Sehr
<< Antragsteller:in >>
vielen Dank für Ihre Anfrage an das Umweltbundesamt.
Es werden in
<< Adresse entfernt >> keine Daten erhoben, wie viele Köderboxen mit Rodentiziden gegen Ratten aufgestellt werden. Dies liegt im Ermessen des Schädlingsbekämpfenden und wird nicht gemeldet. Ebenso verhält es sich, wenn der Schädlingsbekämpfende (oder eine Privatperson) Fallen als Bekämpfungsmaßnahme einsetzt.
Auch über die Anzahl der Rattenbefälle gibt es keine bundesweite systematische Erhebung. Wenn es in den einzelnen Bundesländern eine Meldepflicht für Rattenbefälle gibt, wird nicht erhoben, wie viele Köderboxen oder Fallen eingesetzt werden. Die Anzahl der verwendeten Köderboxen/Fallen hängt von der Größe des Befalls ab.
Das Umweltbundesamt hat keinen Zugriff auf die Daten zu den gemeldeten Befällen in den jeweiligen Bundesländern. Im Bereich der Rattenbekämpfung ist es die Aufgabe des Umweltbundesamtes, die Umweltrisiken und Wirksamkeit von Bioziden im Zulassungsverfahren sowie die Wirksamkeit von Mittel und Verfahren im Rahmen des §18 Infektionsschutzgesetzes (IfSG) zu bewerten.
Mehr Informationen dazu finden Sie hier:
Infektionsschutz | Umweltbundesamt<
https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/infektionsschutz>
Prüflabor Gesundheitsschädlinge | Umweltbundesamt<
https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/chemikalienforschung-im-uba/prueflabor-gesundheitsschaedlinge#undefined>
Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Nagetierbekämpfung mit Antikoagulanzien | Umweltbundesamt<
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/antworten-auf-haeufig-gestellte-fragen-zu>
Des Weiteren fördern wir nicht-chemische Alternative, z.B. durch die Aufklärung der Bevölkerung/für die Bekämpfung verantwortlichen Personen (Infomaterial, Workshops) oder durch Forschungsprojekte, die wir betreuen oder selbst durchführen, zu den Auswirkungen von blutgerinnungshemmenden Rodentiziden in der Umwelt und möglichen alternativen Bekämpfungsstrategien (Fallen, Prävention). Der Hintergrund ist, dass für die Ratten- und Hausmausbekämpfung v.a. Gifte mit Blutgerinnungshemmern (Antikoagulanzien) eingesetzt werden. Durch die verzögerte Wirkung (das für das Vitamin K verantwortliche Enzym wird blockiert, wodurch keine Blutgerinnungsfaktoren mehr gebildet werden können und die Tiere nach drei bis fünf Tagen (teilweise sogar noch länger) innerlich verbluten) wird eine ausreichend hohe Dosis aufgenommen, was bei neophoben (allem Neuem abgeneigte) Tieren wie Ratten relevant ist. Antikoagulanzien gehören jedoch zu den PBT-Substanzen (persistent, bioakkumulierend, toxisch), d.h. sie bauen sich nur schlecht in der Umwelt ab, reichern sich auch in anderen Lebewesen an und sind für diese giftig. Das zeigen einige der von uns geförderten Forschungsprojekte, wo die Wirkstoffe aus Ratten- und Mäusegiften z.B. in Füchsen, Fischen, Eulen, Singvögeln und Kleinsäugern gefunden wurden:
Rückstände von als Rodentizid ausgebrachten Antikoagulanzien in wildlebenden Biota | Umweltbundesamt<
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/rueckstaende-von-als-rodentizid-ausgebrachten>
Erforschung der Ursachen für die nachgewiesene Gewässerbelastung mit Rodentiziden (PBT-Stoffe) und Erarbeitung von Risikominderungsmaßnahmen zum Schutz der aquatischen Umwelt | Umweltbundesamt<
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/erforschung-der-ursachen-fuer-die-nachgewiesene>
Effektivität und Weiterentwicklung von Risikominderungsmaßnahmen für die Anwendung von als Biozid ausgebrachten antikoagulanten Rodentiziden mit hohem Umweltrisiko | Umweltbundesamt<
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/effektivitaet-weiterentwicklung-von>
Aufgrund ihrer Eigenschaften als PBT-Substanzen dürfen Antikoagulanzien in der EU eigentlich nicht als Biozid zugelassen werden, jedoch erfolgt eine verkürzte Zulassung für die Ratten- und Hausmausbekämpfung, solange es keine vergleichbar wirksamen Alternativen mit geringeren Umweltauswirkungen gibt. Damit Fallen als eine solche Alternative in Betracht gezogen werden können, haben wir 2018 die NoCheRo-Initiative („Non-Chemical alternatives for Rodent Control“) ins Leben gerufen:
Non-Chemical Alternatives for Rodent Control (NoCheRo) | Umweltbundesamt<
https://www.umweltbundesamt.de/en/topics/chemicals/biocides/non-chemical-alternatives-for-rodent-control>
NoCheRo-Guidance for the Evaluation of Rodent Traps | Umweltbundesamt<
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/nochero-guidance-for-the-evaluation-of-rodent-traps>
Mit Vertreter*innen aus Behörden, Wissenschaft und Industrie, die sich mit Nagetieren und/oder Fallenbekämpfung beschäftigen, haben wir einen Leitfaden erstellt, wie Schlagfallen vergleichbar wie Rodentizide getestet werden können. Anhand des NoCheRo-Leitfadens prüfen wir auch selbst Nagetierfallen im Rahmen des §18 IfSG (s.o.).
Schlagfallen, deren Wirksamkeit anhand dieses Leitfadens geprüft wurde, sind vergleichbar wirksam wie Rodentizide, entschied die Europäische Chemikalienagentur (ECHA). Was sich erstmal trivial anhört, hat entscheidenden Einfluss auf die anstehende Wiederzulassung von blutgerinnungshemmenden Rodentiziden in der EU. Im Rahmen der öffentlichen Konsultation wurden wissenschaftliche Daten, die anhand des NoCheRo-Leitfadens erhoben wurden, eingereicht. Diese Daten zeigen, dass Hausmäuse im Innenbereich ebenso wirksam mit Schlagfallen wie mit antikoagulanten Rodentiziden bekämpft werden können. Demnach dürften Antikoagulanzien für diesen Anwendungsbereich nicht mehr zugelassen werden, die finale Entscheidung der europäischen Kommission steht jedoch noch aus. Das Umweltbundesamt wird sich weiter auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass Antikoagulanzien nur unter strengen Auflagen oder für bestimmte Anwendungsbereiche durch andere Maßnahmen ersetzt werden, wenn es wissenschaftliche Daten gibt, welche die Wirksamkeit dieser alternativen Maßnahmen belegen. Damit möchten wir nicht nur die Umweltauswirkungen von Antikoagulanzien reduzieren, sondern auch das Tierleid, welches durch das tagelange innerliche Verbluten entsteht. Des Weiteren gibt es bereits gegen Antikoagulanzien resistente Ratten und Mäuse, ein weiterer Grund für nicht-chemische Alternativen.
Auch erheben wir selbst wissenschaftliche Daten, um die Wirksamkeit von Antikoagulanzien für bestimmte Anwendungsbereiche zu hinterfragen. So gibt es Städte (z.B. Erfurt, Zürich), die Ratten in der Kanalisation nicht mit Rodentiziden bekämpfen, aber kein größeres „Rattenproblem“ als andere Städte haben. Die Anwendung von Rodentiziden in der Kanalisation hat jedoch große Auswirkungen für andere Organismen. So sind die Rückstände von Antikoagulanzien in Fischen und deren Prädatoren v.a. auf diese Anwendung zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund haben wir 2021 ein Forschungsprojekt begonnen, mit dem Ziel, die Wirksamkeit der Rodentizidanwendung in der Kanalisation gegen Wanderratten wissenschaftlich zu untersuchen. Dieses Projekt wird neben anderen Forschungsprojekten zu urbanen Ratten in dieser Dokumentation vorgestellt:
Stadtratten - Unbekannte Parallelwelt - Die ganze Doku | ARTE<
https://www.arte.tv/de/videos/100821-000-A/stadtratten/>
Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,