Information

Aktenzeichen
5 BV 14.1805
Datum
22. Oktober 2015
Gericht
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz (Bund)
Informationsfreiheitsgesetz (Bund)

Urteil: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof am 22. Oktober 2015

5 BV 14.1805

Das Verfahren unter dem Aktenzeichen 5 BV 14.1805 stellt die Fortführung des aufgeteilten Verfahrens 5 BV 10.1344 bezüglich der Herkunftsländer-Leitsätze des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge für Afghanistan und die Türkei dar. Der Verwaltungsgerichtshof weist die Berufung zurück; er entscheidet auf der Grundlage der zuletzt vom Bundesministerium des Innern vorgelegten Sperrerklärung ohne Durchführung eines in-camera-Verfahrens. Dem Zugangsanspruch steht der Ausschlussgrund des Informationsfreiheitsgesetzes entgegen, der eine Offenlegung ausschließt, wenn die Information einer speziell geregelten Geheimhaltungsvorschrift - hier handelt es sich um eine Verschlusssache mit dem Schutzgrad VS-NfD - unterliegt. Diese Einstufung ist materiell nicht zu beanstanden. Die Herausgabe von in diesen Dokumenten enthaltenen Beschreibungen und Bewertungen von Zuständen in einzelnen Herkunftsländern darf zudem verweigert werden, um nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen zu erzeugen. Der Bundesregierung steht für die dafür notwendige Prognose ein weiter Beurteilungsspielraum zu. (Quelle: LDA Brandenburg)

(Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Prozessuales Ablehnungsbegründung Internationale Beziehungen

/ 28
PDF herunterladen
Druckvorschau - Bürgerservice                                                               Seite 1 von 28 VGH München, Urteil v. 22.10.2015 – 5 BV 14.1805 Titel: VGH München: IFG, Informationsanspruch, Afghanistan, Verschlusssache, Vertraulichkeitspflicht, Asylbewerber, Greve, Beschreibung, Bekanntwerden, Bundesamt, Migration, Bewertung, Rechtsquelle, Decker, eingetragener Verein, Informationszugang, mündliche Verhandlung, Entscheidungspraxis Normenkette: IFG §§ 1 I, 3 Nr. 1 Buchst. a, 3 Nr. 4 Leitsätze: 1. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge darf die Herausgabe von Dokumenten verweigern, die Informationen zu einzelnen Herkunftsländern in einer Art enthalten, dass sie von Asylbewerbern zur Täuschung über ihre Asylgründe genutzt werden könnten. Derartige Informationen können als Verschlusssache (VS-NfD) deklariert und damit nach § 3 Nr. 4 IFG einem Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz entgegengehalten werden. (amtlicher Leitsatz) 2. Die Herausgabe von in diesen Dokumenten enthaltenen Beschreibungen und Bewertungen von Zuständen in einzelnen Herkunftsländern darf zudem nach § 3 Nr. 1 a) IFG verweigert werden, wenn deren Bekanntwerden geeignet ist, nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen zu erzeugen. Der Bundesregierung steht für die dafür notwendige Prognose ein weiter Beurteilungsspielraum zu. (amtlicher Leitsatz) Schlagworte: Informationszugang, Verschlusssache, Asylbegehren, Geheimhaltungspflicht, Ausschlussgrund, Sperrerklärung, Afghanistan Fundstellen: DVBl 2016, 62 BayVBl 2016, 642 DÖV 2016, 138 LSK 2016, 030433 Entscheidungsgründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof 5 BV 14.1805 Im Namen des Volkes Urteil vom 22. Oktober 2015 (VG Ansbach, Entscheidung vom 22. Januar 2008, Az.: AN 4 K 07.1333) 5. Senat Sachgebietsschlüssel: 1730 Hauptpunkte: http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-5433... 24.10.2016
1

Druckvorschau - Bürgerservice                                                                     Seite 2 von 28 Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG), Herkunftsländerleitsätze des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (HKL), Nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen, Information, die einer geregelten Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht unterliegt Rechtsquellen: Leitsätze: In der Verwaltungsstreitsache ... gegen ... vertreten durch: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, F-str. ..., N., - Beklagte - beteiligt: ... als Vertreter des öffentlichen Interesses, L-str. ..., M., wegen Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG); Herkunftsländerleitsätze für die Länder Afghanistan und Türkei; hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 22. Januar 2008, erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat, durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Kersten, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Greve-Decker, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Peitek aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Dezember 2014 ohne weitere mündliche Verhandlung am 22. Oktober 2015 folgendes Urteil: I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. IV. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand: http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-5433... 24.10.2016
2

Druckvorschau - Bürgerservice                                                                    Seite 3 von 28 1     Der Kläger ist ein eingetragener Verein und verfolgt im vorliegenden Verfahren den Anspruch auf Zugang zu den Herkunftsländer-Leitsätzen (im Folgenden: HKL) betreffend die Länder Afghanistan und Türkei, die bei der Beklagten vorgehalten und stetig aktualisiert werden. 2     Mit Schreiben vom 23. Februar 2007 bat der Kläger das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) um Übersendung der HKL für alle von diesen Leitsätzen erfassten Länder. Das Bundesamt lehnte den Antrag auf Zugang zu den Dokumenten mit Bescheid vom 2. März 2007 ab. Die HKL seien nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VSA) als „Verschlusssachen - nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD) eingestuft. Es bestehe daher nach § 3 Nr. 4 IFG kein Anspruch auf Informationszugang. 3     Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren wies das Verwaltungsgericht Ansbach die Klage auf Zugang zu den beschriebenen Informationen mit Urteil vom 22. Januar 2008 ab. Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 4 - 2. Alternative - IFG stehe dem Informationsanspruch entgegen. Es handle sich um als VS-NfD eingestufte Informationen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Einstufung formell und materiell zu Recht erfolgt sei. Die Einstufung sei jedoch auch materiell zu Recht erfolgt. Das Bundesamt mache hierzu geltend, die generelle Möglichkeit der Kenntnisnahme von konkreten Entscheidungsmaßstäben des Bundesamtes durch Asylbewerber könne einer an objektiven Kriterien orientierten sachgerechten Entscheidungspraxis entgegenstehen, weil es Asylbewerbern ermöglicht würde, ihr Aussageverhalten entsprechend anzupassen und sich Legenden zurechtzulegen, um einen für sie günstigeren Verfahrensausgang wahrscheinlicher zu machen. Allein schon dieser Gesichtspunkt erscheine dem Verwaltungsgericht einleuchtend und nachvollziehbar. Manipulationen des Asylvorbringens durch Asylbewerber würden den Vollzug des Asyl- und Aufenthaltsrechts zumindest erschweren und damit den Interessen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder zuwiderlaufen. Das Bundesamt habe auch erstmals im gerichtlichen Verfahren den weiteren Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 1a) IFG in Anspruch genommen, weil die HKL auf Einzelauskünften sachkundiger Stellen beruhten, in denen die Verhältnisse in den einzelnen Herkunftsländern geschildert und bewertet würden. Dabei komme es erfahrungsgemäß auch zu sehr kritischen Würdigungen der Verhältnisse in Herkunftsländern. Auch dieser Gesichtspunkt rechtfertige nach den vorstehend genannten Kriterien der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit aus der Sicht des erkennenden Gerichts die Einstufung der Leitsätze mit dem Geheimhaltungsgrad VS-NfD. Das Bundesamt weise diesbezüglich insbesondere darauf hin, dass die Bundesrepublik Deutschland mit ausländischen Staaten und Organisationen zahlreiche Kontakte diplomatischer Art oder auch Handelskontakte pflege, die zum Nachteil des Landes, aber auch zum Nachteil einzelner Bürger oder Unternehmen gestört werden könnten, wenn bekannt würde, dass das Bundesamt als selbstständige Bundesoberbehörde etwa die Menschenrechtslage in einem bestimmten Gebiet oder die allgemeine Sicherheitslage dort negativ einstufe. Damit sei auch eine Einstufung aller HKL als Verschlusssachen nicht zu beanstanden, weil die Zuordnung von Herkunftsländern zu bestimmten, aus asylrechtlicher Sicht relevanten bzw. weniger relevanten Kriterien eine Anpassung des Aussageverhaltens der Asylbewerber ermögliche, z. B. bei Angehörigen von Völkern und Volksgruppen, die in mehreren Staaten ansässig seien, wobei sich die inneren Verhältnisse dieser Staaten in asyl- und aufenthaltsrechtlich relevanter Weise unterscheiden könnten. Aus diesem Grund komme auch eine nur teilweise Zugänglichkeit der Leitsätze nicht in Betracht. Auch der Umstand, dass die den Leitsätzen zugrunde liegenden einzelnen Erkenntnisquellen ihrerseits nur teilweise als Verschlusssachen eingestuft seien, häufig jedoch frei zugänglich seien, stehe der Einstufung der HKL selbst als Verschlusssache nicht entgegen, weil die Gesamtauswertung sämtlicher zur Verfügung stehender Einzelerkenntnisquellen zu einem bestimmten Herkunftsland eine eigene, von den Einzelerkenntnisquellen getrennt zu sehende Qualität besitze. 4 http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-5433... 24.10.2016
3

Druckvorschau - Bürgerservice                                                                      Seite 4 von 28 Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das Urteil wurde beim Verwaltungsgerichtshof zunächst unter dem Az. 5 BV 08.610 geführt. Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom 4. März 2008, 5     das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 22. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 2. März 2007 und des Widerspruchsbescheids des Bundesamts vom 19. April 2007 das Bundesamt zu verpflichten, dem Kläger Zugang zu sämtlichen Herkunftsländer-Leitsätzen des Bundesamts zu gewähren. 6     Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 13. Mai 2008, 7     die Berufung zurückzuweisen. 8     Der Kläger vertrat die Auffassung, dass der vorliegende Rechtsstreit ohne ein in-camera-Verfahren nicht entschieden werden könne. Die Verwaltungsbehörde könne nicht ihr eigenes Verhalten einer gerichtlichen Kontrolle dadurch entziehen, dass sie eine Verschlusserklärung abgebe. In diesem Fall verlange der Grundsatz der Gewährung des effektiven Rechtsschutzes, dass die Rechtmäßigkeit der Verschlusserklärung überprüft werde. Das Gericht müsse das konkrete Material sichten. Die Gefahr einer Anpassung des Aussageverhaltens von Asylbewerbern sei nur von geringer Relevanz. Denn die HKL seien, wie man aus den teilweise bekannten älteren Leitsätzen wisse, allgemeiner Art und enthielten nur abstrakte Beschreibungen, nicht aber konkrete Darstellungen. Sie seien weniger detailliert als etwa die einer eingeschränkten Öffentlichkeit zugänglich gemachten Lageberichte des Auswärtigen Amts. Inhaltlich sei die Einstufung als VS-NfD nicht gerechtfertigt. Was die befürchteten Nachteile für die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland angehe, trage diese Argumentation schon deshalb nicht, weil kritische Einstufungen dem betreffenden Staat ohnedies bekannt seien. Denn entsprechend seiner Aufgabe attestiere das Bundesamt in vielen Einzelfällen alle möglichen negativen Einschätzungen nach § 60 AufenthG. Dies geschehe in förmlichen Bescheiden und aufgrund der Einschätzung einer Bundesoberbehörde. Diese Entscheidungen würden nicht nur in Fachzeitschriften veröffentlicht und auch in der Presse immer wieder publiziert. Zusammenfassungen seien auch in Publikationen des Bundesamts selbst zu finden. Allen betreffenden Staaten sei klar, dass alle zivilisierten und demokratischen Rechtsstaaten, die ein Asylrechtssystem bereit hielten, eine Spezialbehörde hätten, die aufgabengemäß einen kritischen Blick auf andere Staaten zu werfen habe und dass die Einschätzung dieser Behörden nicht die offizielle Bewertung seitens der Regierung darstelle. 9     Mit Blick auf eine anstehende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (im dortigen Verfahren 7 C 21.08) zur Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der Einstufung als Verschlusssache bei der Prüfung des Ausschlussgrundes des § 3 Nr. 4 IFG wurde das Verfahren mit Beschluss vom 9. November 2009 ruhend gestellt und nach vorliegender Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Juni 2010 unter dem neuen Az. 5 BV 10.1344 wieder aufgenommen. Der Kläger wies mit Schriftsatz vom 18. Mai 2010 darauf hin, aufgrund der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts sei nunmehr klar, dass der Zugang zu einer Information nicht allein deshalb ausgeschlossen sei, weil die Information formal als Verschlusssache eingestuft sei. Es komme vielmehr auf die materielle Richtigkeit der Einstufung als Verschlusssache an. Hinsichtlich des behaupteten Nachteils für außenpolitische Beziehungen fehle es an einer länderspezifischen Einschätzung und an einer nachvollziehbaren Prognose hierzu. Zum Aussageverhalten von Asylbewerbern sei anzuführen, dass Entscheidungen des Bundesamts der Beklagten nicht nur vom Kläger und anderen Wohlfahrtsorganisationen bekannt gemacht würden, sondern auch in Zeitschriften und Fachpublikationen veröffentlicht seien. Ein Asylbewerber, der sich planmäßig eine Asyllegende aufbauen wolle, könne dies jetzt schon unschwer tun. Jedenfalls sei nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. August 2008 auch in diesem Fall eine Überprüfung dahingehend erforderlich, welchen Inhalt der Leitfaden tatsächlich habe und ob seine http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-5433... 24.10.2016
4

Druckvorschau - Bürgerservice                                                                    Seite 5 von 28 Bekanntgabe geeignet sei, die heraufbeschworene Gefahr herbeizuführen. Die bloße Behauptung einer solchen Gefahr durch das Bundesamt rechtfertige die Geheimhaltung nicht. 10    Mit Beschluss vom 18. Oktober 2010 gab der Senat der Beklagten auf, dem Gericht alle HKL vorzulegen. Diese Vorlage sei zur Überprüfung der von der Beklagten geltend gemachten materiell- rechtlichen Geheimhaltungsgründe erforderlich. Die Beklagte mache materiell-rechtliche Geheimhaltungsgründe geltend, also Gründe, die sich unmittelbar aus dem Inhalt der dem Gericht nicht bekannten Leitsätze ergäben. Wolle die Beklagte die Unterlagen nicht vorlegen, müsse sie nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine Sperrerklärung beibringen und dabei eine konkrete Zuordnung der jeweils geltend gemachten Geheimhaltungsgründe zu den jeweiligen HKL vornehmen. 11    Mit Schreiben vom 6. Juni 2011 gab das Bundesministerium des Innern eine Sperrerklärung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ab. Das Bekanntwerden der HKL würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten. Die Leitsätze seien ferner ihrem Wesen nach geheim zu halten. Die Leitsätze legten fest, welche Informationen über das jeweilige Herkunftsland im Asylverfahren als entscheidungserheblich erachtet würden und stellten daher das Hauptinstrument für eine einheitliche Entscheidungspraxis des Bundesamts dar. Asylbewerbern würde die Kenntnis der Leitsätze ermöglichen, das Asylverfahren durch angepasstes Vorbringen zu manipulieren. Die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben des Bundesamts würde dadurch erheblich erschwert. Es liege daher der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 4 IFG vor. Auch würden die auswärtigen Beziehungen Deutschlands durch das Bekanntwerden der Leitsätze wegen der kritischen Würdigung der Verhältnisse in den Herkunftsländern Nachteile erleiden. Mit ausländischen Staaten würden zahlreiche Kontakte gepflegt, die gestört werden könnten, wenn den betreffenden Staaten bekannt würde, dass das Bundesamt als Bundesoberbehörde die Menschenrechts- oder Sicherheitslage in den betreffenden Ländern negativ einstufe. Angesichts der vielfältigen kritischen Aussagen in den Leitsätzen sei es aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland hinreichend wahrscheinlich, dass nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen eintreten würden. Somit liege auch der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1a) IFG vor. Zudem beruhten die Leitsätze in erheblichem Umfang auf Erkenntnissen aus den Berichten des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in den Herkunftsländern. Diese Berichte seien vom Auswärtigen Amt seinerseits als VS-NfD eingestuft. Dies sei gemäß § 3 Nr. 7 IFG zu beachten, da das Interesse des Auswärtigen Amtes an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang weiterhin bestehe. Die Abwägung zwischen staatlichen Interessen und den Individualinteressen des Klägers ergebe, dass den Interessen an der Geheimhaltung der Leitsätze wegen der drohenden schwerwiegenden Nachteile für das Wohl des Bundes der Vorrang eingeräumt werden müsse. 12    Das Verfahren wurde daraufhin dem Bundesverwaltungsgericht (Fachsenat nach § 189 VwGO - Az. 20 F 7.11) vorgelegt. Mit Beschluss vom 18. April 2012 entschied das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag des Klägers, dass die Verweigerung der Aktenvorlage durch das Bundesministerium des Innern rechtswidrig sei. Ob die vom Verwaltungsgerichtshof angeforderten Unterlagen wegen eines Nachteils für das Wohl des Bundes oder ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig sind und ihre Vorlage deshalb nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO habe verweigert werden dürfen, könne der Senat auf der Grundlage der abgegebenen Sperrerklärung nicht nachvollziehen. Diese genüge nicht den Anforderungen, die an die Darlegung eines Weigerungsgrundes zu stellen seien. Die oberste Aufsichtsbehörde müsse die Akten und Unterlagen aufbereiten und je nach Inhalt der Schriftstücke den behaupteten Weigerungsgrund nachvollziehbar darlegen. Erst dann sei eine effektive gerichtliche Überprüfung durch den Fachsenat möglich. Das Bundesministerium des Innern habe es versäumt, Geheimhaltungsgründe i. S. d. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO hinreichend zu belegen und nachvollziehbar zuzuordnen. Die abgegebene Begründung enthalte keine Zuordnung der angegebenen Geheimhaltungsgründe zu den einzelnen Bestandteilen der jeweiligen HKL. Gerade wenn aber, wie vom Bundesinnenministerium vorgetragen, jeder Leitsatz inzwischen auf bis zu 12 bis 15 Seiten angewachsen sei, hätte es einer differenzierenden Aufbereitung der Unterlagen http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-5433... 24.10.2016
5

Druckvorschau - Bürgerservice                                                                  Seite 6 von 28 bedurft, um auf der Grundlage der Sperrerklärung unter Angabe von Blattzahlen, gegebenenfalls auch der Bezifferung von Absätzen oder der Gliederungspunkte eines Dokuments, den jeweiligen Geheimhaltungsgrund darzutun. Darüber hinaus sei die Sperrerklärung wegen mangelnder Ermessensausübung rechtswidrig. Die Feststellung des Senats, dass die Sperrerklärung rechtswidrig sei, hindere das Bundesministerium des Innern aber nicht, eine neue Sperrerklärung abzugeben und dabei die Gefahr für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung des Bundesamtes näher zu substantiieren sowie dann bei der Einstufung als geheimhaltungsbedürftig oder bei der Ermessensausübung nach den hinreichend gekennzeichneten Passagen der jeweiligen Leitsätze zu differenzieren. Auf der Grundlage einer solchen Erklärung werde das Gericht der Hauptsache seinerseits erneut die Entscheidungserheblichkeit einer Vorlage zu beurteilen haben. 13    Mit Schreiben vom 5. Juli 2012 gab das Bundesministerium des Innern eine weitere Sperrerklärung ab. Auf 204 Textseiten stellt es darin unter Angabe von Absatzbezeichnungen in Bezug auf die jeweils beschriebenen HKL dar, welche Ausschlussgründe des Informationsfreiheitsgesetzes jeweils vorlägen. Abgestimmt auf diese Sperrerklärung legte das Bundesamt mit Schriftsatz vom 5. Juli 2012 die streitgegenständlichen HKL erstmals in teilweise geschwärzter Form vor. 14    Der Kläger bemängelte im Schriftsatz vom 14. August 2012, dass die Schwärzungen den lesbaren Text überwögen. Das, was jetzt mitgeteilt worden sei, habe so gut wie keinen Informationswert. Mit weiterem Schreiben vom 20. September 2012 machte der Kläger darauf aufmerksam, dass die Beklagte keine aktuellen HKL vorgelegt habe, sondern alte und jedenfalls teilweise überholte. Der Kläger sei aber kein historischer Verein, der die Haltung der Beklagten zu bestimmten Ländern in der Vergangenheit erforschen wolle. Bei einer Verpflichtungsklage komme es auf die Sach- und Rechtslage zum jeweiligen Zeitpunkt der Entscheidung an. 15    Der Senat erließ deshalb am 25. September 2012 einen weiteren Beschluss, mit dem der Beklagten aufgegeben wurde, dem Gericht die streitgegenständlichen HKL in der zum Zeitpunkt dieses Beschlusses verfügbaren aktuellen Fassung vorzulegen. 16    Mit Schreiben vom 5. Juli 2012 (offenkundig falsches Datum, Eingang beim VGH am 30.10.2012) gab daraufhin das Bundesministerium des Innern eine weitere aktualisierte Sperrerklärung ab. Es sehe sich nach wie vor nicht in der Lage, nach pflichtgemäßer Ausübung seines Ermessens gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO der Aufforderung nach Vorlage der HKL voll umfänglich zu entsprechen. Die HKL für die Länder Sierra Leone und Togo seien zwischenzeitlich eingestellt worden, somit gebe es hierfür keine aktuellen Fassungen. Daneben seien HKL für das Land Südsudan neu erstellt und sogenannte HKL-übergreifende Ausführungen konzipiert worden. Hierbei handle es sich um Leitaussagen, die für mehrere HKL gelten sollen und die im Rahmen einer redaktionellen Vereinfachung aus den jeweils entsprechenden HKL heraus mittels Hyperlink aufrufbar seien. Anschließend stellt das Bundesministerium des Innern in seiner Sperrerklärung auf 197 Textseiten jeweils bezogen auf einzelne Absätze in den jeweiligen HKL die seiner Meinung nach vorliegenden Ausschlussgründe nach dem Informationsfreiheitsgesetz dar. Das Bundesamt legte abgestimmt hierzu mit Schreiben vom 29. Oktober 2012 die streitgegenständlichen teilweise geschwärzten HKL sowie die ebenfalls teilweise geschwärzten HKL-übergreifenden Ausführungen vor. 17    Der erkennende Senat beschloss am 14. November 2012, dass auch nach der teilweisen Vorlage der HKL und Abgabe einer erneuten Sperrerklärung der Beklagten die Vorlage der vollständigen und ungeschwärzten HKL zur Überprüfung der von der Beklagten geltend gemachten Geheimhaltungsgründe und damit zur Entscheidung des Rechtsstreits über den Informationsanspruch nach dem IFG erforderlich sei. Die Streitsache werde daher erneut dem Fachsenat beim Bundesverwaltungsgericht für Entscheidungen nach § 99 VwGO vorgelegt. Die Vorlage der ungeschwärzten Leitsätze bleibe entscheidungserheblich. 18 http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-5433... 24.10.2016
6

Druckvorschau - Bürgerservice                                                                    Seite 7 von 28 Mit Beschluss vom 6. Mai 2013 (Az. 20 F 12.12 - juris) lehnte der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO den Antrag des Klägers, die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung festzustellen, ab. Der Antrag sei derzeit unzulässig und deshalb abzulehnen. Er setze voraus, dass das Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit der streitgegenständlichen Unterlagen ordnungsgemäß bejaht habe. Daran fehle es derzeit. Sei erst in der Sperrerklärung der Inhalt der angeforderten Unterlagen inhaltlich jedenfalls stichwortartig näher beschrieben, folge aus der durch § 99 VwGO vorgegebenen Aufgabenverteilung zwischen dem Fachsenat und dem Gericht der Hauptsache, dass zunächst das zur Sachentscheidung berufene Gericht der Hauptsache zu prüfen und förmlich darüber zu befinden habe, ob es die im Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen ohne Einsichtnahme in die angeforderten Unterlagen auf der Grundlage der abstrakten Umschreibung ihres Inhalts beantworten könne. Bei der abgegebenen Begründung zum Ausschlussgrund des § 3 Nr. 4 Alt. 2 IFG sei nicht von vornherein von der Hand zu weisen, dass bereits die stichwortartige Umschreibung des Inhalts eines Leitsatzes den Schluss auf das Vorliegen der fachgesetzlichen Ausschlussgründe des IFG zulasse, ohne dass es notwendig wäre, den betreffenden Leitsatz selbst einzusehen. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich jedenfalls nicht dazu geäußert, wie er den fachgesetzlichen Ausschlussgrund des § 3 Nr. 4 IFG auslege und wieso und in welchen Fällen von seinem Verständnis des Ausschlussgrundes aus zu dessen abschließender Beurteilung mehr als nur die jeweils gegebenen Hinweise auf den konkreten Inhalt der Leitsätze erforderlich sei. Gleiches gelte für die Frage, ob die inhaltliche Umschreibung geschwärzter Passagen in den Leitsätzen für die Feststellung ausreiche, dass ihre Bekanntgabe nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben könne und dadurch der fachgesetzliche Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. A) IFG erfüllt werde. Dies komme dann in Betracht, wenn der Bundesregierung zurechenbare negative Bewertungen von Entwicklungen und Verhältnissen in anderen Staaten nach der Einschätzung der Bundesregierung die Beziehungen zu diesen Staaten in einer unerwünschten Weise trüben könne. Nach den Erläuterungen in der Sperrerklärung hätten die geschwärzten Passagen vielfach solche Einschätzungen konkreter Verhältnisse und Entwicklungen in anderen Ländern zum Gegenstand, zu denen die Bundesrepublik Deutschland Beziehungen unterhalte. Damit sei wiederum nicht ausgeschlossen, dass diese Angaben in der Sperrerklärung für eine abschließende Beurteilung des fachgesetzlichen Ausschlussgrundes ausreichen könnten. 19    Mit Schreiben vom 9. August 2013 wies der Senat die Streitparteien auf seine Auffassung zur Auslegung der geltend gemachten Ausschlussgründe hin. Der vorgetragene Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG sei vorliegend nicht anwendbar, weil diese Vorschrift auf das Verhältnis zwischen Verwaltung und privaten Dritten abziele. Die von anderen Behörden der Beklagten erlangten Informationen seien daher nicht nach § 3 Nr. 7 IFG geschützt. Allerdings könnte sich ein Schutz insoweit aus den teilweise ebenfalls herangezogenen Ausschlussgründen des § 3 Nr. 1a) und § 3 Nr. 4 IFG ergeben. Zur Berufung auf den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1a) IFG genüge eine nur formelhafte und an den bloßen Gesetzeswortlaut angelehnte Behauptung der Beklagten nicht. Die Beurteilung, dass eine Information nachteilige Auswirkungen im Sinne der genannten Vorschrift haben könne, betreffe eine Prognoseentscheidung, die der Beklagten zur begrenzten richterlichen Überprüfbarkeit der Plausibilität der Prognose eine gewisse Darlegungslast auferlege. Erforderlich sei eine Prognose zu möglichen Auswirkungen und die Darlegung derselben, mithin also der Vortrag der notwendigen Fakten als Grundlage der Prognose. Dabei sei materiell ein gewisses Gewicht der nachteiligen Effekte zu verlangen, bloße Mutmaßungen über eventuelle Auslandsreaktionen reichten nicht aus. Die konkret befürchteten Nachteile müssten in der Sperrerklärung unter Wahrung des in Anspruch genommenen Geheimnisschutzes nachvollziehbar dargelegt werden. Diesen Anforderungen werde die vorliegende Sperrerklärung nicht gerecht, da es an einer nachvollziehbaren Prognoseentscheidung für das jeweils betroffene Herkunftsland fehle. 20 http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-5433... 24.10.2016
7

Druckvorschau - Bürgerservice                                                                      Seite 8 von 28 In Bezug auf den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 4 IFG könne die Befürchtung der Beklagten, dass Asylantragsteller ihr Aussageverhalten anpassen könnten und durch Legendenbildung die Aufgabenerfüllung des Bundesamtes in Asylverfahren erschweren könnten, nachvollzogen werden. Für die Darlegung des Ausschlussgrundes des § 3 Nr. 4 IFG in der Sperrerklärung genüge jedoch ein nur rudimentärer Hinweis auf den Textinhalt und ein pauschaler Hinweis auf die Gefahr der Anpassung des Aussageverhaltens nicht. Es sei eine zwar noch abstrakt bleibende aber dennoch nachvollziehbare und verständliche Umschreibung der Inhalte der betreffenden Textpassagen erforderlich. Im Anschluss daran sei nachvollziehbar darzulegen, warum nach Auffassung der Beklagten die betreffende Passage zur Anpassung des Aussageverhaltens geeignet sei. Dies werde insbesondere davon abhängen, wie konkret die geschwärzten Textstellen im Einzelfall würden, ob sie einen nicht schon anderweitig bekannten Inhalt beschrieben und ob entsprechend angepasster unwahrer Sachvortrag Nachweisschwierigkeiten auf Seiten der Behörde auslösen würde. Diesen Anforderungen genügten die Hinweise der Beklagten auf § 3 Nr. 4 IFG in der Sperrerklärung bislang regelmäßig nicht genügen. Der Senat gebe daher Gelegenheit, den bisher unvollständigen Sachvortrag und auch die Sperrerklärung nach den obigen Ausführungen zu ergänzen. Entsprechend dem Klageantrag sei dies zu einem aktualisierten Sachstand zu leisten. 21    Mit Schreiben vom 28. November 2013 legte das Bundesamt die streitgegenständlichen teilweise geschwärzten HKL sowie die übergreifenden Ausführungen (Umfang 257 Textseiten) in der zum Zeitpunkt des Zugangs des gerichtlichen Schreibens vom 9. August 2013 verfügbaren Fassung vor. Darauf abgestimmt wurde eine erneute Sperrerklärung des Bundesministeriums des Innern vom 29. November 2013 vorgelegt (237 Textseiten). 22    Der Klägerbevollmächtigte äußerte sich mit Schriftsatz vom 25. April 2014 (beim VGH eingegangen am 5. Mai 2014). Soweit die HKL ungeschwärzt vorgelegt worden seien, habe sich das Klagebegehren teilweise erledigt. Allerdings sei aufgrund des Umfangs der Schwärzungen dem Klagebegehren bei weitem nicht Rechnung getragen. In großem Umfang fielen selbst Rechtsausführungen der Zensur zum Opfer, z. B. bei den HKL-übergreifenden Ausführungen zur Genitalverstümmelung, sowie Erläuterungen abstrakter Begriffe, wie etwa des Begriffs der relevanten Verfolgungshandlung, die jedem Kommentar zu entnehmen seien. In weitem Umfang seien auch allgemeine Ausführungen geschwärzt, für die weder der vorgebliche Geheimhaltungsgrund des angepassten Aussageverhaltens noch der der Gefahr nachteiliger Auswirkungen auf internationale Beziehungen eingreife. 23    Eine Durchsicht der vorgelegten Unterlagen habe ergeben, dass nicht sämtliche HKL übergeben worden seien, sondern es vielmehr noch weitere gebe. Da seien zum einen die Dienstanweisungen Asyl (DA-Asyl), die Gegenstand des abgetrennten Verfahrens beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach (AN 4 K 13.1606) seien. Daneben gebe es offenbar weitere generelle Regelungen für die Entscheidungsfindung, die weder im dortigen, noch im hiesigen Verfahren vorgelegt worden seien. Die Beklagte möge sich hierzu erklären, vor allem bleibe sie aufgefordert, sämtliche HKL - auch die „ausgegliederten“ - vorzulegen. 24    Die vorgelegten HKL und die zugehörige Sperrerklärung seien mittlerweile überholt. Es habe im Aufenthaltsgesetz und im Asylverfahrensgesetz eine Reihe von Änderungen gegeben, auf die sich die HKL einstellen müssten. Daraus sei nicht nur im Einzelfall eine materielle Unrichtigkeit entstanden, sondern vor allem die Folge, dass eine eindeutige Zuordenbarkeit und Durchschaubarkeit nicht mehr klar gegeben sei. Dies gelte vor allem für die HKL-übergreifenden Ausführungen. Angesichts des großen Umfangs der HKL und der Sperrerklärung erscheine daher eine detaillierte Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Punkt und jeder einzelnen Schwärzung als tendenzielle Zeitverschwendung, weil die aktuelle Relevanz in Frage gestellt sei und eine Anwendung einzelner Passagen auf die aktuelle Rechtslage zwar in weiten Bereichen möglich, gleichwohl nie zweifelsfrei sei. Stets bleibe die Unsicherheit, ob eine diesseitige Transformation der http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-5433... 24.10.2016
8

Druckvorschau - Bürgerservice                                                                   Seite 9 von 28 Ausführungen auf die aktuelle Rechtslage auch vom Bundesamt so geteilt werde ober ob nicht einer anderweitigen Interpretation der Vorzug gegeben werde. Sollte eine Überarbeitung der HKL in naher Zukunft beabsichtigt sein, böte sich an, das Verfahren bis dahin ruhen zu lassen. Aus diesem Grund würden nachstehend nur generalisierende und den Rechtsstandpunkt des Klägers zusammenfassende Ausführungen gemacht: 25    Nach wie vor genüge die Sperrerklärung bezüglich § 3 Nr. 1a) IFG im Hinblick auf die verlangte Prognoseentscheidung zu den möglichen Auswirkungen eventueller Auslandsreaktionen nicht den Darlegungsanforderungen. Einerseits berufe sich die Beklagte darauf, dass schon eine kritische Einschätzung zu einer Verstimmung bei anderen Staaten führen könne, andererseits hebe es hervor, dass zwar einzelne kritische Textstellen bei isoliertem Bekanntwerden möglicherweise nicht geeignet wären, entsprechende Verstimmungen hervorzurufen, vielmehr jedoch das Gesamtbild entscheidend sei. Dabei verkenne die Beklagte, dass die HKL alles andere enthielten als nur negative Wertungen der jeweiligen Länder. Es gebe in großem Ausmaß auch positive Schilderungen und Bewertungen. Hinzu komme, dass die HKL keine offiziellen Dokumente der Bundesregierung seien. Die Bundesregierung sei weder Herausgeber noch Verfasser der HKL, so dass eine unmittelbare Zurechnung nicht erfolgen könne. Vielmehr seien die HKL ein internes Papier einer Fachdienststelle, deren Tätigkeitsfeld nicht das der auswärtigen Beziehungen sei. Dass das Bundesamt für seine Aufgabe der Durchführung von Asylverfahren Informationen über Herkunftsländer sammle, sei auch bei den Ländern, die Gegenstand der HKL seien, bekannt. Die HKL seien als Dokumente ohne beabsichtigte Außenwirkung im Gegensatz zu amtlichem Regierungshandeln etwa anlässlich von Staatsbesuchen nicht relevant. Den Regierungen anderer Staaten sei auch bekannt, dass die Erkenntnisse in den HKL nicht nur solche seien, die von der Deutschen Bundesregierung erholt worden oder dieser zuzurechnen seien (wie etwa Erkenntnisse aufgrund der Lageberichte des Auswärtigen Amtes), sondern sie auf einer Vielzahl sonstiger Informationen etwa von Menschenrechtsinstitutionen beruhten. So wie Deutschland den Dialog nicht abbreche, wenn auf der Gegenseite ein Diktator stehe, akzeptierten auch diktatorische Staaten die hiesige Rechtskultur. Zu dieser gehöre auch die Einbindung der relevanten Kräfte der Zivilgesellschaft in den öffentlichen Diskurs und nicht deren Ausschluss. Die Asylgewährung durch einen Staat an einen fremden Staatsangehörigen werde schon lange nicht mehr als feindlicher Akt angesehen, sondern als Akt des humanitären internationalen Schutzes. Hinsichtlich der von der Beklagten befürchteten „Verstimmungen“ bei anderen Staaten möge die Beklagte mitteilen, ob, wann und in welchem Umfang es in der Vergangenheit zu derartigen Verstimmungen gekommen sei. Denn die Gründe der stattgebenden Asylentscheidungen seien den betroffenen Staaten bekannt, wenn sie die Gründe denn wissen wollten. Sie seien seit Jahrzehnten in juristischen Fachzeitschriften, Publikationen des Klägers, der Landesflüchtlingsräte, der Wohlfahrtsverbände und Menschenrechtsgruppen veröffentlicht. Tatsächlich gebe es aber keine „verstimmte Reaktion“ der Staaten auf die deutschen Asylrechtsentscheidungen, weil die Staaten diese als Akt einer humanitären Aufenthaltsgewährung ansähen und nicht als Kritik am eigenen Verhalten. Auch sorge das Bundesamt schließlich selbst für eine Veröffentlichung seiner eigenen Publikationen. So seien auf der Homepage des Bundesamts eine ganze Reihe von Publikationen zugänglich, u. a. ein DACH-Bericht zur Sicherheitslage in Afghanistan. Dieser Bericht sei Ergebnis der Zusammenarbeit des Bundesamts mit dem Bundesasylamt der Republik Österreich und dem Asylamt der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Er sei allgemein zugänglich und nicht weniger detailliert als die HKL zu Afghanistan. Bereits gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht sei darauf hingewiesen worden, dass etwa die HKL des Jahres 2002 noch nicht als VS-NfD gekennzeichnet und damit öffentlich zugänglich waren. Wenn schon damals die öffentlich gemachten HKL nicht zu negativen Auslandsreaktionen geführt hätten, sei die Behauptung, das Bekanntwerden der jetzigen HKL würde zu solchen Reaktionen führen, aus der Luft gegriffen. Eine sachgerechte Prognose müsse sich auf Fakten und nicht nur auf Mutmaßungen stützen. Auch die Europäische Union habe sich durch die Schaffung des European Asylum Support Office - EASO - ein Informationszentrum geschaffen, das http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-5433... 24.10.2016
9

Druckvorschau - Bürgerservice                                                                   Seite 10 von 28 regelmäßige Länderberichte erstellen wolle. Bislang seien solche zum West-Balkan und zwei zu Afghanistan erschienen. Letztere seien detaillierter und umfassender als die HKL des Bundesamtes zu Afghanistan. 26    Der Geheimhaltungsgrund des § 3 Nr. 4 IFG liege nicht vor. Jede leistungsgewährende Behörde sei einer vergleichbaren Gefahr eines manipulativen Verhaltens der Antragsteller ausgesetzt. Dem müsse jede Verwaltung durch geeignete Maßnahmen entgegenwirken. Als Beispiel sei auf die insoweit öffentlich zugänglichen Dienstanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum SGB II verwiesen. In den Dienstanweisungen seien etwa nicht nur Art und Umfang der Ermittlungen zum Sozialleistungsmissbrauch geregelt, sondern auch die „Prüfanlässe“, die Observation, die Befragung Dritter, Hausbesuche einschließlich ihrer Ankündigung und des Verhaltens bei einer Zutrittsverweigerung usw. Die Kenntnis dessen ermögliche es zweifelsfrei, sich auf diese Maßnahmen vorzubereiten und ggf. angepasst zu reagieren. Die Kriterien einer „Angabe von ins konkrete gehenden erläuternden Beispielen oder von konkreten Vorgaben etwa in Form von Prüfungshinweisen oder Fragekatalogen“ könnten vielfach bejaht werden, ohne dass daraus generalisierend abgeleitet werde, dass die Integrität der Sozialhilfeverfahren gefährdet wäre. Es dürfe daher vorliegend nicht ein Sonderrecht zulasten von Asylbewerbern geschaffen werden. Der demokratische Rechtsstaat habe nichts zu verbergen. Die Gefahr der Anpassung des Aussageverhaltens einzelner Asylbewerber rechtfertige keinen Sperrvermerk. Es handle sich hierbei nur um eine rein abstrakte Gefahr die, im Gegensatz zu den Intentionen des Informationsfreiheitsgesetzes, stets und immer die Geheimhaltung rechtfertigen würde. In die Betrachtung müsse deshalb richtigerweise auch immer einbezogen werden, ob der betreffende Sachverhalt bereits anderweitig bekannt oder allgemein zugänglich sei, inwieweit die Kenntnis eines Sachverhalts auch objektiv geeignet sei, einen Nachahmererfolg auszulösen und inwieweit geeignete Vorkehrungsmaßnahmen zur Verhinderung eines solchen Verhaltens ergriffen werden könnten bzw. wie groß der Aufwand sei, derartiges angepasstes Verhalten aufzudecken. Im Asylverfahren sei die Entscheidung, die durch die HKL vorbereitet werde, stets eine Individualbeurteilung. Ein oder auch mehrere erfundene, scheinbar asylrelevante Kriterien seien nicht geeignet, eine falsche Entscheidung herbeizuführen. Durchgehend beschrieben die auf § 3 Nr. 4 IFG gestützten geschwärzten Textstellen auch einen schon anderweitig bekannten Inhalt. Wer beispielsweise als Muslim den Asylgrund der Konversion für sich reklamieren wolle, müsse hierzu nicht die HKL Iran, Afghanistan u. a. lesen, er wisse um die Relevanz und Folgen von Kindesbeinen an. Selbst bei Kenntnis einzelner Fragenkataloge oder Prüfungshinweise würde etwa die zutreffende Beantwortung einer kritischen Kontrollfrage noch lange nicht dazu führen, dass eine Täuschung unentdeckt bliebe und damit eine falsche Entscheidung erginge. Denn in der Praxis werde beim Bundesamt aufgrund des persönlichen Eindrucks und aufgrund einer ausführlichen Anhörung entschieden. 27    Bezüglich der länderübergreifenden HKL sei anzumerken, dass die Auslegung von Gesetzesnormen in einem demokratischen Rechtsstaat nicht zum Geheimnis erklärt werden könne. 28    Die Sperrerklärung sei unübersichtlich. Die Aufgliederung in den HKL nach einzelnen Absätzen und Zeilen sei nur schwer durchschaubar. An nicht wenigen Stellen bleibe undurchsichtig, wo der eine Absatz beginne und der andere ende. Dadurch, dass die HKL nicht erkenntlich gegliedert seien und zudem an manchen Stellen horizontale Querstriche aufwiesen, die einmal Absätze darstellten, ein anderes Mal aber nicht, werde der Durchblick weiter erschwert. Für weitere Verwirrung sorge schließlich die Zweiteilung der Sperrerklärung in die Sperrgründe des § 3 Nr. 1a) IFG und die Sperrgründe zu § 3 Nr. 4 IFG. Damit sei eine Klärung, ob sämtliche der vorgenommenen Schwärzungen von einem der beiden Gründe abgedeckt seien, erschwert, wenn nicht vereitelt. Das sei unzumutbar. 29 http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-5433... 24.10.2016
10

Zur nächsten Seite