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Aktenzeichen
7 K 429/09
Datum
27. August 2010
Gericht
Verwaltungsgericht Hamburg
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz (Hamburg)
Informationsfreiheitsgesetz (Hamburg)

Urteil: Verwaltungsgericht Hamburg am 27. August 2010

7 K 429/09

Das Verwaltungsgericht weist die Klage auf Einsicht eines Insolvenzverwalters in die Vollstreckungsakte der von ihm betreuten Insolvenzschuldnerin zurück. Der Ausnahmetatbestand des Informationsfreiheitsgesetzes zum Schutz von Vorgängen der "Steuererhebung und Steuerfestsetzung" umfasst die vom Kläger begehrten Informationen, die sich in einer steuerrechtlichen Vollstreckungsakte befinden, auch wenn die "Vollstreckung" nicht explizit in der Norm aufgeführt ist. Entscheidend für eine weite Auslegung des Ausnahmetatbestands ist auch der abschließende Charakter des Fehlens einer Informationszugangsregelung in der Abgabenordnung. Es wäre zudem problematisch, sensible Daten aus dem Bereich des Abgabenrechts zunächst auf der Grundlage des "Jedermann-Rechts" zugänglich zu machen und dann wieder einer Einzelfallprüfung zu unterwerfen. Diese würde dem umfassenden Schutzbedürfnis nicht gerecht. (Quelle: LDA Brandenburg)

(Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten

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7 K 429/09 Verwaltungsgericht Hamburg Urteil Im Namen des Volkes In der Verwaltungsrechtssache hat das Verwaltungsgericht Hamburg, Kammer 7, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht den Richter am Verwaltungsgericht die Richterin den ehrenamtlichen Richter Herr den ehrenamtlichen Richter Herr für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet. Rechtsmittelbelehrung: Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Hamburg, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, -    wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, -    wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
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-2- -   wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, -   wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder -   wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ergänzend wird wegen der weiteren Einzelheiten auf § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 und Abs. 5 VwGO verwiesen. Auf die Möglichkeit der Sprungrevision nach § 134 VwGO wird hingewiesen. Tatbestand: Der Kläger begehrt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter Zugang zu den Informationen, die bei der Beklagten über die vom ihm als Insolvenzverwalter betreuten Schuldnerin geführt werden. Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin, einer natürlichen Person, ist durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom xxx wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Mit Schreiben vom 1.10.2008 begehrte der Kläger Akteneinsicht bei der Beklagten in die Vollstreckungsakte der Schuldnerin („Daher erbitte ich in Ausübung meines Rechtes die Einsichtnahme in die Vollstreckungsakte der oben bezeichneten Schuldnerin“) und bezog sich dabei auf das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Akteneinsichtsrecht im Bereich der Steuerverwaltung nicht vorgesehen sei und allenfalls die zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden könnten. Sie bitte um die Darlegung der steuerlichen Notwendigkeit. Dies verweigerte der Kläger unter Hinweis darauf,    dass      weder      das    Hamburgische         Informationsfreiheitsgesetz      noch     das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes eine solche Einschränkung enthalte.
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-3- Mit Bescheid vom 21.11.2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass nach bestehender Rechtslage, bei der das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz auf das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes verweise, kein Anspruch auf Informationszugang bestehe, weil der Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 4 Informationsfreiheitsgesetz   des    Bundes     greife,    wonach   der   Anspruch    auf Informationszugang nicht in Frage komme, wenn die Information einem besonderen Amtsgeheimnis unterliege. Ein solches besonderes Amtsgeheimnis stelle § 30 Abgabenordnung dar. Auch nach dem neuen Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz, das zur Zeit als Gesetzentwurf vorliege, komme ein Informationsanspruch nicht in Betracht,   weil  dort   ein  Informationsausschluss      für  die  Steuererhebung   und Steuerfestsetzung vorgesehen sei. Dieser Ausschluss umfasse nach Sinn und Zweck die Steuerakten insgesamt und nicht nur einzelne Bereiche daraus. Steuererhebung meine die Erfüllung des Steueranspruchs und damit auch die zwangsweise Durchsetzung der Erfüllung. Mit Schreiben vom 26.11.2008 erhob der Kläger „Einspruch“ und führte zur Begründung aus, das Steuergeheimnis, das den Bürger vor einer unbefugten Weitergabe derjenigen Daten, die er gegenüber den Finanzbehörden offenbare, schützen solle, könne nicht der Finanzbehörde dazu verhelfen, sich einer Auskunftsverpflichtung zu entziehen. Auch könne dem neuen Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz, bei dem es sich bisher nur um einen Gesetzesentwurf handele, nicht eine solche umfassende Bedeutung der Begriffe Steuererhebung und Steuerfestsetzung beigemessen werden. Mit Bescheid vom 12.2.2009 wies die Beklagte den „Einspruch“ durch eine „Einspruchsentscheidung“ zurück. Die Abgabenordnung sei spezieller. Nach der Subsidiaritätsklausel in § 1 Abs. 3 Informationsfreiheitsgesetz des Bundes müsse das Informationsbegehren zurücktreten. Es liege ein „absichtsvoller Regelungsverzicht“ des Gesetzgebers vor, in der Abgabenordnung kein Akteneinsichtsrecht einzuräumen. Trotz fehlender Regelungen in der Abgabenordnung könne nach Ermessen Einsicht in die Steuerakten gewährt werden. Der Kläger habe allerdings kein berechtigtes Interesse vorgetragen und auch nach Aktenlage sei ein solches nicht erkennbar. Mit Schriftsatz vom 20.2.2009 – eingegangen am 24.2.2009 – hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem
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-4- Vorverfahren und verweist insbesondere darauf, dass – falls das inzwischen in Kraft getretene neue Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz Anwendung finde – der Begriff der „Steuererhebung und Steuerfestsetzung“ im Sinne der in der Abgabenordnung verwandten gleichlautenden Begriffe verstanden werden müsse. Es sei hingegen nicht erkennbar, dass die Steuerakten als solche geschützt werden sollten. Er beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.11.2008 und des Einspruchsbescheides vom 12.2.2009 zu verpflichten, 1. dem Kläger Zugang zu den über Frau xxx vorhandenen Informationen zu gewähren und 2. diesen Zugang in Form von Akteneinsicht zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung rügt die Beklagte die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, wiederholt ihre Ausführungen aus dem Vorverfahren und verweist darauf, dass nach dem Informationsfreiheitsgesetz die Steuerakten insgesamt geschützt werden sollte. Eine Orientierung am Inhaltsverzeichnis der Abgabenordnung – wie der Kläger sie vorschlage – würde zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass z.B. das Feststellungsverfahren keiner Einschränkung unterliege, das Festsetzungsverfahren aber sehr wohl. Das Gericht hat mit Beschluss vom 17.5.2010 – den Beteiligten zugestellt am 20.5.2010 bzw. 25.5.2010 – festgestellt, dass der Verwaltungsrechtsweg der zulässige Rechtsweg ist. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sachakte der Beklagten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.8.2010 Bezug genommen. Entscheidungsgründe:
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-5- I. Die Verpflichtungsklage ist zum Teil unzulässig (1.) und im übrigen unbegründet (2.) 1. Hinsichtlich des begehrten Informationszugangs zu den über der Insolvenzschuldnerin vorhandenen Informationen, die sich nicht in der Vollstreckungsakte befinden, ist die Klage mangels eines durchgeführten Vorverfahrens nach §§ 68ff. VwGO unzulässig. Denn der Kläger hat im Verwaltungsverfahren lediglich einen Antrag auf Akteneinsicht in die Vollstreckungsakte gestellt („Daher erbitte ich in Ausübung meines Rechtes die Einsichtnahme     in die Vollstreckungsakte der        oben bezeichneten Schuldnerin“). Hinsichtlich des begehrten Informationszugangs im übrigen hat der Kläger hingegen kein Vorverfahren     durchgeführt.   Ein   solches    ist aber    nach    § 68 Abs. 1 Satz 1 iVm Abs. 2 VwGO notwendige Voraussetzung. 2. Die Klage ist hinsichtlich derjenigen Informationen, die sich in der Vollstreckungsakte befinden, sowohl mit dem ersten (a)) als auch mit dem zweiten Antrag (b)) unbegründet. a) Der angefochtene Bescheid vom 21.11.2008 und der als Einspruchsentscheidung bezeichnete Bescheid vom 12.2.2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), denn dem Kläger steht kein Anspruch auf    Zugang     zu    den    begehrten    Informationen    nach    dem     Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz, auf das allein der Kläger seinen Anspruch stützt, zu. Der Kläger kann zwar nach § 4 HmbIFG ein Informationsbegehren verfolgen (aa)) und sein Antrag ist nicht rechtsmissbräuchlich (bb)), indes sind die vom Kläger begehrten Informationen nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG von dem nach dem Gesetz eröffneten Informationsanspruch nicht umfasst (cc)). aa) Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 4 Hamburgisches Informationsfreiheitsgesetz – HmbIFG – in der am 28.2.2009 in Kraft getretenen Fassung. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Dieser Zeitpunkt ergibt sich aus dem materiellen Recht. So gilt das am 28.2.2009     in  Kraft   getretene   Hamburgische      Informationsfreiheitsgesetz  zeitlich unbeschränkt und das bisherige Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz wurde ohne Übergangsregelungen aufgehoben (vgl. Art. 28 des Gesetzes zum Neuerlass des
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-6- Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes vom 17. Februar 2009 (GVBl. S. 29)). Die von § 4 HmbIFG aufgestellten Voraussetzungen liegen vor. Nach § 4 HmbIFG hat jede natürliche und juristische Person des Privatrechts einen Anspruch auf Zugang zu den bei den in § 3 HmbIFG bezeichneten Stellen. Auch ein Insolvenzverwalter ist anspruchsberechtigt (aaa)) und die Freie und Hansestadt Hamburg ist für das Begehren anspruchsverpflichtet (bbb)). aaa) Der Kläger zählt als Insolvenzverwalter zum in § 4 HmbIFG bezeichneten Kreis der anspruchsberechtigten Personen. Auch als Insolvenzverwalter ist der Kläger von der von § 4 HmbIFG verwandten Formulierung „jede natürliche Person“ umfasst. Zwar ist zwischen dem Handeln des Klägers als Privatperson und demjenigen als Insolvenzverwalter zu unterscheiden. Als Insolvenzverwalter handelt der Kläger als Amtsträger. Dennoch ist der Kläger als natürliche Person im Sinne der Vorschrift anzusehen. Er nimmt seine Aufgaben als Partei kraft Amtes wahr (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 28.7.2008, ZIP 2008, 1542). Nach dieser sog. Amtstheorie übt der Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse im eigenen Namen und im eigenen Recht aus (BGH, Beschl. v. 27.10.1983, BGHZ 88, 331; OVG Münster, Beschl. v. 28.7.2008, ZIP 2008, 1542; Wimmer (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 5. Aufl. 2009, § 80 Rn. 21). Da der Insolvenzverwalter im eigenen Namen für fremdes Vermögen handelt, wird er als natürliche Person tätig und fällt unter den von § 4 HmbIFG erfassten Personenkreis (vgl. zum IFG, das eine ähnliche Formulierung enthält: OVG Münster, Beschl. v. 28.7.2008, ZIP 2008, 1542; VG Hamburg, Urt. v. 17.5.2010, ZInsO 2010, 1098; VG Hamburg, Urt. v. 24.2.2010, ZInsO 2010, 577; VG Stuttgart, Urt. v. 18.8.2009, ZInsO 2009, 1858; VG Hamburg, Urt. v. 23.4.2009, ZIP 2009, 2014). bbb) Zu den Behörden der Beklagten nach § 3 Abs. 1 HmbIFG gehört das Finanzamt xxx. Dieses     ist  nach    § 2 Abs. 1 Nr. 4 des   Gesetzes   über    die  Finanzverwaltung (Finanzverwaltungsgesetz – FVG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 2006, BGBl. I S. 846, 1202), eine Landesfinanzbehörde. bb) Der Antrag des Klägers ist auch nicht rechtsmissbräuchlich.
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-7- Zwar fordert die Rechtsprechung bei einem Antrag auf Akteneinsicht in einem steuerrechtlichen Verfahren grundsätzlich ein Rechtsschutzbedürfnis und ein Antrag auf Akteneinsicht wird als rechtsmissbräuchlich eingestuft, wenn er der Erlangung der für die Durchführung eines zivilgerichtlichen Verfahrens erforderlichen Informationen dient (vgl. BFH, Beschl. v. 13.1.2005, VII R 63/03, juris; FG Saarbrücken, Urt. v. 17.12.2009, ZInsO 2010, 484), jedoch gilt dies nicht für einen Anspruch nach dem Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz. Denn der Anspruch des Klägers besteht unabhängig davon, aus welchem Interesse dieser geltend gemacht wird. Ein berechtigtes Interesse fordert das Gesetz nicht. Auch der Gesetzentwurf hält fest, dass jeder einen Anspruch auf Informationen haben solle, „ohne Darlegung eines berechtigten Interesses“ (Bü-Drs. v. 14.10.2008, 19/1283). Daraus ergibt sich, dass das jeweils verfolgte Interesse nach dem Willen des Gesetzgebers für den Informationszugang als irrelevant eingestuft wird. Aus diesem Grunde ist auch unerheblich (und insbesondere nicht rechtsmissbräuchlich), dass der Kläger später unter Umständen Anfechtungsansprüche gegen die Beklagte geltend machen wollte/könnte und mit der Auskunft seine Chancen für eine zivilrechtliche Auseinandersetzung verbessert würden. cc) Der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Zugang zu den von ihm begehrten Informationen ist allerdings nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG der Sache nach von vornherein nicht eröffnet. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Informationszugang u. a. nicht für Vorgänge der „Steuererhebung und Steuerfestsetzung“. Diese Norm umfasst auch die vom Kläger begehrten Informationen, die sich in einer steuerrechtlichen Vollstreckungsakte     befinden.   Dies ergibt   sich aus   einer  verfassungskonformen Auslegung. Der Wortlaut der Norm ist offen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass der Wortlaut von § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG die „Vollstreckung“ nicht explizit mit aufführt, obwohl die Abgabenordnung als Gliederungspunkt einerseits „Dritter Abschnitt: Festsetzungs- und Feststellungsverfahren, 1. Unterabschnitt: Steuerfestsetzung“ sowie „Fünfter Teil: Erhebungsverfahren“ aufführt und andererseits als Gliederungsebene auch „Sechster Teil. Vollstreckung“ kennt, d.h. selbst begrifflich differenziert. Jedoch schließt diese Betrachtung nicht aus, dass § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG auch die Vollstreckung aus Steuerforderungen      miterfasst.  Denn   die    Abgabenordnung    kann   allenfalls als
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-8- Auslegungshilfe herangezogen werden. Ebensogut kann man indes die Abgabenordnung nicht heranziehen und den Wortlaut untechnisch in dem Sinne verstehen, dass die Festsetzung und Erhebung alles erfasst, was mit der Bestimmung und Durchsetzung der Steuerforderung zusammenhängt. Gegen eine Orientierung an der Gliederung der Abgabenordnung spricht zudem, dass auf diese Weise das Feststellungsverfahren – ein dem Festsetzungsverfahren in bezug auf die Sensibilität der Informationen vergleichbares Verfahren, welches sich ebenfalls in einem vom Festsetzungsverfahren getrennten Abschnitt befindet – ausgenommen wäre. Für eine weite Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG spricht die Gesetzessystematik innerhalb des Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes. Es handelt sich bei § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG gerade nicht um eine Ausnahmevorschrift, die nach allgemeinen Erwägungen eng auszulegen wäre. § 3 Abs. 2 HmbIFG nimmt vielmehr die dort aufgeführten Bereiche von vornherein vom Anwendungsbereich des Gesetzes aus. Dies ist bereits der entsprechenden Gesetzesüberschrift zu § 3 HmbIFG zu entnehmen und wird durch die systematisch mit § 3 HmbIFG eng zusammenhängenden Vorschriften der §§ 1, 4 HmbIFG bestätigt. Ein Informationsanspruch wird schon dem Grunde nach – und insoweit unter dem Vorbehalt weiterer, einzelfallbezogener Ausschlusstatbestände nach §§ 8 bis 11 HmbIFG – nur für den durch § 3 Abs. 1 HmbIFG positiv und durch § 3 Abs. 2 HmbIFG negativ beschriebenen Bereich eröffnet. § 1 HmbIFG bezeichnet als Gesetzeszweck dementsprechend nicht den grundsätzlichen Zugang zu jeglichen staatlichen Informationen, sondern nur zu solchen, die bei den in § 3 HmbIFG bezeichneten Stellen vorhanden sind, d.h. zu Informationen aus dem in § 3 HmbIFG definierten Bereich. Gleiches gilt für den in § 4 HmbIFG beschriebenen individuellen Anspruch. Der Sinn und Zweck des Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes, die „Transparenz und damit die Akzeptanz des Verwaltungshandelns zu erhöhen“ (vgl. Bü-Drs. v. 14.10.2008, 19/1283) steht einer weiten Auslegung nicht entgegen, weil der Gesetzgeber – wie sich aus § 3 Abs. 2 HmbIFG ergibt (vgl. oben) – nicht umfassend den Zugang zu allen behördlichen Akten eröffnen, sondern bestimmte sensible Bereiche – zu denen das Abgabenrecht gehört – von diesem Recht ausnehmen wollte. Es wäre problematisch, diese sensiblen Daten dem Jedermann-Recht des HmbIFG zunächst erst zugänglich zu machen und sie dann wieder einer Einzelfallprüfung, z.B. nach § 10, 11 HmbIFG, zu
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-9- unterwerfen. Die Einzelfallprüfung würde nämlich dem umfassenden Schutzbedürfnis nicht gerecht. Auf ein weites Verständnis der Norm deutet die Entstehungsgeschichte hin. So trat das Hamburgische Informationsgesetz am 28.2.2009 in Kraft und damit zu einem Zeitpunkt, als das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, auf welches das hamburgische Vorgängergesetz umfassend verwies (vgl. § 1 Abs. 1 HmbIFG in der Fassung vom 11.4.2006), bereits mehrere Jahre bestand. In § 3 Nr. 1 d) Informationsfreiheitsgesetz (v. 5.9.2005, BGBl I S. 2722) – IFG – sind vom Informationszugang u. a. ausgenommen Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanzbehörden. Zwar hat der Hamburgische Gesetzgeber diese Formulierung des Bundesgesetzes nicht wörtlich in das Landesgesetz übernommen, jedoch folgt das Hamburgische Gesetz dem Bundesgesetz insoweit, als es ebenfalls    als    sensiblen      Bereich    die   Abgabenverwaltung       kennzeichnet.  Die Abgabenordnung als Gesetz ist hingegen in dem Gesetzentwurf für das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz vom 14.10.2008 (Bü-Drs. v. 14.10.2008, 19/1283) nicht erwähnt und schon gar nicht findet sich dort ein Verweis auf eine systematische Angliederung an einzelne Teile der Abgabenordnung. Der Gesetzentwurf führt zu der Norm lediglich an: „Vom Einsichtsrecht ausgenommen sind auch Unterlagen, die die Steuererhebung oder Steuerfestsetzung betreffen. Soweit sich ein Einsichtsrecht in Steuerakten aus anderen Vorschriften ergibt, wird dieses durch Absatz 2 Nummer 5 nicht beeinträchtigt.“ Diese Sätze legen im Gegenteil eher einen umfassend erstrebten Schutz der Steuerdaten nahe, denn in dem zweiten der zitierten Sätze ist von „Steuerakten“ die Rede. Entscheidend für eine weite Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG dahingehend, dass die Norm auch Informationen umfasst, die die Vollstreckung von Steuerforderungen betreffen, spricht aber die verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift. Denn die bundesgesetzliche und damit gemäß Art. 31 GG höherrangige Abgabenordnung hat den Informationszugang im Bereich der Abgabenordnung abschließend geregelt. Zwar begehrt der Kläger nicht direkt Akteneinsicht in einem steuerrechtlichen Verfahren, sondern stützt sein Begehren auf das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz. Jedoch
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- 10 - enthält die Abgabenordnung eine abschließende Regelung für den Umgang mit den im Besteuerungsverfahren gespeicherten Daten insgesamt. Der Bundesgesetzgeber hat durch den Erlass der Abgabenordnung von seiner Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 108 Abs. 5 Satz 2 GG Gebrauch gemacht, ein von den Landesfinanzbehörden bei der           Verwaltung   anzuwendendes     abschließendes Verfahrensrecht zu schaffen. Dabei hat er keine Regelungen über die Einsichtnahme von Akten   aufgenommen.     Das    Fehlen    von    ausdrücklichen   Bestimmungen    in    der Abgabenordnung hinsichtlich der Akteneinsicht lässt aber nicht den Schluss zu, der Bundesgesetzgeber habe von seiner Kompetenz zur Regelung des Auskunfts- und Akteneinsichtsrechts insoweit keinen Gebrauch gemacht bzw. machen wollen. Vielmehr hat der Gesetzgeber bewusst keine diesbezüglichen Vorschriften in die Abgabenordnung aufgenommen (BFH, Beschl. v. 4.6.2003, BFHE 202, 231; FG Münster, Urt. v. 20.11.2003, EFG 2004, 387). Das Fehlen der Regelung eines allgemeinen Anspruchs auf Akteneinsicht ist als absichtsvoller Regelungsverzichts des Bundesgesetzgebers zu sehen, mit der Folge, dass es sich um eine abschließende Ausnutzung der ihm eingeräumten Regelungskompetenz zur Schaffung von Regelungen für Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte im Bereich der Abgabenordnung handelt (BFH, Beschl. v. 4.6.2003, BFHE 202, 231; FG Saarbrücken, Urt. v. 17.12.2009, ZInsO 2010, 484; FG Münster, Urt. v. 20.11.2003, EFG 2004, 387 mwN; VG Düsseldorf, Urt. v. 7.5.2010, 26 K 3548/09, juris mwN). Dem abschließenden Charakter der Abgabenordnung steht auch nicht der von der Rechtsprechung entwickelte Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Akteneinsichtsbegehren entgegen. Denn daraus kann nicht abgeleitet werden, dass der Landesgesetzgeber insoweit zur Gesetzgebung ermächtigt wäre. Es handelt sich vielmehr um einen unmittelbar aus der Verfassung abgeleiteten Auskunftsanspruch (BFH, Urt. v. 5.10.2006, BFHE 215, 32), der aber keine Regelungsaussage zu einer bestehenden Landesgesetzkompetenz trifft. So leitet sich dieser Anspruch aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m.  dem    Grundrecht    der  Berufsfreiheit    des  Art. 12 Abs. 1 GG  sowie     dem Prozessgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG her (BFH, Urt. v. 5.10.2006, BFHE 215, 32; FG Münster, Urt. v. 17.9.2009, ZIP 2009, 2400; FG Düsseldorf, Urt. v. 14.5.2008, ZIP 2009, 732) und verpflichtet das Finanzamt, einem Steuerpflichtigen – vorbehaltlich des Steuergeheimnisses – eine Auskunft zu erteilen, wenn diese für ihn unerlässlich ist, will er
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