#FragDenMinisterWir verklagen Innenministerium wegen Twitter-Intransparenz

Auf Twitter sucht das Innenministerium derzeit den Dialog mit Nutzerinnen. Abseits der Plattform verweigert Horst Seehofers Ressort aber Auskünfte, obwohl es dazu nach dem Informationsfreiheitsgesetz verpflichtet wäre. Deswegen verklagen wir jetzt das Innenministerium. Es geht um fehlende Transparenz beim Betreiben des Twitter-Accounts.

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Horst Seehofer bürgernah auf Twitter –

Twitter, @bmi_bund

Seit zwei Wochen ist Bundesinnenminister Horst Seehofer auf Twitter. In unregelmäßigen Abständen postet sein Social-Media-Team Videos von Seehofer, die große Resonanz erfahren. Neu seit Freitag: Das Format „FragdenMinister“. Twitter-Nutzerinnen sollen dem Account des Innenministeriums Fragen zukommen lassen, Seehofer spricht von einem „Dialog“.

Ob die inzwischen tausend Kommentatoren wirklich eine befriedigende Antwort bekommen, ist fraglich. Schließlich sucht sich das Ministerium selbst aus, wem es antwortet. Anders sieht es bei Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) aus: Erhält das Ministerium Anfragen auf Grundlage des Gesetzes, muss es darauf antworten. Das IFG gibt allen Menschen das Recht, Informationen von Behörden anzufragen.

Twitter-Nebelkerze statt Transparenz

Ironischerweise ist das Innenministerium allerdings gerade in Bezug auf seine Twitter-Aktivitäten besonders intransparent. Eine Anfrage nach der Kommunikation der Behörde per Twitter-Direktnachrichten wies die Behörde ab. Die Begründung: Twitter-DMs seien „rechtlich irrelevante Korrespondenz mit der Social-Media-Redaktion des Ministeriums“. Sie müssten daher anders als E-Mails des Ministeriums nicht herausgegeben werden.

Dagegen sprechen allerdings Theorie und Praxis: So beschreibt das Ministerium in seiner eigenen (per IFG befreiten) Hausanordnung zur Social-Media-Nutzung, dass die Nutzung von Twitter dienstlich sei. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass das Ministerium auch wichtige Verwaltungsprozesse per Twitter-Direktnachricht abwickelt.

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Behörden kommunizieren über private Plattformen

Gegen die Ablehnung der Anfrage haben wir deswegen jetzt Klage eingereicht. Darin geht es nicht alleine um den Inhalt der Ministeriums-Direktnachrichten. Da sich Kommunikation öffentlicher Stellen immer weiter auf private Plattformen wie Twitter, Instagram oder auch Whatsapp-Gruppen verlagert, soll die Klage grundsätzlich klären, ob auch Kommunikation über private Plattformen unter das Informationsfreiheitsgesetz fällt.

Das Innenministerium ist der Ansicht, dass lediglich Informationen herausgegeben werden müssen, die in Akten zu finden sind. Da Twitter-Nachrichten in der Regel – wie auch die SMS der Kanzlerin oder der Inhalt von Whatsapp-Gruppen von Behördenmitarbeiterinnen – nicht veraktet werden, würden auf diese Weise die Transparenzpflichten der Verwaltung umgangen werden.

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Der Fall könnte auch das Bundesarchiv auf den Plan rufen. Denn das Innenministerium schreibt, dass Kommunikation über Twitter „nicht mit der gleichen Sorgfalt“ veraktet werden müsse „wie traditionelle papierschriftliche Kommunikation.“ Das dürften die Archivare anders sehen.

Die Klage des Innenministeriums ist unsere insgesamt 25. Klage gegen deutsche Behörden. Bitte unterstütze diese Klage und weitere mit einem Dauerauftrag oder einer Spende. Wir gehen davon aus, dass die Klage bis vor das Bundesverwaltungsgericht gehen wird. Daher benötigen wir etwa 7.500 Euro. Herzlichen Dank!

Wenn du auch klagen willst, unterstützen wir dich gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Unser Klagefonds Transparenzklagen.de hilft weiter mit Geld und Anwälten.

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-2- Wir zeigen an, dass wir den Kläger vertreten. Eine Vollmacht in Kopie liegt bei, Anlage K 0. Namens und in Vollmacht des Klägers beantragen wir die Beklagte zu verpflichten, dem ablehnenden Bescheid der Beklagen vom 28. Mai 2018 in Form des Wider­ spruchsbescheids der Beklagten vom 17. August 20 1 8 aufzuheben und dem Kläger Einsicht zu gewähren in sämtliche Direktnachrichten (sogenannte DMs), die der Twit­ ter-Account der Beklagten in den Jahren 2016, 2017 und 2018 versandt und erhalten hat. A. Sachverhalt Der Kläger ist freier Journalist, Projektleiter bei FragDenStaat und Mitglied der Open Know­ ledge Foundation, einem gemeinnützigen Verein, der sich für offenes Wissen, offene Daten, Transparenz und Beteiligung einsetzt. Am 20. Mai 20 1 8 beantragte der Kläger Zugang zu den streitgegenständlichen Nachrichten. Beweis: Schreiben vom 20. Mai 2018, Anlage K 1 Mit Schreiben vom 28. Mai 2018 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass Direktnachrichten kein Verwaltungshandeln und damit keine amtlichen Informationen seien. Beweis: Schreiben vom 28. Mai 2018, Anlage K 2 Hiergegen legte der Kläger am 2. Juni 2018 Widerspruch ein. Beweis: Schreiben vom 2. Juni 2018, Anlage K 3 Der Widerspruchsbescheid wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 17. August 2018 zu­ rückgewiesen. Beweis: Schreiben vom 17. August 2018, Anlage K 4 Daher ist nun Klage geboten.
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-3- B. Rechtliche Würdigung Die Klage ist zulässig und begründet. I. Zulässigkeit Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. A VwGO ist eröffnet. Die streitentscheidenden Normen des IFG, UIG, VIG und GG sind solche des öffentlichen Rechts. Das Verwaltungsgericht Berlin ist gem. §§ 45, 52 Nr. 5 VwGO zuständig, da die Beklagte ihren Sitz in Berlin hat. Die Verpflichtungsklage ist gem. § 42 Abs. 1 Vor. 2 VwGO statthaft, da der Kläger einen An­ spruch auf Informationszugang aus§ 1 Abs. 1 IFG, § 3 Abs. 1 UIG, § 2 VIG, Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG und Art. 10 EMRK hat. Der Kläger ist nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da er geltend machen kann, in seinen Rechten aus§ 1 Abs. 1 S.1 IFG, § 3 Abs. 1 UIG, § 2 VIG, Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG und Art. 10 EMRK verletzt zu sein. Das erforderliche Vorverfahren nach§ 68 Abs. 1, 2 VwGO ist durchgeführt. II. Begründetheit Die Klage ist begründet, da der Kläger einen Anspruch auf die streitgegenständlichen Unter­ lagen hat. 1 . Anspruch aus§ 1 Abs. 1 IFG Nach§ 1 Abs. 1 S. 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. a) Anspruchsberechtigter Der Kläger ist als natürliche Person "jeder" im Sinne des§ 1 Abs. 1 IFG. b) Anspruchsverpflichtete Das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat ist eine Behörde des Bundes. Bundes­ behörden sind Behörden der unmittelbaren und mittelbaren Bundesverwaltung.
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- 4 - Berger/Partsch/Roth/Scheel, IFG, 2. Auflage 2013, § 1 Rn. 36 Das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat ist eine Behörde der unmittelbaren Bundesverwaltung und damit eine auskunftsverpflichtete Stelle im Sinne der Vorschrift. c) Amtliche Information Eine amtliche Information gemäߧ 2 Nr. 1 S. 1 IFG ist jede, amtlichen Zwecken dienende Auf­ zeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Umfasst sind Schriften, Tabellen, Diagramme, Bilder, Pläne und Karten sowie Tonaufzeichnun­ gen, die elektronisch, akustisch, optisch oder anderweitig gespeichert sind. BT-Drs. 1 5/4495, 9 Darunter fallen auch Direktnachrichten auf Twitter. Der Einwand der Beklagten, die streitgegenständlichen Twitter-Nachrichten seien nicht "ak­ tenrevelant" und bräuchten deshalb nicht herausgegeben werden, verfängt nicht. Eine Behörde ist verpflichtet, einen Geschehensablauf wahrheitsgetreu und vollständig zu dokumentieren, was als Grundlage für die kontinuierliche Wahrnehmung der Rechts- und Fachaufsicht gilt und für die parlamentarische Kontrolle des Verwaltungshandelns. Vgl. BVerwG Beschluss vom 16.3.1 988- 1 B 1 53/87, juris, Rn. 11 Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es im IFG gerade nicht auf den Zugang zu Akten an, sondern zu amtlichen Informationen. Dabei ist die Amtlichkeit weit zu verstehen, aufgrund des Gesetzeszwecks des IFG, ausgenommen sind davon nur Informationen, die ausschließlich und eindeutig privater Natur sind. ( Hervorhebung vom Verfasser) Schach, IFG, 2. Auflage, München 2016, § 2, Rn. 53 , 55. Weiter kommt es bei der Amtlichkeit einer Information nicht auf den Bezug zu einem konkre­ ten Verwaltungsvorgang an. VG Berlin Urteil vom 8.9.2009- 2 A 8/07, juris, Rn. 1 9; VG Regensburg Gerichtsbescheid vom 4.11 .201 4- RN 9 K 1 4/488, juris, Rn. 37. Das erkennende Gericht führt dazu aus:
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-5- "Amtlich sind solche Informationen, die in Erfüllung amtlicher Tätigkeit angefallen sind. Dabei kommt es weder auf die Art der Verwaltungsaufgabe noch auf die Handlungs­ form der Verwaltung an. Unerheblich ist deshalb, ob die begehrten Informationen ho­ heitliches, schlicht-hoheitliches oder fiskalisches Behördenhandeln betreffen. Auch ein Bezug zu einem konkreten Verwaltungsvorgang ist nicht erforderlich." (Hervorhebung vom Verfasser] VG Berlin Urteil vom 26.6.2009- 2 A 62/08, juris, Rn. 24. Laut Hausordnung des BMI (unter 2.1, Anlage K 5) gilt als dienstliche Nutzung die aktive Kom­ munikation über die vom BMI betriebenen Profile und Accounts sowie jegliche Äußerung im Namen des BMI in sozialen Medien. Außerdem betreibt das BMI den Twitter-Kanal, um unter anderem Ziele der Öffentlichkeitsarbeit zu erreichen. Auch lässt das BMI auf seinen sozialen Kanälen Kommentare und Direktnachrichten von Nutzern zu. Beweis: Schreiben des BMI auf FragDenStaat vom 5. April 20 1 8, Anlage K 6 Zudem nutzt die Beklagte, entgegen ihrer Aussage, Direktnachrichten für Verwaltungshan­ deln. Beweis: Twitterverlauf, Anlage K 7 Die Beklagte artikuliert die Auffassung, dass der soziale und technische Wandel ihr "informelle Kommunikationswege" eröffne, auf der .. keine rechtlich verbindliche Kommunikation geführt werde" (Widerspruchsbescheid, dort unter Ziff. 2.). Dabei verkennt die Beklagte, dass es ihr verwehrt ist, darüber zu bestimmen, wann ein Kommunikationsweg .. formell" oder "informell" ist bzw. wann eine Kommunikation "rechtlich verbindlich" ist und wann nicht. Es gibt für eine rechtsstaatlich verfasste Behörde keinen "informellen" Kommunikationsweg. Jedes staatliche Handeln ist Handeln unter dem Diktat und der Vorgabe des Rechts - auch Twitter­ Nachrichten oder SMS. Verweigert die Beklagte konsequent und pauschal die Einsicht in Direktnachrichten, führte das zu einer Aushebelung der Kontrolle der Verwaltung. Es bestünde die Gefahr einer Flucht in die "Privat"- Direktnachricht um relevante Inhalte vor Außenstehenden zu verbergen. Dies widerspricht schon den rechtsstaatliehen Grundsätzen einer Verwaltungsführung aus Art. 41 GRCh, des Weiteren dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG, dem Transparenzgebot des § 2 RegR und ebenso der Kontrolle der Verwaltung durch die Öffentlichkeit. ln einer de­ mokratischen Informationsgesellschaft ist es eine Voraussetzung, dass die Verwaltung trans­ parent und nachvollziehbar handelt. Eine der Zielsetzungen des Gesetzgebers mit dem IFG ist, dass dieses vor allem der demokratischen Meinungs- und Willensbildung dienen solle. "Der Zugang zur Information und die Transparenz behördlicher Entscheidungen ist eine wichtige Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten. Dies gilt angesichts der wachsenden Informationsmacht des Staates heute mehr denn je. Le-
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6 - - bendige Demokratie verfangt, dass die Bürger die Aktivitäten des Staates kritisch be­ gleiten, sich mit ihnen auseinandersetzen und versuchen, auf sie Einfluss zu nehmen." BT-Drs. 15/4493 , 6 Damit dies eingehalten werden kann, dürfen behördeninterne Direktnachrichten via Twitter nicht pauschal vom Zugang ausgeschlossen werden. Daher sind Direktnachrichten als amtli­ che Information einzustufen. d) Keine Entwürfe und Notizen, § 2 Nr. 1 S. 2 IFG Entwürfe in diesem Sinne sind vorläufige Gedankenskizzen, die nach der Vorstellung des Ver­ fassers noch weiter bearbeitet werden sollen und deshalb noch nicht als Beleg für seine Auf­ fassung oder eine von ihm angestrebte Entscheidung verstanden werden können. Notizen in diesem Sinne sind zur Stützung des Gedächtnisses gefertigte Aufzeichnungen, die allein Zwe­ cken des Verfassers dienen, etwa zur Vorbereitung später zu fertigender Vermerke, Stellung­ nahmen, Entscheidungen oder Berichte. Verlässt ein Schreiben ein Referat oder Dezernat, liegt eine endgültige Festlegung des Behördenwillens zumeist bereits vor. OVG NRW Beschluss vom 7. 1.2015- 1 B 1260/14, juris, Rn. 26 Eine bereits verschickte Direktnachricht kann nicht mehr weiter bearbeitet werden, womit kein Entwurf vorliegt. Sie kann durch das Versenden auch nicht mehr dem alleinigen Zweck des Verfassers zur Vorbereitung dienen und ist somit auch keine Notiz. Denn mit einer bereits verschickten Direktnachricht liegt eine endgültige Festlegung auf den Inhalt vor. e) Keine Ausschlussgründe nach § 3 IFG Ein Ausschlussgrund gemäß § 3 Nr. 7 IFG besteht nicht, da sich der Kläger im Schreiben vom 20. Mai 2018 damit einverstanden erklärte, personenbezogene Daten zu schwärzen, soweit erforderlich (bv Anlage K 1 ) . Andere Ausschlussgründe nach § 3 IFG wurden von der Beklagten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Damit hat der Kläger einen Anspruch auf die streitgegenständlichen Informationen aus § Abs. 1 IFG. 2. Anspruch aus§ 3 Abs. 1 UIG Der Kläger hat einen Anspruch aus § 3 Abs. 1 UIG auf die streitgegenständlichen Informatio­ nen.
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-7- Nach § 3 Abs. 1 S. 1 UIG hat jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationsp flichtige Stelle im Sinne des § 2 Absatz 1 verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen Andere Ansprüche auf Zugang zu Informationen bleiben davon unberührt, § 3 Abs. 1 S. 2 UIG. a) Anspruchsberechtigter Der Kläger ist als natürliche Person "jede Person" im Sinne der Norm. b) Anspruchsverpflichtete Anspruchsverpflichtet sind die Regierung und andere Stellen der öffentlichen Verwaltung, § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UIG. Die Beklagte ist als eine Stelle der öffentlichen Verwaltung (Bundesbe­ hörde) eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UIG. c) Umweltinformationen Umweltinformationen sind in § 2 Abs. 3 UIG legaldefiniert. Der Kläger beantragt nur Zugang zu Informationen nach § 3 Abs. 1 UIG, die Umweltinformationen betreffen. d) Ausschlussgründe Ausschlussgründe nach § 8 UIG sind von der Beklagten weder geltend gemacht, noch sind sie ersichtlich. Als Ausschlussgrund käme höchstens § 9 Abs. 1 Nr. 1 UIG in Frage. Da der Kläger aber schon in die Schwärzung personenbezogener Daten eingewilligt hat (bv Anlage K 1), ist dieser Ausschlussgrund aber nicht einschlägig. Damit liegen keine Ausschlussgründe nach § § 8, 9 UIG vor. Somit hat der Kläger auch einen Anspruch auf die streitgegenständlichen Direktnachrichten, sofern sie Umweltinformationen enthalten, aus § 3 Abs. 1 UIG. 3. Anspruch aus§ 2 VIG Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Informationszugang nach § 2 VIG.
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-8- Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu allen Da­ ten über Informationen (Nr. 1 - 7), die bei einer Stelle im Sinne des Absatzes 2 unabhängig von der Art ihrer Speicherung vorhanden sind. a) Anspruchsberechtigter Der Kläger ist jeder im Sinne des § 2 VIG. b) Anspruchsverpflichtete Die Beklagte ist eine auskunftsp flichtige Stelle im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 a) . c) Verbraucherinformationen Der Kläger beantragt nach § 2 VIG nur Zugang zu Verbraucherinformationen, die von § 1 Nr. 1 und 2 VIG um fasst sind. d) Ausschlussgründe Ausschlussgründe sind weder dargetan noch ersichtlich. Auch § 3 Nr. 2 a) ist nicht einschlä­ gig, da der Kläger einer Schwärzung der personenbezogenen Daten (bv Anlage K 1) zuge­ stimmt hat. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Zugang zu Direktnachrichten, die Verbraucherinfor­ mationen enthalten aus § 2 VIG. 4. Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG Die Klägerin hat auch einen Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG. Die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG schützt nach der herrschenden Ansicht den Zugang zu allgemein zugänglichen lnformationsquellen. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle dann, wenn sie geeignet und bestimmt sei, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. BVerfGE 27, 71 (83): 33, 52 (65); 47, 246 (252): 90, 27 (32); 103, 44 (60); Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 59a; v.d. Decken, in: Schmidt-8/eibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 5, Rn. 15. Das Grundrecht gewährleiste grundsätzlich nur das Recht, sich ungehindert aus einer solchen für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten. Fehle es an dieser Be­ stimmung, sei die Informationsbeschaffung nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt. Dementsprechend umfasse das Grundrecht einen gegen den Staat gerichtetes Recht auf Informationszugang dann, wenn eine im staatlichen Verantwortungsbereich lie­ gende Informationsquelle auf Grund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit
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-9- bestimmt sei. Lege der Gesetzgeber die grundsätzliche Zugänglichkeit von staatlichen Vor­ gängen und damit zugleich deren Öffnung als Informationsquelle fest, werde in diesem Um­ fang auch der Schutzbereich der Informationsfreiheit eröffnet; dieser sei mithin normgeprägt. VGH Rheinfond-Pfalz Beschluss vom 27.10.2017- VGH B 37 I16, juris, Rn. 13. Dieses dogmatische Argument überzeugt aber spätestens mit dem Urteil des BVerwG vom 20.2.2013 nicht mehr. Dieses hatte bei einer Presseanfrage nach der Weiterbeschäftigung von NS-Eiiten beim BND nach Ablehnung des bis dahin fünfzig Jahre lang geltenden Iandesrecht­ Iichen Presseauskunftsrechts gegen Bundesbehörden überraschend einen verfassungsunmit­ telbaren Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 GG abgeleitet und damit das Dogma der Ver­ neinung jeglichen Leistungsanspruchs aus Art. 5 beendet. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013- 6 A 2/12, NVwZ 20013, 1006 ff. Nazis beim BND. Mit der Einführung der Informationsfreiheitsgesetze (wie IFG, VIG und UIG) wird außerdem der Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung nicht nur gesetzlich gewährleistet, son­ dern auch vom Grundrecht der in Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG normierten Informationsfreiheit umfasst. Der Gesetzgeber übe sein Bestimmungsrecht aus und aktiviere damit das Grund­ recht der Informationsfreiheit. Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht S. 21 5. Damit ist auch der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG für die durch die Informations­ freiheitsgesetze eröffneten Unterlagen eröffnet. Der Kläger hat somit auch einen Anspruch auf Informationszugang aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG. 5. Anspruch aus Art. 10 EMRK Der Kläger hat auch einen Anspruch aus Art. 10 EMRK: Der EGMR hat Art. 10 EMRK zu einem Leistungsanspruch auf Information entwickelt. Der EGMR hat ein Recht auf Zugang für die Presse und NGOs, wie auch für Einzelpersonen, die diese Information an Dritte weitergeben wollen, festgestellt. EGMR Urteil vom 8.11 .2016 RS 1 8030/11 - Magyar He/sinki Bizottsag gegen Ungarn, Rn. I 56 Der EGMR bejaht also gerade für die Gruppe von Antragstellern einen lnformationszugangs­ anspruch, denen die herkömmliche Ansicht, weil sie nur "agitieren" wollen, Lepper, Die staatlichen Archive und ihre Benutzung, DVB/ 1 963, 31 5 (31 9), den Zugang verweigern wollte. Denn gerade diese Personen üben nach Ansicht des EGMR eine für die Demokratie wesentliche Rolle als "pub/ic watchdog" aus. Der EGMR unterscheidet seit seinem Urteil von April 2010 bei der Anwendung von Art. 10 EMRK nicht mehr zwischen Journalisten oder Privatpersonen. Entscheidend sei vielmehr, ob eine
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-10- Angelegenheit von öffentlichem Interesse betroffen ist und dass die Mitteilung nicht unter einem Pseudonym veröffentlicht wird. EGMR, Urt. v. 22. April 2010- 40984!07 Rosarote Panther v Tschechien Mit der Entscheidung Magyar Helsinki v. Hungary aus 2016 hat der EGMR Art. 10 EMRK als An­ spruchsgrundlage eines Informationszugangsanspruchs bestätigt. EGMR Urteil vom 8. 11.2016 - RS 18030/11 Magyar Helsinki v. Hungary, Rn. 156 , AfP 2017, 139, (140). Dies setze allein voraus, dass mit dem Informationsersuchen verbunden sei, journalistisch oder durch Beiträge zur öffentlichen Willensbildung tätig werden zu wollen. Die Rolle des Antrag­ stellers als "watch dog" sei entscheidend und die Information müsse zugänglich und verfüg­ bar sein. Damit erkennt der EGMR Art. 10 Abs. 1 S. 2 EMRK als Leistungsrecht des Bürgers auf Zugang zu Informationen gegenüber dem Staat an, wenn die erlangte Information zum Zweck der Meinungsbildung veröffentlicht wird. EGMR Urteil vom 8. 11.2016- RS 18030/11 Magyar Helsinki v. Hungary, Rn. 156 , AfP 2017, 139, (140). Der Kläger arbeitet als freier Journalist und für die Open Knowledge Foundation e. V. Er möchte die streitgegenständlichen Informationen zum Zwecke der Meinungsbildung der Öf­ fentlichkeit zugänglich machen. Er ist damit als "watch-dog" zu sehen. Die Informationen liegen der beklagten auch vor, da sie bei ihr entstanden sind und damit .. ready and availab­ le". Das Anliegen des Klägers besteht in der Transparenz der Verwaltung, offenen Daten und offenem Wissen, woran auch die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse hat. Somit hat der Kläger auch einen Anspruch aus Art. 10 EMRK. Rein vorsorglich weisen wir darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entschei­ dung vom 30. Juni 2015 ausgeführt hat, dass es eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar­ stellt, wenn ein Gericht sich in den Entscheidungsgründen nicht mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und Art. 10 EMRK auseinandersetzt, obwohl hierzu vorgetragen worden ist. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 30. Juni 2015 - 2 BvR 433/15, juris, Rn. 9-10. Wir rügen bereits jetzt die Verletzung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG und Art. 10 EMRK. -- L Rechtsanwalt
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