Sehr geehrte Damen und Herren,
nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Atomgesetz (AtG), der auf Art. 87c des Grundgesetzes (GG) beruht, erfolgt die atomrechtliche Aufsicht im Auftrag des Bundes durch die Länder (Bundesauftragsverwaltung). Die atomrechtliche Aufsichtsbehörde unterliegt nach Art. 85 GG der Recht- und Zweckmäßigkeitsaufsicht des hierfür zuständigen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Im Handbuch über die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Atomrecht (AHB) werden die wesentlichen Prozesse beim Vollzug des Atomgesetzes (AtG) durch die Länder einschließlich der Bundesaufsicht beschrieben (
https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Nukleare_Sicherheit/bund_laender_aufsichtshandbuch_atomrecht_bf.pdf). Es behandelt Prozesse im Zusammenhang mit der Sicherheit von Kernkraftwerken (KKW) im Leistungsbetrieb und im Nachbetrieb. Derzeit erarbeiten die zuständigen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern eine Erweiterung des AHB auf u.a. die Belange der Stilllegung.
Bei Verfahren zu einer ersten Stilllegungs- und Abbaugenehmigung eines Kernkraftwerkes oder eines Forschungsreaktors führt das BMUV stets eine bundesaufsichtliche Prüfung durch. Diese bundesaufsichtliche Prüfung umfasst neben dem Genehmigungsentwurf auch das zugehörige Sicherheitsgutachten des zugezogenen Sachverständigen. Kommt das Bundesumweltministerium bei Folgegenehmigungen zu dem Ergebnis, eine bundesaufsichtliche Prüfung durchzuführen, bittet das Bundesumweltministerium die Genehmigungsbehörde des Landes, dies vor Erteilung der Genehmigung zu ermöglichen (zukünftiger AHB-Prozess 2.A).
Bezüglich der Aufsicht über die Stilllegungsprojekte dient der Länderausschuss für Atomkernenergie (LAA), insbesondere der Fachausschuss Reaktorsicherheit und der zugehörige Arbeitskreis Stilllegung, der wechselseitigen Kommunikation und dem Austausch zwischen den zuständigen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern sowie der Koordinierung von Tätigkeiten (AHB-Prozesse 12 und 13, zukünftiger AHB-Prozess 14.A).
Ein weiteres Beispiel für die fortlaufende Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern ist die Auswertung meldepflichtiger Ereignisse in kerntechnischen Anlagen in Stilllegung. Bei Auftreten eines solchen Ereignisses übermittelt die Aufsichtsbehörde des Landes das Meldeformular zu diesem Ereignis nach einer ersten Prüfung des Sachverhaltes an das BMUV und parallel dazu der zentralen Erfassungsstelle beim Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) sowie dem für das BMUV tätigen Sachverständigen, der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS). Das BMUV wertet die Meldungen im Hinblick auf die Notwendigkeit einer bundesaufsichtlichen Befassung, auf generische Aspekte und bundeseinheitliche Anwendung der Meldekriterien unter Hinzuziehung von BASE (Meldepflicht) und GRS (inhaltlich) aus. Sieht das BMUV eine besondere sicherheitstechnische Bedeutung oder einen Bedarf an Auskunftsfähigkeit, bittet das BMUV die Aufsichtsbehörde des Landes um weitere Informationen. Ist eine kurzfristige Benachrichtigung der anderen Aufsichtsbehörden der Länder über ein Ereignis notwendig, erstellt das BMUV ggf. unter Zuziehung von Sachverständigen eine Stellungnahme und informiert anschließend die Aufsichtsbehörden der Länder (AHB-Prozess 4).
Allgemein lässt sich zum Verständnis zur Hinzuziehung von Sachverständigen folgendes ausführen:
• Nach § 20 AtG können von den zuständigen Behörden im Rahmen von Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren Sachverständige zugezogen werden. Diese können sowohl unabhängige Fachleute als auch unabhängige, technische Sachverständigenorganisationen sein (sachverständige Personen). Die Sachverständigen werden vertraglich zur Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen der zu überprüfenden atomrechtlichen Genehmigungsinhaber sowie zu fachlicher Qualifikation und fortlaufendem Qualifikationserhalt des eingesetzten Personals verpflichtet. Sachverständige werden durch die Aufsichtsbehörden klar mandatiert und für spezifische Tätigkeiten beauftragt. Die Sachverständigen erstellen Prüfberichte, Stellungnahmen und Gutachten. Die behördliche Entscheidungshoheit wird dabei nicht auf diese übertragen. An das Ergebnis der Untersuchungen der Sachverständigen ist die zuständige Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde nicht gebunden (Bericht der Regierung der Bundesrepublik Deutschland für die kombinierte 8./9. Überprüfungstagung zum Übereinkommen über nukleare Sicherheit im März 2023,
https://www.nuklearesicherheit.de/fileadmin/user_upload/Berichte/Nukleare_Sicherheit/cns2023_bericht_de.pdf).
• Die atomrechtliche Aufsichtsbehörde hat den gesetzlichen Auftrag, einen bestmöglichen Schutz von Mensch und Umwelt vor den Gefahren der Kernenergie und der ionisierenden Strahlung sicherzustellen. Um diesem Auftrag auch bei der Heranziehung von Sachverständigen gerecht zu werden, hat die atomrechtliche Aufsichtsbehörde alle vertretbaren Auffassungen und Erkenntnisse innerhalb des fachwissenschaftlichen Spektrums heranzuziehen und zu berücksichtigen. Daher werden im Rahmen des der Behörde durch § 20 AtG eingeräumten Ermessensspielraums neben dem zugezogenen Sachverständigen auch andere Sachverständige herangezogen, und zwar sowohl zur Begutachtung bestimmter Detailfragen als auch zur Klärung komplexer Zusammenhänge. Diese Vorgehensweise dient nicht nur der Berücksichtigung des fachwissenschaftlichen Spektrums, sondern auch der Qualitätssicherung durch einen Wechsel der Betrachtungsweise. Zugezogen werden Einzelgutachter (z. B. Hochschulprofessoren), aber auch öffentliche oder private Institutionen (Konzeption für die staatliche Aufsicht über die kerntechnischen Anlagen in Baden-Württemberg dargestellt (
https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/3_Umwelt/Kernenergie/Managementsystem/Aufsichtskonzeption-bf.pdf).
Des Weiteren werden die Sachverständigenleistungen für die Genehmigungsverfahren, wie auch für die Aufsichtsverfahren, zu Stilllegung und Abbau kerntechnischer Anlagen in Deutschland öffentlich ausgeschrieben. Die Vergütungen für die hinzugezogenen Sachverständigen in den Verfahren werden dann als Auslagen durch den Antragsteller oder Genehmigungsinhaber erstattet.
Die hier beschriebenen Maßnahmen stellen sicher, dass sich durch langjähriges Zusammenarbeiten der Aufsichtsbehörden und deren zugezogenen Gutachter mit Betreibern kerntechnischer Anlagen Interessenlagen oder gar wechselseitige Abhängigkeiten ergeben, die dem übergeordneten Ziel „Gewährleistung der nuklearen Sicherheit“ dieser kerntechnischen Anlagen entgegenstehen würden.
Der Schutz Ihrer Daten ist uns wichtig. Bei der Bearbeitung Ihres Anliegens wurden bzw. werden personenbezogene Daten verarbeitet. Welche Daten zu welchem Zweck und auf welcher Grundlage verarbeitet werden, ist abhängig von Ihrem Anliegen und den konkreten Umständen. Informationen hierzu und zu Ihren Betroffenenrechten finden Sie in der Datenschutzerklärung des BMUV unter
www.bmuv.de/datenschutz<
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Mit freundlichen Grüßen