Sehr geehrter Herr Scharfenort,
wie Sie den zugesandten Dokumenten zur Größe der Anlagenschutzbereiche entnehmen können. orientiert sich die DFS an den Empfehlungen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO. Die DFS verwendet für ihre Begutachtung eine mathematische Methode, deren Gültigkeit im empirischen Vergleich mit einer Vielzahl anderer Gutachten validiert und im Jahr 2016 in letzter Instanz vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigt wurde.
Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage begründet die DFS den Vorbehalt innerhalb des 15-Kilometer-Radius?
In den Standards und Empfehlungen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO sind die erforderlichen Genauigkeiten für die Signale von Radar- und Navigationsanlagen festgelegt worden. So wird erreicht, dass Fluglotsen auf zuverlässige Radarinformationen zugreifen und Piloten bei der Navigation ihre vorgeschriebenen Flugpfade einhalten können.
Um sicherzustellen, dass durch Bauwerke in der Umgebung von Flugsicherungsanlagen keine störenden Auswirkungen auf deren Signale entstehen können, werden um diese Anlagen sogenannte Anlagenschutzbereiche festgelegt. Für die Größe dieser Anlagenschutzbereiche hat die Internationale Zivilluftfahrtorganisation entsprechende Empfehlungen ausgesprochen, an die sich die DFS grundsätzlich hält, soweit sie den anerkannten Stand der Technik widerspiegeln.
Im Jahr 2008 wurden in einer Arbeitsgruppe der ICAO neue Erkenntnisse über das Störpotenzial von Windkraftanlagen gegenüber Navigationsanlagen vom Typ Drehfunkfeuer vorgelegt. Die Informationen gaben den Hinweis darauf, dass Windkraftanlagen (anders als andere, statische "Gebäude") auch aus größerer Entfernung als 3km noch einen nennenswerten "Störbeitrag" auf die Signale ausüben könnten. In dem entsprechenden "Anleitungsmaterial" hat die ICAO daraufhin für Navigationsanlagen des Typs "Drehfunkfeuer" den sog. "Anlagenschutzbereich" vom 3km auf 15km erhöht. Dieser Wert wurde übrigens schon vorher für Radaranlagen zum Ansatz gebracht, wo Störbeeinträchtigungen ebenfalls aus eine Entfernung von größer als 3km entstehen können.
Der ICAO lagen entsprechende Erfahrungswerte mit errichteten Windkraftanlagen sowie die Ergebnisse entsprechender Simulationen darüber vor.
Wir unterstützen jedoch weiterhin den Dialog der internationalen Experten auf diesem Gebiet und stehen einer Diskussion neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse offen gegenüber. Unabhängig davon hat sich auch die Rechtsprechung in Bezug auf den Anlagenschutz weiter konkretisiert.
In einer Entscheidung des OVG Lüneburg in zweiter Instanz wurde im Fall der Navigationsanlage „Leine“ für Recht erkannt, dass die Entscheidung des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung im Rahmen des §18a LuftVG bindend ist. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber es dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung übertragen, eine prognostische Beurteilung auf der Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation vorzunehmen. Dessen Entscheidung, die - soweit vorhanden - Standards, Empfehlungen und Orientierungshilfen, die sich den Anhängen des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt und sonstigen Dokumenten der ICAO entnehmen lassen, berücksichtige und zu dem Ergebnis komme, dass die geplanten Windenergieanlagen die DVOR "Leine" stören können, lasse Rechtsfehler nicht erkennen.
Vor dem Hintergrund fehlender normkonkretisierender Maßstäbe und allgemein anerkannter fachlicher Standards sei die Art und Weise der vorgenommenen Prognoseberechnung des Bundesaufsichtsamts nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse gerichtlich nicht zu beanstanden.
Die DFS hat im Jahr 2014 darauf hingewirkt, dass die Expertengruppe zum Anlagenschutz der ICAO in Europa erneut einberufen wird. Die Experten prüfen, welche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse insbesondere zur Beeinträchtigung von Flugsicherungsanlagen durch Windenergieanlagen vorliegen und welche Änderungen sich daraus für die Begutachtung von Bauvorhaben gegebenenfalls ableiten lassen.
Wie ist der neueste Stand der Entwicklungen im wissenschaftlichen Bereich?
Im Rahmen des Vorhabens WERAN hat die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) der Deutschen Flugsicherung im Dezember 2019 eine Anpassung des bisher von ihr verwendeten Ansatzes für die Prognose von elektrischen Störeinflüssen von Windenergieanlagen auf Doppler-Drehfunkfeuer (DVOR) vorgeschlagen. Diese erweiterte Methode berücksichtigt Resultate aus der rechnerischen Simulation komplexer Störsignale, die durch Drohnenmessungen der PTB bestätigt wurden.
Die DFS erwartet, dass die vorgeschlagene Methode in diesem Jahr für die wissenschaftliche Diskussion offen gelegt wird. Nach deren erfolgreichem Abschluss beabsichtigt die DFS die veränderte Berechnungsmethode in Abstimmung mit BMVI und BAF in die Praxis zu überführen.
Mit den obigen Informationen möchten wir Ihnen darstellen, wie die DFS die wissenschaftliche Diskussion des Anlagenschutzes begleitet und ihre Beiträge dazu auch in Zukunft leisten wird.
Freundliche Grüße