Sehr geehrter Herr Huthmacher,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich des bioziden Wirkstoffs Terbutryn (CAS-Nr. 886-50-0). Im Folgenden beantworten wir die von Ihnen gestellten Fragen:
1. Welche Mengen werden von diesem Wirkstoff pro Jahr in der BRD produziert bzw. in Umlauf gebracht.
Wenn die im Rahmen des § 16 der Biozidrechts-Durchführungsverordnung (ChemBiozidDV) jährlich zu tätigenden Mengenmitteilungen zugrunde gelegt werden, wurde im Jahr 2021 für den Wirkstoff Terbutryn eine Gesamttonnage von ca. 80 t auf dem deutschen Markt bereitgestellt.
Bitte beachten Sie jedoch, dass diese Mengenmitteilung unter Vorbehalt steht, da die Mengen gemäß § 16 ChemBiozidDV im Jahr 2021 erstmalig erhoben wurden und die Daten deshalb erfahrungsgemäß eine hohe Fehlerquote seitens der meldenden Firmen aufweisen. Die entsprechenden Daten aus dem Jahr 2022 liegen uns derzeit noch nicht vor.
Ebenso liegen uns keine älteren Produktions- oder Absatzmengen des Biozidwirkstoffs in Deutschland vor.
Als Pflanzenschutzmittel ist Terbutryn seit Ende 2003 in der EU nicht mehr zugelassen (European Council Directive 91/414/EWG und European Commission Regulation (EC) 2076/2002). Allerdings entsteht unter anderem Terbutryn im aquatischen System beim Abbau des zugelassenen Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Terbuthylazin (siehe EFSA-Bewertungsbericht von Terbuthylazin 2011:
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2011.1969). Der Wirkstoffabsatz von Terbuthylazin lag in Deutschland im Jahr 2021 bei 1061 t (Link<
https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/02_ZulassungPSM/03_PSMInlandsabsatzAusfuhr/psm_PSMInlandsabsatzAusfuhr_node.html>). Sollte Terbuthylazin in ein Gewässer gelangen, ist deshalb zu erwarten, dass Terbutryn zu einem Teil daraus entsteht.
2. In welchen Bereichen wird Terbutryn eingesetzt.
Bei Terbutryn-haltigen Biozidprodukten handelt es sich ausschließlich um Produkte, welche gemäß Anhang V der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozid-VO<
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32012R0528>) der Hauptgruppe 2 „Schutzmittel“ zuzuordnen sind. Darunter fallen die Produktarten 7 (Beschichtungsschutzmittel), 9 (Schutzmittel für Fasern, Leder, Gummi und polymerisierte Materialien) und 10 (Schutzmittel für Baumaterialien). Terbutryn wird hierbei in Deutschland hauptsächlich als Algizid in Fassadenanstrichen, Dachfarben und Fassadenputzen eingesetzt. Diese Anwendungen fallen unter die Produktarten 7 und 10.
Terbuthylazin-haltige Pflanzenschutzmittel werden vor allem als Herbizid im Maisanbau angewendet.
3. Welche toxikologische Belastungen hat das Pestizid bezüglich der aquatischen Fauna.
Im Rahmen der Bewertung von Terbutryn als Biozid-Wirkstoff liegen uns aktuell noch keine öffentlich verfügbaren Daten in Bezug auf die Toxizität für aquatische Organismen vor. Das heißt, der Wirkstoff befindet sich aktuell noch in der Bewertung durch den berichterstattenden Mitgliedstaat Slowakei.
Es können jedoch Hinweise über öffentlich verfügbare Daten herangezogen werden, um eine Einschätzung zu der Frage zu geben.
Bei dem Stoff Terbutryn handelt es sich um ein Herbizid aus der Gruppe der Triazine. Der Stoff gilt als spezifischer Hemmer des nur in Chloroplasten von Pflanzen vorkommenden Photosystems II. Das öffentlich verfügbare Dossier für die Ableitung der Umweltqualitätsnorm für Terbutryn als prioritärer Stoff nach Wasserrahmenrichtlinie (EQS-Dossier<
https://circabc.europa.eu/sd/a/6a543374-01c4-4002-a7b5-f6fbd2794c41/Terbutryn%20EQS%20dossier%202011.pdf> (2011)) enthält einen umfangreichen Datensatz für die Beurteilung der Toxizität des Stoffes auf aquatische Organismen (Algen, Makrophyten, Krebstiere, Fische). In diesem Bericht werden Algen und Makrophyten als sensitivste Gruppen angegeben. Es wurden auch Effekte auf Fische in Konzentrationen festgestellt, die allgemein als gewässertoxisch bedenklich eingestuft werden.
Wir weisen darauf hin, dass diese Einschätzungen auf Studien basieren, die unter Laborbedingungen durchgeführt wurden. Um eine Gefährdung für Gewässerorganismen auszuschließen, darf die gesetzlich festgesetzte Umweltqualitätsnorm (UQN) für den entsprechenden Stoff nicht überschritten werden. Für Terbutryn ist eine Jahresdurchschnitt-UQN von 0,065 μg/L für sowohl Binnen- als auch sonstige Oberflächengewässer und eine zulässige Höchstkonzentration (ZHK-UQN) von 0,34 μg/L für Binnenoberflächengewässer und 0,034 μg/L für sonstige Oberflächengewässer festgelegt (siehe Richtlinie 2013/39/EU). Sofern die in der Umwelt gemessene Konzentration größer ist als die Umweltqualitätsnorm, kann ein Risiko für Gewässerorganismen angenommen werden.
4. Findet eine Exposition in die Atmosphäre statt und welche Mengen.
Terbutryn ist ein weißes kristallines Pulver, das nur wenig löslich in Wasser ist (Wasserlöslichkeit von 25 mg/l bei 20°C) und einen sehr niedrigen Dampfdruck (< 1,3*10-4 Pa bei 20°C) aufweist (siehe EQS-Dossier<
https://circabc.europa.eu/sd/a/6a543374-01c4-4002-a7b5-f6fbd2794c41/Terbutryn%20EQS%20dossier%202011.pdf> (2011) und Stoffdatenblatt<
https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Forschungsdatenbank/fkz_3709_67_219_emissionen_anhang_g_bf.pdf> (2014)). Aufgrund der Anwendungsgebiete (siehe Frage 2) von Terbutryn und seiner physikalisch-chemischen Eigenschaften wird ein signifikanter Eintrag in die Atmosphäre nicht erwartet.
5. Laut Aussage einer Endokrinologin befinden sich in jedem menschlichen Körper 300 – 400 synthetische Substanzen. Wurde Terbutryn im Körper des Menschen nachgewiesen.
Uns liegen keine eigenen Daten zu Terbutryn im Menschen vor.
6. Gibt es eine Risikoanalyse des BfR zu diesem Pestizid.
Die Bewertung der humantoxikologischen Eigenschaften von Biozidwirkstoffen wird durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) durchgeführt. Bitte wenden Sie sich für eine detailliertere Beantwortung der Frage an die dafür zuständige Stelle.
7. Wird der Schadstoff bei der Wasseraufbereitung in den Klärwerken eliminiert.
In dem im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführten Forschungsvorhaben „Belastung der Umwelt mit Bioziden realistischer erfassen – Schwerpunkt Einträge über Kläranlagen<
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/belastung-der-umwelt-bioziden-realistischer>“ (UBA Texte 169/2020) konnte gezeigt werden, dass Terbutryn nicht vollständig in den Klärwerken eliminiert wird. In 29 untersuchten Kläranlagen (ohne vierte Reinigungsstufe) wurde Terbutryn in über 90 % der genommenen Ablaufproben in einem quantifizierbaren Bereich gemessen. Bei 17 % dieser Messungen lagen die Konzentrationen im Ablaufwasser über der JD-UQN von 0,065 µg/l (Vgl. Frage 3). Bei Eintrag des Ablaufwassers in die Gewässer ist allerdings anschließend von einer relevanten Verdünnung im Gewässer auszugehen.
Die Rückhalteleistungen der untersuchten Kläranlagen, das heißt, welcher Anteil der eingetragenen Stoffmenge abgebaut oder an den Klärschlamm sorbiert und somit aus der Wasserphase entfernt wurde, lagen für Terbutryn zwischen 25 % und 75 %.
8. Können Sie mir die Messstellen nennen an denen eine Überschreitung der UQN von Terbutryn festgestellt wurde.
Da der Titel der LAWA-Veröffentlichung nicht genannt wurde, können wir nicht genau nachvollziehen, auf welche Messstellen sich Ihre Aussage bezieht. Wir empfehlen, sich hierzu an die LAWA Geschäftsstelle zu wenden.
Uns liegen allerdings die Daten des Berichts zum Bewirtschaftungsplan 2021 vor. Danach wurden von den Bundesländern für 51 Oberflächenwasserkörper (s.a. Anlage „Terbutryn_BWP2021.xlsx“) Überschreitungen der Umweltqualitätsnorm gemeldet. Weitere Informationen dazu finden Sie unter:
Wasserkörpersteckbriefe aus dem 3. Zyklus der WRRL (2022-2027) (
bafg.de)<
https://geoportal.bafg.de/mapapps/resources/apps/WKSB_2021/index.html?lang=de&vm=2D&s=9244667.35795517&r=0&c=563594.9039036152%2C5676998.40659268>
Die Wasserrahmenrichtlinie - Gewässer in Deutschland 2021 | Umweltbundesamt<
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/die-wasserrahmenrichtlinie-gewaesser-in-deutschland>
Bei Rückfragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen