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Aktenzeichen
4 MB 7/07
Datum
17. April 2007
Gericht
Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein
Gesetz
Richtlinie 2003/4/EG (Umweltinformationsrichtlinie)
Richtlinie 2003/4/EG (Umweltinformationsrichtlinie)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein am 17. April 2007

4 MB 7/07

Die Wahrung des Grundsatzes der Gewährung effektiven Rechtsschutzes erfordert, dass ein Informationszugangsbegehren hinter dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen zurückzustehen hat, wenn der Anspruch auf Herausgabe von Informationen im einstweiligen Rechtsschutz nur verzögert würde, der Rechtsschutz zur Wahrung eigener Geheimnisse hingegen durch eine Herausgabe schon im einstweiligen Rechtsschutzverfahren endgültig vereitelt würde. Die Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem der sofortige Vollzug der Akteneinsicht in Unterlagen eines Landesministeriums zu einem Atomkraftwerk abgelehnt wird, bestätigt das Oberverwaltungsgericht damit. (Quelle: LDA Brandenburg)

Interessenabwägung Prozessuales

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SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Az.:    4 MB 7/07 12 B 85/06 BESCHLUSS In der Verwaltungsrechtssache des C. ihre Geschäftsführer , C-Straße, C-Stadt, Antragstellers und Beschwerdeführers, gegen das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein, Adolf-Westphal-Straße 4, 24143 Kiel, Antragsgegner und Beschwerdegegner, Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Dr. D., D-Straße, D-Stadt, - - Beigeladen: A., A-Straße, A-Stadt Proz.-Bev.: Rechtsanwälte B., B-Straße, A-Stadt, - - -2-
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Streitgegenstand:    Umweltinformationsgesetz SH (UIRL) Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß §§ 80a, 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 17. April 2007 beschlossen: Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 13. Februar 2007 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstat- tungsfähig. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever- fahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt. G r ü n d e : Der fristgerecht eingelegten Beschwerde kann in der Sache kein Erfolg beschieden sein, weil die zu ihrer Begründung dargelegten rechtlichen Erwägungen, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), die Richtigkeit des Er- gebnisses des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage zu stellen vermögen. Zunächst ist festzuhalten, dass der Senat die gegen die Postulationsfähigkeit der Bevoll- mächtigten des Antragstellers im Sinne von § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgetragenen Be- denken nicht teilt. Die dem Senat aus früheren Streitverfahren persönlich bekannte Ver- fahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat dem Vorsitzenden des Senats innerhalb -3-
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der Beschwerdefrist fernmündlich erklärt - und diesen Tatbestand in der Folgezeit auch schriftsätzlich bestätigt -, dass sie nach wie vor als Rechtsanwältin zugelassen und insbe- sondere auch im vorliegenden Streitverfahren als solche tätig sei. Der Senat hat nicht den geringsten Anlass, dies inhaltlich in Zweifel zu ziehen und geht demgemäß davon aus, dass das Vertretungsverhältnis den Anforderungen des § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO ent- spricht. In der Sache ist die Beschwerde indes nicht begründet, da die nach den vom Verwal- tungsgericht in jeder Hinsicht zutreffend dargestellten, vom Senat in ständiger Rechtspre- chung entwickelten und angewandten Verfahrensgrundsätzen über die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren der vorliegenden Art auf der Grundlage des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO anzustellende und rechtlich maßgebliche Interessenabwägung und -gewichtung zu Lasten des Antragstellers ausgehen muss. Es kann insoweit letztlich dahinstehen, ob die vom Antragsgegner erlassene streitbefan- gene Verfügung vom 02. November 2006 rechtmäßig ist - wovon der Antragsgegner aus- gehen muss, da er sie ansonsten schwerlich hätte erlassen dürfen -, weil die Anordnung des Sofortvollzuges nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmung des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nach dem Wortlaut der Gesetzesnorm darüber hinaus „ein überwiegendes Interes- se“ des die Anordnung Begehrenden voraussetzt, welches der Antragsteller hier auch nicht annähernd aufgezeigt hat. Die schlichte Rechtmäßigkeit einer streitbefangenen Ver- fügung reicht hierfür nicht aus. Vielmehr muss noch ein spezifisches Interesse des An- tragstellers am sofortigen Vollzug der streitigen Verfügung hinzutreten, welches etwa ent- gegenstehende Interessen des von der Vollziehung betroffenen Dritten überwiegt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann nach den Gegebenheiten des vorlie- genden Rechtsstreits im Übrigen schon nicht die „offenkundige“ Rechtmäßigkeit der Ver- fügung des Antragsgegners vom 02. November 2006 unterstellt werden, da jedenfalls in Bezug auf die Auslegung und Eingrenzung des Begriffs der „Umweltinformation“ Streitfra- gen zu beantworten sein werden, deren Ergebnis nicht zweifelsfrei vorgezeichnet ist, und der Darstellung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - worauf der Antragsgegner zu Recht hinweist - schon dadurch Grenzen gesetzt sind, als eine zu eingehende eigene Auseinandersetzung der Beigeladenen mit den von ihr behaupteten „Geheimnissen“ de- -4-
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ren weitere Geheimhaltung unter Umständen gegenstandslos sei oder werden lassen könnte. Letztlich bedarf die Frage nach der Rechtmäßigkeit der streitigen Verfügung des Antrags- gegners hier schon deshalb keiner Beantwortung, weil - worauf schon das Verwaltungs- gericht inhaltlich rechtlich beanstandungsfrei abgestellt hat - im Sinne der vom Antrags- gegner zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 10.10.2002 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 106, 51, 61) die Wahrung des Grundsatzes der Ge- währung effektiven Rechtsschutzes zwingend erfordert, dass ein auf die Herausgabe von Informationen gerichtetes Begehren hinter dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen zurückzustehen hat, wenn der Anspruch auf Herausgabe von Informationen im einstweili- gen Rechtsschutz nur verzögert würde, der Rechtsschutz zur Wahrung eigener Geheim- nisse hingegen durch eine Herausgabe der Informationen schon im einstweiligen Rechts- schutzverfahren endgültig vereitelt würde. Eben dies würde hier ohne zureichenden, rechtlich tragfähigen Grund eintreten, wenn die streitgegenständliche Information gleich- sam vorab herausgegeben und der nach dem Ergebnis des Hauptsacheverfahrens etwa zu gewährende Rechtsschutz damit unterlaufen und im Ergebnis gegenstandslos würde. Das für den Antragsteller streitende Interesse, welches sich in einem allgemeinen Infor- mationsinteresse des nicht etwa selbst zur Gefahrenabwehr berufenen Bürgers oder Ver- bandes erschöpft, hat das Verwaltungsgericht auch nach den Umständen des vorliegen- den Einzelfalls rechtsfehlerfrei als vergleichsweise geringerwertig eingeordnet. Hinsicht- lich des von dem Antragsteller insoweit angesprochenen Beschleunigungsgebots ist an- zumerken, dass die diesbezügliche Regelung in der Umweltinformationsrichtlinie selbst - wie von Antragsgegner und Beigeladener angesprochen - allein das Verwaltungsverfah- ren betrifft. Im Übrigen teilt der Senat nicht die auf unzumutbare Verzögerungen im ge- richtlichen Verfahren abzielenden Befürchtungen des Antragstellers, zumal das Verwal- tungsgericht schon im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für eine zügige Bearbeitung Sorge getragen hat und dies ersichtlich auch - siehe dazu dessen gerichtlichen Hinweis vom 04. Dezember 2006 - im Klageverfahren entsprechend zu handhaben gedenkt. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG. -5-
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Vors. Richter am OVG               Richter am OVG           Richter am OVG
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