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Aktenzeichen
22 CE 04.2231
Datum
4. Oktober 2004
Gericht
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Gesetz
Umweltinformationsgesetz Bund (UIG)
Umweltinformationsgesetz Bund (UIG)

Beschluss: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof am 4. Oktober 2004

22 CE 04.2231

Der Verwaltungsgerichtshof bestätigt die Ablehnung eines Antrag auf einstweilige Anordnung der Herausgabe von Akten über den privaten Anbau von gentechnisch verändertem Mais durch die Vorinstanz. Er sieht keine Eilbedürftigkeit einer Entscheidung. Dem beklagten Landwirtschaftsministerium fehlt mangels umweltbezogenen Handlungsauftrags außerdem die Behördeneigenschaft im Sinne des Umweltinformationsgesetzes. Auch besteht ein Informationsanspruch weder auf der Grundlage der Freisetzungsrichtlinie der EG (Informationspflichten im Zusammenhang mit der Nutzung gentechnisch veränderter Organismen) noch der Umweltinformationsrichtlinie. Beide Richtlinien waren zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt. Die betroffenen Landwirte haben sich zudem ausdrücklich gegen die beantragte Einsicht in die sie betreffenden Unterlagen ausgesprochen. Geklagt hatte ein Imker, der "gentechnikfreien" Honig vertreibt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten

22 CE 04.2231

Großes M 1 E 04.3573

Staatswappen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

In der Verwaltungsstreitsache 1. * *, 2. * * ** * e.V., vertreten durch den Präsidenten, - Antragsteller -

bevollmächtigt zu 1 und 2: Rechtsanwälte *** * * *** *,

gegen

Freistaat Bayern, vertreten durch die Landesanwaltschaft Bayern, Ludwigstr. 23, 80539 München,

Umweltinformation (Antrag nach § 123 VwGO);

  • Antragsgegner - wegen

hier: Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 29. Juli 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Zöllner

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ohne mündliche Verhandlung am 4. Oktober 2004 folgenden

Beschluss: I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller tragen je zur Hälfte die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe: I.

Gegenstand des Eilverfahrens ist ein Antrag auf Einsichtnahme in die beim Bayerischen Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten (StMLF) vorhandenen Akten zum Erprobungsanbau von gentechnisch verändertem Mais.

Gegenwärtig findet ein solcher Erprobungsanbau an verschiedenen Stellen im Bundesgebiet auf einer Fläche von insgesamt ca. 300 ha statt. Die in Bayern gelegenen Anbauflächen umfassen etwa 25 ha, von denen sich 11 ha in staatlichem Besitz befinden; die übrigen ca. 14 ha verteilen sich auf sieben private landwirtschaftliche Betriebe. Angebaut wird die Maissorte MON810, für die eine in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltende gentechnikrechtliche Zulassung vorliegt (Entscheidung der Kommission vom 22. 4. 1998, ABl EG Nr. L 131/32 vom 5. 5. 1998). Das Inverkehrbringen entsprechenden Saatguts hat das Bundessortenamt bereits wiederholt nach § 3 Abs. 2 SaatG genehmigt, zuletzt für das Wirtschaftsjahr 2003/2004 auf Antrag dreier Firmen in einem Gesamtumfang von 30,5 t; ein Teil dieser Saatgutmenge wurde den am Erprobungsanbau teilnehmenden Betrieben zur Verfügung gestellt. Das von den Saatgutherstellern und verschiedenen Interessenverbänden initiierte Forschungsvorhaben, das vom Bund finanziell gefördert wird und

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an dem neben Wissenschaftseinrichtungen und Fachbehörden anderer Bundesländer auch die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) beteiligt ist, dient der Gewinnung praktischer Erfahrungen zum Nebeneinander von Maisanbau mit und ohne Gentechnik; daraus sollen allgemeine Regeln und Empfehlungen für eine künftige Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen entwickelt werden.

Der Antragsteller zu 1), der als Präsident des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes selbst Berufsimker ist, und der Antragsteller zu 2), ein nach § 60 BNatSchG anerkannter Umweltverband, wandten sich am 26. Mai 2004 an das StMLF und begehrten Akteneinsicht in alle dort zur Verfügung stehenden Informationen zu dem beabsichtigten Erprobungsanbau. Zur Begründung beriefen sie sich auf das Umweltinformationsgesetz (UIG) in der derzeit geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 23. 8. 2001 (BGBl I S. 2218) sowie auf die Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl EG Nr. L 106 S. 1 vom 17. 4. 2001 – sog. Freisetzungsrichtlinie), aus der sich mangels fristgerechter Umsetzung unmittelbare Informationsansprüche ergäben. Da der Antragsteller zu 1) Bienenvölker halte und die Vereinsmitglieder des Antragstellers zu 2) konventionelle bzw. ökologische Landwirtschaft betrieben, könnten aus ihrer Sicht besondere Maßnahmen zum Schutz vor gentechnisch veränderten Organismen (GVO) erforderlich werden.

Nachdem die am Erprobungsanbau beteiligten privaten Landwirte bei einer vom LfL durchgeführten telefonischen Anhörung einer Offenlegung ihrer persönlichen und betrieblichen Daten entschieden widersprochen hatten, lehnte das StMLF mit Bescheid vom 11. Juni 2004 den Antrag auf Akteneinsicht ab, da insoweit kein Anspruch nach dem UIG bestehe und für eine unmittelbare Wirkung der in der Freisetzungsrichtlinie vorgesehenen Informationspflichten die Voraussetzungen fehlten. Zugleich wurden mit einem Rundschreiben vom selben Tag die in den Erprobungsanbau einbezogenen staatlichen Flächen der Öffentlichkeit bekannt gegeben.

Die Antragsteller beantragten daraufhin am 1. Juli 2004 beim Verwaltungsgericht München, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Einsicht in die Akten zum Erprobungsanbau von gentechnisch verändertem Mais zu gewähren. Um gentechnikfreie Bienenprodukte erzeugen zu können,

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müsse der Antragsteller zu 1) den Anbauflächen gentechnisch veränderter Pflanzen großräumig ausweichen; seine Bienen breiteten sich auf Weideflächen von bis zu 160 km² aus. Die beantragte Anordnung sei ungeachtet der darin liegenden Vorwegnahme der Hauptsache dringlich, da die genauen Standorte der gentechnisch veränderten Maispflanzen spätestens zum Beginn der Maisblüte Ende Juli bekannt sein müssten; nur so könne der Antragsteller zu 1 bei der Wanderung seiner Bienenvölker die nötigen Schutzabstände einhalten und könne auch der Antragsteller zu 2 seine Mitglieder hinreichend aufklären und informieren.

Mit Beschluss vom 29. Juli 2004 lehnte das Verwaltungsgericht München die Anträge ab. Dem allein in Betracht kommenden Anspruch nach § 4 Abs. 1 UIG stehe schon entgegen, dass das StMLF hier nicht als Behörde im Sinne von § 3 Abs. 1 UIG anzusehen sei. Darüber hinaus sei die beantragte Informationsweitergabe wegen schutzwürdiger Interessen der Betroffenen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG) und wegen deren fehlender Informationsverpflichtung gegenüber der Behörde (§ 7 Abs. 4 UIG) gesetzlich ausgeschlossen.

Mit der Beschwerde gegen diesen Beschluss verfolgen die Antragsteller ihr Akteneinsichtsbegehren weiter. Sie machen im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit den unmittelbar aus Art. 25 Abs. 4 und Art. 31 Abs. 3 der Freisetzungsrichtlinie folgenden Informationsrechten auseinandergesetzt. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich bei zutreffender Auslegung zudem aus den Bestimmungen des Umweltinformationsgesetzes. Trotz des zwischenzeitlichen Ablaufs der Blütezeit bestehe weiterhin ein Anordnungsgrund, nachdem der Honighandel von den Produzenten neuerdings die Erklärung verlange, dass der gelieferte Honig "gentechnikfrei" sei. Wenn der Antragsteller zu 1) dies jeweils durch eigene kostspielige Untersuchungen im Einzelfall nachweisen müsse, sei er in seiner wirtschaftlichen Existenz als Berufsimker gefährdet; bei genauer Kenntnis der Standorte von gentechnisch veränderten Pflanzen werde eine Beprobung der hergestellten Erzeugnisse dagegen überflüssig.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

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II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, das StMLF gegenüber den Antragstellern zur Offenlegung der dort vorhandenen Unterlagen über den Erprobungsanbau mit gentechnisch verändertem Mais zu verpflichten, im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf die sich die vorliegende Prüfung beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen zu keiner anderen Beurteilung.

  1. Unabhängig von den im angegriffenen Beschluss erörterten Bedenken fehlt für das vorliegende Eilrechtsschutzbegehren zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl., RdNr. 54 zu § 123) bereits ein hinreichender Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Nach den bisher erkennbaren tatsächlichen Umständen kann nicht festgestellt werden, dass der Erlass der begehrten Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Antragsteller oder aus anderen, ebenso gewichtigen Gründen erforderlich wäre (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

Im Beschwerdeverfahren haben die Antragsteller eingeräumt, dass die für die Eilbedürftigkeit ursprünglich gegebene Begründung, wonach die Bienenvölker während der Nektarsuche von allen Anbauflächen gentechnisch veränderter Maispflanzen ferngehalten werden müssten, um ausschließlich "gentechnikfreien" Honig gewinnen zu können, spätestens seit dem Ende der Maisblüte (ca. Mitte August) nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Sie tragen nunmehr aber vor, der Antragsteller zu 1) müsse als Erzeuger von Bienenhonig gegenüber seinen Abnehmern vertraglich dafür einstehen, dass seine Produkte "gentechnikfrei" seien; nur wenn ihm die Standorte des Erprobungsanbaus mitgeteilt würden, könne er den Eintrag gentechnisch veränderten Pollens ausschließen und so die anderenfalls notwendigen, mit unzumutbarem Kostenaufwand verbundenen gentechnischen Einzelanalysen vermeiden.

Diese Darlegungen reichen unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht aus, um die für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung erforderliche Befürchtung wesentlicher Nachteile, die zumindest dem Antragsteller zu 1) als Berufsimker drohen könnten, nachvollziehbar zu begründen. Dabei mag offen bleiben, ob die vom

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Honighandel offenbar geforderte Zusicherung einer "gentechnikfreien" Honigerzeugung bei objektiver Auslegung tatsächlich so zu verstehen ist, dass damit auch zufällige und faktisch unvermeidbare Beimischungen von GVO in allen denkbaren Mengenanteilen bis zur Nachweisgrenze von einer Garantiehaftung der Produzenten erfasst werden. Wäre in diesem Sinne selbst ein nur minimal verunreinigter Honig - also mit einem Anteil gentechnisch veränderter Pollen weit unterhalb des für die Kennzeichnungspflicht gemeinschaftsweit festgelegten Schwellenwerts von 0,9 % (Art. 12 Abs. 2 der Verordnung [EG] Nr. 1829/2003 vom 22. September 2003, ABl EG Nr. L 268/1 vom 18. 10. 2003) - auf dem deutschen Markt nicht mehr absetzbar, so könnte allerdings wegen des daraus für die Imker erwachsenden Prüfungs- und Vorsorgeaufwands Naturhonig hierzulande wohl schon heute kaum mehr unter wirtschaftlich tragbaren Bedingungen produziert werden.

Selbst wenn hiernach feststellbar wäre, dass wegen der auf dem Absatzmarkt bestehenden Nachfrage nach gänzlich "gentechnikfreien" Bienenprodukten jeder Imker dringend daran interessiert sein muss, die Standorte sämtlicher Anbauflächen gentechnisch veränderter Pflanzen zu erfahren, folgte daraus noch nicht die Eilbedürftigkeit des hier vorliegenden Akteneinsichtsbegehrens. Wären die insgesamt sieben Privatbetriebe, die derzeit in Bayern gentechnisch veränderten Mais auf einer Gesamtfläche von ca. 14 ha anbauen, im Einzelnen bekannt, müsste der Antragsteller zu 1) nämlich gleichwohl die in der Beschwerdebegründung genannten kostspieligen Einzelanalysen durchführen lassen, um sich die erforderliche Gewissheit über mögliche Anteile gentechnisch veränderten Pollens in seinem Honig zu verschaffen. Dies folgt schon aus der unstreitigen Tatsache, dass von dem gentechnisch veränderten Saatgut der Sorte MON810, das aufgrund der Genehmigungen des Bundessortenamtes im Wirtschaftsjahr 2003/2004 auf Ackerflächen im Bundesgebiet ausgebracht werden durfte, nur ein geringerer Teil für den Erprobungsanbau mit seiner Gesamtfläche von bundesweit 300 ha benötigt wurde.

Nach den Berechnungen des Antragsgegners im erstinstanzlichen Verfahren reichten die für das laufende Jahr zugelassenen 30,5 t Saatgut aus, um insgesamt 1.500 ha Ackerfläche zu bestellen. Über den Einsatz bzw. Verbleib des restlichen Saatguts, mit dem auf einer Fläche von ca. 1.200 ha gentechnisch veränderter Mais erzeugt werden könnte, ist zwar keinem der Verfahrensbeteiligten etwas bekannt. Da die Aussaat solcher zugelassenen Sorten derzeit keiner Anzeige- oder Registerpflicht unterliegt, kann daraus aber nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass

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von den erteilten Genehmigungen für das Inverkehrbringen kein weiterer Gebrauch gemacht worden sei. Der Antragsteller zu 1) muss vielmehr damit rechnen, dass zusätzlich zum laufenden Erprobungsanbau noch auf einer Reihe weiterer privater Flächen, von denen einige auch in Bayern liegen können, in erheblichem Umfang gentechnisch veränderter Mais angebaut worden ist, so dass auch von dort Blütenpollenanteile in den während der letzten Monate erzeugten Honig gelangt sein könnten. Konsequenterweise müsste daher unabhängig vom Ausgang des anhängigen Akteneinsichtsverfahrens in jedem Falle die gesamte Honigproduktion auf gentechnisch veränderte Substanzen untersucht werden. Ob sich ein so strikt verstandenes "Reinheitsgebot" auf Dauer einhalten lässt, erscheint allerdings angesichts der neueren Rechtsentwicklung durchaus fraglich. Insoweit ist insbesondere auf die vor kurzem erteilte Genehmigung der Europäischen Kommission zur Eintragung von siebzehn Maissorten der gentechnisch veränderten Linie MON810 in den gemeinsamen Sortenkatalog der EU für landwirtschaftliche Pflanzenarten hinzuweisen (Pressemitteilung IP/04/1083 vom 8. 9. 2004). Aufgrund dieser Entscheidung können die betreffenden Sorten in Zukunft EU-weit ohne einzelstaatliche Zulassung in den Handel gebracht und von jedermann grundsätzlich ohne mengenmäßige Begrenzung angebaut werden.

  1. Ungeachtet des aus den vorgenannten Gründen fehlenden Anordnungsgrundes kann der Antrag nach § 123 VwGO auch deshalb keinen Erfolg haben, weil den Antragstellern nach gegenwärtiger Rechtslage wohl kein Anordnungsanspruch in Gestalt eines Rechts auf Einsichtnahme in die Akten des StMLF zusteht.

2.1. Aus der sog. Freisetzungsrichtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 12. März 2001 (Richtlinie 2001/18/EG), die in Deutschland auch nach Ablauf der in Art. 34 festgesetzten Frist (17. Oktober 2002) bisher nicht umgesetzt worden ist (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung des Gentechnikrechts vom 5. 5. 2004, BT-Drs. 15/3088), können die Antragsteller keine Auskunftsansprüche ableiten. Eine unmittelbare Wirkung der auf Art. 249 Abs. 3 EG beruhenden Richtlinie kommt insoweit nicht in Betracht.

Die Regelung des Art. 25 Abs. 4 der Freisetzungsrichtlinie, wonach abweichend von den vorhergehenden Absätzen bestimmte Informationen auf keinen Fall vertraulich behandelt werden können, enthält bereits nach ihrem Wortlaut und systematischen Zusammenhang keinen selbstständigen Auftrag zur Informationsweitergabe, sondern

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setzt eine anderweitig bestehende Informationspflicht der zuständigen Behörde voraus. Selbst wenn der Richtliniengeber aber hinsichtlich der in Art. 25 Abs. 4 aufgezählten Daten implizit eine Offenlegung gefordert haben sollte, könnten die Antragsteller dies gegenüber dem Antragsgegner nicht mit Erfolg geltend machen, da die genannte Vorschrift auch nach Ablauf der Umsetzungsfrist keine unmittelbare Wirkung entfaltet. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können sich Einzelne gegenüber den Behörden und Gerichten eines Mitgliedsstaates nur dann auf eine nicht fristgemäß umgesetzte Richtlinie berufen, wenn die jeweilige Bestimmung inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheint (EuGH vom 23. 2. 1994, NVwZ 1994, 885 m.w.N.; Schroeder in Streinz, EUV/EGV, RdNr. 108 zu Art. 249 EGV). Als unbedingt gilt dabei nur eine Verpflichtung, die weder mit einem Vorbehalt oder einer Bedingung versehen ist noch zu ihrer Erfüllung einer weiteren Maßnahme der Gemeinschaftsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf (EuGH, a.a.O.; Schroeder, a.a.O., RdNr. 109 m.w.N.). Letzteres muss hier aber nach dem Regelungszusammenhang angenommen werden.

Art. 25 Abs. 4 der Freisetzungsrichtlinie gilt nicht für alle auf irgendeine Weise bekannt gewordenen Erkenntnisse über den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen, sondern ausdrücklich nur für solche Informationen, die "gemäß den Artikeln 6, 7, 8, 13, 17, 20 oder 23 der Richtlinie vorgelegt werden". Geregelt wird somit nur die Weitergabe von Daten, die zuvor in einem förmlichen Zulassungs-, Anmeldungs- oder Überwachungsverfahren gegenüber der zuständigen Behörde offen gelegt werden mussten. Solange jedoch auf der mitgliedstaatlichen Ebene weder die in der Richtlinie vorgesehenen Verfahren verbindlich eingeführt noch die entsprechenden Behördenzuständigkeiten festgelegt worden sind, können auch noch keine gemäß den genannten Artikeln "vorgelegten" Informationen existieren, auf die sich das etwaige Auskunftsrecht beziehen könnte.

Aus ähnlichen Gründen scheidet auch eine unmittelbare Berufung auf Art. 31 Abs. 3 der Freisetzungsrichtlinie aus. Die darin den Mitgliedstaaten auferlegte Verpflichtung, der Öffentlichkeit die Standorte der gemäß Teil B vorgenommenen Freisetzungen und des gemäß Teil C zugelassenen Anbaus gentechnisch veränderter Organismen bekannt zu geben, setzt ebenfalls voraus, dass die zuständige Behörde die betreffenden Informationen im Rahmen eines vorangegangenen Kontrollverfahrens erlangt hat. Neben dieser bisher nicht eingetretenen Bedingung steht einer unmittelbaren Wirkung der Bestimmung auch der Umstand entgegen, dass die Bekanntgabe nur "in

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der von den zuständigen Behörden als angemessen angesehenen Weise und gemäß den nationalen Vorschriften" erfolgen muss. Dieser vom Richtliniengeber selbst beigefügte Vorbehalt schließt von vornherein die Annahme aus, dass es sich um eine unbedingte und hinreichend genau vorgegebene Informationsverpflichtung gegenüber dem Einzelnen handeln könnte.

2.2. Nach gegenwärtigem Stand steht den Antragstellern auch kein Anspruch auf Akteneinsicht aus § 4 Abs. 1 UIG zu. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich beim StMLF im hier zu beurteilenden Bereich des Gentechnikrechts nicht um eine Behörde, die im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG Aufgaben des Umweltschutzes wahrzunehmen hat. Die für Bayern geltende Gentechnik-Zuständigkeitsverordnung - ZustVGentT - vom 26. Juni 1990 (GVBl S. 223), zuletzt geändert am 2. Dezember 1998 (GVBl S. 956), sieht für das StMLF keinerlei Zuständigkeit vor, auch nicht in der Funktion einer Aufsichtsbehörde (vgl. bereits BayVGH vom 22. 11. 2000, NVwZ 2001, 342/343).

Zwar reicht es für die Anwendung des § 3 Abs. 1 UIG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits aus, wenn eine Behörde bei der Erledigung ihrer sonstigen Aufgaben zugleich die Belange der Umwelt zu beachten hat, sofern dies nicht lediglich in Anwendung der für alle geltenden Rechtsvorschriften geschieht (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UIG), sondern in Erfüllung eines auf Rechtsvorschriften oder der Anordnung einer vorgesetzten Stelle beruhenden "umweltbezogenen Handlungsauftrags" (BVerwG 108, 369/375). Auch diese Voraussetzung lässt sich hier aber nicht feststellen. Soweit die Antragsteller vortragen, das StMLF habe -entgegen der Ressortverteilung nach der Gentechnik-Zuständigkeitsverordnung -beim gentechnischen Erprobungsanbau die staatliche Überwachungsfunktion übernommen, fehlt jeder Anhaltspunkt für die Richtigkeit dieser Behauptung. Der bloße Umstand, dass die für den Vollzug des Gentechnikgesetzes zuständigen und dabei dem Umweltministerium unterstehenden Regierungen (§ 1 Abs. 1, § 4 Nr. 2 ZustVGenT) die Standorte des Erprobungsanbaus nicht kennen, lässt noch nicht den Schluss zu, dass insoweit die staatliche Kontrolle von einer anderen Behörde bzw. einem anderen Ressort ausgeübt würde. Da der Anbau des gentechnikrechtlich allgemein zugelassenen und vom Bundessortenamt für den Verkehr freigegebenen Saatguts keiner weiteren Gestattung oder Anzeige bedarf, muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass für eine behördliche Überwachung der Anbauflächen aus gentechnik-rechtlicher Sicht (§ 25 GenTG) bisher weder Anlass noch Gelegenheit bestand, so

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dass aus einer solchen Überwachungstätigkeit auch nicht die von den Antragstellern erstrebten Informationen erlangt werden konnten.

Unstreitig liegen diese Informationen allerdings der an den begleitenden Forschungen beteiligten LfL vor, die dem StMLF unmittelbar nachgeordnet ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft [LfLV] vom 12. 12. 2002, GVBl S. 652). Auch die LfL ist aber keine Behörde, die im Sinne des § 3 Abs. 1 UIG kraft Gesetzes oder aufgrund einer Weisung einen genuin umweltbezogenen Handlungsauftrag erfüllt und damit möglicher Adressat des Informationsanspruchs nach § 4 Abs. 1 UIG wäre. Sie nimmt nach § 2 Abs. 1 LfLV ausschließlich Aufgaben in näher bezeichneten landwirtschaftlichen bzw. landwirtschaftsnahen Bereichen wahr (Landnutzung, Tierhaltung, Landtechnik und Betriebswirtschaft, Agrar- und Ernährungswirtschaft, Fischerei, ländliche Strukturentwicklung) und besitzt daher keine spezifisch ökologische Zuständigkeit oder Fachkompetenz. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ihr eine solche Umweltaufgabe vom StMLF im Zusammenhang mit dem Erprobungsanbau von gentechnisch verändertem Mais übertragen worden wäre. Der Anbau dient nach den erkennbaren Umständen nicht dazu, Feststellungen zur Umweltverträglichkeit der bereits allgemein zugelassenen Maissorte zu treffen; er soll vielmehr praktikable Wege aufzeigen, wie ein möglichst störungsfreies Nebeneinander herkömmlicher und gentechnisch veränderter Produktionsweisen erreicht werden kann. Die darin liegende Beschränkung auf die rein wirtschaftlichen Aspekte einer künftigen Gentechniknutzung steht im Einklang mit der dem Projekt zugrunde liegenden europarechtlichen Vorgabe, in der die Umwelt- und Gesundheitsaspekte ausdrücklich ausgeklammert werden (Empfehlung 2003/556/EG der Kommission vom 23. Juli 2003 mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen, ABl EG L 189/36 [39] vom 29. 7. 2003, Nr.1.2.).

Unabhängig von der in § 3 Abs. 1 UIG enthaltenen Beschränkung des Kreises der auskunftspflichtigen Behörden, die nach der bis zum 14. Februar 2005 in Bund und Ländern umzusetzenden neuen Umweltinformationsrichtlinie (Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates, ABl EG L 41/26 vom 14. 2. 2003) in Zukunft entfallen wird (vgl. § 2 Abs. 1 UIG i.d.F. des Regierungsentwurfs vom 21. 6. 2004, BT-Drs. 15/3406), steht dem von den Antragstellern geltend gemachten Akteneinsichtsrecht

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hier auch der zwingende Versagungsgrund des § 7 Abs. 4 Satz 1 UIG entgegen. Danach dürfen solche Umweltinformationen, die ein privater Dritter der Behörde ohne rechtliche Verpflichtung übermittelt hat, ohne Einwilligung dieses Dritten nicht zugänglich gemacht werden. Im vorliegenden Fall fehlt es unstreitig an einer solchen Einwilligung, da sich auf Nachfrage der LfL alle am Erprobungsanbau beteiligten Landwirte ausdrücklich gegen die beantragte Einsicht in die sie betreffenden Unterlagen ausgesprochen haben.

Der entgegenstehende Wille der Betroffenen ist entgegen dem Vorbringen der Antragsteller nicht deshalb unbeachtlich, weil hinsichtlich der strittigen Informationen eine rechtliche Verpflichtung zur Übermittlung bestanden hätte. Für eine gesetzlich begründete Melde- oder Auskunftspflicht, die gegenüber der LfL zu erfüllen wäre, ist hier schon im Ansatz nichts ersichtlich. Ob auch eine vertraglich übernommene Übermittlungspflicht die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 4 Satz 1 UIG ausschließen kann, erscheint zumindest dann zweifelhaft, wenn eine Weitergabe der Informationen an vertragsfremde Personen von den Vertragsparteien nicht vereinbart war. Dies bedarf aber keiner weiteren Erörterung, da die hier betroffenen Landwirte ersichtlich weder mit der LfL noch mit anderen Behörden des Antragsgegners irgendwelche vertraglichen Abreden getroffen haben, auf deren Grundlage sie zur Preisgabe ihrer Betriebsdaten verpflichtet gewesen sein könnten. Sollten sie sich aufgrund von Vereinbarungen mit den Saatgutlieferanten oder anderen privaten Stellen verpflichtet haben, im Rahmen des Erprobungsanbaus mit den staatlichen Einrichtungen wie der LfL zusammenzuarbeiten und ihnen die benötigten Informationen zu liefern, so handelte es sich dabei jedenfalls nicht um Vertragsabreden, aus denen die Behörden unmittelbar eigene Ansprüche ableiten konnten und die daher einer rechtlichen Übermittlungsverpflichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 UIG entsprochen hätten.

  1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 VwGO, der Streitwert aus § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG n. F.

Dr. Konrad Hösch Dr. Zöllner