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Aktenzeichen
17 K 1616/09
Datum
16. September 2010
Gericht
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am 16. September 2010

17 K 1616/09

Der Anspruch des Insolvenzverwalters auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen besteht gegenüber einem Sozialversicherungsträger auch dann, wenn die Information zum Nachteil des Sozialversicherungsträgers im Rahmen eines zivilrechtlichen Klageverfahrens (Insolvenzanfechtung) verwendet werden soll. Weder schließen das Sozial- noch das Insolvenzrecht einen solchen Anspruch aus dem Informationsfreiheitsgesetz aus. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Konkurrierende Rechtsvorschriften Schutz besonderer Verfahren

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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2010/17_K_1616_09urteil20100916.html Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 1616/09 Datum:                       16.09.2010 Gericht:                     Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Spruchkörper:                17. Kammer Entscheidungsart:            Urteil Aktenzeichen:                17 K 1616/09 Schlagworte:                 Zugang, Information, Insolvenzverwalter, Insolvenzanfechtung, Sozialversicherungsträger, Krankenkasse, Geschäftsgeheimnis, personenbezogene Daten, Sozialdatenschutz Normen:                      IFG NRW §§ 4 Abs 1, 2 Abs 1, 4 Abs 2, 5 Abs 4, 8, 9; SGB X § 25; SGB X § 67; InsO §§ 97, 101 Leitsätze:                   Der Anspruch des Insolvenzverwalters nach § 4 Abs. 1 IFG NRW besteht gegenüber einem Sozialversicherungsträger auch dann, wenn die Information zum Nachteil des Sozialversicherungsträgers im Rahmen eines zivilrechtlichen Klageverfahrens (Insolvenzanfechtungsprozess) verwendet werden soll. Tenor:                       Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat. Im Übrigen wird die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 9. Dezember 2008 und ihres Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2009 verpflichtet, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe die Beklagte von der H. H1. GmbH, S. 50, 45*** F. , im Zeitraum 1. Mai 2008 bis 31. Juli 2008 Sozialversicherungsbeiträge erhalten hat. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. T a t b e s t a n d:                                                                                1 Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts F. vom 1. Oktober 2008 (Az.: 162 IN                 2 1 von 7
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2010/17_K_1616_09urteil20100916.html 000/08) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. H1. GmbH, S. 50, 45*** F. (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) ernannt worden. Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin waren bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Der Kläger bat die Beklagte mit Schreiben vom 11. November 2008 um Mitteilung, welche     3 Zahlungen der Insolvenzschuldnerin sie auf Sozialversicherungsbeiträge im Zeitraum 1. Mai 2008 bis 30. September 2008 erhalten habe. Mit Bescheid vom 9. Dezember 2008 verweigerte die Beklagte die erbetene Auskunft          4 unter Hinweis darauf, dass der vom Kläger auf der Grundlage des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz -IFG) geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht gegeben sei, da das IFG gegenüber der Beklagten als landesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht anwendbar sei. Nach der Rechtsprechung des BGH bestünde im Übrigen keine Auskunftspflicht gegenüber dem Insolvenzverwalter. Den dagegen am 31. Dezember 2008 eingelegten Widerspruch des Klägers wies die             5 Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2009 als unbegründet zurück. Das IFG sei nicht anwendbar. Ansprüche aus dem Informationsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen könne der Kläger ebenfalls nicht mit Erfolg geltend machen, da er sich die begehrten Informationen aus den Geschäftsunterlagen der Insolvenzschuldnerin beschaffen könne. Zudem sei zu befürchten, dass durch die Übermittlung der begehrten Informationen Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse offenbart würden und der Beklagten dadurch wirtschaftlicher Schaden entstehen könnte. Auch aus anderen Rechtsvorschriften lasse sich ein Auskunftsanspruch des Klägers nicht ableiten. Nach der Rechtsprechung des BGH bestehe kein Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegenüber einem Gläubiger des Insolvenzschuldners als potenziellem künftigen Anfechtungsgegner. Der Kläger hat am 9. März 2009 Klage beim Sozialgericht E. - entsprechend der             6 Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid - erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 1. April 2009 an das erkennende Gericht verwiesen hat. Der Kläger macht geltend, er könne sich die begehrten Informationen nicht anderweitig     7 insbesondere nicht anhand der Geschäftsunterlagen der Vollstreckungsschuldnerin verschaffen. Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf eine Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Interessen berufen, da ein solcher Schutzanspruch nur gegenüber Wettbewerbern bestehe. Der Schutz von Sozialdaten aus §§ 67 ff. SGB X greife nicht, da keine Auskunft zu persönlichen Daten des einzelnen Arbeitnehmers, sondern lediglich zu Zahlungsvorgängen verlangt werde. Der Kläger beantragt,                                                                     8 die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 9. Dezember 2008 und ihres              9 Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2009 zu verpflichten, ihm Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe die Beklagte von der H. H1. GmbH, S. 50, 45*** F. im Zeitraum 1. Mai 2008 bis 31. Juli 2008 Sozialversicherungsbeiträge erhalten hat. Die Beklagte beantragt,                                                                  10 die Klage abzuweisen.                                                                    11 Sie nimmt zur Begründung Bezug auf die Ausführungen in den angefochtenen                 12 Bescheiden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der      13 2 von 7
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2010/17_K_1616_09urteil20100916.html Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Entscheidungsgründe.                                                                      14 Soweit der Kläger die Klage durch Beschränkung des von seinem Auskunftsbegehren           15 erfassten Zeitraums sinngemäß zurückgenommen hat, wird das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt. Die Klage ist in ihrem danach noch anhängigen Umfang als Verpflichtungsklage zulässig     16 und begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft.    17 Der diesen Anspruch versagende Bescheid der Beklagten vom 9. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 10. Februar 2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch des Klägers ist § 4 Abs. 1 des         18 Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein- Westfalen (IFG NRW). Nach dieser Vorschrift hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei dieser Stelle vorhandenen amtlichen Informationen. Der Kläger fällt auch in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter in den persönlichen    19 Anwendungsbereich des Gesetzes. Er nimmt als Insolvenzverwalter Aufgaben als Partei kraft Amtes wahr und handelt in eigenem Namen für fremdes Vermögen. Er wird damit als natürliche Person tätig und gehört zu dem von § 4 Abs. 1 IFG NRW erfassten Personenkreis. Vgl. zu § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des      20 Bundes: OVG NRW, Beschluss vom 28. Juli 2008 - 8 A 1548/07 -, NWVBl. 2008, 59; vgl. ferner OVG NRW, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, DÖV 2005, 832 und Beschluss vom 20. April 2010 - 8 A 2513/09 -;VG Hamburg, Urteil vom 1. Oktober 2009 - 9 K 2474/08 -, juris; OVG Koblenz, Urteil vom 12. Februar 2010 - 10 A 11156/09 -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 20. April 2007 - 26 K 5324/06 -, juris. Die beklagte AOK ist auskunftspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Abs. 1 IFG NRW. Sie ist  21 als in ihrem Zuständigkeitsbereich auf Gebietsteile des Landes Nordrhein-Westfalen beschränkte Krankenkasse eine landesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 87 Abs. 2 GG, § 4 Abs. 1 SGB V und § 1 Abs. 2 und 3 der Satzung der Beklagten), die der Aufsicht des Landes NRW unterliegt (§ 90 Abs. 2 SGB IV). Gegenstand des klägerischen Zugangsbegehrens (Beitragszahlungen der Insolvenzschuldnerin zur gesetzlichen Krankenkasse) sind amtliche Informationen der Beklagten, die diese im Rahmen ihrer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgabe als Sozialversicherungsträger zu dienstlichen Zwecken (§ 3 IFG NRW) erlangt hat. § 4 Abs. 2 IFG NRW schließt den Zugangsanspruch des Klägers nicht aus. Danach             22 gehen, soweit besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestehen, diese den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Konkurrenzfragen sind in jedem konkreten Einzelfall durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären. Um die Bestimmung des Verhältnisses verschiedener Informationszugangsrechte untereinander vornehmen zu können, müssen vor allem deren jeweilige Regelungsmaterien berücksichtigt werden. 3 von 7
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2010/17_K_1616_09urteil20100916.html Eine Vorrangigkeit im Sinne einer Ausschließlichkeit ist nur dort anzunehmen, wo die jeweiligen Rechte die gleichen Anliegen verfolgen und / oder identische Zielgruppen erfassen. Eine besondere Rechtsvorschrift im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW liegt daher nur dann vor, wenn ihr Anwendungsbereich in sachlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Information, die der Rechtsvorschrift unterfallen, und / oder in persönlicher Hinsicht die spezifische Anforderung an die Personen, auf welche die Rechtsvorschrift Anwendung findet, beschränkt ist. Wenn spezialgesetzliche Regelungen für einen gesonderten Sachbereich oder für bestimmte Personengruppen einen begrenzten Informationsanspruch vorsehen, ist deshalb im Einzelfall zu untersuchen, ob diese Grenzen auch für den Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bindend sind. Das ist anzunehmen, wenn ein umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwider laufen würde. Lässt sich Derartiges nicht feststellen, gelangt der Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW zur Anwendung. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, a.a.O.; Beschluss vom         23 28. Juli 2008 - 8 A 1548/07 -, a.a.O. und vom 20. April 2010 - 8 A 2513/09 -. Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf den          24 Beschluss des Landessozialgerichts NRW vom 26. April 2010 - L 16 B 9/09 SV - geäußerten Ansicht kann die Bestimmung des § 25 SGB X hier nicht als besondere Rechtsvorschrift im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW angesehen werden. Eine abschließende und die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetztes ausschließende Regelung stellt § 25 SGB X nur für das Akteneinsichtsgesuch eines Beteiligten in die das jeweilige Verwaltungsverfahren betreffenden Akten während des laufenden Verfahrens dar. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, NJW 2005, 2082.               25 Ein solches (sozialrechtliches) Verwaltungsverfahren innerhalb dessen ein                   26 Akteneinsichtsrecht beansprucht werden kann, steht hier nicht in Rede. Der Kläger macht sein Auskunftsbegehren deshalb auch von Anfang an ausdrücklich (nur) auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes geltend. Im Übrigen erscheint zweifelhaft - ohne dass diesem Gesichtspunkt allerdings ausschlaggebende Bedeutung beizumessen wäre - ob die vom Kläger begehrten Informationen überhaupt im Zusammenhang mit einem Verwaltungsverfahren im Sinne von § 8 SGB X entstanden sind und deshalb möglicherweise dem Anwendungsbereich des § 25 SGB X nicht unterfallen. Auch das Insolvenzrecht schließt Ansprüche des Klägers aus dem IFG NRW nicht aus.           27 Der in diesem Zusammenhang gegebene Hinweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des BGH zu (fehlenden) Auskunftsansprüchen des Insolvenzverwalters verfängt nicht. Der BGH, vgl. etwa Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 58/06 -, juris; Beschluss vom 7. Februar       28 2008 - IX ZB 138/07 -, juris; Urteile vom 6. Juni 1979 - VIII ZR 255/78 -, BGHZ 74, 379 und vom 15. Januar 1987 - IX ZR 4/86 -, NJW 1987, 1812, befasst sich in seiner Rechtsprechung mit Auskunftsansprüchen des Insolvenzverwalters       29 auf der Grundlage des § 242 BGB. Diese Norm stellt aber keine abschließende fachgesetzliche Regelung, die allgemeine Auskunftsansprüche für "jedermann" ausschließt dar. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juli 2008 - 8 A 1548/07 -, a. a. O. und vom 20. April       30 2010 - 8 A 2513/09 -, OVG Koblenz, Urteil vom 12. Februar 2010 - 10 A 11156/09 -, a. a. O.; VG Stuttgart, Urteil vom 18. August 2009 - 8 K 1011/09 -, a.a.O.; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2009 - 19 K 4199/07 -, a.a.O. 4 von 7
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2010/17_K_1616_09urteil20100916.html Hinzu kommt, dass der nach der zitierten Rechtsprechung des BGH geltende Ausschluss          31 zivilrechtlicher Auskunftsansprüche auf öffentlich-rechtlicher Grundlage geregelte Informationszugangsansprüche nicht berührt, wie sich ausdrücklich aus dem zitierten Urteil des BGH vom 13. August 2009 - IX ZR 58/06 - ergibt, in dem dieser einen Anspruch aus dem Informationszugangsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt geprüft und deshalb verneint hat, weil das landesrechtlich vorgeschriebene Verwaltungsverfahren nicht durchgeführt worden war. Die §§ 97, 101 der Insolvenzordnung - InsO - scheiden als vorrangige Vorschriften im         32 Sinne von § 4 Abs. 2 IFG NRW ebenfalls aus. Vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 12. Februar 2010 - 10 A 11156/09 -, a. a. O.; VG Stuttgart,     33 Urteil vom 18. August 2009 - 8 K 1011/09 -, a. a. O.; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2009 - 19 K 4199/07 -, a. a. O. Der damit grundsätzlich gegebene Informationsanspruch des Klägers aus § 4 Abs. 1 IFG         34 NRW besteht unabhängig davon, aus welchem Interesse der Kläger diesen geltend macht. Auskunftsansprüche nach dem IFG NRW sind nicht an ein besonderes Interesse des Auskunftssuchenden gebunden. Für welche Zwecke die begehrte Information verwendet werden soll, ist daher im Rahmen des § 4 Abs. 1 IFG NRW irrelevant. Auch die Absicht, die fraglichen Informationen zum rechtlichen oder wirtschaftlichen Nachteil der auskunftspflichtigen Stelle etwa ihm Rahmen eines zivilrechtlichen Klageverfahrens zu verwenden, schließt den Auskunftsanspruch vorbehaltlich besonderer Rechtsvorschriften im Sinne des § 4 Abs. 2 IFG NRW bzw. vorbehaltlich der abschließend normierten Ausschlussgründe in §§ 5 Abs. 4, 6 bis 9 IFG NRW nicht aus. Vgl. zum jeweiligen entsprechenden Landesrecht OVG Koblenz, Urteil vom 12. Februar           35 2010 - 10 A 11156/09 -, juris; VG Hamburg, Urteile vom 1. Oktober 2009 - 9 K 2474/08 -, juris und vom 23. April 2009 - 19 K 4199/07 -, juris; VG Stuttgart, Urteil vom 18. August 2009 - 8 K 1011/09 -, juris; Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein- Westfalen, Kommentar, Rdnr. 408 ff.; Haurand/Stollmann, Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, § 4, Anm. 2.1. Im Übrigen gibt es keinen prozessualen Grundsatz, wonach ein materiell-rechtlich             36 Verpflichteter allein aufgrund seiner Stellung als Partei eines Zivilprozesses die Erfüllung eines berechtigten Anspruchs verweigern könnte. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NWVBl. 2002, 441.                 37 § 5 Abs. 4 IFG NRW steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Danach kann der            38 Antrag abgelehnt werden, wenn die Information der Antragstellerin oder dem Antragsteller bereits zur Verfügung gestellt worden ist oder wenn sich die Antragstel-lerin oder der Antragsteller die Information in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann. Davon, dass dem Kläger im Sinne der ersten Alternative der Vorschrift die begehrten Informationen tatsächlich bereits zur Verfügung stehen, kann nicht ausgegangen werden. Der Kläger hat schriftsätzlich plausibel dargelegt, dass ihm die begehrten Informationen nicht - jedenfalls nicht vollständig - zur Verfügung stehen, da die Insolvenzschuldnerin über keine ordnungsgemäße Buchführung verfügt und Zahlungen Dritter auf die Schuld der Insolvenzschuldnerin etwa auf Grund von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen aus Unterlagen der Insolvenzschuldnerin nicht ersichtlich sind. Das Gericht sieht keinen Anlass, an diesem Vorbingen des Klägers zu zweifeln, zumal Anhaltspunkte dafür, dass die Klage - weil der Kläger tatsächlich bereits über die begehrten Auskünfte verfügt - missbräuchlich erhoben worden ist, nicht zu erkennen sind. Die Möglichkeit, dass sich der Kläger die Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Als "Quelle" im 5 von 7
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2010/17_K_1616_09urteil20100916.html Sinne dieser Norm, die für jeden zugänglich sein muss, vgl. Franßen/Seidel, a. a. O., Rdnr. 653,                                                  39 kommen offenkundig weder die über die Bank der Vollstreckungsschuldnerin                   40 zugänglichen Kontoauszüge noch sonstige Unterlagen der Vollstreckungsschuldnerin oder gar Pfändungsprotokolle in Frage. Vgl. allgemein zu den Informationsbeschaffungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters:       41 BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 -, juris. Dass sich der Kläger möglicherweise auch über die kontoführende Bank bzw. über             42 Protokolle des Gerichtsvollziehers die streitigen Informationen verschaffen kann, schließt demnach den Anspruch gegen die Beklagte aus § 4 Abs. 1 IFG NRW nicht aus. Es bleibt mithin dem Kläger überlassen, auf welche Weise er sich Zugang zu den benötigten Informationen verschaffen will. Der Informationsanspruch ist nicht gemäß § 8 IFG NRW ausgeschlossen, weil durch die        43 Übermittlung der Informationen ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart und dadurch der Beklagten ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde. Mit Blick auf Satz 5 der Vorschrift, wonach auch eine öffentliche Stelle "betroffen" sein kann, ist zunächst davon auszugehen, dass auch die Beklagten als grundsätzlich auskunftspflichtige Stelle in den Schutzbereich dieses Ausschlussgrundes mit einbezogen ist. Es fehlt indes am erforderlichen, vgl. Haurand/Stollmann, a. a. O., § 8 Anm. 1,                                              44 berechtigten Geheimhaltungsinteresse. Die Beklagte ist als Körperschaft des öffentlichen   45 Rechts in besonderem Maße an Recht und Gesetz gebunden mit der Folge, dass sie sich berechtigten Rückzahlungsforderungen nicht durch Berufung auf Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse entziehen kann. Ihr Interesse an der Geheimhaltung der begehrten Information ist damit nicht schutzwürdig. Vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 12. Februar 2010 - 10 A 11156/09 -, a. a. O.                  46 Im Übrigen dürfte fraglich sein, ob die Rückabwicklung einer nach dem Insolvenzrecht       47 anfechtbaren Vermögensverschiebung zu einem wirtschaftlichen Schaden im Sinne des § 8 Satz 1 IFG NRW führen kann. Mangels Entscheidungserheblichkeit geht die Kammer dieser Frage nicht weiter nach. Schließlich greift auch der Ausschlussgrund nach § 9 IFG NRW nicht. Gegenstand des         48 Auskunftsverlangens des Klägers sind keine personenbezogenen Daten, sondern Angaben über Zahlungen einer Firma (der Insolvenzschuldnerin) an die Beklagte, ohne dass damit eine Zuordnung zu bestimmten Personen (Arbeitnehmern der Insolvenzschuldnerin) verbunden ist. Selbst wenn vorliegend personenbezogene Daten vom Auskunftsverlangen des Klägers betroffen wären, würde dies zu keiner abweichenden Bewertung führen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt der Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 80 Abs. 1 InsO) und hat gegenüber dem Insolvenzschuldner einen Anspruch auf Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse (§ 97 Abs. 1 S. 1 InsO), mithin auch über alle Umstände, die für die Beurteilung von Gläubigerforderungen bedeutsam sein können. Muss der Schuldner also dem Insolvenzverwalter die ihm möglichen Auskünfte über die von ihm gezahlten Sozialversicherungsbeiträge für seine Arbeitnehmer erteilen, sind diese Informationen dem Insolvenzverwalter gegenüber von vornherein nicht geheimhaltungsbedürftig, 6 von 7
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2010/17_K_1616_09urteil20100916.html vgl. dazu OVG Koblenz, Urteil vom 12. Februar 2010 - 10 A 11156/09 -, a. a. O. zur      49 entsprechenden Vorschrift im rheinland-pfälzischen Informationsfreiheitsgesetz, und zwar - entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten      50 Ansicht - auch ohne ausdrücklich erklärtes Einverständnis des Insolvenzschuldners. Nichts anderes gilt hinsichtlich des in §§ 67 ff. SGB X im Einzelnen geregelten         51 Sozialdatenschutzes. Vgl. dazu, dass diese Vorschriften keine "besonderen Rechtsvorschriften" im Sinne des § 52 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW darstellen: Franßen/Seidel, a.a.O., Rdnr. 543; Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, § 1 Rdnr. 200 und Berger/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, § 1 Rdnr. 136 f. zum IFG des Bundes. Unterstellt, die klagegegenständlichen Informationen stellen überhaupt Sozialdaten i.S. 53 von § 67 Abs. 1 SGB X dar, ist deren Weitergabe an den Kläger als Insolvenzverwalter aus den oben dargestellten Gründen zulässig. Vgl. dazu OVG Koblenz, Urteil vom 12. Februar 2010 - 10 A 11156/09 -, a. a. O.          54 Die Beklagte hat dem Kläger daher in der grundsätzlich von ihm bestimmten (§ 5 Abs. 1   55 Satz 5 IFG NRW) Art den begehrten Informationszugang zu gewähren. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.                56 Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus §   57 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 58 7 von 7
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