Information

Aktenzeichen
NDS OVG 5 M 28/90 1990 LPG
Datum
24. September 1990
Gericht
Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Gesetz
Niedersächsisches Pressegesetz (NPresseG)
Niedersächsisches Pressegesetz (NPresseG)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Niedersachsen am 24. September 1990

NDS OVG 5 M 28/90 1990 LPG

Dem Dienstherrn ist es nicht schlechthin verboten, Auskünfte über Disziplinarverfahren seiner Beamten zu erteilen. Ein solches Verbot kann nur angenommen werden, wenn die Abwägung der verschiedenen schutzwürdigen Interessen des Beamten mit dem schutzwürdigen Interesse der Allgemeinheit ergibt, daß dem Interesse an der Auskunftserteilung kein Übergewicht zuzubilligen ist.

Geheimhaltung Dienstherr Auskunftserteilungsverbot Disziplinarverfahren Beamter Interessenabwägung

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;~·· .•1 ./ • 5 M 28/9ü                                                          5 - 8 3 2 B 11 B 24/9ü B e s c h 1 u ß in der Verwaltungsrechtssache des Staatssekretär~a. D.     11111111"""'~1""'         .. " ' •   ~ ,.-, ,, - • ::-.. •' • 1 • • - ~traße                ·······- Antragstellers und Beschwerdegegners, - Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Lauprecht, Kohlhaas, Riemann, Dr. Witt, Dr. Behrens, Prager und Rechtsanwältin Ahlers-Hoops, Lorentzendamm 36, Kiel 1 - g e g e n den Innenminister des Landes Schleswig-Holstein, Düsternbrooker Weg 92, Kiel 1, Antragsgegner und Beschwerdeführer, beteiligt: Der schleswig-holsteinische Vertreter des öffentlichen Interesses bei dem Oberverwaltungs- gericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Kiel, we g e n Auskunfterteilung/Disziplinarverfahren - Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung - Der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein hat am 24. September 1990 bBschlossen: Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Ver- waltungsgerichts - 11. Kammer - vom 1. Juni 1990 geändert. Der beantragte Erlaß einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Ver- fahrens. - 2 -
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- 2 - G r ü n d e I. Der 19-geborene, 191ia zum Staatsse~:retär und 1'1 als Leiter der Presse- und Informationsstelle der Landesregie- rung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufene Antragsteller wurde 1~ in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Unter Berücksichtigung des Berichtes des Parlamen- tarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung von eventuell rechtswidrigen Handlungen und Unterlassungen des Ministerpräsidenten Dr.          ~ der Mitglieder, Mitarbei- ter und Helfer der Landesregierung gegen zum 11. Landtag kandidierende Parteien und ihre Repräsentanten vorn 5. Februar 1988 <Schl.-H. Landtag, Drucks. 11/66, 1.3.6, S. 214) leitete der Antragsgegner gegen den Antragsteiler das förmliche Disziplinarverfahren ein, das durch das inzwischen rechtskräftige Urteil der Disziplinarkammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vorn 18. Mai 1990 <Disz 5/90) abgeschlossen wurde. Am 22. Mai 1990 hat der Antragsteller den Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt und zur Begründung im wesentlichen geltend gemacht! Der Antragsgegner sei bereit, auf entsprechende Anfrage die Öffentlichkeit, insbesondere die Presse, über das Disziplinarverfahren zu informieren. Es bestehe deshalb die drohende Gefahr, daß der Antragsgegner in seine- des Antragstellers- durch die Landesdisziplinar- ordnung geschützten Persönlichkeitsrechte eingreife. Eine Verpflichtung des Antragsgegners, den Vertretern der Presse Auskünfte zu erteilen, ergebe sich nicht aus § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Presse - Landespressegesetz - (vorn 19.6.1964, GVOBl S. 66, zuletzt geändert durch Gesetz vorn 29.10.1980- GVOBl S. 302), da er nach§ 4 Abs. 2 Nr. 2 des Landespressegesetzes Auskünfte verweigern könne, soweit - 3 -
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- 3 - Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen. Der Antragsteller hat beantragt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, Personen oder Stellen Auskunft Uber Gegenstand und Ergebnis des Disziplinarverfahrens des Antragsgegners gegen den Antragsteller <Disz 5/90) zu erteilen, bei denen eine vertrauliche Behandlung nicht gesichert ist. Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzulehnen. Zur Begründung hat er im wesentlichen geitend gemacht: Er beabsichtige, den berechtigt anfragenden Medien lediglich mitzuteilen, daß der Antragsteller in e1nem fBrmlichen Disziplinarverfahren antragsgemäß mit einer Disziplinarmaß- nahme belegt worden sei, ohne diese aber im einzelnen zu beschreiben. Dies verstoße nicht gegen § Sß Abs. 1 Satz i der Disziplinarordnung für das Land Schleswig-Holstein - LDO -(vom i7.2.i97i, GVOBl S.        zuletzt geändert durch ßesetz vorn 23.12.1977, ßVOBl S. 52U, ~·Jonach die mündliche ''I Verhand.iung im Disziplinarvet'fatHen nicht Bffentlich ist. Der Grundsatz der Nicht5ffentlichkeit irn.Disziplinarver- fahren gelte strikt nur für die Durchführung der mündlichen Verhandlung und schütze den Beschuldigten im Interesse seiner Rechtsverteidigung nur vor einer Preisgabe der Ein- zelheiten des Verfahrens, dagegen nicht vor der Preisgabe bestimmter, sorgfältig formulierter Mitteilungen im Rahmen einer notwendigen öffentlichen Stellungnahme. Die beabsich- tigte Bekanntgabe des Prozeßausgangs in der vorgesehenen eingeschränkten Form beruhe auf einer Abwägung der wechsel- seitigen Rechte und Pflichten der Beteiligten sowie der situationsbedingten besonderen Umstände des Falles und sei im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit geboten. - 4 -
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- 4 - Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner durch Beschluß vom 1. Juni 1990 untersagt, Personeh oder Steilen Auskunft Ober Gegenstand und Ergebnis des Disziplinarverfahrens mit dem Aktenzeichen Disz 5/90 VG Schleswig zu erteilen, bei denen eine vertrauliche Behandlung nicht gesichert ist. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn er berufe sich auf sein durch Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG- geschütztes Persönlichkeitsrecht, das hier seine besondere Ausgestaltung durch den Grundsatz der Nichtöffent- lichkeit des Disziplinarverfahrens erfahre. Dieser Grund- satz, der insbesondere dem Schutz des Beamten diene, beziehe sich nicht nur auf die mündliche Verhandlung einschließlich der Urteilsverkündung, sondern darüber hinaus auch auf Auskünfte des Gerichts und der Beteiligten nach Abschluß des Verfahrens. Demgegenüber habe das Informationsrecht der Presse {§ 4 Landespressegesetz) und damit der Öffentlich- keit zurückzutreten. Es handele sich somit um eine eindeu- tige Abwägung des Gesetzgebers hinsichtlich der hier sich gegenüberstehenden Rechtsgüter, die beide grundgesetzlich geschützt bzw. garantiert seien (Art. 2 Abs. 1 G6 einerseits und Art. 5 66 andererseits). Diese gesetzgeberische Abwägung binde das Gericht, zumal auch in § 4 Abs. 2 Nr. 3 Landes- pressegesetz auf die Einschränkung der Informationspflicht bei Vorliegen schutzwürdiger privater Interessen abgestellt werde. Gegen diesen ihm am 6. Juni 1990 zugestellten Beschluß hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt, zu deren Begründung. er über sein bisheriges Vorbringen hinausgehend im wesent- lichen geltend macht: Das hier bestehende Spannungsverhält- nis zwischen dem Informationsrecht der Presse und der ebenfalls verfassungsrechtlich normierten Garantie der Privatsphäre sei durchaus auflösbar, ohne daß es der angefochtenen einstweiligen Anordnung bedürfe~ Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht stünden -ebenso wie Eingriffe in - 5 -
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- 5 - die allgemeine Handlungsfreiheit - unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dem sei durcn die Art der von ihm beabsichtigten Auskunfterteilung Rechnung getragen. Der hauptsächliche Verfahrensgegenstand sei der Presse und der Öffentlichkeit hinlänglich bekannt. Die beabsichtigte abschließende und inhaltlich beschränkte Unterrichtung der anfragenden Medien sei hier notwendig, um der Öffentlichkeit zur Wahrung des Ansehens des Berufsbeamtenturns klarzumachen, daß "Dienstvergehen im Zusammenhang mit der Kieler Affäre auch für hohe Beamte Konsequenzen" nach sich zögen. Der Antragsgegner beantragt, den angefochtenen Beschluß zu ändern und den beantragten Erlaß einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er verteidigt den angegriffenen Beschluß und macht geltend! Die durch § 58 LDO gesetzlich getroffene Abwägung könne durch Abwägungen der Exekutive nicht überwunden werden. Außerdem indiziere das Maß der verhängten Disziplinarmaß- nahme, das an der untersten Grenze des Möglichen liege, zugleich ein mangelndes öffentliches Interesse an einer Unterrichtung über die Ahndung seiner - des Antragstel- lers- "Verfehlungen". Bei dieser Sachlage bestehe ein Interesse an einem Bekanntwerden des Ausgangs des Diszipli- narverfahrens allenfalls auf seiner Seite. Die Entscheidung der Frage, ob eine Bekanntmachung erfolgen solle oder nicht, müsse allerdings, da es ausschließlich um den Schutz seiner Interessen gehe, ihm- dem Antragsteller - überlassen werden. Der Vertreter des öffentlichen Interesses, der keinen Antrag - 6 -
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-  b - stellt, hä1t den Er1aß der beantragten einstweiligen Anord- nung nicht für gerechtfertigt und trägt vor: Der in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und in dem allgerneinen Per- sbnlichkeitsrecht des Beamten wurzelnde Grundsatz der Ver- traulichkeit der wechselseitigen Beziehungen zwischen Dienstherrn und Beamten, der auch und insbesondere in der Vertraulichkeit der Personalakten und der Nichtöffentlich- keit des Disziplinarverfahrens seinen Ausdruck finde, gelte nicht uneingeschränkt. Das öffentliche Interesse könne in bestimmten Fällen höher zu bewerten sein als das schutzwür- dige Interesse des Beamten an der Geheimhaltung dienstlicher Beziehungen und verhängter Disziplinarmaßnahmen. Der Beamte habe nur solche 5taatlichen Maßnahmen hinzunehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebotes erfolgten. In welchem Umfang eine danach gerechtferigte Information der Öffentlichkeit erfolgen könne, könne der Beurteilung durch den erkennenden Senat überlassen werden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und hinsichtlich des Sachverhalts im übrigen auf die Gerichtsakten einschließlich des unter dem Akten- zeichen Disz 5/90 geführten Vorgangs Bezug genommen. II . Die zulässige Beschwerde ist begründet. Soweit durch die mit der Beschwerde angegriffene einstwei- lige Anordnung dem Antragsgegner nicht nur untersagt wurde, anfragenden Medien die Auskunft zu erteilen, daß der Antragsteller im förmlichen Disziplinarverfahren antrags- gemäß mit einer Disziplinarmaßnahme belegt worden ist, ohne diese Maßnahme anzugeben, sondern darüber hinausgehend auch - 7 -
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- 7 - untersagt wurde, Personen oder Stellen Auskunft über Gegenstand und Ergebnis des Disziplinarverfahrens zu erteilen, bei denen eine vertrauliche Behandlung nicht gesichert ist, ist die Beschwerde begründet, weil entweder insoweit der Erlaß der begehrten einstweiligen Anordn~ng mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist oder das Verwaltungsgericht über das Begehren des Antragstellers hinausgegangen ist (§ 122 Abs. 1 iVm 9 88 Vw60J. Der dem Tenor der erlassenen einstweiligen Anordnung entsprechende Antrag des Antragstellers geht über das hinaus, was zu tun der Antragsgegner beabsichigt. Deshalb fehlt dem Antragsteller insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung. Allerdings ist der Antrag des Antragstellers unter Berücksichtigung des erstinstanzliehen Verbringens auslegungsfähig dahin, daß dem Antragsgegner untersagt wird, die Auskunft zu erteilen, deren Erteilung er beabsichtigt. Bei dieser Auslegung ist das Verwaltungsgericht über das Begehren des Antragsteilers hinausgegangen und deshalb die Beschwerde insoweit begründet. Im übrigen ist der Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung weder aus dem Gesichtspunkt einer Sicherungsanord- nung {§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGOl noch aus dem Gesichtspunkt einer Regelungsanordnung (§ 123 Abs. Satz 2 Vw60) gerecht- fertigt, weil weder die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, noch eine Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende 6ewalt zu verhindern, und auch aus anderen Gründen eine solche Regelung nicht geboten ist. Einen sicherungsfähigen Anspruch gegenüber dem Antragsgeg- ner, die beabsichtigte Auskunft zu unterlassen, hat der Antragsteller nicht. - 8 -
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- B - Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 95 Abs. 1 Satz 1 des Beamtengesetzes für das Land Schleswig-Holstein - LBG- CidF vom 1.6.1987, GVOBl S. 271, zu-letzt geändert durch Gesetz vom 14.7.1990, GYOBl S. 354). Danach hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Hieraus ergibt sich auch ein Anspruch auf Wahrung der Ehre des Beamten, aufgrunddessen der Dienstherr verpflichtet ist, ehrverletzende Angriffe zu unterlassen <Weiß/Niedermaier/    --) Summer, Bayerisches Beamtengesetz - Kommentar, Loseblatt- sammlung, Stand: 1.5.1990, Anm. 25 a zu Art. 86). Ob und ggf. wem, unter welchen Voraussetzungen, in welchem Umfang und in weicher Form ein öffentlich-rechtlicher Dienstherr Auskünfte über seine Beamten erteilen darf, hat dieser im Rahmen des ihm bei Ausübung der Fürsorgepflicht eingeräumten Ermessens zu entscheiden. Dieser Ermessensspielraum ist durch Rechtsgrundsätze und Vorschriften abgegrenzt (ßVerwG, Urt~  v. 4.6.1970 - II C 5.68 - 1 BVerwßE 35 1 225! 227). Hierzu gehören die Vorschrift über die Nichtöffentlichkeit der Hauptverhandlung im Disziplinarverfahren (vgl. Clausseh/ Janzen, Bundesdisziplinarordnung- Kommentar, 6. Aufl., RdNr. 2 zu § 73; OLG Hamm, Urt. v. 4.12.1970 - 11 0 168/70 -, NJW 1971, 468l, die Vorschriften des Beamtenrechts über die Geheimhaltung von Personalakten (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.1987- 2 C 56.84 -, BVerwGE 75, 35il, über die dienstliche Schweigepflicht der mit der Bearbeitung von Personalien befaßten Bediensteten (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.8.1986- 2 C 51.84 -, BVerwGE 75, 17), ferner die verfas- sungsrechtlichen Vorschriften über die einschlägigen Grund- rechte, die ihrerseits wiederum eine gesetzliche Ausprägung - wie etwa hier durch das Landespressegesetz - erhalten haben können. Alle diese Rechtsgrundsätze und Vorschriften verbieten dem Dienstherrn aber nicht schlechthin, Auskünfte über· Disziplinarverfahren seiner Beamten zu erteilen. Ein - 9 -
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- 9 - solches Verbot und damit ein entsprechender Unterlassungs- anspruch des Antragstellers kann nur angenommen werden, wenn die Abwägung der verschiedenen schutzwürdigen Interessen, insbesondere des schutzwürdigen Interesses des Beamten mit dem schutzwürdigen Interesse der Allgemeinheit unter BEach- tung des 6ebotes der Verhältnismäßigkeit, ergibt, daß dem Interesse an der Auskunfterteilung kein Ubergewicht zuzubil- ligen ist <BVerw6E 35, 225, 229). Dem Interesse an der hier beabsichtigten Auskunfterteilung <Abschluß des Disziplinarverfahrens mit antragsgemäßer Verhängung einer Disziplinarmaßnahme durch rechtskräftiges Urteil) ist aufgrund der Abwägung unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze ein Ubergewicht zuzubilligen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ergibt sich ein Auskunftverbot nicht aus § 58 Abs. 1 Satz 1 LDO und auch nicht - wie der Antragsteller darüber hinaus meint - aus § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Landespressegesetzes. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 LDO ist die mündliche Verhandlung nicht öffentlich. Hierbei handelt es sich um eine gerichts- verfassungsrechtliche Regelung, die über die Rechte und Pflichten der an dem Disziplinarverfahren Beteiligten nach dessen rechtskräftigem Abschluß jedenfalls unmittelbar nichts aussagt. Der 6rundsatz der Nichtöffentlichkeit im Disziplinarverfahren gilt strikt nur für die Durchführung der Hauptverhandlung und schützt den beschuldigten Beamten im Interesse seiner Rechtsverteidigung nur vor einer Preis- gabe der Einzelheiten des Verfahrens; er verbietet es dem 6ericht, andere Personen als die am Verfahren beteiligten innerhalb des Sitzungssaales an der Verhandlung teilnehmen zu lassen <vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.4.1980- 1 WB 265/77 -, ZBR 1981, 291; Wittland, Reichsdienststrafordnung -Kommentar, 2. Aufl., RdNr. 1 zu§ 60). Wenn demgegenüber die unbegründet gebliebene Ansicht vertreten wird, aus dem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit folge die Pflicht des 6erichts und der Prozeßbeteiligten, über Segenstand und - 10 -
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- 10 - Ergebnis der Verhandlung nur solchen Personen oder Stellen Auskunft zu geben, die ein berechtigtes Interesse nachweisen und bei denen vertrauliche Behandlung gesichert ist (Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarordnung -Kommentar, 6. Aufl., RdNr. 2 zu§ 73>, ist dem im Grundsatz zuzusttrn- rnen, aber nicht in der Weise - wie es das Verwaltungsgericht offenbar versteht -, daß dieser Grundsatz nicht durch den vorstehend gekennzeichneten Abwägungsprozeß überwindbar ist. Darüber hinaus hat der Gru~dsatz der Nichtöffentlichkeit des Disziplinarverfahrens in der Landesdisziplinarordnung eine andere Ausgestaltung erfahren als in der Bundesdisziplinar- ordnung. Die für die von dem Antragsgegner beabsichtigte Auskunft maßgebliche Verkündung des Urteils der Disziplinar- kammer vorn 18. Mai 1990 <Disz 50/90) würde nach der Bundes- disziplinarordnung von dem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit erfaßt; dies gilt aber nicht für die hier maßgebliche Landesdisziplinarordnung. Für die Bundesdisziplinarordnung, in der die entsprechende Vorschrift der Reichsdienststraf- ordnung <§ 60 RDStO) übernommen wurde, wird einhellig die I Meinung vertreten, auch die Verkündung des Urteils sei nicht öffentlich <Claussen/Janzen, 6. Aufl., RdNr. 2 zu§ 73; Behnke <Hardrahd), Bundesdisziplinarordnung- Kommentar, 2. Aufl., RdNr. 3 zu § 73; Schütz, Disziplinarrecht, 3. Aufl., RdNr. 8 zu § 77; Köhler/Ratz, Bundesdisziplinar- ordnung- Kommentar, 1989, RdNr. 1 zu§ 73). Diese dem ge- richtsverfassungsrechtlichen Grundsatz, nach dem die Verkündung eines Urteils in jedem Falle öffentlich ist (§ 173 Abs. 1 GVG>, widersprechende und bei ihrer Einführung umstrittene bundesgesetzliche Regelung wurde nach dem Bericht des im Gesetzgebungsverfahren tätigen Fachausschus- ses u.a. damit begründet, "daß es sich beim Disziplinarver- fahren um ein öffentlich-rechtliches Verfahren handelt, das sich zwischen dem Beschuldigten und der entsprechenden Behörde abspielt; es handele sich nicht "so sehr um ein gerichtliches Verfahren als vielmehr um ein Verwaltungsver- fahren" <Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Beamten- - 11 -
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