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Aktenzeichen
26 L 683/10
Datum
8. Juli 2010
Gericht
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Gesetz
Verbraucherinformationsgesetz (VIG)
Verbraucherinformationsgesetz (VIG)

Beschluss: Verwaltungsgericht Düsseldorf am 8. Juli 2010

26 L 683/10

Ein betroffener Dritter kann sich nicht auf die Ausnahmetatbestände des Verbraucherinformationsgesetzes zum Schutz öffentlicher Belange berufen, da diese Vorschrift allein dem öffentlichen Interesse dient. Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse zum Schutz privater Belange besteht nicht hinsichtlich solcher Produkte, bei denen Normvorgaben nicht beachtet worden sind. Mit dieser Begründung lehnt das Gericht einen Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs eines Drittbetroffenen wiederherzustellen, ab. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Drittbetroffenheit Begriffsbestimmung Prozessuales

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kein Anspruch des Dritten auf Wiederhe... http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2010/26_L_683_... Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 L 683/10 Datum:                       08.07.2010 Gericht:                     Verwaltungsgericht Düsseldorf Spruchkörper:                26. Kammer Entscheidungsart:            Beschluss Aktenzeichen:                26 L 683/10 Schlagworte:                 Verbraucherschutz Verbraucherinformation Auskunft Vollziehung Dritte Anhörung Bestimmtheit Antrag Betriebsgeheimnis Geschäftsgeheimnis Geheimhaltungsinteresse Normen:                      VwGO § 80 Abs 5 VwGO § 80a VIG § 1 Abs 1 VIG § 2 VIG § 3 VIG § 4 Leitsätze:                   1. Der von einer Auskunft nach dem VIG betroffene Dritte kann sich nicht mit Erfolg auf einem Informationsanspruch entgegenstehende Ausschluss- und Beschränkungsgründe nach § 2 Satz 1 Nr 1 VIG berufen, denn diese Vorschrift begrenzt den Anspruch auf Informationszugang wegen entgegenstehender öffentlicher Belange und dient demnach allein dem öffentlichen Interesse. 2. Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse im Sinne von § 2 Satz 1 Nr 2 VIG kann nicht bestehen hinsichtlich solcher Produkte, bei denen Normvorgaben nicht beachtet worden sind, wie dies etwa bei nicht zum Verzehr geeigneten Lebensmitteln, bei irreführender Verkehrsbezeichnung, bei zu hoher Keimzahl, oder Kennzeichnungsmängeln der Fall ist. Tenor:                       1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt. Gründe:                                                                                                                 1 Der nach zulässiger, weil sachdienlicher Antragsänderung (§ 91 Abs. 1 VwGO analog)                                      2 nunmehr zur Entscheidung gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung des am 02.07.2010 eingelegten Widerspruchs gegen den                                          3 Auskunftsbescheid des Antragsgegners vom 19.04.2010, AZ: 39-11-VIG/po, wiederherzustellen, hilfsweise,                                                                                                             4 die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Auskunftsbescheides des                                                    5 1 von 8                                                                                                                      02.01.2012 10:15
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kein Anspruch des Dritten auf Wiederhe... http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2010/26_L_683_... Antragsgegners vom 19.04.2010, AZ 39-11 VIG/po, aufzuheben, äußerst hilfsweise,                                                                                                     6 festzustellen, dass der Widerspruch gegen den Auskunftsbescheid des                                                     7 Antragsgegners vom 19.04.2010, AZ: 39-11-VIG/po, aufschiebende Wirkung hat, bleibt insgesamt ohne Erfolg.                                                                                           8 Nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO - hier dessen Satz 1,                                             9 2. Alternative - bzw. nach § 80 Abs. 5 VwGO unmittelbar kann das Gericht im Fall von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (vgl. § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO) die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederherstellen, vgl. Kopp/Schenke, VwGO,16. Aufl. 2009, § 80a VwGO Rdnr. 17 f und § 80 VwGO Rdnr.                                      10 120 ff., wenn nach § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO der Dritte einen Rechtsbehelf gegen den an einen                                     11 anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt einlegt und die Behörde - ggf. auf Antrag dieses Begünstigten - nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Der Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab, der gesetzlich nicht vorgegeben wurde, richtet sich dabei nach denselben Grundsätzen, wie sie für die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO gelten, Kopp/Schenke § 80a VwGO Rdnr. 23; Sodan/Ziekow § 80a VwGO Rdnr. 34.                                                    12 Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hängt in den Fällen des § 80                                       13 Abs. 2 Nr. 4 VwGO von der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung und von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits ab. Bei der Abwägung sind die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein öffentliches oder überwiegendes Interesse eines Dritten bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in der Regel das öffentliche Interesse bzw. das private Interesse des begünstigten Dritten am Bestand des Sofortvollzugs. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig erfolgt.                                               14 Der Antragsgegner war zu einer Anordnung der sofortigen Vollziehung befugt,                                            15 ungeachtet der Frage, ob seitens des Auskunft begehrenden Herrn S, der in seinem Antrag vom 15.04.2009 darum gebeten hat, "so schnell wie möglich" die begehrte Auskunft zu erteilen, sinngemäß die Anordnung der sofortigen Vollziehung begehrt wurde. Denn es bedurfte keines Antrags des Herrn S auf Anordnung der sofortigen Vollziehung. § 80a Abs. 1 VwGO begründet selbst keine Befugnis der Behörde. Deren Befugnisse ergeben sich vielmehr aus § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, soweit es um die Anordnung der sofortigen Vollziehung geht, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.07.1999 - 10 B 961/99 - BauR 2000, 80 m.w.N..                                           16 Formale Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist darüber                                     17 hinaus, dass die Behörde für das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung eine 2 von 8                                                                                                                      02.01.2012 10:15
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kein Anspruch des Dritten auf Wiederhe... http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2010/26_L_683_... schriftliche Begründung gemäß § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO gegeben hat. Den Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO genügt jede schriftliche Begründung, die                                   18 - sei sie sprachlich oder gedanklich auch noch so unvollkommen - zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.03.2009 - 13 B 1910/08 - Juris.                                                         19 Die betreffenden Ausführungen in der angefochtenen Verfügung genügen diesen                                            20 Anforderungen noch. Sie zeigen, dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst war. Der Hinweis darauf, es handele sich bei den herauszugebenden Informationen weder um Ausschluss- und Beschränkungsgründe noch um Daten, die der Geheimhaltung unterlägen, sodass hier die Schutzwürdigkeit des Verbrauchers über den betrieblichen Interessen der Antragstellerin stehe, ist zwar in seiner Formulierung missverständlich, macht aber hinreichend deutlich, wo die Behörde den Schwerpunkt ihrer Abwägung zwischen dem Vollziehungs- und dem Aufschubinteresse gesetzt hat, nämlich dass die zu offenbarenden Daten bzw. Informationen von ihrer Bedeutung her nach Einschätzung der Behörde nicht derart gewichtig sind, dass bei ihrer Herausgabe Rechte und Schutzinteressen der Antragstellerin in empfindlicher und tiefgreifender Weise berührt würden. Ob diese Einschätzung im Ergebnis richtig ist, kann nach der oben dargelegten gefestigten Rechtsprechung in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Entscheidend ist, dass aus der formellen Begründung ersichtlich wird, dass der Antragsgegner eine auf den Einzelfall bezogene Abwägung vorgenommen hat. Ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtmäßig erfolgt, so ist die                                    21 aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin nicht wiederherzustellen, denn im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Interesse bzw. das private Interesse des Herrn S am Sofortvollzug das private Aufschubinteresse der Antragstellerin. Der angegriffene Bescheid erweist sich nämlich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für den Auskunftsbescheid ist § 1 Abs. 1                                                        22 Verbraucherinformationsgesetz - VIG - . Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes Anspruch auf feien Zugang zu allen Daten über Verstöße und Risiken im Lebensmittel- und Futtermittelbereich und über die Beschaffenheit von Erzeugnissen, die Ausgangsstoffe und die Überwachungsmaßnahmen. Der Bescheid ist zunächst formell rechtmäßig. Insbesondere ist das erforderliche                                       23 Verfahren eingehalten worden. Soweit die Antragstellerin rügt, die Anhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, sie sei nicht in die Lage versetzt worden, in hinreichender Art und Weise zu der beabsichtigten Informationsweitergabe Stellung zu nehmen, vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Nach § 4 Abs. 1 VIG gibt die zuständige Behörde Dritten, deren Belange durch den Antrag auf Informationszugang betroffen sind, vor ihrer Entscheidung schriftlich Gelegenheit zur Stellungahme innerhalb eines Monats. Dies ist hier unter Übersendung der beabsichtigten Auskunft in Form einer tabellarischen Übersicht geschehen. Soweit die Antragstellerin im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hat, es sei anhand der tabellarischen Übersicht nicht nachvollziehbar, ob die angeblich beanstandeten Erzeugnisse überhaupt von ihr in den Verkehr gebracht worden seien, ist dies schon deshalb nicht verständlich, weil der Antragstellerin Vorgänge, 3 von 8                                                                                                                      02.01.2012 10:15
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kein Anspruch des Dritten auf Wiederhe... http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2010/26_L_683_... namentlich Kontrollberichte, über die erfolgten Beanstandungen im Rahmen ihres Betriebs, insbesondere wenn die Verfahren mit einer Belehrung, einem Bußgeld oder einer Verwarnung endeten, bekannt sein müssen. Soweit der Antragstellerin Einzelheiten der im Rahmen der Lebensmittelüberwachung durchgeführten Verwaltungsverfahren nicht bekannt gewesen sein sollten, hätte die Antragstellerin Akteneinsicht in die beim Antragsgegner, Außenstelle Hilden, geführten Vorgänge der Lebensmittelüberwachung nehmen können. Zur ordnungsgemäßen Anhörung vor Auskunftserteilung gehörte jedenfalls nicht die Übersendung von Kopien sämtlicher Prüfberichte, Kontrollberichte und Bescheide. Der Auskunftsbescheid ist auch materiell rechtmäßig.                                                                   24 Nach den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 16/5723, 16/5404) und den Darstellungen                                  25 im Internet (http://www.vig-wirkt.de) soll durch das Verbraucherinformationsgesetz über marktrelevante Vorkommnisse informiert werden auch unter Namensnennung betroffener Firmen. Mit diesem Gesetzesansatz steht die namentliche Benennung der Antragstellerin grundsätzlich in Einklang. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.05.2009 - 13a F 13/09 - NVwZ 2009, 1510.                                                26 Unerheblich ist, dass Herr S als auskunftsbegehrende Person nicht dargelegt hat, für                                   27 welche Zwecke er die Auskünfte benötigt, bzw. wie er die von ihm begehrten Auskünfte zu verwerten gedenkt. Ein auf das Verbraucherinformationsgesetz gestützter Auskunftsanspruch ist nach der                                    28 gesetzlichen Regelung nicht von der Geltendmachung eines besonderen rechtlichen Interesses abhängig. Für Informationsansprüche nach dem Umweltinformationsgesetz oder dem Informationsfreiheitsgesetz hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der jeweilige Anspruch nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie der Befriedigung privater Interessen dient, BVerwG, Beschluss vom 21.2.2008 - 20 F 2/07 - BVerwGE 130, 236 und Beschluss vom                                       29 19.1.2009, - 20 F 23/07 - NVwZ 2009, 1114. Derjenige, der den Anspruch geltend macht, wird als Sachwalter der Allgemeinheit tätig.                                30 Vorgänge sollen transparent gemacht und das Umweltbewusstsein gestärkt werden. Nichts anderes gilt für den Auskunftsanspruch nach dem Verbraucherinformationsgesetz, das den Verbrauchern Zugang zu den bei Behörden vorhandenen Informationen über den Vollzug lebensmittelrechtlicher und futtermittelrechtlicher Vorschriften unabhängig von einem berechtigten individuellen Informationsinteresse verschafft. Das Verbraucherinformationsgesetz, das in Reaktion auf die Lebensmittelskandale der jüngeren Vergangenheit erlassen worden ist (BT-Drs. 16/5404 S. 7), verfolgt damit eine vergleichbare Zielrichtung wie das Umweltinformationsgesetz oder das Informationsfreiheitsgesetz, Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 22.12.2009 – G 09.1 – Juris; OVG NRW, Beschluss vom                                       31 27.05.2009 - a.a.O. Der von Herrn S gestellt Antrag ist – jedenfalls in der Fassung des Schreibens vom                                     32 13.05.2009 – hinreichend bestimmt im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 2 VIG. Die von der Antragstellerin gerügte Formulierung des Auskunftsantrags findet sich im Antragsschreiben vom 15.04.2009 und ist, nachdem der Antragsgegner Herrn S aufgefordert hatte, seinen Antrag zu konkretisieren, durch das spätere Schreiben überholt. Nicht zu folgen ist ferner der Auffassung der Antragstellerin, der Auskunftsantrag müsse sich stets auf ein bestimmtes Erzeugnis beziehen. Aus § 5 Abs. 2 4 von 8                                                                                                                      02.01.2012 10:15
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kein Anspruch des Dritten auf Wiederhe... http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2010/26_L_683_... S. 1 VIG, auf den die Antragstellerin sich beruft, lässt sich die von ihr vertretene Rechtsauffassung nicht herleiten. Die Vorschrift lautet: Soweit der informationspflichtigen Stelle keine Erkenntnis über ein im Antrag nach § 3 Abs. 1 konkret bezeichnetes Erzeugnis vorliegen, teilt sie dies dem Antragsteller mit und weist, soweit ihr dies bekannt und möglich ist, auf eine andere Stelle hin, bei der diese Informationen vorhanden sind. Die Regelung in § 5 Abs. 2 S. 1 VIG, welche die Behörde zu weiteren Hinweisen verpflichtet, setzt demnach voraus, dass der Antragsteller ein Erzeugnis konkret bezeichnet hat, bestimmt jedoch nicht, dass eine Auskunftsbegehren nur dann zulässig ist, wenn es sich auf ein konkret bezeichnetes Erzeugnis bezieht. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 VIG besteht – nach Maßgabe dieses Gesetzes – Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über Verstöße gegen das Lebensmittel und Futtermittelgesetzbuch, gegen die aufgrund des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches erlassenen Rechtsverordnungen und gegen unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit solchen Verstößen getroffen worden sind. Diese Bestimmung verdeutlicht, dass zwar ausgehend vom Schutzzweck des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB), bei Lebensmitteln, Futtermitteln, kosmetischen Mitteln und Bedarfsgegenständen den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gefahr für die menschliche Gesundheit sicherzustellen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 LFGB) sowie vor Täuschung beim Verkehr mit Lebensmitteln, Futtermitteln, kosmetischen Mitteln und Bedarfsgegenständen zu schützen, in der Regel Erzeugnisse im Sinne des LFGB Gegenstand bzw. Bezugspunkt der Information sein werden, dieses Erzeugnis aber nicht schon im Antrag konkret benannt sein muss. Private Geheimhaltungsinteressen der Antragstellerin, die gegenüber dem durch das                                      33 Verbraucherinformationsgesetz geschützten Allgemeininteresse an einer umfassenden Information des Verbrauchers vorrangig sind, bestehen nicht. Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf einem umfassenden Informationsanspruch entgegenstehende Ausschluss- und Beschränkungsgründe nach § 2 Satz 1 VIG berufen. Ausschlussgründe des § 2 Satz 1 Nr. 1 VIG kann die Antragstellerin nicht für sich in                                   34 Anspruch nehmen, denn diese Vorschrift begrenzt den Anspruch auf Informationszugang wegen entgegenstehender öffentlicher Belange und dient demnach allein dem öffentlichen Interesse. Die Antragstellerin kann sich mithin nicht auf das etwaige Vorliegen solcher Ausschlussgründe berufen. Der Herausgabe der die Antragstellerinnen betreffenden Daten steht, anders als die                                     35 Antragstellerin meint, auch nicht § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG entgegen. Danach besteht ein Informationsanspruch nach § 1 VIG nicht, soweit durch die begehrten Informationen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder sonstige wettbewerbsrelevante Informationen, die in ihrer Bedeutung für den Betrieb mit einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vergleichbar sind, offenbart würden. Derartige schutzwürdige Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder mit diesen vergleichbare wettbewerbsrelevante Informationen stehen hier nicht an. Als dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG unterfallende Betriebs- und                                                36 Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogener Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, 5 von 8                                                                                                                      02.01.2012 10:15
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kein Anspruch des Dritten auf Wiederhe... http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2010/26_L_683_... Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebes maßgeblich bestimmt werden können, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.05.2009, a.a.O. m.w.N.                                                                  37 Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse kann demzufolge nicht bestehen hinsichtlich                                   38 solcher Produkte, bei denen Normvorgaben nicht beachtet worden sind, wie dies etwa bei nicht zum Verzehr geeigneten Lebensmitteln, bei irreführender Verkehrsbezeichnung, bei zu hoher Keimzahl, oder Kennzeichnungsmängeln der Fall ist. Zwar kann das Bekanntwerden einer ein solches Produkt vertreibenden Firma oder des Verkaufsortes eines solchen Produkts Einfluss auf das Kaufverhalten von Verbrauchern haben, mögliche damit verbundene Absatzeinbußen der betreffenden Firmen sind aber im Falle der Überschreitung dem Verbraucherschutz dienender Normwerte nicht schutzwürdig. OVG NRW, Beschluss vom 27.05.2009, a.a.O.                                                                              39 Eine Berufung auf entgegenstehende Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder                                            40 sonstige wettbewerbsrelevante Informationen im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 2c VIG ist gegenüber einem auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG gestützten Informationsanspruch nach § 2 Satz 3 VIG ausgeschlossen. Damit hat der Gesetzgeber klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass bei Rechtsverstößen ein berechtigtes Interesse des Unternehmers an der Geheimhaltung nicht besteht (BT-Drs. 16/5404 S. 12). Diese Regelung ist mit Blick auf das mit dem Verbraucherinformationsgesetz verfolgte Ziel folgerichtig, denn eine Offenlegung begangener Verstöße dient dem Verbraucherschutz und ist geeignet, weiteren Verstößen gegen lebens- und futtermittelrechtliche Vorschriften vorzubeugen, vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 22.12.2009 a.a.O.                                                                         41 Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Antragsgegner zutreffend entschieden, dass                                    42 der Erteilung der begehrten Auskunft über alle vorliegenden Daten über Verstöße im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 VIG kein vorrangiges Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerin entgegensteht. Ein Verstoß gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) liegt stets dann                                 43 vor, wenn ein Vorgang nicht mit den darin festgelegten Vorschriften in Einklang steht. Diese Auslegung entspricht der europarechtlichen Definition eines Verstoßes. Ein Verstoß ist "die Nichteinhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts und der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz" (VO-EG-Nr. 882/2004 vom 29.4.2004, Art. 2 Nr. 10). Eine unzutreffende Etikettierung, eine fehlerhafte Kennzeichnung oder irreführende Verkehrsbezeichnung von in den Verkehr gebrachten Lebensmitteln verstößt gegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB. Auch Verstöße gegen die Verordnung über die Kennzeichnung von Lebensmitteln (Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung - LMKV) bzw. gegen die Verordnung über Fertigpackungen (Fertigpackungsverordnung - FPackV) stellen Verstöße im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 VIG dar. Der Einwand der Antragstellerin, ein Verstoß liege nur dann vor, wenn dieser in einem                                  44 Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren geahndet worden ist, findet weder im Gesetzestext noch in der Begründung eine Stütze. Die Vorschrift differenziert vielmehr zwischen Verstößen und Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den Verstößen getroffen worden sind; zu Maßnahmen und Entscheidungen im Sinne dieser Vorschrift zählt u. a. auch die Einleitung von Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren. Der mit dem Verbraucherinformationsgesetz bezweckte 6 von 8                                                                                                                      02.01.2012 10:15
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kein Anspruch des Dritten auf Wiederhe... http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2010/26_L_683_... Verbraucherschutz steht ebenfalls der Einengung des Informationsanspruchs auf sanktionierte Verstöße entgegen. Bay.VGH, Beschluss vom 22.12.2009 a.a.O.                                                                               45 Selbst wenn man einen engeren Begriff des Verstoßes zugrundelegen und in                                               46 Übereinstimmung mit der Antragstellerin den Tatbestand des § 2 Satz 3 VIG verneinen wollte, kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Erteilung der Auskunft nach § 2 Nr. 2 lit. c VIG ausgeschlossen sei, weil durch die begehrten Informationen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder sonstige wettbewerbsrelevante Informationen, die in ihrer Bedeutung für den Betrieb mit einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vergleichbar sind, offenbart würden. Dieser Ausschlusstatbestand greift vorliegend nicht ein. Wie oben bereits ausgeführt umfassen Betriebsgeheimnisse im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse beziehen sich vornehmlich auf kaufmännisches Wissen wie etwa Umsätze, Kundenlisten, Geschäftsbücher und anderes mehr, BVerfG vom 14.3.2006 BVerfGE 115, 205 /210 f.; BVerwG vom 28.5.2009 - 7 C 18/08,                                       47 Juris. Auch für den Begriff der wettbewerbsrelevanten Informationen gilt, dass sie sich auf nicht                             48 offenkundige Umstände beziehen müssen, die für den Wettbewerb mit Konkurrenten erheblich sind. Die streitgegenständliche Auskunft betrifft kein Produktionsgeheimnis noch eine Information, die geeignet ist, die Stellung der Antragstellerin im Wettbewerb unberechtigt zu benachteiligen. Vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 22.12.2009 a.a.O.                                                                          49 Der Hinweis der Antragstellerin auf einen nach der Verordnung (EG) 882/2004                                            50 (Verordnung über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts ...) bestehenden Geheimnisschutz bedingt keine andere Wertung. Zwar bestimmt § 1 Abs. 4 VIG u.a., dass gesetzliche Vorschriften über Geheimhaltungspflichten unberührt bleiben, und sieht Art. 7 Abs. 3 der Verordnung 882/2004 vor, dass die Geheimhaltungspflicht insbesondere auch bei der Vertraulichkeit von Voruntersuchungen besteht. Vor dem Hintergrund, dass § 2 VIG den generell bestehenden Anspruch auf Zugang zu Informationen begrenzt, soweit dies zum Schutz wichtiger öffentlicher oder privater Belange erforderlich ist und dies eine Abwägung der unterschiedlichen Interessen im Einzelfall erfordert, kann Art. 7 Abs. 3 der Verordnung 882/2004 aber keine die Interessenabwägung dominierende absolute Bedeutung zugemessen werden. Die Bestimmung ist ersichtlich auf einen wirkungsvollen Kontrollmechanismus durch die Kontrollbehörden zugeschnitten, der nicht durch die Bekanntgabe von im Rahmen der Kontrolle vorgesehenen Maßnahmen ("Voruntersuchungen") beeinträchtigt werden soll; sie begründet kein Schutzrecht zu Gunsten der von Kontrollen betroffenen Firmen oder Personen. Zudem kann begrifflich von "Voruntersuchungen" nicht mehr gesprochen werden, wenn Kontrollmaßnahmen ihren Abschluss gefunden haben und praktisch ein Ergebnis derselben festgestellt worden ist. Dieser Charakter kommt auch der Liste zu, in der Daten bezüglich der Antragstellerin enthalten sind. Sie stellt sich als Zusammenfassung der Kontrollen und der daraufhin getroffenen bzw. veranlassten Maßnahmen dar und bezieht sich mithin nicht auf "Voruntersuchungen" in diesem Sinne. OVG NRW, Beschluss vom 27.05.2009, a.a.O.; ähnlich Bay.VGH, Beschluss vom                                              51 22.12.2009 a.a.O. Fällt die Abwägung der widerstreitenden Interessen mangels Erfolgsaussichten in der                                    52 7 von 8                                                                                                                      02.01.2012 10:15
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kein Anspruch des Dritten auf Wiederhe... http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2010/26_L_683_... Hauptsache zu Lasten der Antragstellerin aus und ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtmäßig erfolgt, so müssen sowohl der Hauptantrag als auch die Hilfsanträge der Antragstellerin ohne Erfolg bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.                                                                   53 Die Streitwertfestsetzung ist nach §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG erfolgt und beträgt                               54 die Hälfte des in der Hauptsache anzusetzenden Auffangwertes. 8 von 8                                                                                                                      02.01.2012 10:15
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