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Aktenzeichen
7 K 619/09
Datum
27. August 2010
Gericht
Verwaltungsgericht Hamburg
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz (Hamburg)
Informationsfreiheitsgesetz (Hamburg)

Urteil: Verwaltungsgericht Hamburg am 27. August 2010

7 K 619/09

Die Regelungen des Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes werden durch insolvenz- oder andere zivilrechtliche Auskunftsansprüche nicht verdrängt. Fachgesetzliche Vorschriften gehen nur vor, wenn und soweit sie den Informationszugang abschließend regeln. Zur Berufung auf den Ausnahmetatbestand des Informationsfreiheitsgesetzes zum Schutz laufender Gerichtsverfahren genügt es nicht, wenn allenfalls Nachteile für einen Beteiligten durch die Entscheidung zu befürchten sind. Die erleichterte Geltendmachung etwaiger Ersatzansprüche im Insolvenzverfahren wird dabei in Kauf genommen. Das Informationsfreiheitsgesetz schützt nicht abstrakt die durch besondere Vorschriften geschützten Geheimnisse, sondern fragt, ob die Information auch der auskunftbegehrenden Person gegenüber geschützt ist. Da sie gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht geheimhaltungsbedürftig sind, fallen die begehrten Informationen nicht unter das Sozialgeheimnis. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Interessenabwägung Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten Fiskalische Interessen

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7 K 619/09 Verwaltungsgericht Hamburg Urteil Im Namen des Volkes In der Verwaltungsrechtssache Rechtsanwalt Joachim Büttner als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ALTRACO GmbH Ingenieurdienstleistungen, Osdorfer Landstraße 230, 22549 Hamburg, An Verkündungs                                                            - Kläger - statt zugestellt. Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Georg Henningsmeier, Osdorfer Landstraße 230, 22549 Hamburg, Az: 0910033, gegen Deutsche Angestellten Krankenkasse, Nagelsweg 27-35, 20097 Hamburg, - Beklagte - Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Klaus Geiger, Seminarstraße 4 a, 55127 Mainz, Az: 125/09KG38/be, hat das Verwaltungsgericht Hamburg, Kammer 7, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Bertram, den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Ramcke, die Richterin Dr. Lange, den ehrenamtlichen Richter Herr Thele, den ehrenamtlichen Richter Herr Wolkenhauer
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-2- für Recht erkannt: Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14.10.2008 und des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2009 verpflichtet, dem Kläger 1. Zugang zu den über die Altraco GmbH Ingenieurdienstleistungen vorhandenen Informationen zu gewähren sowie 2. den Zugang zu den aktenförmigen Informationen in Form von Akteneinsicht zu gewähren. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet. Rechtsmittelbelehrung: Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Hamburg, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, -    wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, -    wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, -    wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, -    wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder -    wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ergänzend wird wegen der weiteren Einzelheiten auf § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 und Abs. 5 VwGO verwiesen. Auf die Möglichkeit der Sprungrevision nach § 134 VwGO wird hingewiesen.
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-3- Tatbestand: Der Kläger begehrt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter Zugang zu den bei der Beklagten vorhandenen Informationen über die von ihm betreute Schuldnerin. Über das Vermögen der Altraco GmbH Ingenieurdienstleistungen wurde durch Beschluss des    Amtsgerichts   Hamburg     vom    23.12.2005   wegen    Zahlungsunfähigkeit   und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 8.10.2008 beantragte der Kläger Akteneinsicht in die bei der Beklagten geführten    Akten    über    die   Insolvenzschuldnerin   unter    Berufung   auf   das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes. Mit Bescheid vom 14.10.2008 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass die geforderten Informationen aus dem eigenen Verantwortungsbereich der Schuldnerin stammten. Selbst wenn die Informationen nicht vorlägen, hätten die Rechtsvorschriften der Insolvenzordnung vorrangige Geltungskraft. Mit Schreiben vom 28.10.2008 erhob der Kläger Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass die Akten, in die er Einsicht begehre, gerade nicht allgemein zugänglich seien. Der Inhalt der Akten könne auch nicht als Information angesehen werden, über die er bereits verfüge. Die Insolvenzordnung gehe nicht vor, da sie keine Regelung über den Zugang zu amtlichen Informationen getroffen habe und solche Regelungen auch nicht treffen könne. Die Auskunftsansprüche nach §§ 97ff. Insolvenzordnung gegenüber den Organen der Gesellschaft könnten keine „amtlichen Informationen“ ersetzen. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.1.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie sei weder eine Behörde des Bundes noch eine Bundeseinrichtung, so dass schon der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes nicht eröffnet sei. Selbst wenn sie dem Informationsfreiheitsgesetz unterfalle, stehe dem Begehren die Regelung in § 9 Abs. 3 Informationsfreiheitsgesetz entgegen, weil sich der Kläger die Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen in zumutbarer Weise beschaffen könne. Diese Vorschrift solle die Behörden entlasten. Es sollten so individuelle Umstände des
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-4- jeweiligen Antragstellers berücksichtigt werden. Zu diesen Umständen gehöre die Eigenschaft als Insolvenzverwalter, der nach einer spezialgesetzlichen Vorschrift (§ 97 Insolvenzordnung) einen Auskunftsanspruch gegen den oder die ehemaligen Verantwortlichen der Insolvenzschuldnerin besitze. In der der Rechtsbehelfsbelehrung wies die Beklagte darauf hin, dass Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben werden könne. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 26.1.2009 – eingegangen am 27.1.2009 – Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Das Sozialgericht hat das Verfahren mit Beschluss vom 9.3.2009 an das Verwaltungsgericht Hamburg verwiesen. Der Kläger vertieft in der Klage sein Vorbringen aus dem Vorverfahren und führt insbesondere aus, die Beklagte sei eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts und unterliege daher dem Informationsfreiheitsgesetz. Er, der Insolvenzverwalter, sei ein Jedermann im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes.        Unerheblich       sei,      ob       durch     das Informationsfreiheitsbegehren die zivilrechtlichen Gewichte verschoben würden. Die Beklagte sei nicht identisch mit den in § 3 Nr. 6 IFG genannten „Sozialversicherungen“. Wirtschaftliche Interessen der Beklagten würden nicht beeinträchtigt; die Auskunft diene nicht   dazu,   eine   weitere   Insolvenzanfechtung    vorzubereiten.  Er  habe  seinen Anfechtungsanspruch       gegenüber     der   Beklagten   bereits   ausgebracht, weitere Anfechtungsansprüche seien verjährt. § 9 Abs. 3 Informationsfreiheitsgesetz greife nicht, da weder die Insolvenzschuldnerin noch er die begehrten Informationen besäßen. Insbesondere könne der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin nur darüber Auskunft geben, was sich innerhalb des Geschäftsbereichs der Schuldnerin abgespielt habe, er begehre indes Einsicht in alle Akten bei der Beklagten über oder im Zusammenhang mit der Insolvenzschuldnerin geführt würden bzw. worden sind. Er könne die Akten nicht weiter präzisieren, da er nicht wisse, welche Akten überhaupt geführt würden. Der Kläger hat gegen die Beklagte ein Mahnverfahren auf Zahlung einer Hauptforderung von 3.678,30 Euro durchgeführt, das nach einem Widerspruch der Beklagten und einem Antrag auf Durchführung eines streitigen Verfahrens des Klägers an das Amtsgericht Hamburg-St. Georg abgegeben worden ist. Der Kläger begehrt mit der Klage die Rückzahlung verschiedener an die Beklagte im Zeitraum vom 27.6.2005 bis 20.9.2005 abgeführter Beiträge aufgrund einer Insolvenzanfechtung. Mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 25.8.2009 ist die Klage abgewiesen worden, wobei das
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-5- Amtsgericht feststellte, dass die Voraussetzungen von § 133 InsO nicht vorlägen. Es könne     nicht   festgestellt   werden,   dass    die    Beklagte   einen    etwaigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin kannte oder zumindest wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Mit Schriftsatz vom 28.10.2009 hat der Kläger Berufung gegen das Urteil eingelegt. Dieses Verfahren ist beim Landgericht Hamburg unter dem Aktenzeichen (303 S 30/09) anhängig. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.10.2008 und des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2009 zu verpflichten, dem Kläger 1. Zugang zu den über die Altraco GmbH Ingenieurdienstleistungen vorhandenen Informationen zu gewähren sowie 2. den Zugang zu den aktenförmigen Informationen in Form von Akteneinsicht zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren und weist vor allem darauf hin, der Bundesgerichtshof habe festgestellt, dass die Insolvenzordnung keine Auskunftspflichten möglicher Anfechtungsschuldner gegenüber dem Insolvenzgericht kenne und erst recht nicht gegenüber dem Verwalter. Keine Partei sei gehalten, dem Gegner das Material für einen Prozesssieg zu verschaffen. Der Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz sei daher rechtsmissbräuchlich. Die Klage sei in bezug auf das Klagebegehren nicht hinreichend bestimmt. So sei nicht erkennbar, ob sie in ihrer Funktion als Krankenkasse oder als Einzugsstelle für den Pflichtbeitrag in Anspruch genommen werden solle. Die Akten, in die Einsicht verlangt werde, seien nicht hinreichend präzisiert. Dem Anspruch stehe entgegen, dass es sich um Vorgänge aus der Sphäre der Insolvenzschuldnerin handele. Der Kläger habe nicht dargelegt, welche
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-6- Anstrengungen er unternommen habe, um in den Besitz dieser Unterlagen zu gelangen. Die Insolvenzschuldnerin sei primär auskunftspflichtig. Dies gelte umso mehr, als die Insolvenzschuldnerin zur ordnungsgemäßen Buchführung nach § 41 GmbHG verpflichtet sei. Der Anspruch ziele letztendlich auf eine Beitragsrückerstattung in das Vermögen der Insolvenzschuldnerin,      dem      der    Grundsatz     der   Beitragsgerechtigkeit  und § 3 Nr. 6 Informationsfreiheitsgesetz entgegenstünden, wonach kein Anspruch auf Auskunft bestehe, wenn die wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherungen beeinträchtigt würden. Weitere insolvenzrechtliche Ansprüche seien nicht verjährt. Das Informationsfreiheitsgesetz     solle   nicht   dazu    dienen,   in   den    bestehenden Rechtsverhältnissen die Gewichtungen zu verschieben. Zum Beleg verweise sie auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg vom 5.10.2007 (1 U 40/06). Auch hier bestehe ein zivilrechtliches Spannungsverhältnis wegen des Anfechtungsrechts nach der Insolvenzordnung.     Für    sie   entstünden     nachteilige Auswirkungen     durch  das Informationsfreiheitsbegehren, weil die Beiträge, die an einen insolventen Schuldner erstattet werden müssten, bei ihr fehlten. Der Anspruch sei nach § 3 Nr. 4 IFG ausgeschlossen, weil die begehrten Informationen einem besonderen Amtsgeheimnis unterlägen. Denn danach geschützt seien alle Sozialdaten im Sinne von § 67 SGB X und die Angaben auf den Beitragskonten stellten zum Teil Sozialdaten der Arbeitnehmer dar. Dies    ergebe   sich    insbesondere    aus    § 28e Abs. 1 Satz   2 SGB   IV,  der  den Arbeitnehmeranteil dem Arbeitnehmervermögen zurechne. § 3 Nr. 4 IFG stelle nicht darauf ab, ob die unter das Amtsgeheimnis fallenden Informationen gerade auch gegenüber dem Kläger schützenswert seien. Da der Insolvenzverwalter als „jeder“ einen Anspruch habe, müsse er sich auch hier wie ein „Jeder“ behandeln lassen. Dem Informationsbegehren stehe § 5 IFG entgegen, da das begehrte Beitragskonto personenbezogene Daten der Arbeitnehmer beinhalte. Auch hier dürfe nicht auf die besondere Stellung des Klägers als Insolvenzverwalter abgestellt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sachakte der Beklagten und die beigezogene Akte des Landgerichts Hamburg (Az.: 303 S 30/09) und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.8.2010 Bezug genommen.
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-7- Entscheidungsgründe: I. Die Klage ist zulässig (1.) und begründet (2.) 1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie bestimmt genug. Die Klage genügt den von § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgestellten Anforderungen, wonach die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen muss. Hinsichtlich der Bezeichnung der Beklagten ist erforderlich, dass das Gericht, die Beteiligten und grundsätzlich auch Dritte aus den entsprechenden Angaben unschwer         die     Identität     feststellen     können      (vgl.     Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 15. Aufl. 2007, § 82 Rn. 3). Dass die Identität der Beklagten dem Rubrum der Klageschrift unschwer zu entnehmen ist, bestreitet auch die Beklagte nicht. Für die Zulässigkeit ist – anders als die Beklagte vorbringt – hingegen unerheblich, ob die Beklagte in „in ihrer Funktion als Krankenkasse oder als Einzugsstelle für den Pflichtbeitrag“ in Anspruch genommen wird, da dies keine Frage der Identität, sondern eine Frage des materiellen – in der Begründetheit zu prüfenden – Rechts darstellt. Weiter    ist   das   Klagebegehren     hinreichend  bestimmt   im   Sinne   von § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es ist erkennbar, dass der Kläger Zugang zu allen bei der Beklagten befindlichen Informationen über die Insolvenzschuldnerin begehrt. Dass er diese Informationen nicht weiter eingrenzen kann, liegt in der Natur der Sache und kann daher nicht zu seinen Lasten gewertet werden. Der Kläger war auch nicht gehalten, die Informationen näher einzugrenzen, indem er einen bestimmten Zweck angab. Denn dies würde seinem umfassenden Informationsbegehren nicht gerecht, da dies eine Eingrenzung der Informationen zur Folge hätte, die vom Kläger gerade nicht beabsichtigt war. 2. Die Verpflichtungsklage ist sowohl hinsichtlich des ersten Antrags (dazu unter a)) als auch hinsichtlich des zweiten Antrags (dazu unter b)) begründet.
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-8- a) Der angefochtene Bescheid vom 14.10.2008 und der Widerspruchsbescheid vom 14.1.2009 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), denn dem Kläger steht nach § 1 Abs. 1 IFG ein Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz – wie von ihm allein geltend gemacht – zu. Der Kläger ist anspruchsberechtigt und die Beklagte anspruchsverpflichtet (aa)), es handelt sich bei den begehrten Informationen um amtliche Informationen (bb)). Weder greift die Subsidiaritätsklausel nach § 1 Abs. 3 IFG (cc)) noch die in § 3 IFG genannten Gründe (dd)). Auch stehen dem Anspruch weder § 9 Abs. 3 IFG (ee)) noch §§ 5, 6 IFG entgegen (ff)) und schließlich ist die Klage nicht rechtsmissbräuchlich (gg)). aa) Der Kläger ist anspruchsberechtigt (aaa)) und die Beklagte anspruchsverpflichtet (bbb)). aaa) Der Kläger zählt als Insolvenzverwalter zum im § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG bezeichneten Kreis der anspruchsberechtigten Personen. Auch als Insolvenzverwalter ist der Kläger von der von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG verwandten Formulierung „Jeder“ erfasst. Unter diesen Begriff fallen jedenfalls natürliche Personen (vgl. Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2009, § 1 Rn. 43). Zwar ist zwischen     dem   Handeln     des    Klägers   als   Privatperson   und   demjenigen als Insolvenzverwalter zu unterscheiden. Als Insolvenzverwalter handelt der Kläger als Amtsträger. Dennoch ist der Kläger als natürliche Person und damit als „Jeder“ im Sinne der Vorschrift anzusehen. Er nimmt seine Aufgaben als Partei kraft Amtes wahr (OVG Münster, Beschl. v. 28.7.2008, ZIP 2008, 1542). Nach dieser sog. Amtstheorie übt der Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse im eigenen Namen und im eigenen Recht aus (BGH, Beschl. v. 27.10.1983, BGHZ 88, 331; OVG Münster, Beschl. v. 28.7.2008, ZIP 2008, 1542; Wimmer (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 5. Aufl. 2009, § 80 Rn. 21). Da der Insolvenzverwalter im eigenen Namen für fremdes Vermögen handelt, wird er als natürliche Person tätig und fällt unter den von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG erfassten Personenkreis (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 28.7.2008, ZIP 2008, 1542; VG Hamburg, Urt. v. 17.5.2010, ZInsO 2010, 1098;
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-9- VG Hamburg, Urt. v. 24.2.2010, ZInsO 2010, 577; VG Stuttgart, Urt. v. 18.8.2009, ZInsO 2009, 1858; VG Hamburg, Urt. v. 23.4.2009, ZIP 2009, 2014). bbb) Die Beklagte ist eine „Behörde des Bundes“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Für die Auslegung dieses Begriffs ist nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Gesetzentwurf vom 14.12.2004, BT-Drs. 15/4493) auf § 1 Abs. 4 VwVfG zurückzugreifen (VG Stuttgart, Urt. v. 18.8.2009, ZInsO 2009, 1858; Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2009, § 1 Rn: 78). Danach ist eine Behörde jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Die Beklagte ist als bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 1, 86 GG eine solche Stelle (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 17.5.2010, ZInsO 2010, 1098; VG Hamburg, Urt. v. 24.2.2010, ZInsO 2010, 577; VG Hamburg, Urt. v. 1.10.2009, 9 K 2474/08, juris; VG Hamburg, Urt. v. 23.4.2009, ZIP 2009, 2014; VG Düsseldorf, Urt. v. 20.4.2007, 26 K 5324/06, juris). bb) Der Kläger begehrt des weiteren Zugang zu „amtlichen Informationen“ im Sinne von § 1 Abs. 1 IFG iVm § 2 Nr. 1 IFG. Eine amtliche Information ist nach der in § 2 Nr. 1 IFG genannten Legaldefinition jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Die Herkunft der Information ist für den Zugangsanspruch ohne Bedeutung (Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2009, § 1 Rn. 26f.). Aufzeichnungen über Sozialversicherungsverhältnisse von Arbeitnehmern eines Insolvenzschuldners erfolgen im Hinblick auf die den Sozialversicherungsträgern übertragenen Zuständigkeiten der öffentlichen Verwaltung und somit zu einem amtlichen Zweck (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 17.5.2010, ZInsO 2010, 1098; VG Hamburg, Urt. v. 24.2.2010, ZInsO 2010, 577; VG Hamburg, Urt. v. 23.4.2009, ZIP 2009, 2014). Den Zugang zu solchen Daten begehrt der Kläger    vorliegend   mit   seiner  Klage,  wenn    er   sämtliche  Daten     über die Insolvenzschuldnerin von der Beklagten begehrt. cc) Der Informationsanspruch des Klägers scheitert nicht an der Subsidiaritätsklausel in § 1 Abs. 3 IFG, wonach Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des § 29 VwVfG und des § 25 SGB X vorgehen.
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- 10 - § 1 Abs. 3 IFG statuiert nicht allein klarstellend den lex specialis-Grundsatz (so auch Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2009, § 1 Rn. 161f.), vielmehr handelt es sich dem Wortlaut nach um eine formelle Subsidiaritätsklausel, d.h. das Informationsfreiheitsgesetz tritt – außer bei den in der Vorschrift genannten Ausnahmen – hinter solchen Rechtsvorschriften zurück, die Zugang zu amtlichen Informationen gewähren. Die Subsidiaritätsklausel bezieht sich dabei nach dem Wortlaut nur auf solche Rechtsvorschriften, die einen sachlich identischen Regelungsgehalt aufweisen (VG Hamburg, Urt. v. 17.5.2010, ZInsO 2010, 1098; VG Hamburg, Urt. v. 24.2.2010, ZInsO 2010, 577; VG Hamburg, Urt. v. 1.10.2009, 9 K 2474/08, juris; VG Hamburg, Urt. v. 23.4.2009, ZIP 2009, 2014). Die vorrangige Rechtsvorschrift muss deshalb erstens Informationsrechte regeln, die nicht nur im Einzelfall, sondern ausschließlich oder jedenfalls typischerweise den Zugang zu amtlichen Aufzeichnungen gestatten. Außerdem muss sie Informationsrechte vorsehen, die nicht nur im Einzelfall, sondern ausschließlich oder jedenfalls typischerweise an eine Behörde im Sinne von § 1 Abs. 1 IFG zu adressieren sind (VG Hamburg, Urt. v. 24.2.2010, ZInsO 2010, 577). Die     insolvenzrechtlichen     Auskunftsansprüche      des   Klägers     gegenüber   der Insolvenzschuldnerin nach §§ 97, 101 der Insolvenzordnung (aaa)) bzw. das Auskunftsrecht nach §§ 242, 810 BGB (bbb)) zählen nicht zu den vorrangigen Regelungen im Sinne von § 1 Abs. 3 IFG, jedenfalls stellen sie keine abschließenden Regelungen dar (ccc)). aaa) Die §§ 97, 101 InsO regeln solche vorrangigen Ansprüche nicht. Vielmehr verpflichten sowohl § 97 InsO also auch § 101 InsO die Insolvenzschuldnerin zur Auskunft und Mitwirkung. Vorliegend geht es indes nicht um einen Auskunftsanspruch gegenüber       der    Insolvenzschuldnerin     sondern      gegenüber     der   Beklagten (Insolvenzgläubigerin) (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 23.4.2010, ZIP 2010, 1091). Außerdem ist der Regelungsgegenstand der genannten Vorschriften nicht der Zugang zu amtlicher Information. Vielmehr handelt es sich typischerweise um nichtamtliche Aufzeichnungen von Privatpersonen (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 23.4.2010, ZIP 2010, 1091; VG Stuttgart, Urt. v. 18.8.2009, ZInsO 2009, 1858; iE ebenso VG Hamburg, Urt. v. 24.2.2010, ZInsO 2010, 577; VG Hamburg, Urt. v. 1.10.2009, 9 K 2474/08, juris; VG Hamburg, Urt. v. 23.4.2009, ZIP 2009, 2014).
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