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Aktenzeichen
1 K 2144/08
Datum
2. Oktober 2009
Gericht
Verwaltungsgericht Münster
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Münster am 2. Oktober 2009

1 K 2144/08

Nach Abschluss eines öffentlichen Vergabeverfahrens unterhalb der Schwellenwerte besteht ein Recht auf Einsicht in den Vergabevermerk. Die als reines Innenrecht geltenden Verdingungsordnungen schließen die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes nicht aus. Während die Angebote der Bieter Geschäftsgeheimnisse enthalten, erlaubt die Kenntnis des Vergabevermerks keine Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation der Konkurrenten. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Konkurrierende Rechtsvorschriften Bestimmtheit des Antrags

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Verwaltungsgericht Münster, 1 K 2144/08                                              Seite 1 von 7 Verwaltungsgericht Münster, 1 K 2144/08 Datum:                    02.10.2009 Gericht:                  Verwaltungsgericht Münster Spruchkörper:             1. Kammer Entscheidungsart:         Urteil Aktenzeichen:             1 K 2144/08 Tenor:                    Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Einsicht in den Vergabevermerk und die beiden Angebote des Klägers betreffend die Ausschreibung der Beförderung von Schülerinnen und Schüler zur Peter-Pan-Schule, Förderschule des Kreises Steinfurt, Förderschwerpunkt Sprache (Primarschule) und Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung (Primarstufe) in Rheine, Siedlerstraße, im Schuljahr 2008/09 zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des beitreibbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. T a t b e s t a n d : Der Kläger begehrt die Einsichtnahme in die Unterlagen des             1 Beklagten betreffend ein Vergabeverfahren zum Schülerspezialverkehr. Er betreibt in S. ein Taxenunternehmen, welches sich u.a. im Schülerfahrverkehr betätigt. Im Juni 2008 schrieb der Beklagte für das Schuljahr 2008/2009 die Beförderung von Schülerinnen und Schülern zur Q. -Q1. -Schule in S. , T.------ straße , einer G. mit den Förderschwerpunkten Sprache und emotionale und soziale Entwicklung aus. Über die Ausschreibung des Schülerspezialverkehrs zur Q. -Q1. -Schule unterrichtete der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 23. Juni 2008 und forderte zur Abgabe eines Angebots in einem verschlossenen Umschlag „bis zum Einreichungstermin/Eröffnungstermin am Donnerstag, 08.07.2008,11.00 Uhr ...". Die Entscheidung über den Zuschlag sollte bis zum 25. Juli 2008 erfolgen. Am Mittwoch, den 9. Juli 2008 erkundigte sich der Kläger telefonisch bei dem Beklagten, ob die Angebotseröffnung am Dienstag, den 8. Juli 2008 oder aber am Donnerstag, den 10. Juli 2008 stattfände. Hierauf erhielt der Kläger von Bediensteten des Beklagten den Hinweis, dass in allen Submissionsunterlagen der 8. Juli 2008 als Datum genannt und die Angabe des http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_muenster/j2009/1_K_2144_08urteil20091002... 20.04.2010
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Verwaltungsgericht Münster, 1 K 2144/08                                            Seite 2 von 7 Wochentages ein Fehler gewesen sei. Die Frage des Klägers nach einer Fristverlängerung lehnte der Beklagte ab, da das Abgabedatum eindeutig zu erkennen gewesen sei. Am Donnerstag, den 10. Juli 2008, um 8.10 Uhr reichte der Kläger bei dem Beklagten ein auf den 7. Juli 2008 datiertes Angebot ein, wonach er mit vier Fahrzeugen nicht in der Lage sei, alle angebotenen Linien zu übernehmen. ER offerierte ein Angebot für die Bedienung von zwei Strecken. Über seine Verfahrensbevollmächtigten wies der Kläger gegenüber dem Beklagten am 11. Juli 2008 darauf hin, dass die Ausschreibung fehlerhaft gewesen sei, weil die Angabe des Einreichungstermins widersprüchlich formuliert worden sei. Seine Angebote seien bei der Bewertung zu berücksichtigen. Daraufhin teilte der Beklagte dem Kläger durch Schreiben vom 16. Juli 2008 mit, dass das Angebot des Klägers wegen Überschreitung der Frist zur Abgabe des Angebots nicht berücksichtigt werde. Aus den Begleitschreiben ergebe sich, dass als Endtermin zur Abgabe des Angebots der 8. Juli 2008 bestimmt worden sei. Daraufhin beantragte der Kläger nach Zuschlagserteilung unter dem 22. Juli 2008 zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen bei dem Beklagten Akteneinsicht in die Verwaltungsakte. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 04. August 2008 ab, da es in einem Zivilprozess den Parteien selbst oblige, den Tatsachenstoff vorzutragen. Weitere prozessuale Rechte eines ggf. geschädigten Bieters zu begründen, sei nicht gerechtfertigt. Mit Antrag vom 7. August 2008 wiederholte der Kläger über seine Verfahrensbevollmächtigten sein Akteneinsichtsgesuch unter Hinweis auf § 4 Abs. 1 des Informationsfreiheitsgesetzes NRW (IFG NRW). Mit Bescheid vom 25. August 2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil die Informationen, die in dem Vergabevorgang enthalten seien, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellten. Die Offenbarung der Ausschreibungsunterlagen der verschiedenen Unternehmen könne sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen auswirken. Sie beinhalteten schutzwürdige Belange, die das Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit überwögen. Hiergegen hat der Kläger am 26. September 2008 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Ihm stehe ein Anspruch auf Einsicht in die Ausschreibungsunterlagen des Beklagten zu. Das Akteneinsichtsrecht sei vergleichbar mit dem kartellrechtlichen Nachprüfungsverfahren oberhalb der Schwellenwerte im Vergaberecht. Das unterlegene Unternehmen müsse sich zumindest darüber informieren können, ob tatsächlich ein wirtschaftlicheres Angebot vorgelegen habe. Deshalb bestehe zumindest ein Recht auf Einsicht in die Wertungsunterlagen und das Angebot des ausgewählten Bieters. Dass dem Einsichtnehmenden dadurch möglicherweise Rückschlüsse auf Betriebsgeheimnisse ermöglicht würden, sei im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes hinzunehmen. Der Beklagte habe nicht behauptet, dass die anderen Bieter ihre Preisangaben als geheimhaltungsbedürftig gekennzeichnet hätten. Er - der Kläger - sei aber darauf angewiesen, ob ihm wegen der Nichtberücksichtigung seiner Angebote Schadensersatzansprüche zustünden. Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm Akteneinsicht in die Verwaltungsakte betreffend die Ausschreibung der Beförderung von Schülerinnen und Schüler zur Q. -Q1. -Schule, G. des Kreises T1. , Förderschwerpunkt Sprache (Primarschule) und Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung (Primarstufe) in S. , T.------straße , im Schuljahr 2008/09 zu gewähren, hilfsweise ihm Akteneinsicht in die mit dem Hauptantrag bezeichnete Vergabeakte nur hinsichtlich der Wertungsunterlagen, des Vergabevermerks und seiner beiden Angebote zu gewähren. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er tritt dem Vorbringen des Klägers wie folgt entgegen: Ein Akteneinsichtsrecht stehe dem Kläger auch im kartellrechtlichen Vergabeverfahren nicht zu, weil die dortige Voraussetzung, unzulässigerweise http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_muenster/j2009/1_K_2144_08urteil20091002... 20.04.2010
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Verwaltungsgericht Münster, 1 K 2144/08                                          Seite 3 von 7 vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden zu sein, nicht vorliege. Unabhängig davon sei unverzichtbares Kennzeichen einer Auftragsvergabe im Wettbewerb die Geheimhaltung der Angebotsunterlagen und Angebotskalkulation der Mitbewerber wie sie von der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) auch für öffentliche Auftraggeber vorgegeben werde. Darüber hinaus seien die verlangten Informationen, namentlich die Kalkulationsgrundlagen, als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse schutzbedürftig. Der Geheimnisschutz könne nicht im Hinblick auf die Prüfung von Schadensersatzansprüchen überwunden werden. Dass die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Offenbarung der Angebotsunterlagen habe, sei von dem Kläger nicht vorgetragen oder dargelegt worden. Sein individuelles Interesse könne den Schutz der Geschäftsgeheimnisse nicht überwinden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. E n t s c h e i du n g s g r ü n d e :                                                   2 Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 VwGO              3 gegeben, weil die für das Rechtsschutzbegehren des Klägers in Betracht kommende Anspruchsgrundlage des § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen - IFG NRW -) dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 8. Juni 2005 - 8 E 283/05 -, juris = NRWE. Das Klagebegehren ist als allgemeine Leistungsklage statthaft, da der Kläger mit seinem Akteneinsichtsbegehren ein schlicht-hoheitliches Handeln, nämlich Überlassung der Vergabeakte zum Schülerspezialverkehr an die Q. - Q1. -Schule im Schuljahr 2008/09 und nicht etwa den Erlass eines Verwaltungsaktes begehrt. Ebenso VG Düsseldorf, Urt. v. 15. Oktober 2008 - 1 K 3286/08 - , juris unter Hinweis auf OVG NRW, Urt. v. 23. Mai 1995 - 5 A 2875/92 -, NJW 1995, 2741. Soweit in der Rechtsprechung unter Hinweis auf die bis zum 5. April 2005 geltende Fassung des § 14 IFG NRW vertreten wurde, dass die Gewährung des Zugangs von Informationen auf einer gedanklich vorgeschalteten behördlichen Entscheidung beruhe, die zugleich als Regelung eines Einzelfalls im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG zu werten sei, Vgl. OVG NRW, Urt. v. 9. November 2006 - 8 A 1679/04 -, NRWE; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 21. März 2002 - 17 L 494/02 -, folgt der Einzelrichter dieser Rechtswertung nach Änderung der Vorschrift des § 14 IFG NRW durch Art. 9 des Fünften Befristungsgesetzes vom 4. April 2005 (GV. NRW. S. 351) nicht. Mit der Neufassung des § 14 IFG NRW ist die Grundlage für die Wertung einer Regelungswirkung durch eine mögliche vorgeschaltete Entscheidung der Behörde, die früher mit Widerspruch und Klage angreifbar war, entfallen. Vielmehr ist es nach der Gesetzesänderung nunmehr so, dass die Informationsgewährung nach dem IFG NRW - sei es im Wege des Auskunftverlangens oder der Einsichtnahme in bei der Behörde geführten Informationen - lediglich schlichtes Verwaltungshandeln darstellt, welches im Wege einer gegen den Kreis als Rechtsträger zu richtenden Leistungsklage durchgesetzt werden muss. Angesichts dessen war das Rubrum auf der Beklagtenseite von Amts wegen zu ändern. An den übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehen keine Zweifel, namentlich ist es nicht offensichtlich und eindeutig unter jeder in Betracht kommenden Ansicht ausgeschlossen, dass der Kläger durch die Ablehnung seines Akteneinsichtsantrags des Beklagten möglicherweise in seinem Recht auf Informationszugang nach § 4 Abs. 1 IFG NRW verletzt wird. Die zulässige http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_muenster/j2009/1_K_2144_08urteil20091002... 20.04.2010
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Verwaltungsgericht Münster, 1 K 2144/08                                            Seite 4 von 7 Leistungsklage ist jedoch nur mit dem Hilfsantrag und dort auch nur teilweise begründet. Die mit dem Hauptantrag der Klage verfolgte Akteneinsicht in die komplette Vergabeakte betreffend die Ausschreibung der Beförderung von Schülerinnen und Schüler zur Q. -Q1. -Schule in S. ist durch den Beklagten zu Recht abgelehnt worden. Der grundsätzliche Anspruch des Klägers aus § 4 Abs. 1 IFG NRW ist ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift hat jede natürliche Person gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen. Der Antragsgegenstand beschränkt sich damit nur auf „amtliche" Informationen. Auch wenn die Informationen im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens von Privatpersonen oder privaten Unternehmen der Behörde gegenüber gemacht werden, handelt es sich gleichwohl um „amtliche Informationen". Der Begriff verweist auf die in § 3 Satz 1 IFG NRW enthaltene gesetzliche Definiton des Tatbestandsmerkmals „Informationen". Danach sind Informationen im Sinne dieses Gesetzes alle in Schrift-, Bild-, Ton- oder Datenverarbeitungsform oder auf sonstigen Informationsträgern vorhandenen Informationen, die im dienstlichen Zusammenhang erlangt werden. Auf Grund dessen sind Informationen, die im dienstlichen Zusammenhang erlangt werden, „amtlich", wenn sie der öffentlichen Stelle im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung zugegangen sind. Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 18. Mai 2009 - 8 A 2701/08 - NRWE; vgl. auch Stollmann, Das Informationsfreiheitsgesetz NRW (IFG NRW), NWVBl. 2002, 216 (217). Vorliegend hat der Beklagte den Schülerspezialverkehr nach der VOL/A ausgeschrieben. Die in diesem Rahmen bei ihm eingegangen Ausschreibungsunterlagen und eingereichten Angebote hat der Beklagte als öffentlicher Ausschreibungsträger erlangt, so dass es sich bei den ihm zur Verfügung gestellten Daten und Unterlagen um Informationen im Sinne des § 4 IFG handelt. Der Anspruch auf Zugang zu Informationen im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens ist nicht nach der Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 IFG NRW ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung treten die Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes zurück, soweit besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestehen. Schon das Tatbestandsmerkmal „soweit" zeigt, dass jedenfalls nur solche Vorschriften als vorrangig in Betracht zu ziehen sind, die denselben Sachverhalt abschließend - sei es identisch, sei es abweichend - regeln. Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 17. Mai 2006 - 8 A 1642/05 - , NRWE; Beschl. v. 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 = NWVBl. 2002, 441. Konkurrenzfragen sind in jedem konkreten Einzelfall durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären. Eine besondere Rechtsvorschrift im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW liegt nur dann vor, wenn ihr Anwendungsbereich in sachlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Informationen, die der Rechtsvorschrift unterfallen, und/oder in persönlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Personen, auf welche die Rechtsvorschrift Anwendung findet, beschränkt ist. Vgl. OVG NRW, Urt. v. 9. November 2006 - 8 A 1679/04 -, NRWE m.w.N. Die besondere Rechtsvorschrift des § 111 GWB, wonach die an einem Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer Beteiligten die Akten bei der Vergabekammer einsehen können, findet vorliegend keine Anwendung, weil der nach Maßgabe des § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 VgV genannte Schwellenwert bei der Ausschreibung durch den Beklagten nicht erreicht wird. Öffentliche Ausschreibungen unterhalb des Schwellenwertes beurteilen sich nach den Verdingungsordnungen des Bundes, die aber als reines Innenrecht die Anwendbarkeit des IFG NRW nicht ausschließen. Vgl. Polenz, Informationsfreiheit und Vergaberecht, NVwZ 2009, 883 (884). Ein http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_muenster/j2009/1_K_2144_08urteil20091002... 20.04.2010
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Verwaltungsgericht Münster, 1 K 2144/08                                          Seite 5 von 7 Auskunftsanspruch analog § 242 BGB, der in richterlicher Rechtsfortbildung zwecks Vorbereitung und Durchsetzung von Ansprüchen und Einwendungen entwickelt wurde, ist nach der Rechtsprechung des OVG NRW ebenfalls keine besondere Rechtsvorschrift i.S.d. § 4 Abs. 2 IFG NRW. Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 ff. = NWVBl. 2002, 441 ff. = juris. Der Anspruch auf Akteneinsicht ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Antrag des Klägers an den Beklagten vom 7. August 2008 nicht hinreichend bestimmt war und erkennen ließ, auf welche Informationen er gerichtet ist. Zwar ist nach § 5 Abs. 1 Satz 3 IFG NRW die Bestimmtheit der gewünschten Information erforderlich, damit die Behörde beurteilen kann, ob die Informationsgewährung ggf. von der Einwilligung einer betroffenen Person abhängig ist (§ 5 Abs. 3 IFG NRW) oder ob es sich um Informationen handelt, die dem Antragsteller bereits zur Verfügung gestellt wurden (§ 5 Abs. 4 IFG) oder ob dem Informationszugang ausnahmsweise schutzwürdige Belange entgegenstehen, wie sie in den §§ 6 ff. IFG NRW normiert sind. Durch diese Verpflichtung des Antragstellers sollen sog. Ausforschungsanträge, mit denen sich ein Antragsteller erst einen Überblick über das bei einer Behörde vorhandene Wissen verschaffen will, vermieden und dadurch die Arbeitsfähigkeit der Behörde geschützt werden. So Stollmann, a.a.O., S. 218. Ein unverhältnismäßiger Arbeitsaufwand bleibt der Behörde aber dann erspart, wenn sie ohne weiteres erkennen kann, auf welche Informationsgewährung der Antrag des Antragstellers gerichtet sein soll. Auf welche Informationen sich die Auskunfterteilung bzw. das Akteneinsichtsrecht des Klägers bezieht, wird hier aus dem Zusammenhang deutlich, in dem der Antrag gestellt wurde. Die von dem Kläger begehrten Informationen ergeben sich aus der Bezugnahme auf das Antwortschreiben des Beklagten vom 4. August 2008, welches wiederum auf den Antrag des Klägers vom 22. Juli 2008 zurückgeht. Dort wird die Verwaltungsakte nach Zuschlagserteilung zur Akteneinsicht erbeten. Damit wird aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten deutlich, dass damit der Vergabevorgang betreffend die Ausschreibung des Schülerspezialverkehrs zur Q. -Q1. -Schule in S. gemeint ist. So hat es auch der Beklagte verstanden, wie dessen Vertreter in der mündlichen Verhandlung einräumte. Sofern der Akteneinsichtsantrag allerdings auf den Zugang von Informationen zielt, die die Mitbewerber des Klägers im Zuge des Ausschreibungsverfahrens des Beklagten für den Schülerspezialverkehr dem Beklagten unterbreitet haben, stehen dem grundsätzlichen Informationsanspruch des Kläger jedoch schutzwürdige Belange im Sinne des § 8 Satz 1 IFG NRW entgegen. Danach ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde. Zwar ist im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge auch auf die in der VOL/A geregelten Geheimhaltungsverpflichtungen Bedacht zu nehmen (§ 22 Nr. 6 Abs. 1 und 3 VOL/A), doch gilt dies nicht mehr nach Abschluss des Vergabeverfahrens. In Fällen des Abschlusses eines Vergabeverfahrens unterhalb der in § 100 GWB i.V.m. § 2 VgV festgelegten Schwellenwerte existiert kein primäres vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren, vielmehr kommt hier allein der sog. Sekundärrechtsschutz zur Anwendung. Vgl. Polenz, a.a.O., S. 885; vgl. ferner Prieß/Niestedt, Rechtsschutz im Vergaberecht, 2006, S. 129. Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 8 Satz 1 IFG NRW betreffen den kaufmännischen Teil eines Gewerbebetriebes, der nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem Willen des Unternehmers geheim gehalten werden sollen. Hierzu zählen Preiskalkulationen, Bezugsquellen, Ertragslage, Kreditwürdigkeit, Geschäftsverbindungen, Marktstrategien sowie Kundenlisten. Siehe OVG NRW, Urt. v. 17. Mai 2006 - 8 A 1642/05 -, NRWE; http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_muenster/j2009/1_K_2144_08urteil20091002... 20.04.2010
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Verwaltungsgericht Münster, 1 K 2144/08                                          Seite 6 von 7 ferner: Polenz, a.a.O., S. 886; Stollmann, a.a.O., S. 219; Seidel, in: Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein- Westfalen, Praxiskommentar, 2007, § 8 Rn. 873. Auch die Bieterunterlagen von Mitbewerbern erfüllen regelmäßig die Anforderungen an ein Geschäftsgeheimnis, da sie Kalkulationsunterlagen, Kreditwürdigkeit, Marktstrategien oder Konditionen enthalten, die gegenüber den Konkurrenten nicht offengelegt werden sollen. Der Beklagte hat auch hinreichend substantiiert dargelegt, dass in den Angeboten der Mitbieter schützenswerte Geschäftsgeheimnisse enthalten sind. Dies erschließt sich für den Einzelrichter ohne weiteres anhand der von dem Kläger eingereichten eigenen Angebotsunterlagen, die im Klageverfahren vorgelegt wurden. In dem von ihm eingereichten Angebot stehen neben der Anzahl und der Art der Fahrzeuge sowie deren Sitzplätze auch der Angebotspreis pro Einsatztag mit Begleitperson (incl. Mehrwertsteuer) sowie die zugrundegelegten Entfernungskilometer und der zugrunde gelegte km-Preis (incl. Mehrwertsteuer). Diese Preiskalkulationen lassen Rückschlüsse - wie auch beim Angebot des Klägers - auf den eingesetzten Stundensatz der Begleitperson und den Einsatz der Fahrzeuge sowie auf die Realisierung der Preiskalkulation zu. Bei Offenlegung dieser internen Angebotsdaten der Mitbewerber ließe sich für einen Konkurrenten ohne weiteres berechnen, welche Strecken der Mitbewerber zu welchen Preisen bedienen könnte. Die mit dem Hauptantrag begehrte Einsichtnahme des Klägers in die gesamte Verwaltungsakte betreffend die Ausschreibung des Schülerspezialverkehrs zur Q. -Q1. -Schule in S. im Schuljahr 2008/09 umfasst damit auch die Kalkulationsgrundlagen und die Preisangebote der anderen Anbieter, die der Kläger bei der nächsten Ausschreibung im Rahmen seines Angebotes berücksichtigen könnte. Dies würde ihm aber einen einseitigen Vorteil verschaffen, zumal dann, wenn die Vergleichsangebote nicht in gleicher Weise den Mitkonkurrenten offenbart werden. Hierzu besteht für den Beklagten aber kein Anlass, da nach Zuschlagserteilung eine Mitteilung an den erfolglosen Bieter nach § 27 Abs. 1 Satz 2 VOL/A nur auf dessen schriftlichen Antrag hin erfolgt und in der Mitteilung auch nur der niedrigste und höchste Angebotsendpreis, nicht aber die übrigen Leistungsgrundlagen mitzuteilen sind (§ 27 Nr. 2 lit. c) VOL/A). Der Hilfsantrag hat demgegenüber teilweise Erfolg, soweit es den Vergabevermerk und die eingereichten Angebote des Klägers selbst betrifft. Hinsichtlich der ebenfalls begehrten Einsichtnahme in die Wertungsunterlagen nach § 25 VOL/A kommt hier wieder der Schutz der Geschäftsgeheimnisse der Mitbieter des Klägers zum Tragen, da sich aus den Wertungsunterlagen Rückschlüsse auf die Angebote der Mitkonkurrenten und damit auf deren Preiskalkulationen ergeben (vgl. § 25 Nr. 3 bis 5 VOL/A). Demgegenüber ergibt sich aus dem Vergabevermerk gemäß § 30 VOL/A kein unmittelbarer Schutz von Geschäftsgeheimnissen dritter Bieter im Sinne des § 8 IFG NRW. Der von dem Beklagten zu fertigende Vergabevermerk beschränkt sich auf die Darstellung der einzelnen Stufen des Verfahrens, den von ihm als öffentlicher Auftraggeber getroffenen Maßnahmen sowie die Feststellung und Begründung seiner einzelnen Entscheidungen. Die bloße Einsichtnahme in den Vergabevermerk erlaubt demzufolge keine Rückschlüsse aufgrund der in den Angeboten enthaltenen Einzelpositionen und damit auf den Stundensatz oder die jeweils angesetzte Kilometerpauschale und damit auf die interne Preiskalkulation des Mitbieters. Einsehbar sind jeweils nur die Begründungen des öffentlichen Auftraggebers für die getroffene oder festgestellte Entscheidung. Hieraus lassen sich keine Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation der Konkurrenten ziehen. Die Einsichtnahme in den Vergabevermerk des Beklagten wird auch nicht durch § 7 Abs. 1 IFG NRW ausgeschlossen. Unabhängig davon, ob es sich bei dem Vergabevermerk um einen Entwurf zu http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_muenster/j2009/1_K_2144_08urteil20091002... 20.04.2010
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Verwaltungsgericht Münster, 1 K 2144/08                                          Seite 7 von 7 einer Entscheidung oder um eine Arbeit zur Vorbereitung eines Beschlusses handelt, dienen diese nur dem Schutz des behördlichen Entscheidungsbildungsprozesses, vgl. dazu Stollmann, a.a.O., S. 219; Seidel, in: Franßen/Seidel, a.a.O., § 7 Rn. 809. Ist der Entscheidungsbildungsprozess jedoch beendet, kommt die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 IFG NRW zur Anwendung, wonach Informationen, die nach § 7 Abs. 3 Satz 1 IFG NRW noch vorenthalten worden sind, nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens zugänglich zu machen sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da das Ausschreibungsverfahren mit der Vergabeentscheidung seinen Abschluss gefunden hat. Dass der Kläger Einblick in die von ihm selbst eingereichten Unterlagen nehmen kann, ohne dass dies durch Ausschluss- oder Ablehnungsvorschriften eingeschränkt wird, ist offenkundig und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 711 i.V.m. 708 Nr. 11 ZPO. 4 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_muenster/j2009/1_K_2144_08urteil20091002... 20.04.2010
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