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Aktenzeichen
17 L 494/02
Datum
21. März 2002
Gericht
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)

Beschluss: Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am 21. März 2002

17 L 494/02

Das Verwaltungsgericht verpflichtet die Behörde auf dem Wege einer einstweiligen Anordnung zur Vorlage von Bautagebüchern. Die Gefährdung der Erfolgsaussichten der öffentlichen Stelle als Partei in einem Zivilrechtsstreit stellt keinen Ablehnungsgrund dar. Geklagt hatte ein Gewerbetreibender, der zivilrechtlich gegen die Beeinträchtigungen durch eine Baustelle und die daraus entstandenen Umsatzeinbußen vorzugehen beabsichtigte. (Quelle: LDA Brandenburg)

Konkurrierende Rechtsvorschriften Schutz besonderer Verfahren

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 L 494/02                                      Seite 1 von 7 Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 L 494/02 Datum:                    21.03.2002 Gericht:                  Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Spruchkörper:             17. Kammer Entscheidungsart:         Beschluss Aktenzeichen:             17 L 494/02 Tenor:                    Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Einsicht in die Bautagebücher der Baustelle in den Bereichen zwischen straße und straße, zwischen straße und straße und zwischen Straße und straße über den Zeitraum zwischen dem 1. Januar 1998 und dem 30. November 1999 zu gewähren. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 2.000,- Euro festgesetzt. Gründe:                                                                                       1 I. Zwischen den Beteiligten ist vor dem Landgericht (LG) ein Klageverfahren (4 O 346/01) anhängig, in dem der Antragsteller - ein Apotheker - einen Amtshaftungsanspruch in Höhe von 182.842,- DM mit der Behauptung geltend macht, die Straßenbauarbeiten im Bereich der Straße seien schuldhaft verzögerlich und zudem in einer Weise durchgeführt worden, die zu erheblichen Umsatzeinbrüchen geführt habe, unter anderem deshalb, weil die Apotheke über längere Zeit nur noch über wacklige Holzplanken zu erreichen gewesen sei. Die zuständige 4. Zivilkammer des LG wies in der Verhandlung am 31. Januar 2002 darauf hin, dass die Klage bislang nicht ausreichend substantiiert sei, und erließ folgenden, den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 1. März 2002 zugestellten Auflagenbeschluss: „Der Kläger erhält Gelegenheit, binnen drei Wochen den Klagevortrag weitergehend zu konkretisieren, insbesondere darzutun, in welcher Zeit die Apotheke nur über wacklige Holzplanken erreichbar gewesen sein soll, wie sich das Zugangshindernis konkret dargestellt hat und die geltend gemachte Gewinneinbuße konkret zu berechnen." Der Antragsteller beantragte mit                2 Schreiben vom 14. Februar 2002 durch seine Prozessbevollmächtigten unter Hinweis auf § 4 des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz - IFG NRW -) bei dem Antragsgegner Einsicht in die Bautagebücher und führte hierzu aus, dass ihm anderenfalls die geforderte Substantiierung der Zivilklage nicht möglich sei. Durch Bescheid vom 28. Februar 2002 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Hierzu vertrat er die Auffassung, das IFG NRW sei nicht einschlägig, da der Antragsteller die Bautagebücher nicht aus allgemeinem Informationsinteresse einsehen wolle, sondern um Erkenntnisse für die Führung des anhängigen Zivilrechtsstreits zu gewinnen. Die Rechte und Pflichten der Parteien eines Zivilrechtsstreits seien jedoch in der Zivilprozessordnung (ZPO) abschließend und speziell in der Weise geregelt, dass auch ein Träger öffentlicher Gewalt als Partei eines Zivilprozesses nicht verpflichtet sei, dem Gegner Waffen in die Hand zu geben. Gegen diesen am 15. März 2002 zugegangenen Bescheid hat der Antragsteller mit Schreiben vom gleichen Tage Widerspruch erhoben. Bereits zuvor hat der Antragsteller am 7. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2002/17_L_494_02beschluss2... 16.01.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 L 494/02                                     Seite 2 von 7 März 2002 um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Er macht geltend, dass ihm ohne die Erteilung der begehrten Information auf Grund der erfolgten Fristsetzung der Verlust seiner Rechte drohe. Der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Einsicht in die Bautagebücher der Baustelle Straße in den Bereichen zwischen straße und Straße, zwischen straße und straße und zwischen Straße und straße über den Zeitraum zwischen dem 1. Januar 1998 und dem 30. November 1999 zu gewähren. Der Antragsgegner beantragt,                                                                 3 den Antrag abzulehnen.                                                                       4 Der Antragsgegner nimmt Bezug auf die Begründung des Bescheides vom 28.                      5 Februar 2002. Der Antragsteller hat sich parallel zu dem hier vorliegenden Verfahren an den Landesbeautragten für den Datenschutz als Beauftragten für das Recht auf Information gewandt. Das LG hat sich auf fernmündliche Nachfrage bereit erklärt, einem Fristverlängerungsantrag des Antragstellers mit Blick auf das hier anhängige Verfahren zu entsprechen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. II. Der Antrag ist zulässig und begründet.                                                   6 Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung                7 - VwGO - eröffnet, da die Beteiligten um öffentlich-rechtliche Ansprüche nach dem IFG NRW streiten, das den freien Zugang zu den bei den öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen regelt. Eine Zuständigkeit des Zivilgerichts folgt hingegen nicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG -, wonach das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet. Denn diese Regelung betrifft nur den Fall, dass für ein und denselben Klageanspruch mehrere, verschiedenen Rechtswegen zugeordnete Rechtsgrundlagen in Betracht kommen. Bei mehreren prozessualen Ansprüchen - hier der Anspruch auf den Zugang zu Informationen einerseits und der Anspruch auf Leistung von Schadensersatz andererseits - bleibt es hingegen bei der unterschiedlichen Rechtswegzuständigkeit. Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 7. Juni 1994 - 7 B 48/94 8 -, NJW 1994, 2500. Der Antrag ist - insoweit hat die Kammer das Rubrum von Amts wegen berichtigt -              9 in entsprechender Anwendung der §§ 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung - AG VwGO NRW - gegen den Antragsgegner als die Behörde, die den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat, zu richten. In der Hauptsache wäre eine Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO statthafte Klageart, weil die nach Maßgabe des IFG NRW erfolgende Gewährung des Zugangs zu einer Information, wie § 14 Abs. 2 Satz 2 IFG NRW („Widersprüche und Klagen") erkennen lässt, nach Vorstellung des Gesetzgebers in der Handlungsform des Verwaltungsaktes erfolgt. Die Gewährung des Zugangs zu einer Information stellt mithin nicht lediglich ein schlichtes Verwaltungshandeln dar, das im Wege der gegen die Stadt als Rechtsträger zu richtenden Leistungsklage zu erstreiten wäre, sondern beruht auf einer gedanklich vorgeschalteten behördlichen Entscheidung, die zugleich als Regelung eines Einzelfalls im Sinne von § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - zu werten ist. Denn sie setzt eine Prüfung voraus, ob und inwieweit dem Antrag unter Berücksichtigung etwaiger Hinderungsgründe entsprochen werden kann. Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. Februar 1969 - I C 65.67 -, BVerwGE 31, 301 (307). Soweit das BVerwG in einem den vergleichbaren Anspruch nach § 4 des                         10 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2002/17_L_494_02beschluss2... 16.01.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 L 494/02                                     Seite 3 von 7 Umweltinformationsgesetzes - UIG - betreffenden Urteil vom 6. Dezember 1996 - 7 C 64.95 -, BVerwGE 102, 282 (284) beiläufig erwähnt,               11 die Klage sei als allgemeine Leistungsklage erhoben, folgt hieraus nichts Gegenteiliges. Denn die jenem Verfahren zu Grunde liegende Klage war bereits vor Inkrafttreten des UIG erhoben worden. Vgl. die entsprechende erstinstanzliche Entscheidung: VG Minden, Urteil vom 5. 12 März 1993 - 8 K 1536/90 -, UPR 1994, 118. Dem Antragsteller kann im Hinblick auf die - von ihm bereits ergriffene -                   13 Möglichkeit der Anrufung des Landesbeauftragten für den Datenschutz ein Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden. Denn die Einschaltung des Datenschutzbeauftragten stellt keinen einfacheren, geschweige denn gleich wirksamen Weg zur Erreichung des hier verfolgten Begehrens dar. Zwar ist der Datenschutzbeauftragte nach § 13 Abs. 1 IFG NRW für die „Sicherstellung des Rechts auf Information" zuständig; indessen fehlen ihm rechtlich verbindliche Reaktionsmöglichkeiten, um im Falle einer Weigerung des Antragsgegners den Zugang zu der Information zu gewährleisten (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 2 IFG NRW in Verbindung mit §§ 21 ff., insbesondere 23, 24 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten - DSG NRW -). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in vollem Umfang 14 begründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung                   15 eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Danach kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn ein Anordnungsgrund, d. h. die besondere Eilbedürftigkeit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes, und das Bestehen des geltend gemachten Anspruches (sog. Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht worden sind (§ 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Beides ist hier der Fall; der insoweit maßgebliche Sachverhalt steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit. Der Anordnungsanspruch folgt aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Nach dieser Vorschrift hat jede natürliche Person gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen, insbesondere juristischen Personen des öffentlichen Rechts (vgl. § 2 Abs 1 Satz 1 IFG NRW), einen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen. Informationen im Sinne dieses Gesetzes sind alle in Schrift-, Bild-, Ton- oder Datenverarbeitungsform oder auf sonstigen Informationsträgern vorhandenen Informationen, die im dienstlichen Zusammenhang erlangt wurden (vgl. § 3 IFG NRW). Da der Antragsteller als                    16 natürliche Person von dem Antragsgegner, einer Gemeindebehörde, Informationen über den Ablauf einer von der Gemeinde im Rahmen ihres Aufgabenkreises veranlassten Straßenbaumaßnahme durch Einsicht in die hierzu geführten amtlichen Aufzeichnungen begehrt, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 IFG NRW unzweifelhaft erfüllt. Der in örtlicher und zeitlicher Hinsicht konkret gefasste Antrag des Antragstellers ist zudem hinreichend bestimmt im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 IFG NRW. § 4 Abs. 1 IFG NRW findet - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - im                 17 vorliegenden Fall auch Anwendung. Zwar bestimmt § 4 Abs. 2 IFG NRW, dass besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder Gewährung von Akteneinsicht den Vorschriften des IFG NRW vorgehen. Hiermit sind bereichsspezifische Gesetze des Bundes oder des Landes NRW gemeint, die einen Informationsanspruch regeln. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2002/17_L_494_02beschluss2... 16.01.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 L 494/02                                     Seite 4 von 7 Vgl. LT-Drs. 13/1311, S. 11; zur gleichlautenden Regelung in § 2 Abs. 3 DSG 18 NRW vgl. Weyer, Datenschutzgesetz NW, 1988, § 2 Rdnr. 9 und § 18 Rdnr. 10. Eine in diesem Sinne spezielle Vorschrift über den Zugang zu amtlichen                      19 Informationen kommt hier indessen nicht ernstlich in Betracht. Insbesondere findet außerhalb eines hier nicht gegebenen Verwaltungsverfahrens der Akteneinsichtsanspruch nach § 29 VwVfG keine Anwendung. Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 30. Juni 1983 - 2 C 76.81 -, 20 DVBl. 1984, 53. Wenn in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass außerhalb eines                              21 Verwaltungsverfahrens die Gewährung von Akteneinsicht bei Vorliegen eines berechtigten Interesses des Antragstellers im Ermessen der Behörde steht, ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 1968 - IV C 235.65 -, BVerwGE 30, 154; Urteil vom 16. September 1980 - 1 C 52.75 -, BVerwGE 61,                22 15, so handelt es sich hierbei weder um eine die Annahme einer Spezialität                      23 rechtfertigende bereichsspezifische Rechtsgrundlage noch um einen (gebundenen) Anspruch. Die vom Antragsgegner herangezogenen Vorschriften der ZPO enthalten schon begrifflich keine abweichenden Spezialregelungen über „Informationsansprüche" zwischen den Parteien eines Zivilprozesses. Das diesbezügliche Vorbringen des               24 Antragsgegners zielt demnach letztlich auf die Annahme eines ungeschriebenen, in den §§ 6 bis 9 IFG NRW nicht ausdrücklich geregelten Ablehnungsgrundes. Auch wenn der Antragsgegner sich selbst nicht auf das Vorliegen von                         25 Ablehnungsgründen nach den §§ 6 ff. IFG NRW beruft, sei der Vollständigkeit halber zunächst festgehalten, dass derartige Ablehnungsgründe auch nicht ersichtlich sind. In Betracht kommt insoweit allenfalls § 6 lit. b IFG NRW. Danach ist der Antrag auf Informationszugang - wie die amtliche Überschrift des § 6 IFG NRW verdeutlicht: zum Schutz öffentlicher Belange und der Rechtsdurchsetzung - abzulehnen, soweit und solange durch die Bekanntgabe der Information der Verfahrensablauf               26 eines anhängigen Verwaltungsverfahrens, eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens, eines Disziplinarverfahrens oder der Erfolg einer bevorstehenden behördlichen Maßnahme erheblich beeinträchtigt würde. Zu der vergleichbaren, allerdings gerichtliche Verfahren ausdrücklich                       27 einbeziehenden Regelung in § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1999 - 7 C 32.98 -, BVerwGE 110, 17 (24). Die Gefährdung der Erfolgsaussichten der öffentlichen Stelle als Partei in einem anhängigen Zivilrechtsstreit stellt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 lit. b IFG        28 NRW aber gerade keinen Ablehnungsgrund dar. Es besteht nach Auffassung der Kammer auch kein Anlass für eine entsprechende               29 Anwendung im Wege der Analogie. Dies würde nicht nur voraussetzen, dass der Gesetzgeber hinsichtlich eines anhängigen Zivilrechtsstreits versehentlich keine Regelung getroffen hat, sondern auch dass er diesen Fall - hätte er ihn geregelt - in den Katalog der Versagungsgründe aufgenommen hätte. An beiden Voraussetzungen fehlt es. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Das IFG NRW bezweckt ausweislich der Gesetzesbegründung, die Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf das Handeln der staatlichen Organe dadurch zu optimieren, dass ihnen eine verbesserte Argumentationsgrundlage an die Hand              30 gegeben wird. In diesem Sinne soll das Informationszugangsrecht einer - wenn auch mittelbaren - Kontrolle staatlichen Handelns dienen. Ziel sind Transparenz und bürgerschaftliches Mitwirken, weshalb der Anspruch auf Informationszugang http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2002/17_L_494_02beschluss2... 16.01.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 L 494/02                                     Seite 5 von 7 ohne Nachweis eines rechtlichen oder berechtigten Interesses gewährt wird. Vgl. LT-Drs. 13/1311, S. 9.                                                                 31 Dient das IFG NRW somit erklärtermaßen auch der Kontrolle der Verwaltung - sei es der Rechtmäßigkeit, sei es der Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns -, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe die bei Feststellung fehlerhaften Handelns nahe liegende Gefahr von Regressansprüchen des Bürgers gegen den Staat übersehen und lediglich versehentlich nicht geregelt. Indem er dem Infomationsanspruch bewusst einen nur eng umgrenzten Ausnahmekanon zur Seite stellt, bedient er sich im Übrigen eines beredten Schweigens. Deshalb kann es auch keinen Unterschied ausmachen, ob der die Auskunft Begehrende möglicherweise in eigenen Rechten tangiert ist oder lediglich aus allgemeinem               32 Informationsinteresse handelt bzw. ob er den Informationsanspruch geltend macht, bevor er zu erkennen gibt, dass er im Falle einer durch Erteilung der Information bekannt werdenden Amtspflichtverletzung ggf. auch bereit ist, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Anderenfalls würde man denjenigen, der ein berechtigtes Interesse an Informationen hat, die in der Sphäre der Behörde liegen, schlechter stellen als denjenigen, dem es an einem solchen Interesse mangelt. Dies lief bereits der früheren Rechtslage zuwider und muss erst recht im Rahmen der jetzigen Rechtslage abgelehnt werden. Darüber hinaus wäre es mit den Zielen des IFG NRW nicht vereinbar und daher                 33 keinesfalls mutmaßlicher Wille des Gesetzgebers, wollte man den durch dieses Gesetz verpflichteten öffentlichen Stellen - im Wege der Analogie zu § 6 IFG NRW - ein Verweigerungsrecht auch für den Fall an die Hand geben, dass sie bei Gewährung der Information eigene Fehler offenbaren und dadurch ein Unterliegen in einem Amtshaftungsprozess riskieren müssten. Einen prozessualen Rechtsgrundsatz, wonach ein materiell-rechtlich - sei es zur Auskunfterteilung, sei es zur Vorlage von Urkunden - Verpflichteter auf Grund seiner Stellung als Partei eines Zivilprozesses die Erfüllung des berechtigten Anspruches verweigern könnte, stellt nämlich auch die ZPO nicht auf. Etwaige Auskunftsansprüche zwischen Prozessparteien finden ihre Rechtsgrundlage - auch im Zivilrecht - im materiellen Recht (beispielsweise in §§ 666, 675 BGB, 118, 166 HGB) und sind in ihrem Bestand unabhängig von der Anhängigkeit eines Rechtsstreits und der jeweiligen Rolle, die der Auskunftsverpflichtete in einem             34 Rechtsstreit einnimmt. Für Fälle, in denen der Zivilkläger zunächst eine Auskunft oder Rechnungslegung benötigt, um überhaupt erst einen zulässigen Klageantrag stellen zu können, sieht die ZPO in § 254 ausdrücklich die Stufenklage vor. Auch in einem solchem Fall besteht kein Gegenrecht des Verpflichteten, die in erster Linie geltend gemachte Erfüllung des Auskunftsanspruches zu verweigern, um so letztlich die Klageabweisung hinsichtlich des auf der zweiten Stufen geltend gemachten Zahlungs- oder Herausgabeanspruches zu erreichen. Der von der Antragstellerseite vergeblich herangezogene § 421 ZPO, wonach ein               35 Urkundsbeweis durch den Antrag angetreten werden kann, der Prozessgegner möge eine in seinen Händen befindliche Urkunde vorlegen, ist hingegen eine Vorschrift des zivilprozessualen Beweisrechts und setzt - nach den Maximen des zivilgerichtlichen Verfahrens - notwendig zunächst einen beweisbedürftigen, d.h. schlüssigen und substantiierten, aber bestrittenen Klagevortrag voraus. Davon abgesehen setzt aber auch die hiermit in Zusammenhang stehende Regelung in § 422 ZPO voraus, dass eine Partei - wenn sie hierzu nach bürgerlichem Recht verpflichtet ist - auch während eines anhängigen Verfahrens zur Vornahme von Handlungen verpflichtet sein kann, die ihre prozessuale Position beeinträchtigen können. Vor diesem Hintergrund kann es erst recht nicht mutmaßlicher Wille des http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2002/17_L_494_02beschluss2... 16.01.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 L 494/02                                     Seite 6 von 7 Gesetzgebers sein, den gemäß Art. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 3 GG zur Einhaltung von Verfassung und Gesetzen verpflichteten öffentlichen Stellen ein Ablehnungsrecht zu dem Zweck einzuräumen, sich möglicherweise berechtigten Amtshaftungsansprüchen zu entziehen. Liegen bei objektiver Betrachtung die                  36 Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruches nicht vor, entsteht der öffentlichen Stelle durch die Herausgabe der Information indessen kein rechtlich erheblicher Nachteil. Stehen nach alledem den tatbestandlichen Voraussetzungen des                                37 Informationsrechts nach § 4 IFG NRW keine Ablehnungsgründe nach den §§ 6 bis 9 IFG NRW entgegen, so sieht das Gesetz die Gewährung des Zugangs zu der Information zwingend vor, ohne dass dem Antragsgegner insoweit Ermessen zustünde. Dies gilt auch hinsichtlich der Art, in der der Informationszugang gewährt wird. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 4 IFG NRW könnte eine andere als die vom Antragsteller begehrte Art des Zugangs nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gewählt werden, wofür hier indessen nichts ersichtlich ist. Neben dem somit bestehenden Anordnungsanspruch liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Zwar sind an die Annahme eines Anordnungsgrundes insbesondere dann, wenn die einstweilige Anordnung - wie hier - auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, strenge Anforderungen zu stellen. Diese sind im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4              38 GG) allerdings dann erfüllt, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Vgl. zu einem auf § 29 VwVfG gestützten Akteneinsichtsbegehren: BVerwG,                     39 Beschluss vom 21. März 1997 - 11 VR 3/97 -. Ob diese Voraussetzungen hier bereits deshalb erfüllt sind, weil im Falle einer Verweisung des Antragstellers auf ein voraussichtlich Jahre dauerndes verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren die in § 5 Abs. 2 IFG NRW enthaltene Fristbestimmung („unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats") gänzlich ins Leere liefe, mag dahin stehen. Zugleich bedarf es keiner Entscheidung, ob auch dann, wenn - wie hier - der geltend gemachte Informationsanspruch ohne 40 Nachweis eines rechtlichen, berechtigten oder sonstigen Interesses besteht, der Erlass einer einstweiligen Anordnung gleichwohl nur im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO „nötig" ist, wenn anderenfalls wesentliche Nachteile für Rechte oder Interessen des Antragstellers drohen. Vgl. diese Frage bejahend: Bay.VGH, Beschluss vom 22. November 2000 - 22 ZE 00.2779 -, NVwZ 2001, 342 (zu § 4 UIG). Denn diese Voraussetzung liegt jedenfalls vor. Insofern streitet zu Gunsten des             41 Antragstellers, dass diesem in dem bereits bei dem LG anhängigen Klageverfahren ein endgültiger Rechtsverlust droht, wenn ihm die aus seiner, jedenfalls nicht offenkundig rechtsirrigen Sicht für die sachgerechte Fortführung des anhängigen Zivilklageverfahrens benötigten Informationen weiterhin vorenthalten werden. Der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken, dass dem Antragsteller der jetzt beschrittene Weg der Informationserlangung vor Erhebung der Amtshaftungsklage noch nicht zur Verfügung stand, da das IFG NRW erst nach Klageerhebung in 42 Kraft getreten ist, nämlich am 1. Januar 2002 (vgl. § 15 IFG NRW). Er muss sich daher auch nicht entgegen halten lassen, sehenden Auges die Eilbedürftigkeit herbei geführt zu haben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung             43 auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2002/17_L_494_02beschluss2... 16.01.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 L 494/02                                     Seite 7 von 7 44 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2002/17_L_494_02beschluss2... 16.01.2007
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