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Aktenzeichen
BW VGH 10 S 1821.95 1995 LPG
Datum
6. Oktober 1995
Gericht
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Gesetz
Gesetz über die Presse (Landespressegesetz) – Baden-Württemberg
Gesetz über die Presse (Landespressegesetz) – Baden-Württemberg

Beschluss: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am 6. Oktober 1995

BW VGH 10 S 1821.95 1995 LPG

Vertreter der Presse im Sinne des § 4 Abs 1 LPresseG (PresseG BW) und damit Inhaber des presserechtlichen Auskunftsanspruchs ist nicht jeder, der durch eine schriftliche Abhandlung einen Beitrag zur geistigen Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit leisten will; vielmehr setzt der Auskunftsanspruch bei summarischer Beurteilung voraus, daß der eine Auskunft Begehrende durch ein Presseunternehmen legitimiert ist.

Einstweilige Anordnung: Auskunftsanspruch eines Wissenschaftlers zu Forschungszwecken freier Mitarbeiter mehrerer Fachzeitschriften Selbstverlag

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Landesrecht BW Langtext Gericht:            Verwaltungsgerichtshof Ba-         Quelle: den-Württemberg 10. Senat Entscheidungs- 06.10.1995 datum:                                                 Normen:       Art 5 Abs 1 S 2 GG, Art 5 Abs 3 GG, Aktenzeichen: 10 S 1821/95                                           § 123 Abs 1 VwGO, § 4 Abs 1 Pres- Dokumenttyp: Beschluss                                               seG BW Einstweilige Anordnung zwecks Durchsetzung des presserechtlichen Aus- kunftsanspruchs nach PresseG BW § 4 Abs 1 - zum Auskunftsberechtigten Leitsatz 1. Der Regelungsanordnung nach § 123 Abs 1 S 2 VwGO kommt im Hinblick auf das Gebot effek- tiven Rechtsschutzes nach Art 19 Abs 4 GG eine Auffangfunktion bei Notwendigkeit einer vor- läufigen Regelung zu. 2. Vertreter der Presse im Sinne des § 4 Abs 1 LPresseG (PresseG BW) und damit Inhaber des presserechtlichen Auskunftsanspruchs ist nicht jeder, der durch eine schriftliche Abhandlung ei- nen Beitrag zur geistigen Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit leisten will; vielmehr setzt der Auskunftsanspruch bei summarischer Beurteilung voraus, daß der eine Auskunft Begehren- de durch ein Presseunternehmen legitimiert ist. 3. Zum Auskunftsanspruch eines Wissenschaftlers zu Forschungszwecken. Fundstellen ESVGH 46, 53-58 (Leitsatz und Gründe) VGHBW-Ls 1996, Beilage 1, B1-2 DVBl 1996, 110-111 (Leitsatz und Gründe) AfP 1996, 91-94 (red. Leitsatz und Gründe) DÖV 1996, 127-129 (Leitsatz und Gründe) NJW 1996, 538-540 (Leitsatz und Gründe) VBlBW 1996, 175-178 (Leitsatz und Gründe) ZUM 1996, 608-610 (Leitsatz und Gründe) Justiz 1996, 235-237 (Leitsatz und Gründe) weitere Fundstellen DSB 1996, Nr 1, 16 (red. Leitsatz) NVwZ 1996, 406 (Leitsatz) JuS 1996, 838 (red. Leitsatz) Verfahrensgang vorgehend VG Stuttgart, 2. Juni 1995, Az: 1 K 746/95 Diese Entscheidung wird zitiert Literaturnachweise Dieter Dörr, JuS 1996, 838-839 (Entscheidungsbesprechung) Tatbestand I. 1        Der Antragsteller begehrt vom Land Baden-Württemberg Auskunft zu einzelnen Fragen, welche die Aufsicht der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart über die Bibliothek des Fürsten von W. betreffen. Den entsprechenden Antrag lehnte der Antragsgegner mit der Begründung - Seite 1 von 5 -
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ab, er sei in dieser Angelegenheit dem Antragsteller gegenüber nicht auskunftspflichtig. Darauf- hin hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage auf Auskunftserteilung erho- ben, über die noch nicht entschieden ist. Zugleich mit Erhebung der Klage hat er beantragt, das Gericht möge im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO feststellen, daß ihm als freiem Mitarbeiter mehrerer Fachzeitschriften sowie als Inhaber eines Selbstverlags der presse- rechtliche Auskunftsanspruch nach § 4 Abs. 1 LPresseG zustehe. 2     Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung durch Beschluß vom 2.6.1995 mit der Begründung abgelehnt, für das Feststellungsbegehren des Antragstellers sei das Verfahren nach § 123 VwGO nicht statthaft. Auch wenn man den Antrag dahingehend auslegen würde, dem Antragsgegner aufzugeben, die begehrte Auskunft einstweilen zu erteilen, hätte er keinen Erfolg, weil er die Hauptsache in unzulässiger Weise vorwegnehme. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der der Antragsgegner entgegentritt. Entscheidungsgründe II. 3     Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Erlaß der vom An- tragsteller begehrten einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt. 4     Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß der Erlaß der einst- weiligen Anordnung schon daran scheitert, daß diese im Hinblick auf das vom Antragsteller ver- folgte Rechtsschutzbegehren nicht statthaft ist. Insbesondere kann dem Verwaltungsgericht nicht darin gefolgt werden, daß sich die fehlende Statthaftigkeit daraus ergibt, daß sich das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers keinem der beiden Anordnungstatbestände des § 123 Abs. 1 VwGO, also weder dem Tatbestand der Sicherungsanordnung nach Satz 1 noch dem der Regelungsanordnung nach Satz 2, zuordnen lasse. Denn es ist anerkannt, daß die Aufspaltung des Instituts der einstweiligen Anordnung in zwei den §§ 935 und 940 ZPO nachgebildete Anord- nungstatbestände keine dogmatisch geglückte Regelung darstellt (vgl. etwa Redeker/v. Oert- zen, VwGO, 11. Aufl., § 123 Rn. 5; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungs- streitverfahren, 3. Aufl., Rn. 139) und daß deshalb der Regelungsanordnung im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG eine Auffangfunktion in sonstigen Fäl- len der Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung zukommt (Kopp, VwGO, 10. Aufl., § 123 Rn. 8 m.w.N.). Eine solche Notwendigkeit könnte nach Auffassung des Senats nicht von vornherein ausgeschlossen werden, wenn der Antragsteller tatsächlich als Vertreter der Presse im Sinne von § 4 Abs. 1 LPresseG anzusehen wäre. 5     Offen bleiben kann, ob der Antragsteller speziell die von ihm begehrte Feststellung, daß er - los- gelöst von seinem mit der Klage im Hauptsacheverfahren verfolgten konkreten Auskunftsbe- gehren - Inhaber des presserechtlichen Auskunftsanspruchs nach § 4 Abs. 1 LPresseG ist, im Wege einer einstweiligen Anordnung, etwa in Form eines einstweiligen Rechtsschutzes für ei- ne (allgemeine) Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit ei- nes Feststellungsbegehrens im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO et- wa Redeker/v. Oertzen, a.a.O., § 43 Rn. 29 m.w.N.; Kopp, a.a.O., § 123 Rn. 9) oder für eine Zwi- schenfeststellungsklage nach § 173 VwGO i.V.m. § 256 Abs. 2 ZPO (schon die Statthaftigkeit ei- ner Zwischenfeststellungsklage in der Hauptsache ist vom BVerwG bislang offengelassen wor- den, BVerwGE 39, 135, 138), verfolgen könnte oder ob er im Wege einer einstweiligen Anord- nung allenfalls verlangen könnte, daß ihn der Antragsgegner jedenfalls im Hinblick auf die den Gegenstand des Hauptsacheverfahrens bildende Auskunft (vorläufig) als Vertreter der Presse behandelt. Denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, daß er mit so überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Anordnungsanspruch darauf besitzt, als Vertreter der Presse im Sin- ne von § 4 Abs. 1 LPresseG behandelt zu werden, daß die hier begehrte (teilweise) Vorwegnah- me der Hauptsache - auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Verankerung des landesrechtlich gewährleisteten Auskunftsanspruchs in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG - zur Vermeidung schwerer und unzumutbarer, anders nicht abwendbarer Nachteile (vgl. zu diesen Anforderungen BVerfG, Beschl. v. 25.10.1988, BVerfGE 79, 69 = NJW 1989, 827) gerechtfertigt wäre. Ob der Antragsteller Vertreter der Presse im Sinne von § 4 Abs. 1 LPresseG ist, erscheint nämlich bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen nur summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage eher unwahrscheinlich, allenfalls offen. Hierzu ist im einzel- nen auszuführen: - Seite 2 von 5 -
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6 Wer Vertreter der Presse im Sinne von § 4 Abs. 1 LPresseG und damit Inhaber des der Presse zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe als Meinungsmittlerin im demokratischen Prozeß in al- len Landespressegesetzen eingeräumten Auskunftsanspruchs ist, ist durch Auslegung zu ermit- teln. Auszugehen ist hierbei davon, daß jeder, der eine schriftliche Abhandlung erstellt, die als Druckwerk (vgl. § 7 LPresseG) in der periodischen Presse oder einmalig, etwa als Buch, veröf- fentlicht wird, in seiner Funktion als Autor an der öffentlichen Meinungsbildung mitwirkt und da- mit eine wesentliche Voraussetzung erbringt, um als Vertreter der Presse im Sinne von § 4 Abs. 1 LPresseG angesehen zu werden. Diese Voraussetzung dürfte beim Antragsteller vorliegen, da er - wohl nebenberuflich - als Autor historischer und kulturpolitischer Abhandlungen tätig ist und sein Auskunftsbegehren gegenüber dem Antragsgegner dieser Tätigkeit dienen soll. Die Urhe- berschaft an einem erst künftig zu erstellenden Druckwerk dürfte jedoch für sich allein - auch wenn sie, was vorliegend anzunehmen sein dürfte, einen dem Auftrag der Presse entsprechen- den Beitrag zur geistigen Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit liefert - nicht ausreichen, um die Eigenschaft eines Vertreters der Presse im Sinne des § 4 Abs. 1 LPresseG zu begründen. Hin- zukommen muß vielmehr, da es sich bei § 4 Abs. 1 LPresseG um einen spezifisch der Presse zu- stehenden Auskunftsanspruch handelt, daß derjenige, der sich dieses Auskunftsanspruchs be- rühmt, einem Presseunternehmen zugeordnet werden kann, das die Gewähr für die publizis- tische Verbreitung der Abhandlung zur Kenntniserlangung einer breiten Öffentlichkeit bietet (vgl. Schröer/Schallenberg, in: Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, S. 48 ff. m.w.N.). Eine solche Zuordnung hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Er beruft sich zwar sowohl darauf, daß er als freier Mitarbeiter von Fachzeitschriften tätig sei und auch in der Vergangenheit schon zahlreiche im einzelnen aufgeführte Beiträge veröffentlicht habe, als auch darauf, daß er, sofern er im Einzelfall einen Beitrag bei einer Fachzeitschrift nicht "unterbringe", diesen im Selbstverlag veröffentlichen wolle. Beide Gesichtspunkte vermögen jedoch nach Auf- fassung des Senats bei summarischer Prüfung die notwendige Zuordnung zu einem Presseun- ternehmen nicht zu begründen. 7 Soweit sich der Antragsteller auf seinen Status als freier Mitarbeiter beruft, dürfte einer Zuord- nung zu einem Presseunternehmen allerdings nicht schon entgegenstehen, daß bei dieser Tä- tigkeitsform keine feste arbeitsvertragliche Bindung zu einem Presseunternehmen besteht; viel- mehr dürfte grundsätzlich auch eine freie, gegebenenfalls nur gelegentliche Mitarbeit in einem Presseunternehmen, wie sie beim Antragsteller vorliegt, für die notwendige Zuordnung zu ei- nem Presseunternehmen ausreichen. Bei einem freien Mitarbeiter dürfte aber - gewisserma- ßen als Ersatz für das fehlende feste Arbeitsverhältnis - als Voraussetzung des Anspruchs nach § 4 Abs. 1 LPresseG zu fordern sein, daß er im Einzelfall die Zuordnung zu einem Presseunter- nehmen nachweist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob für sog. "feste freie" Mitarbeiter, die hauptberuflich, etwa für mehrere Presseunternehmen, tätig sind, dieser Nachweis schon da- durch erbracht ist, daß sie im Besitz eines Presseausweises sind (siehe zu den Voraussetzun- gen für die Erteilung eines Presseausweises die als Anlage zur "Verwaltungsvorschrift des Innen- ministeriums über Presseausweise und Presseschilder" vom 6.10.1981 abgedruckte "Vereinba- rung über die Gestaltung und Ausgabe von bundeseinheitlichen Presseausweisen" - GABl. 1981, 1473). Jedenfalls dürfte ein freier Mitarbeiter, der - wie der Antragsteller - nicht im Besitz eines Presseausweises ist, diesen Nachweis in Form des Einverständnisses eines bestimmten Presse- unternehmens mit seiner Tätigkeit als freier Mitarbeiter im konkreten Einzelfall, etwa durch ein Legitimationsschreiben der betreffenden Redaktion, zu erbringen haben (Löffler, Presserecht, Bd. I, Landespressegesetze, 3. Aufl., § 4 Rn. 36; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 3. Aufl., S. 118 Rn. 6; Schröer-Schallenberg, a.a.O., S. 55 ff.; vgl. auch VG Hannover, AfP 1984, 60). 8 Das Vorhandensein eines derartigen Legitimationsschreibens oder sonstigen Einverständnisses eines Presseunternehmens hat der Antragsteller nicht geltend gemacht. Er ist vielmehr der Auf- fassung, daß er einer solchen Legitimation nicht bedürfe, weil für Fachpublikationen, wie er sie erstelle, kennzeichnend sei, daß die Publikation erst nach Erstellung des Manuskripts angeboten werde, eine vorherige besondere Beauftragung als freier Mitarbeiter jedoch nicht erfolge. Auch wenn man davon ausgeht, daß die Praxis bei Fachpublikationen so ist, wie der Antragsteller sie darlegt, sieht der Senat keinen Anlaß, deswegen auf das Erfordernis einer Legitimation durch ein Presseunternehmen als Voraussetzung eines Auskunftsanspruchs nach § 4 Abs. 1 LPresseG zu verzichten. Denn ein solcher Verzicht würde dazu führen, daß der Anspruch seinen Charak- ter als spezifischer Anspruch der Presse verlieren und in einen allgemeinen Auskunftsanspruch von Autoren umgestaltet würde. Zwar wird eine Ausweitung des presserechtlichen Auskunfts- anspruchs sogar in einen jedermann zustehenden Informationsanspruch unter der Vorausset- zung, daß ein berechtigtes Interesse nachgewiesen wird, teilweise in der Literatur nicht nur für - Seite 3 von 5 -
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rechtlich unbedenklich, sondern sogar für wünschenswert erachtet, da jedenfalls im Bereich des Auskunftsanspruchs die Konturen des Begriffs Presse zu verschwimmen begännen (Wenzel, in: Festschrift für Löffler, S. 391, 393 ff.). Der Senat hält jedoch eine solche Ausweitung des pres- serechtlichen Auskunftsanspruchs trotz der nicht zu leugnenden Abgrenzungsschwierigkeiten und auch angesichts dessen, daß auch außerhalb der Presse, insbesondere im Bereich der Wis- senschaft, berechtigte Interessen an einer Auskunftserteilung durch staatliche Stellen bestehen können (siehe hierzu noch nachfolgend), weder mit dem Wortlaut und der Systematik (§ 4 Abs. 1 LPresseG weist den Auskunftsanspruch in einem speziell die Presse betreffenden Gesetz aus- drücklich Vertretern der Presse zu) noch mit dem Zweck des § 4 Abs. 1 LPresseG für vereinbar. Ein Text und insbesondere seine inhaltliche Richtigkeit ist zwar notwendige Grundlage der Pres- sefreiheit, deren Verwirklichung der Auskunftsanspruch in § 4 Abs. 1 LPresseG dient; ihren prä- genden und zugleich die verfassungsrechtliche Garantie erst rechtfertigenden Gehalt bezieht die Pressefreiheit jedoch aus der Verbreitung der inhaltlichen Grundlage gegenüber der Öffent- lichkeit (vgl. Herzog, in: Maunz-Dürig, Komm. z. GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 131). Deshalb erscheint es dem Senat unverzichtbar, daß bereits zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung die (spätere) Verbreitung gegenüber der Öffentlichkeit gesichert ist. Eine andere Beurteilung dürfte sich ins- besondere nicht daraus rechtfertigen, daß auch bei Informationen, die durch einen ausgewiese- nen Pressevertreter eingeholt werden, für die Behörde nicht die Gewähr besteht, daß sie letzt- lich zu einer Veröffentlichung in einem Presseorgan führen werden, etwa weil sie sich bei nähe- rer Prüfung als doch nicht für eine Veröffentlichung geeignet erweisen oder weil sie - obzwar ge- eignet - letztlich durch aktuellere Informationen verdrängt werden und ihnen zu einem späte- ren Zeitpunkt kein Informationswert mehr zukommt. Denn auch in einem solchen Fall ist die In- formation bereits mit ihrer Erteilung in den Tätigkeitsbereich der Presse gelangt; sie erfüllt dort die Funktion, der Presse Material für ihre öffentliche Aufgabe zu liefern, selbst wenn im Wett- streit mit anderen Informationen letztlich das eigentliche Ziel einer Veröffentlichung nicht er- reicht wird. 9  Es dürfte auch nicht anzunehmen sein, daß eine Legitimation für die aktuelle Zuordnung des Antragstellers zu einem Presseunternehmen vorliegend deshalb entbehrlich ist, weil der An- tragsteller für die Vergangenheit bereits eine ganze Reihe von Veröffentlichungen glaubhaft ge- macht hat. Zwar wird daraus deutlich, daß es sich bei der von ihm geltend gemachten Veröf- fentlichungsabsicht nicht lediglich um einen Vorwand handelt, sonst nicht erhältliche Informa- tionen zu erlangen, sondern daß er auch künftig und insbesondere auch bezüglich des konkre- ten Auskunftsbegehrens eine Veröffentlichungsabsicht ernsthaft verfolgt. Gleichwohl bleibt für den Antragsgegner die Ungewißheit, ob die im konkreten Fall begehrten Informationen tatsäch- lich für Pressezwecke verwendet werden. Eine solche Ungewißheit dürfte er im Hinblick darauf, daß seine Auskunftsverpflichtung nur im Interesse der Pressefreiheit besteht, nicht hinnehmen müssen. Es kommt hinzu, daß auch nur bei einer aktuellen Beziehung zu einem Presseunter- nehmen sichergestellt ist, daß die "Presseverantwortung" wahrgenommen wird, die in Form ei- ner Vielzahl von Ordnungspflichten, insbesondere von Sorgfaltspflichten (vgl. § 6 LPresseG), und einer pressespezifisch verschärften Haftung bei einem Verstoß gegen diese Pflichten den Aus- gleich für die der Presse eingeräumten Privilegien und damit auch ein Äquivalent für die den Be- hörden obliegende Auskunftspflicht darstellt (Schröer-Schallenberg, a.a.O., S. 49). Es dürfte des- halb von den Behörden nicht verlangt werden können, daß sie einseitig ihre presserechtlichen Auskunftspflichten erfüllen, ohne daß gewährleistet ist, daß bezüglich der Verwendung der von ihnen gelieferten Informationen auch die spezifisch presserechtliche Verantwortlichkeit eines Presseunternehmens eingreift. Im übrigen erscheint dem Senat das Kriterium bereits erfolgter Veröffentlichungen bezüglich Art, Anzahl und Zeitpunkt der danach erforderlichen Veröffentli- chungen auch nicht hinreichend bestimmt genug, um eine sachgerechte Eingrenzung des Be- griffs "Vertreter der Presse" zu erreichen. Daneben dürfte nicht unberücksichtigt bleiben, daß auch nach der allgemeinen Verkehrsanschauung mit dem Begriff des "Vertreters" die Vorstel- lung von einer aktuellen Beziehung mit dem Vertretenen verbunden wird. 10 Der Antragsteller dürfte auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß er einen Selbstverlag be- treibt, als Vertreter der Presse anzusehen sein. Es erscheint bei summarischer Prüfung zumin- dest fraglich, ob - wie der Antragsteller meint - heute schon jeder Besitzer eines PC als Inhaber eines Selbstverlags angesehen werden kann, weil er in der Lage ist, ein früher nur drucktech- nisch herstellbares Schriftbild zu erzeugen und weil die für eine Verbreitung notwendige Verviel- fältigung eines solcherart hergestellten Schriftstücks heutzutage auch für Privatpersonen oh- ne weiteres, etwa durch ein Fotokopiergerät, möglich ist. Würde man insoweit dem Antragstel- ler folgen, dann würde auch unter diesem Gesichtspunkt der spezifisch presserechtliche Aus- kunftsanspruch seine Konturen verlieren und letztlich zu einem "Jedermannsrecht" für schrift- - Seite 4 von 5 -
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liche Abhandlungen verfassende PC-Besitzer umgestaltet werden. Es spricht deshalb bei sum- marischer Prüfung viel dafür, daß jedenfalls eine gewisse auf Verbreitung von Schriftstücken in der Öffentlichkeit gerichtete Organisationsstruktur (Herstellung und Vertrieb) als Voraussetzung dafür, daß ein Selbstverlag besteht, vorhanden sein muß. Hierbei könnte zwar in Betracht kom- men, daß - anders als beim freien Mitarbeiter, der seine Zuordnung zur Presse von einem Drit- ten ableitet - eine solche Organisationsstruktur schon angenommen werden kann, wenn der Be- treffende in der Vergangenheit Druckerzeugnisse, die für eine geistige Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit geeignet sind, im Selbstverlag hergestellt und vertrieben hat, wobei sich al- lerdings auch hier die Frage nach Art, Anzahl und Zeitpunkt solcher Veröffentlichungen stellen würde. Der Antragsteller hat jedoch nicht einmal glaubhaft gemacht, daß diese Voraussetzun- gen bei ihm gegeben sind. Er behält sich vielmehr eine Veröffentlichung im Selbstverlag für den Fall, daß er einmal eine seiner schriftlichen Abhandlungen nicht bei einem Verlag "unterbringt", und damit lediglich für die Zukunft vor. Damit bringt er aber zugleich zum Ausdruck, daß eine für die Annahme eines Selbstverlags notwendige Organisationsstruktur derzeit (noch) nicht vor- handen ist. 11 Im Hinblick auf das beim Verwaltungsgericht anhängige Hauptsacheverfahren weist der Senat abschließend darauf hin, daß allein der Umstand, daß der Antragsteller voraussichtlich nicht als Vertreter der Presse im Sinne von § 4 Abs. 1 LPresseG anzusehen ist, nicht ausschließt, daß der Antragsgegner ihm gegenüber möglicherweise doch auskunftspflichtig ist. Wie bereits er- wähnt, können berechtigte Interessen an der Auskunftserteilung durch staatliche Stellen durch- aus auch unabhängig von der der Presse eingeräumten Vorzugsstellung, insbesondere im Be- reich wissenschaftlicher Forschungstätigkeit, bestehen. Zwar gibt es keinen dem presserechtli- chen Auskunftsanspruch nach § 4 Abs. 1 LPresseG vergleichbaren einfachrechtlichen Auskunfts- anspruch aufgrund einer solchen Tätigkeit. Auch hat das Bundesverwaltungsgericht, vom Bun- desverfassungsgericht im anschließenden Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht beanstandet, es abgelehnt, einen verfassungsunmittelbaren Anspruch des Wissenschaftlers auf positive Ent- scheidung eines von ihm geltend gemachten Informationsanspruchs aus Art. 5 Abs. 3 GG ab- zuleiten (BVerwG, Beschl. v. 9.10.1985 - 7 B 188.85 -, NJW 1986, 1277 sowie BVerfG, Beschl. v. 30.1.1986, NJW 1986, 1243). Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, daß der Wissenschaftler jedenfalls verlangen kann, daß über seinen Antrag sachgerecht, also frei von Willkür und unter angemessener Berücksichtigung des Zwecks des Anliegens, entschieden und dabei auch der Stellenwert, den das Grundgesetz der Freiheit der Wissenschaft einräumt, be- achtet wird (BVerfG, Beschl. v. 30.1.1986, a.a.O.). Da der Antragsteller auch geltend macht, daß er die begehrte Auskunft zu Forschungszwecken benötige, erscheint es zweifelhaft, ob die blo- ße Mitteilung des Antragsgegners, er sei in dieser Angelegenheit dem Antragsteller gegenüber nicht zur Auskunft verpflichtet, diesen Anforderungen gerecht wird. Diese Frage bedarf aller- dings im vorliegenden Eilverfahren keiner Entscheidung. 12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. 13 Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG. 14 Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG). © juris GmbH - Seite 5 von 5 -
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