nicht entgegen. Bei juristischen Personen oder Personengesellschaften gehe es nicht um den Schutz personenbezogener Daten. Dass sonstige Ausschlussgründe vorlägen, sei nicht dargelegt worden. Im Übrigen überwiege im Ergebnis das Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu den Informationen. Das Ministerium lehnte mit Bescheid vom 16. Januar 2006 den Antrag unter              6 Hinweis auf § 9 Abs. 1 IFG NRW ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Rechtsgrundlagen über die Gewährung von Umweltinformationen seien nicht einschlägig. Der Begriff "Umweltinformationen" sei in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/4/EG definiert. Die erbetenen Daten ließen sich nicht unter diesen Begriff subsumieren. Die Empfänger von EU-Fördergeldern von mehr als 50.000 Euro seien überwiegend natürliche Einzelpersonen. Bei den gewünschten Informationen (Namen, Adresse und Betriebsnummer) handele es sich um Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2861_07urteil... 14.05.2011
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2861/07                                    Seite 3 von 20 bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person gemäß § 3 DSG NRW (sog. personenbezogene Daten). Damit sei der Antrag auf Informationsgewährung nach § 9 Abs. 1 IFG NRW abzulehnen. Anders als im Recht der Umweltinformationen kenne das IFG NRW eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe und dem Interesse des Betroffenen am Schutz seiner personenbezogenen Daten nicht. Die Klägerin hat am 15. Februar 2006 Klage erhoben, zu deren Begründung sie             7 im Wesentlichen geltend gemacht hat: Informationen über landwirtschaftliche Subventionen seien Umweltinformationen. Der Agrar-Sektor sei von der Natur der Sache her unmittelbar mit der Umwelt verbunden; grundsätzlich wirkten sich alle die Landwirtschaft betreffenden Maßnahmen auch auf die Umwelt aus. Zudem beträfen die in Rede stehenden Fördersummen in aller Regel flächenbezogene Maßnahmen und seien als solche immer und unmittelbar umweltrelevant. Die Gewährung von Beihilfen habe einen steuernden Effekt hinsichtlich des Verhaltens des Landwirtes. Diese mittelbare Umweltrelevanz sei ausreichend. Überdies habe die Gemeinschaft beginnend mit der Agrar-Reform 2003 festgelegt, dass verpflichtende Querverbindungen zwischen EU- Direktzahlungen einerseits und Verpflichtungen des Umweltschutzes, des Verbraucherschutzes und des Tierschutzes andererseits herzustellen seien ("cross compliance"). Danach würden Zahlungen an die Erfüllung bestimmter überwiegend umweltrelevanter Maßnahmen gebunden. Was die Frage der personenbezogenen Daten angehe, sei das Ministerium                   8 verpflichtet, die Liste von Einzelempfängern durchzugehen und jeweils zu ermitteln, ob das Informationsbegehren geschützte personenbezogene Daten betreffe. Dies ergebe sich zwangsläufig aus der Systematik der Richtlinie 2003/4/EG (Umweltinformationsrichtlinie). Nur für solche Empfänger, die natürliche Personen seien, komme der Ausnahmegrund des Datenschutzes überhaupt in Betracht. Bei Ein-Mann-Unternehmen könne der Schutz personenbezogener Daten nur greifen, wenn die Preisgabe der Daten nicht nur das Unternehmen als Rechtssubjekt betreffe, sondern auch in die Privatsphäre des Unternehmers einwirke. Genau dieser Durchgriff in die Privatsphäre sei aber bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht gegeben. Es stehe nicht der Schutz der Persönlichkeit, sondern allenfalls der Schutz geschäftlicher Interessen im Raum. Ein Wettbewerbselement sei bei der Subventionsvergabe schon vom Grundsatz her nicht erkennbar, weil bei der Erfüllung der einschlägigen tatbestandlichen Voraussetzungen jede Person des Wirtschaftslebens Anspruch auf eine gleiche Subvention erheben könne. Daher könne die Verbreitung der Information, dass eine Person eine Subvention erhalten habe, keinen Schaden anrichten. Einen solchen habe der Beklagte auch nicht im Ansatz dargetan. Schließlich liefen auf EU-Ebene Bestrebungen mit dem Ziel, die Veröffentlichung der Begünstigten und der erhaltenen Finanzhilfen gesetzlich festzuschreiben. An der Offenlegung der begehrten Informationen bestehe ein öffentliches                 9 Interesse, weil es bei der Subventionsvergabe um die Vergabe öffentlicher Mittel gehe, hinsichtlich derer die Öffentlichkeit ein originäres Kontrollrecht habe, das aber ohne Zugang zu den relevanten Informationen nicht ausgeübt werden könne. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2861_07urteil... 14.05.2011
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2861/07                                   Seite 4 von 20 Auch bei der Anwendung des IFG NRW bestünden keine entgegenstehenden                  10 Ausnahmegründe. Gehe man von der Weitergabe personenbezogener Daten aus, so sei der Anspruch nicht nach § 9 Abs. 1 IFG NRW ausgeschlossen, da es eine gesetzliche Erlaubnis zur Weitergabe im Datenschutzrecht gebe (§ 9 Abs. 1 Buchst. b) IFG NRW, § 16 Abs. 1 Buchst. d) DSG NRW). Die Klägerin hat beantragt,                                                           11 12 den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 16. Januar 2006 z verpflichten, ihr Auskunft zu erteilen über Namen, Betriebsnummern sowie Anschriften von Einzelempfängern als natürlichen Personen, die im Zeitrau 2002 bis 2004 pro EU-Haushaltsjahr Beihilfen in Höhe von 50.000 Euro od mehr erhalten haben, einschließlich der Angabe der Höhe der Fördersumm und der Herkunft der Mittel ("des Fördertopfes"). Der Beklagte hat beantragt,                                                           13 14 die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Bei den fraglichen                  15 Informationen handele es sich nicht um Umweltinformationen i.S. des Art. 2 Nr. 1 Buchst. c) der Richtlinie 2003/4 EG. Die Agrar-Förderung im angefragten Umfang stelle keine Maßnahme oder Tätigkeit zum Schutz der Umweltbestandteile und faktoren dar. Vielmehr gehe es um Stützungsregelungen zur Gewährleistung eines besseren Marktgleichgewichtes. Die Agrarbeihilfen dienten dem Ziel, die durch die Senkung institutioneller Preise entstehenden Einkommenseinbußen durch eine Ausgleichszahlung an die Erzeuger auszugleichen. Sie verfolgten daher weder unmittelbar noch mittelbar eine umweltschützende Zielsetzung i.S. der genannten Vorschrift. Es handele sich bei den Agrarsubventionen auch nicht um Maßnahmen, die sich i.S. der 1. Alternative des Art. 2 Nr. 1 Buchst. c) der Richtlinie 2003/4/EG auf die Umweltbestandteile und -faktoren auswirkten oder wahrscheinlich auswirkten. Bei Anwendung eines umfassenden Kausalitätsbegriffes wäre jede die Landwirtschaft betreffende Maßnahme "umweltkausal". Nach Sinn und Zweck der Vorschrift müsse aber zwischen der Maßnahme und der Auswirkung auf die Umwelt eine vorhersehbare Beziehung bestehen, zumindest eine konkrete Umweltrelevanz erkennbar sein. Dies wäre der Fall, wenn aus der Maßnahme selbst auf bestimmte konkrete Umweltauswirkungen geschlossen werden könne, wie z.B. bei Maßnahmen, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben sei. Vorliegend könnten Umweltauswirkungen jedoch erst durch weitere Entscheidungen und Maßnahmen der geförderten Betriebe eintreten; diese seien weder intendiert noch vorhersehbar. Die von der Klägerin vorgetragenen Erwägungen zur sog. cross-compliance im Rahmen der neuen gemeinsamen Agrarpolitik rechtfertigten keine andere Beurteilung. Denn diese Regelungen seien erst seit dem 1. Januar 2005 gültig und erfassten damit nicht den Zeitraum der von der Klägerin erbetenen Informationen. Der geltend gemachte Anspruch könne auch nicht auf § 4 Abs. 1 IFG NRW                 16 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2861_07urteil... 14.05.2011
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2861/07                                   Seite 5 von 20 gestützt werden, da § 9 Abs. 1 IFG NRW der Gewährung der erbetenen Informationen entgegenstehe. Die Klägerin habe ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der begehrten Informationen i.S. des § 9 Abs. 1 Buchst. e) IFG NRW nicht geltend gemacht. Die vom Beklagten in Aussicht gestellte Informationsgewährung unter Schwärzung der personenbezogenen Daten habe die Klägerin abgelehnt. In der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2007 hat das Ministerium sich            17 bereit erklärt, der Klägerin die Daten der in den vorliegenden Listen als juristische Personen erkennbaren Betriebe zukommen zu lassen. Im Nachgang zu der mündlichen Verhandlung wurden der Klägerin die zuvor genannten Empfänger (einschließlich der Personengesellschaften) mitgeteilt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen             18 Anspruch auf eine Informationserteilung in dem von ihr begehrten Umfang. Der Anspruch ergebe sich zunächst nicht aus den Bestimmungen des Umweltinformationsgesetzes NRW, da es sich bei den begehrten Informationen soweit man überhaupt die ohne Weiteres abtrennbaren personenbezogenen Merkmale der Förderungsempfänger (Namen, Betriebsnummer und Anschrift) als Bestandteil der nach Auffassung der Klägerin umweltrelevanten Maßnahme ansähe nicht um Umweltinformationen i.S. des § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 2 Abs. 3 UIG (Bund) handele. Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem IFG NRW, weil § 9 IFG NRW als 19 Ausschlussgrund eingreife. Bei den gewünschten Informationen handele es sich um personenbezogene Daten i.S.d. § 3 Abs. 1 DSG NRW. Eine Einwilligung in die Offenbarung dieser Daten liege seitens der Empfänger der Fördermittel nicht vor. Dies habe gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 IFG NRW zur Folge, dass das Ministerium gehalten gewesen sei zu prüfen, ob dem Antrag auf Informationszugang nach Abtrennung oder Schwärzung der personenbezogenen Daten stattgegeben werden könne. Da die Schwärzung hier ohne Weiteres möglich sei, habe der Beklagte sich bereit erklärt, Einsichtnahme in die geschwärzten Unterlagen zu gewähren. Auch die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Buchst. b) oder e) IFG NRW lägen nicht vor. Unerheblich seien schließlich die Ausführungen der Klägerin zu den sogenannten cross-compliance-Regelungen, weil diese erst ab dem 1. Januar 2005 wirksam seien. Für bereits abgeschlossene Fördervorgänge entfalte diese Neuregelung keine Rückwirkung. Die Klägerin begründet ihre - vom Senat zugelassene - Berufung wie folgt:             20 Informationen über Agrarsubventionen seien Umweltinformationen im Sinne des 21 § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG (Bund). Gegenstand der gemeinsamen Agrarpolitik sei die Marktsteuerung im Agrarbereich, d.h. die Beeinflussung landwirtschaftlicher Tätigkeiten in einem umfassenden Sinne. Das Spektrum der zugehörigen Maßnahmen werde in § 6 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (MOG) beschrieben. Es umfasse z.B. Ausfuhr- und Produktionserstattungen, Übergangsvergütungen, Denaturierungs- und Nichtvermarktungsprämien, Vergütungen für die Aufgabe der Produktion etc. Für die Direktzahlungen sei auf die Verordnung (EG) http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2861_07urteil... 14.05.2011
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2861/07                                  Seite 6 von 20 Nr. 1259/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 zur Festlegung von Gemeinschaftsregeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik hinzuweisen. Landwirtschaftliche Tätigkeit, insbesondere solche, die von Agrarsubventionen betroffen sei, stelle stets eine Tätigkeit der Urproduktion dar, also der Erzeugung von Naturprodukten (Pflanzen, Tiere). Subventionen hätten auf diese landwirtschaftlichen Tätigkeiten teilweise wenn die Subvention unmittelbar auf den Umweltschutz ziele direkte, teilweise mittelbare Auswirkungen, weil die Vergabe der Subventionen zu Änderungen im landwirtschaftlichen Produktionsverhalten führe. Auch beeinflusse die Subventionierung die Absatzmöglichkeiten für landwirtschaftliche Erzeugnisse und habe damit ebenfalls mittelbar Auswirkungen auf Umweltbestandteile und faktoren gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 und 2 UIG (Bund). Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Trennung der Angabe personenbezogener Daten von den Informationen über die Subvention selber sei widersinnig. Würde man diesen Standpunkt konsequent zu Ende denken, bedürfe es keinerlei Regeln mehr zum Schutz privater Interessen im Umweltinformationsrecht. Es sei widersprüchlich, dass das Ministerium hinsichtlich der juristischen           22 Personen die begehrten Informationen ohne vorherige Anhörung herausgegeben habe, dies aber bei natürlichen Personen zwingend für erforderlich halte. Die Klägerin beantragt,                                                              23 24 das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 24. August 2007 zu änd und den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW vom 16. Januar 2006 zu verpflichten, ihr Auskunf erteilen über Namen, Betriebsnummern sowie Anschriften von Einzelempfängern als natürlichen Personen, die im Zeitraum 2002 bis 2004 Agrarsubventionszahlungen in Höhe von 50.000 Euro pro Haushaltsjahr od mehr erhalten haben, einschließlich der Angabe der Höhe der Fördersumm und der Herkunft der Mittel (des "Fördertopfes"). Der Beklagte beantragt,                                                              25 26 die Berufung zurückweisen. Der Beklagte hält daran fest, dass es sich bei den begehrten Angaben nicht um        27 Umweltinformationen handele, da ihnen von vornherein jeglicher umweltspezifischer Aussagegehalt fehle. Stattdessen gehe es allein um die ökonomische Bedeutung der Daten. Dies wisse auch die Klägerin, die gerade wegen solcher Gesichtspunkte ein Interesse an diesen Daten habe, wie sich an ihrer Veröffentlichung in der Zeitschrift "Stern" vom 8. November 2007 zeige. Es bestehe auch kein untrennbarer Zusammenhang zwischen den personenbezogenen Daten und den Fördermaßnahmen. Auch ansonsten beziehe sich der Informationsanspruch stets nur auf diejenigen Teile eines Verwaltungsvorganges, der umweltrelevante Informationen enthalte. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2861_07urteil... 14.05.2011
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2861/07                                Seite 7 von 20 Selbst wenn man aber von einer untrennbaren Verbindung ausginge, liege keine 28 Umweltinformation vor. Die Variante des § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b) UIG (Bund) scheide bereits deshalb aus, weil durch die Agrarsubventionen nicht vorrangig der Schutz der Umwelt bezweckt werde. Die Förderung erfolge vor allem im Interesse der Marktordnung und Einkommensstützung. Es handele sich um Zahlungen, die die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Erzeuger zum Ziele hätten. Darüber hinaus sei auch § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a) UIG (Bund) nicht erfüllt. Die Agrarsubventionen wirkten sich weder auf Umweltbestandteile im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG (Bund) oder auf Faktoren im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG (Bund) aus, noch sei eine entsprechende Auswirkung wahrscheinlich. Zwar sei nach dem Wortlaut lediglich eine allgemeine "Umweltkausalität" Voraussetzung für das Vorliegen von Umweltinformationen. Auch sei der Begriff der Umweltinformation nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit auszulegen, so dass nicht zwischen unmittelbaren und nur mittelbaren Auswirkungen auf die Umwelt unterschieden werden dürfe. Dennoch müsse nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch hier eine Eingrenzung des Anwendungsbereiches erfolgen, da sich ansonsten bei nahezu jeder Information ein irgendwie gearteter Umweltbezug begründen ließe. Ziel des Umweltinformationsgesetzes sei es, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksame Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und auf diese Weise den Umweltschutz zu verbessern, nicht jedoch ein Zugangsrecht zu allen auch nur im Entferntesten mit der Umwelt in Bezug stehenden Informationen zu schaffen. Dass die danach erforderliche Umweltkausalität bei den hier in Rede stehenden Agrarsubventionen nicht gegeben sei, zeige sich auch an der Kritik der Umweltschutzorganisationen, die eine Strukturreform der Agrarsubventionen forderten weg von Zahlungen, die sich allein an der Hektargröße eines Betriebes orientieren, und hin zu einer Förderung konkreter ökologischer und regionalwirtschaftlicher Leistungen. Auch aus der Höhe der Agrarsubventionen ergebe sich kein Aufschluss über die Art der landwirtschaftlichen Nutzung, die letztlich allein vom Willen des Subventionsempfängers abhänge. Der Klägerin stehe auch kein Auskunftsanspruch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW zu. 29 Dem Anspruch stehe der Ausschlussgrund des § 9 Abs. 1 IFG NRW entgegen. Die Offenbarung personenbezogener Daten sei insbesondere nicht im Sinne von § 9 Abs. 1 Buchst. b) IFG NRW durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erlaubt. Darüber hinaus könne die Klägerin auch kein überwiegendes rechtliches Interesse an der Herausgabe der personenbezogenen Daten i.S.v. § 9 Abs. 1 Buchst. e) IFG NRW geltend machen. Dem Informationsinteresse der Klägerin stünden schutzwürdige, private Interessen der Förderungsempfänger entgegen. Die Interessen der Klägerin würden insbesondere deshalb nicht überwiegen, weil die Berichterstattung über Agrarsubventionen auch bei fehlender Offenlegung der streitgegenständlichen Daten nicht im geringsten beeinträchtigt würde. Dem berechtigten Interesse an einer Geheimhaltung von Daten aus den Jahren         30 2002 bis 2004 könne auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass mittlerweile in der Bundesrepublik Deutschland die Europäische Transparenzinitiative umgesetzt und nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Veröffentlichung von Informationen über die Zahlung von Mitteln aus http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2861_07urteil... 14.05.2011
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2861/07                                 Seite 8 von 20 den Europäischen Fonds für Landwirtschaft und Fischerei (Agrar- und Fischereifonds-Informationen-Gesetz AFIG vom 26. Dezember 2008) Informationen über die Empfänger von EU-Agrarfördermitteln auf der Internetseite www.agrar-fischerei-zahlungen.de veröffentlicht werden. Insoweit sei nämlich zu berücksichtigen, dass durch die Vorgaben in Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 259/2008 sichergestellt sei, dass Empfänger von Agrarsubventionen zum Zeitpunkt der Beantragung oder zum Zeitpunkt der Erhebung der betreffenden Daten über die Veröffentlichung informiert würden. Auf diese Weise erhielten die Empfänger die Möglichkeit, eine freie Entscheidung darüber zu treffen, ob sie an einer Beantragung von Subventionsmitteln die nunmehr an das Einverständnis zur Veröffentlichung geknüpft sei festhalten wollen. Eine derart freie Entscheidungsmöglichkeit habe aber für Agrarsubventionsempfänger in den Jahren 2002 bis 2004 nicht bestanden. Gebe man dem Informationsbegehren der Klägerin statt, würden die neu geschaffenen gesetzlichen Grundlagen rückwirkend zu Lasten der Betroffenen unterlaufen. Erstmals mit Schriftsatz vom 22. Februar 2011 hat der Beklagte geltend              31 gemacht, die Zusammenstellung der von der Klägerin gewünschten Informationen sei bei weit über 250.000 Datensätzen mit einem "sehr erheblichen Zeitaufwand" verbunden. Entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben enthielten die Datensätze keine Differenzierung zwischen natürlichen und juristischen Personen. Auch aus den Namen der Empfänger sei grundsätzlich nicht erkennbar, ob es sich um eine juristische oder eine natürliche Person handele. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte diesen Vortrag präzisiert: In den vom Klageantrag erfassten Haushaltsjahren (2002 bis 2004) hätten die Empfänger insoweit nicht immer hinreichend vollständige Angaben gemacht, zum Teil hätten die Zahlstellen die Listen nicht immer genau geführt. Damals sei die Unterscheidung auch nicht notwendig gewesen. Erst im Hinblick auf die spätere Veröffentlichungspflicht und das EuGH-Urteil vom 9. November 2010 C-92/09 und C-93/09 werde es jetzt erforderlich, genau zu differenzieren. Deshalb müssten die Daten, um dem Begehren der Klägerin zu entsprechen, von Hand überprüft werden. Der Senat hatte im Hinblick auf die beim Europäischen Gerichtshof anhängigen        32 Verfahren C-92/09 und C-93/09 das Ruhen des Verfahrens angeordnet und das Verfahren nach Ergehen des Urteils vom 9. November 2010 wieder aufgenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug              33 genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Ministeriums. Entscheidungsgründe:                                                                34 Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat nur         35 zum Teil Erfolg. Die Klägerin hat gegenwärtig lediglich einen Anspruch darauf, dass über ihren Antrag auf Auskunft über Namen, Betriebsnummern sowie Anschriften von natürlichen Personen, die in den Haushaltsjahren 2002 bis 2004 als Einzelempfänger EU-Agrarsubventionszahlungen in Höhe von 50.000 Euro http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2861_07urteil... 14.05.2011
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2861/07                                  Seite 9 von 20 pro Jahr oder mehr erhalten haben, einschließlich der Angabe der Höhe der Fördersumme und der Herkunft der Mittel (des "Fördertopfes"), neu entschieden wird. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 2 Sätze 1 und 3 des                                36 Umweltinformationsgesetzes Nordrhein-Westfalen (UIG NRW) vom 29. März 2007 (GV. NRW. 2007, 142) i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 des Umweltinformationsgesetzes des Bundes [UIG (Bund)] vom 22. Dezember 2004 (BGBl. I, 3704), auf das das nordrhein-westfälische Gesetz verweist. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG (Bund) hat jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt. Bei den begehrten Informationen handelt es sich um Umweltinformationen im Sinne des § 2 Satz 3 UIG NRW i. V. m. § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG (Bund) (1). Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen ist eine informationspflichtige Stelle i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 1 UIG NRW und verfügt auch über die fraglichen Informationen (2). Dem Anspruch steht aber möglicherweise ein Ablehnungsgrund nach § 2 Satz 3 UIG NRW, § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG (Bund) entgegen (Schutz personenbezogener Daten); insoweit ist die Sache nicht spruchreif im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, so dass der Beklagte nur zur Neubescheidung verpflichtet werden kann (3). 1. Bei den von der Klägerin gewünschten Angaben über Zahlungen aus dem               37 EU-Agrarhaushalt handelt es sich um Umweltinformationen i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG (Bund). Der Begriff der Umweltinformationen ist - insbesondere nach der Neufassung des Umweltinformationsgesetzes des Bundes - weit auszulegen (a). Hiervon ausgehend sind Informationen über Zahlungen aus dem EU- Agrarhaushalt regelmäßig Umweltinformationen im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3a UIG (Bund) (b). a) § 2 Abs. 3 UIG (Bund) in der aktuellen Fassung lautet:                            38 39 "Umweltinformationen sind unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über 40 1. den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen; 41 2. Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken; 42 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2861_07urteil... 14.05.2011
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2861/07                                  Seite 10 von 20 3. Maßnahmen oder Tätigkeiten, die 43 a) sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder 44 b) den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nummer 1 bezwecken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme;..." Demgegenüber hatte § 3 Abs. 2 UIG (Bund) a.F. (Umweltinformationsgesetz               45 vom 8. Juli 1994, BGBl. I, 1490; i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. August 2001, BGBl. I, 2218) folgenden Wortlaut: 46 "Informationen über die Umwelt sind alle in Schrift, Bild oder auf sonstigen Informationsträgern vorliegenden Daten über 47 1. den Zustand der Gewässer, der Luft, des Bodens, der Tier- und Pflanzenwelt und der natürlichen Lebensräume, 48 2. Tätigkeiten, einschließlich solcher, von denen Belästigungen wie beispielsweise Lärm ausgehen, oder Maßnahmen, die diesen Zustand beeinträchtigen oder beeinträchtigen können, und 49 3. Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz dieser Umweltbereiche einschließlich verwaltungstechnischer Maßnahmen und Programme zum Umweltschutz." Die Neufassung erfolgte durch das Gesetz zur Neugestaltung des                        50 Umweltinformationsgesetzes und zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel vom 22. Dezember 2004 (BGBl. I, 3704). Der Gesetzgeber wollte sich bei dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 UIG (Begriff der Umweltinformation) ausdrücklich eng an die Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41, 26) anlehnen, deren Begriffsbestimmung gegenüber der ursprünglichen Fassung in der Richtlinie 90/313/EWG vom 7. Juni 1990 (ABl. L 158, 56) "umfassender definiert" sei. 51 BT-Drucks. 15/3406, S. 11 und 14 f. Die EU-Kommission hatte dies mit den Versuchen der Mitgliedstaaten                    52 begründet, den Begriff einengend auszulegen: Zwar habe bereits die Richtlinie 90/313/EWG eine weit gefasste Definition des Begriffs "Informationen über die http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2861_07urteil... 14.05.2011
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