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Aktenzeichen
15 K 4014/07
Datum
24. November 2008
Gericht
Verwaltungsgericht Hamburg
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz (Hamburg)
Informationsfreiheitsgesetz (Hamburg)

Urteil: Verwaltungsgericht Hamburg am 24. November 2008

15 K 4014/07

Die Ausnahmetatbestände des Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz sind eng auszulegen. Die Herausgabe eines Gutachtens, auf dessen Grundlage bereits ein Beschluss gefasst wurde, beeinträchtigt den behördlichen Beratungsprozess nicht mehr. Zudem ist fraglich, ob das in Rede stehende Gutachten überhaupt Rückschlüsse auf den Verlauf einer Beratung erlaubt. Fiskalische Interessen im Wirtschaftsverkehr können nur dort betroffen sein, wo der Staat wie ein Dritter als Marktteilnehmer am Wirtschaftsleben teilnimmt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Beratungsgeheimnis (behördlicher Entscheidungsprozess) Gefährdung des Erfolgs behördlicher Maßnahmen Fiskalische Interessen Fotokopien

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15 K 4014/07 Verwaltungsgericht Hamburg Urteil Im Namen des Volkes In der Verwaltungsrechtssache xxx, - Kläger - An Verkündungs            gegen statt zugestellt. xxx, - Beklagte - hat das Verwaltungsgericht Hamburg, Kammer 15, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2008 durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht xxx, den Richter am Verwaltungsgericht xxx, den Richter Dr. xxx, den ehrenamtlichen Richter xxx, die ehrenamtliche Richterin xxx, für Recht erkannt:
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-2- Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 25. September 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2007 verpflichtet, dem Kläger Einsicht in das vollständige Gutachten „xxx“ in seiner Originalfassung mit Ausnahme der Seiten 148 bis 151 zu gewähren. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Voll- streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet. Rechtsmittelbelehrung: Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Hamburg, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, -    wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, -    wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, -    wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, -    wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder -    wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ergänzend wird wegen der weiteren Einzelheiten auf § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 und Abs. 5 VwGO verwiesen. Auf die Möglichkeit der Sprungrevision nach § 134 VwGO wird hingewiesen. -3-
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-3- Tatbestand: Der Kläger begehrt Einsicht in das von der Beklagten in Auftrag gegebene Gutachten „xxx“. Der Kläger unterrichtet an der Fakultät für Design, Medien und Information der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Die Beklagte verfolgt seit Anfang 2007 das so genannte Projekt „xxxx“. Das Projekt ist Teil des schon seit längerem verfolgten Leitbilds „Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“. Ziel des Projekts ist, die Attraktivität der Stadt Hamburg im nationalen und internationalen Vergleich mit anderen Großstädten zu erhöhen. Das Projekt soll die Ansiedelung neuer Unternehmen und den Zuzug junger „Talente“ und Unternehmensgründer fördern. Im Rahmen     dieses      Projekts    beauftragte     die Beklagte    im   Frühjahr 2007    die Unternehmensberatung Roland Berger mit der Erstellung eines „xxxx-Gutachtens“ (im Folgenden: das „Gutachten“), das unter anderem Vorschläge für eine „Talentstrategie“ enthalten sollte. Für das Gutachten verglich die Unternehmensberatung die so genannten „Metropol- und Talentstrategien“ von sechs europäischen Großstädten. Hierzu wurden rund 2.700 Studierende und Berufstätige in Deutschland und im Ausland befragt. Die Kosten für die Erstellung des Gutachtens, einschließlich der Kosten für die Befragung der Studierenden, beliefen sich nach Angabe der Beklagten auf rund EUR 199.500. Für die Befragung der Berufstätigen zahlte die Beklagten den externen Gutachtern weitere EUR 39.900. Am 26. Juni 2007 legte xxx den Endbericht der Untersuchungen vor. Mit der Pressemitteilung vom 19. Juli 2007 informierte die Beklagte die Öffentlichkeit über das Gutachten. Die in dem Gutachten vorgeschlagenen Maßnahmen wurden in allgemeiner Form zusammengefasst. Die Empfehlungen des Gutachtens würden nun behördenüber- greifend evaluiert und in ein Handlungskonzept überführt. Am 14. September 2007 beantragte der Kläger, ihm das Gutachten vollständig zur Ver- fügung zu stellen. Er wolle das Gutachten im vollen Wortlaut lesen und mit seinen Studenten besprechen. -4-
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-4- Die Beklagte teilte dem Kläger am 15. September 2007 mit, dass das Gutachten nicht öffentlich zugänglich sei. Es diene als Grundlage für eine Drucksache, die Ende des Jahres der Bürgerschaft übersandt und dann veröffentlicht werde. Der Kläger beantragte daraufhin durch die E-Mails vom 15. September, vom 21. Sep- tember und vom 24. September 2007 erneut, ihm das Gutachten in der Originalfassung und im vollen Wortlaut zur Verfügung zu stellen: Nach dem Hamburgischen Informations- freiheitsgesetz (HmbIFG) sei er dazu berechtigt. Das Gutachten sei Gegenstand öffent- licher Diskussionen. Die Substanz der Argumente könne er nur anhand der Original- fassung des Gutachtens überprüfen. Das Gutachten sei aus Steuermitteln finanziert worden, der Vorgang der Bestellung und Erstattung des Gutachtens abgeschlossen. Mit Bescheid vom 25. September 2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Informationszugang ab: Zwar bestehe nach § 1 Abs. 1 HmbIFG grundsätzlich das Recht, Einsicht in die Akten der Beklagten zu nehmen. Der Zugang zum vollständigen Gut- achtentext sei jedoch nach § 3 Nr. 3 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz, IFG) ausgeschlossen. Danach sei die Willensbildung innerhalb der Regierung dem Informationsrecht des Bürgers entzogen. Die in dem Gutachten enthaltenen Informationen fielen in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Das Gutachten sei im Zuge der Senatspolitik zur strategischen Weiterentwicklung des Leitbilds „Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“ entwickelt worden. Es bilde den Beratungs- und Diskussionshintergrund für eine Bürgerschafts- Drucksache und sei damit Grundlage der politischen Willensbildung im Senat. Eine Herausgabe des vertraulich behandelten Gutachtens und die Veröffentlichung seines Inhalts beeinträchtigten den freien, unbeeinflussten Entscheidungsprozess des Senats. Am 24. Oktober 2007 erhob der Kläger Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid: Es sei offensichtlich, dass das Gutachten insgesamt oder einzelne Aussagen daraus öffentlich verwendet und nicht vertraulich behandelt würden. Da es sich bei dem Gutachten um eine empirische Studie handele, könne die Methodik, die Repräsentativität der Erhebung und die Validität der Daten nur anhand des vollständigen Gutachtens geprüft werden. Da zudem die Hamburger Hochschulen von den Thesen des Gutachtens direkt angesprochen würden, sei das Interesse an der Einsichtnahme evident. Da der Senator für Wissenschaft und Forschung zudem mit Kenntnissen aus dem Gutachten an -5-
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-5- die Öffentlichkeit trete, auszugsweise daraus zitiere, um im Wahlkampf gewisse Positionen zu besetzen, könne es sich bei dem Gutachten nicht mehr um einen Vorgang der Willensbildung innerhalb der Regierung handeln. Durch Bescheid vom 5. November 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Der Zugang zu den Informationen des Gutachtens sei nach § 3 Nr. 3 IFG ausgeschlossen. Der Kernbereich der politischen Willensbildung des Senats sei geschützt. Das Gutachten gehöre zu diesem Kernbereich. Es beinhalte eine Analyse zum Wirtschaftsstandort Hamburg vor dem Hintergrund der Förderung und Gewinnung von Talenten im For- schungs- und Wissenschaftsbereich und zeige bestimmte Handlungsbedarfe auf. Die in dem Gutachten dargestellten Daten und Informationen seien Gegenstand der laufenden politischen Diskussion und Grundlage einer in Kürze öffentlich bekannt zu gebenden Bürgerschafts-Drucksache. Bei einer vollständigen Veröffentlichung des Gutachtens könne die Entscheidungsfindung des Senats beeinträchtigt werden. Auch seien in diesem Fall konkrete Wettbewerbsnachteile zu befürchten. Der Ausschlusstatbestand hindere die Beklagte aber nicht, einzelne Informationen freiwillig zur Verfügung zu stellen. Am 18. Dezember 2007 beschloss der Senat, nach interner Beratung auf der Grundlage des Gutachtens, ein Maßnahmenpaket zur Weiterentwicklung der Stadt Hamburg. Dieses wurde am gleichen Tag als Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft weitergeleitet (Bürgerschafts-Drucksache 18/7616, im Folgenden: die „Senatsmitteilung“): Unter Ziffer 2.2 der Senatsmitteilung werden die Ergebnisse des Gutachtens allgemein dargestellt. Ziffer 3 der Senatsmitteilung legt die strategischen Ziele fest. Unter Ziffer 4 werden die beschlossenen Maßnahmen erläutert und die Maßnahmen zur Umsetzung der Senatsbeschlüsse erläutert. Die Senatsmitteilung sieht vor, dass die Konzepte zur Umsetzung der Maßnahmen bis Ende 2008 zu erarbeiten sind. Am 15. August 2008 teilte die Beklagte mit, dass sie das Gutachten im Internet mit Aus- nahme der weiter als vertraulich eingestuften Seiten (Seiten 70 bis 92, 134 und 138, 148 bis 151) veröffentlicht habe (abrufbar unter www.hamburg.de/bwf/ start-service). Der Kläger hat bereits am 10. Dezember 2007 Klage erhoben: Die Einsichtnahme könne nicht mit Verweis auf § 3 Nr. 3 IFG verweigert werden. Die Meinungsbildung zum Inhalt des Gutachtens sei spätestens im Juli 2007 abgeschlossen gewesen; seitdem würden in -6-
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-6- der Behörde auf dieser Basis Pressemeldungen und Vorträge veröffentlicht. Das Gutachten werde von der Beklagten nicht vertraulich behandelt. Vielmehr sei es von dem Senator für Wissenschaft und Forschung öffentlich im Wahlkampf für die Bürgerschafts- wahl 2008 genutzt worden. Die Willensbildung innerhalb der Regierung sei offensichtlich beendet. Da zudem versucht werde, mit dem Gutachten die öffentliche Meinung zu beeinflussen, könne das Gutachten nicht mehr exklusiv für den internen Vorgang der Willensbildung reserviert werden. Auch habe die Beklagte nicht schlüssig dargelegt, dass das Gutachten eine Entscheidung der Behörde für Wissenschaft und Forschung un- mittelbar vorbereite. Es sei zudem nicht ersichtlich, inwieweit die Entscheidung des Senats durch eine Freigabe des Gutachtens beeinträchtigt würde und Wettbewerbs- nachteile zu befürchten seien. Die Gutachten zur Strategie der Hamburger Hochschul- politik sollten in jedem Falle auch mit den Mitgliedern der Hamburger Hochschulen erörtert werden, was sich auch schon aus dem Hamburger Hochschulgesetz ergebe. Schließlich sei davon auszugehen, dass die Anwendungshinweise der Justizbehörde Hamburg zum HmbIFG, auf die sich die Beklagte berufe, dem Geist und Buchstaben des Informationsfreiheitsgesetzes nicht entsprächen. Das gesamte Informationsfreiheitsgesetz werde faktisch ausgehebelt, wenn jede Behörde erklären könne, dass die fraglichen Akten zur Entscheidungsfindung in der Landespolitik oder in der Behörde benötigt würden und später per Drucksache veröffentlicht werden sollten. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25. September 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2007 zu verpflichten, dem Kläger Ein- sicht in das vollständige Gutachten „xxx“ in seiner Originalfassung mit Ausnahme der Seiten 148 bis 151 zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung führt die Beklagte aus: Ein Einsichtsrecht bestehe nach wie vor nicht. Vor dem Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2007 sei der Zugang zu dem Gutachten nach § 3 Nr. 3 lit. b) IFG gesperrt gewesen. Die Vorschrift schütze die Vertraulichkeit der Beratung und damit insgesamt den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Hierzu habe bis zu der Entscheidung des Senats im Dezember 2007 auch das Gutachten gehört. Erst mit dem Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2007 sei der Prozess der Ent- -7-
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-7- scheidungsfindung innerhalb des Senats hinsichtlich der Ausrichtung der Talentstrategie und konkreter Maßnahmen abgeschlossen gewesen. Der Senat habe erst zu diesem Zeitpunkt über die nun vorliegende Talentstrategie abschließend befunden. Nach dieser Entscheidung sei der Zugang jedenfalls zu den als vertraulich eingestuften Teilen des Gutachtens ausgeschlossen. Für die bislang gesperrten Seiten 148 bis 151 des Gut- achtens folge dies aus § 3 Nr. 3 lit. b) IFG. Die genannten Seiten enthielten Vorschläge zu innerorganisatorischen Maßnahmen (Behördenneuordnung, Aufgabenverteilung). Diese Vorschläge seien noch nicht Gegenstand der Senatsentscheidung vom 18. Dezember 2007 gewesen. Für die weiteren Seiten 70 bis 92, 134 und 138 folge der Schutz aus § 3 Nr. 6 IFG: Die genannten Abschnitte enthielten die Ergebnisse der empirischen Befragungen mit detaillierten Informationen über Werte und bevorzugte Standortfaktoren der jeweiligen Zielgruppen (so genannte „Profile“, Seiten 70 bis 92). Darüber hinaus enthielten die gesperrten Seiten die darauf aufbauenden Marketinggrundsätze (so genannte „Marketingbotschaften“, Seiten 134 und 138). Durch eine Freigabe dieser Teile würden fiskalische Interessen beeinträchtigt. Das Gutachten besitze einen erheblichen wirtschaftlichen Wert. Die Stadt Hamburg konkurriere mit anderen Metropolen um die gleichen Zielgruppen. Die Profile und Marketingbotschaften verschafften der Beklagten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Metropolen. Bei einer Veröffentlichung der gesperrten Seiten ginge dieser Wettbewerbsvorteil und die damit verbundenen Chancen für die Stadt Hamburg verloren. Damit würden zugleich die Investitionen für das Gut- achten in Höhe von über EUR 200.000 fehlschlagen. Dies widerspreche den haushalts- rechtlichen Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Die bislang gesperrten Teile seien privatrechtlichen Betriebsgeheimnissen gleichzusetzen und in gleichem Um- fang zu schützen. Die Kammer hat die Sache am 24. November 2006 mündlich verhandelt. Die Sachakten der Beklagten haben dem Gericht – mit Ausnahme der Originalfassung des streitgegen- ständlichen Gutachtens, insbesondere mit Ausnahme der gesperrten Abschnitte des Gutachtens – zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorgelegen. -8-
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-8- Entscheidungsgründe: I. Soweit der Kläger seinen Antrag hinsichtlich der Seiten 148 bis 151 des Gutachtens zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). II. Der als Verpflichtungsklage statthafte Antrag (§ 1 Abs. 1 HmbIFG i.V.m. § 9 Abs. 4 IFG) ist zulässig und begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger Einsicht in die Endfassung des Originalgut- achtens mit Ausnahme der Originalseiten 148 bis 151 zu gewähren. Die ablehnenden Bescheide vom 25. September 2007 und 5. November 2007 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 1. Der Kläger hat nach § 1 Abs. 1 HmbIFG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Nr. 1 IFG einen Anspruch, die End- und Originalfassung des Gutachtens mit Ausnahme der Originalseiten 148 bis 151 einzusehen. Nach diesen Vorschriften besteht ein Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen der Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg. Das streit- gegenständliche Gutachten ist eine amtliche Information nach § 2 Nr. 1 IFG, da es einem amtlichen Zweck beziehungsweise einem öffentlichen Interesse dient. Es ist Teil des Projekts „xxx“, das die Attraktivität der Freien und Hansestadt Hamburg für bestimmte Zielgruppen und damit den kulturellen und wirtschaftliche Erfolg der Stadt fördern soll. Allerdings ist der Zugang nach § 2 Nr. 1 Satz 2 IFG grundsätzlich nur zu der Endfassung des Gutachtens in seiner Originalfassung eröffnet. Entwürfe oder sonstige Vorarbeiten – deren Einsicht nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits sind – können dagegen nur eingesehen werden, soweit sie zum Bestandteil des Vorgangs gemacht worden sind oder nach den Regeln der ordnungsgemäßen Aktenführung gemacht werden mussten (vgl. Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2009, § 2 Rn. 48 ff.). -9-
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-9- 2. Der Informationsanspruch des Klägers wird nicht durch einen der Ausnahmetat- bestände in den §§ 3 bis 6 IFG beziehungsweise in § 1 Abs. 3 HmbIFG ausgeschlossen. Soweit die Behörde sich auf einen oder mehrere dieser Ausnahmetatbestände beruft, muss sie die Voraussetzungen darlegen und beweisen (Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/4493, S. 6, Sp. 2). Die gesetzlichen Ausnahmetatbestände sind konkret und präzise. Nach den üblichen Auslegungsregeln sind sie eng zu verstehen und abschließend (Ge- setzesbegründung, BT-Drs. 15/4493, S. 9, Sp. 1). Der Gesetzgeber hat gerade darauf verzichtet, einen generalklauselartigen Auffangtatbestand – etwa in Form einer Gemein- wohlklausel (vgl. § 29 Abs. 2 HmbVwVfG) – einzuführen (vgl. Mecklenburg/Pöppelmann, Informationsfreiheitsgesetz Kommentar, § 3 Rn. 4). Die nach diesen Vorgaben auszulegenden Ausnahmetatbestände sind hier nicht erfüllt. Dabei konnte die Kammer für ihre Entscheidung davon absehen, die gesperrten Ab- schnitte des Gutachtens einzusehen beziehungsweise, bei einer Verweigerung der Be- klagten nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO, die Sache für das so genannte „In-Camera-Ver- fahren“ nach § 99 Abs. 2 VwGO auf Antrag dem Oberverwaltungsgericht vorzulegen. Die Beklagte kann die Einsicht in die gesperrten Teile des Gutachtens nämlich schon nach ihrem eigenen Vortrag – unabhängig von dem konkreten Inhalt dieser Abschnitte – nicht verweigern: a. Der Informationszugang ist nicht nach § 3 Nr. 3 lit. b) IFG ausgeschlossen. Nach der Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratung von Behörden beeinträchtigt wird. Das ist hier nicht der Fall. Die Kammer hat bereits Bedenken, ob das Gutachten überhaupt in den gegenständlichen Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift fällt. Geschützt ist die Information nach § 3 Nr. 3 lit. b) IFG nur, wenn durch den Zugang Beratungen beeinträchtigt werden. Der Begriff der Beratung ist dabei – wie bei der Parallelvorschrift in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Umweltinformationsgesetz (UIG) – eng auszulegen (vgl. Schoch, Informationsfreiheits- gesetz, 2009, § 3 Rn. 122; Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 3 Rn. 44 f.). Er er- fasst die Vorgänge interner behördlicher Meinungsäußerung und Willensbildung, die sich inhaltlich auf die Entscheidungsfindung beziehen. Dem Schutz der Beratung unterfallen Interessenbewertungen und die Gewichtung einzelner Abwägungsfaktoren, die bei - 10 -
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- 10 - Bekanntwerden Einfluss auf den behördlichen Entscheidungsprozess haben können. Der Schutz gilt danach vor allem dem Beratungsprozess als solchem, nicht jedoch dem Beratungsergebnis oder dem Beratungsgegenstand, zu dem insbesondere auch Sach- informationen und gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld gehören können. Die amt- lichen Informationen sind deshalb nur dann nach § 3 Nr. 3 lit. b) IFG geschützt, wenn sie den Vorgang der behördlichen Willensbildung und Abwägung abbilden oder jedenfalls gesicherte Rückschlüsse auf die Meinungsbildung zulassen. Regelmäßig nicht geschützt ist dagegen das nur in die Beratung einfließende Gutachten, das den Beteiligten als gemeinsame Diskussionsgrundlage dient ohne den Beratungsprozess selbst abzubilden (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.9.1998, 4 L 129/98, Juris Rn. 43 ff., 50 – zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 UIG a.F.; einschränkend: Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2009, § 3 Rn. 124; Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 3 Rn. 42). Zwar sieht die Gesetzes- begründung vor, dass im Bereich der Ressortforschung bestimmte Forschungsergebnisse nach § 3 Nr. 3 IFG zurückgehalten werden können (BT-Drs. 15/4493, S. 10, Sp. 2). Ein genereller Schutz von Gutachten im Beratungsprozess lässt sich daraus jedoch nicht herleiten. Vielmehr ist im Einzelfall zu ermitteln, ob das Gutachten Rückschlüsse auf den Beratungsvorgang zulässt. Dies ist hier fraglich. Die Beklagte hat bislang weder konkret noch in allgemeiner Form dargelegt, inwieweit das Gutachten Aufschluss über die Be- ratung und Meinungsbildung innerhalb der Behörde beziehungsweise des Senats Auf- schluss gibt. Sie hat dazu lediglich erklärt, dass die Maßnahmen „auf der Grundlage“ des Gutachtens erarbeitet wurden (Klageerwiderung, S. 2). Die Frage kann letztlich offen bleiben. Jedenfalls ist der zeitliche Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift nicht eröffnet. Nach § 3 Nr. 2 lit. b) IFG sind die Informationen nur geschützt, solange die Beratungen beeinträchtigt werden. Die Behörde kann die amtlich- en Informationen deshalb nur solange zurückhalten, wie im konkreten Einzelfall eine Störung der Beratung zu befürchten ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8.5.2008, 12 B 24.07, Juris Rn. 33 – zu § 8 Abs. 1 Satz 2 UIG). Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn die Beratungsergebnisse vorliegen und eine Entscheidung getroffen wurde (vgl. VG Köln, Urteil vom 22.11.2007, 13 K 4113/06, Juris Rn. 25 zu § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG; Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2009, § 3 Rn. 127 f.; Rossi, Informations- freiheitsgesetz, 2006, § 3 Rn. 40). Das gilt insbesondere auch für Unterlagen, die – wie hier – zum Gegenstand eines Kabinetts- beziehungsweise Senatsbeschlusses gemacht werden. Auch in diesen Fällen sind die Informationen regelmäßig nur bis zum Beschluss - 11 -
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