Guten Tag,
anbei erhalten Sie eine Kopie meines Presseausweises. Ich habe Anspruch auf die vollständige Beantwortung meiner Fragen.
Der Anspruch auf Auskunft besteht nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG bzw. Art. 4 Abs. 1 S. 1 BayPrG (I.). Darüber hinaus besteht auch ein Anspruch nach Art. 39 BayDSG (II.).
I.
Der Anspruch aus dem Presserecht besteht. Ob dieser - für den hiesigen Fall der Vollziehung eines Bundesgesetzes durch die Länder – aus den landesrechtlichen Pressegesetzen oder aus dem für Bund maßgeblichen unmittelbaren Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgt, kann vorliegend dahinstehen, da sich diese Ansprüche materiell gleichen und es für das Ergebnis auf die Herleitung nicht ankommt (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10. August 2022 – 7 CE 22.1099 –, Rn. 35, juris; BeckOK InfoMedienR/Söder, 39. Ed. 1.2.2023, BayPrG Art. 4 Rn. 4 ff.).
Sie sind als Behörde anspruchsverpflichtet, die entsprechende Auskunft zu erteilen. Dem kann nicht entgegengesetzt werden, dass sich die Information nicht in einer von Ihnen geführten Statistik befände. Vielmehr kommt es allein darauf an, ob die Informationen bei der auskunftspflichtigen Behörde vorhanden sind. Auch die interne Recherche oder Zusammenstellung von Informationen kann verlangt werden (BeckOK InfoMedienR/Söder, 39. Ed. 1.2.2023, BayPrG Art. 4 Rn. 14). Dass diese Informationen von Ihnen ggf. zusammengetragen werden müssen, „ist eine ist eine reine Übertragungsleistung, die als Vorbedingung des Informationszugangs lediglich ein in verwaltungstechnischen Erwägungen wurzelndes Zugangshindernis beseitigt.“ Dies mag zwar den „organisatorische[n] und zeitliche[n] Aufwand für die Beantwortung des Antrags,“ erhöhen „am Vorhandensein der Information ändert sich aber nichts.“ (So zum Informationsfreiheitsrecht: BVerwG Urt. v. 27.11.2014 – 7 C 20/12, BeckRS 2015, 41922 Rn. 37, beck-online). Aufgrund der niedrigen Zahl von 61 Fällen dürfte das Zusammentragen der Informationen auch zumutbar sein. Dass eine der begehrten Informationen überhaupt nicht erfasst ist, haben Sie hingegen nicht dargelegt und erscheint mir fernliegend, da andere Bundesländer mir bereits über die Informationen Auskunft erteilt haben.
Ich bin auch anspruchsberechtigt. Die Vorlage eines Presseausweises reicht für die Aktivlegitimation nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayPrG im Lichte der grundgesetzlich in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 111 BV verbürgten Pressefreiheit aus (VG München Urt. v. 3.7.2014 – 10 K 13.2584, BeckRS 2015, 48732, beck-online). Auch nach der altertümlichen und daher abzulehnenden Meinung, der Pressebegriff setze die Erzeugung eines Druckwerks voraus (vgl. dazu VG Ansbach Urt. v. 20.2.2019 – AN 14 K 16.01572, BeckRS 2019, 10176 Rn. 23, beck-online), bin ich Pressevertreter im Sinne des Presserechts (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 16.8.2022 – 6 S 37/22, BeckRS 2022, 20543 Rn. 6, beck-online).
Zwar kann ein presserechtlicher Auskunftsanspruch nach Auffassung des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofes (Beschluss vom 10. August 2022 – 7 CE 22.1099 –, Rn. 35, juris) durch das Sozialgeheimnis aus § 35 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 68 Nr. 7 SGB I beschränkt werden. Das Sozialgeheimnis ist jedoch vorliegend nicht betroffen, da schon keine Sozialdaten gem. § 67 Abs. 2 S. 1 SGB I betroffen sind. Es handelt sich nämlich nicht um personenbezogene Daten i.S.d. Art. 4 Nr. 1 des DSGVO.
Durch die angefragten Informationen sind keine Personen i.S.d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO identifizierbar. Die Personen, die im Ausland ihren Aufenthalt haben und Leistungen nach dem BVG beziehen, sind durch die angefragten Informationen nicht bestimmbar. „Bestimmbarkeit" wird angenommen, wenn die konkrete Person nicht allein durch die vorliegenden Daten identifiziert, jedoch mit Hilfe weiterer Informationen und Zusatzwissen ein Personenbezug hergestellt werden kann (Brink/Eckhardt, ZD 2015, 205, beck-online). Die Aggregierung der Daten ist eine Anonymisierungsmethode. Zwar ist es grundsätzlich möglich, aus (nicht ausreichend) aggregierten Daten unter Hinzuziehung weiterer Informationen Rückschlüsse auf einzelne Personen zu ziehen und sie so zu identifizieren. Aus der von Ihnen zitierten Kurz-Information der Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz (BayLfD) ergibt sich doch gerade, dass die Aggregierung auf ausländische Staaten, in denen Leistungsbezieher ihren Aufenthalt haben, ausreichend ist, um personenbezogene Daten zu schützen. Bei der Aufschlüsselung nach Staaten ohne ein konkretes Zeitfenster (lediglich „aktuell“) handelt es sich anders als im Beispiel der BayLfD mit der 1000-köpfigen Gemeinde und einer Tagesstatistik um eine ausreichende Aggregierung der Daten. So ist schleierhaft, selbst wenn laut Statistik lediglich eine Person pro Staat Leistungen nach dem BVG bezieht, wie diese unter den meist mehreren Millionen Einwohner*innen eines Landes identifiziert werden soll. Dabei ist auch zu beachten, dass das von Ihnen angeführte Merkmal „gewöhnlicher Aufenthalt“ deutlich weniger aussagekräftig in Bezug auf eine Person ist, als die Staatsangehörigkeit, da sich diese für gewöhnlich nicht ändert und -jedenfalls bei vielen Personen des öffentlichen Lebens- bekannt ist.
Unabhängig von der Aggregation der Daten fehlt es jedoch schon an einer geeigneten Information, die hinzutritt, um eine Person identifizierbar zu machen. Selbst unter Zugrundelegung der engeren „objektiven Theorie“, die im Gegensatz zur „relativen Theorie“ nicht nur auf das bei der datenschutzrechtlichen Verantwortlichen vorhandene Zusatzwissen abstellt, sondern auch auf das bei Dritten (näheres bei OLG Dresden, Urteil vom 4. April 2023 – 4 U 1486/22 –, Rn. 16, juris), besteht eine solche Möglichkeit vorliegend nicht. Sie legen nicht dar, mit welchen Mitteln ein Verantwortlicher selbst oder ein Dritter, die betreffende Person bestimmen kann. Dabei liegt eine ausreichende Anonymisierung bereits dann vor, wenn so viele Merkmale entfernt werden, dass die Identifizierung nicht mehr mit vernünftigerweise zu erwartendem Aufwand zu erreichen ist (Sydow/Marsch DS-GVO/BDSG/Ziebarth, 3. Aufl. 2022, DS GVO Art. 4 Rn. 30). Die rein fiktive Möglichkeit einer Bestimmbarkeit reicht nämlich nicht aus (BeckOK DatenschutzR/Schild, 43. Ed. 1.2.2023, DS-GVO Art. 4 Rn. 18). So sind schon keine zusätzlich bekannten Informationen über eine identifizierbare Person vorhanden, die den Rückschluss ermöglichen, dass diese Person Leistungen nach dem BVG bezieht. Es fehlt an einer Zusatzinformationen, die „vor aller Augen“ verbreitet wurde, wie es im Beispiel der Kurzinformation der BayLfD der Fall ist. Die von Ihnen benannten zusätzlichen Informationen sind nämlich Dritten nicht bekannt. So kann ohne eine Veröffentlichung durch den Betroffenen selbst, ein zufälliger Dritter nicht wissen, ob die Person eine Rente bezieht oder die Person, ihre Vorfahren oder ihre Ehegatten während des zweiten Weltkrieges „gewirkt“ haben.
Selbst wenn diese Art von Informationen einzelnen Dritten bekannt wäre, wären unter Hinzunahme der angefragten Statistik keine Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich. So kann es sich bei einer Rente auch um eine Rente aus der allgemeinen Rentenversicherung handeln. Ein „Wirken“ während der Zeit des Nationalsozialismus führt ebenfalls nicht automatisch zu einem BVG-Anspruch (wie sie selbst darlegen). Gleiches gilt für eine gesundheitliche Beeinträchtigung, da diese allein ebenfalls nicht zu einem Anspruch nach dem BVG führt. Selbst wenn ein fiktiver Dritter wüsste, dass eine Person alle Anspruchsvoraussetzungen nach dem BVG erfüllt, dass diese Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat, wo es laut ihrer Statistik nur einen BVG-Empfänger gibt, so könnte Sie dennoch keine definitive Aussage über den Leistungsbezug machen, da Ihr nicht bekannt ist, ob die betroffene Person einen Antrag gestellt hat. Vielmehr müsste die Dritte Person sich sicher sein, dass nur eine Person aus der gesamten Bevölkerung die Anspruchsvoraussetzungen nach dem BVG erfüllt. Dies ist allerdings praktisch unmöglich.
Weitere Verschwiegenheitspflichten, etwa aus Grundrechten Dritter, sind nicht ersichtlich. Auf eine - auch nach dem BayPrG (vgl. Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 19.8.2020 – 7 CE 20.1822; BeckOK InfoMedienR/Söder, 39. Ed. 1.2.2023, BayPrG Art. 4 Rn. 16)- stets vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse und dem privaten Geheimhaltungsinteresse kommt es daher von vorneherein nicht an.
II.
Der Anspruch auf die Informationen besteht auch nach Art. 39 BayDSG.
Es besteht ein berechtigtes Interesse von mir an der Zugänglichmachung der Informationen. Unter einem berechtigten Interesse ist jedes rechtliche, aber auch wirtschaftliche und ideelle Interesse zu verstehen, das nicht mit der Rechtsordnung kollidiert (BeckOK InfoMedienR/Schmieder, 39. Ed. 1.8.2022, BayDSG Art. 39 Rn. 13a). Ein solches Interesse ergibt sich vorliegend schon aus dem Umstand, dass es um den Umgang des deutschen Staates mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit geht. Unter der Annahme, das Grundgesetz stelle geradezu den „Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes“ dar (BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009 – 1 BvR 2150/08 –, BVerfGE 124, 300-347, Rn. 65), besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an dem Umgang der dem Grundgesetz unterworfenen Staatsgewalt mit Personen, die im Nationalsozialismus „gewirkt“ haben. Ferner speist sich das berechtigte Interesse aus der Verwendung von Steuermitteln zur finanziellen Versorgung von Personen, die mit dieser Vergangenheit in Verbindung stehen. Das Interesse ist auch nicht auf eine entgeltliche Weiterverwendung gerichtet.
Auch die Übermittlung personenbezogener Daten ist zulässig, da es sich vorliegend schon nicht um personenbezogene Daten i.S.d. Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayDSG i.V.m. Art. 4 Nr. 1 DSGVO handelt (vgl. unter I.) und somit gem. Art. 5 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG keine schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person vorliegen. Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gem. Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayDSG werden ebenfalls nicht beeinträchtigt.
Bezüglich Ihres Vorbringens, Teile der angefragten Informationen würden statistisch von Ihnen nicht erfasst, wird auf das unter I. genannte verwiesen. Auf die statistische Erfassung kommt es demnach nicht an, sondern nur auf das Vorhandensein der Information.
Mit freundlichen Grüßen
Arne Semsrott
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